Protocol of the Session on March 14, 2019

Deswegen sollte man doch genau prüfen – und deshalb tut sich wahrscheinlich auch die KMK so schwer damit, wenn ich das sagen darf, da ist die Bildungsministerin ja gerade –, ob man eine akademische Ausbildung entwickelt. Das Berufsfeld wird immer komplexer und erfordert damit auch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Diese Anforderungen müssen natürlich dann auch ihren Niederschlag in der Ausbildung finden und die Hebammen und Geburtshelfer mit Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in ihrem Alltag und hier und jetzt gerüstet werden. Dieses Thema des lebenslangen Lernens zieht sich durch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durch, und dass natürlich heute schon die Hebammen an den Hochschulen weitergebildet und qualifiziert werden, sei da auch mit angesprochen.

Wir haben uns im Koalitionsvertrag im Übrigen dazu verpflichtet, die duale Ausbildung zu stärken. Das soll nicht als Dogma verstanden werden, um diesen Antrag abzulehnen, sondern ist Sache des Prinzips, denn es stellt sich natürlich schon die Frage: Werden Hebammen automatisch besser, nur, weil sie studiert haben, oder/und gibt es überhaupt einen Anlass, an ihrer Fachkompetenz zu zweifeln?

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Vincent Kokert, CDU)

Das, glaube ich, habe ich deutlich gemacht: Ich zweifle daran nicht.

Aus unserer Sicht liegt der Ball im Feld des Bundes. Das haben Sie selbst ja auch angedeutet. Von dort aus müsste jetzt eigentlich endlich mal, wenn man denn will, ein neues Bundesgesetz kommen. Aber es ist derzeit – das geht ja auch aus den Anfragen hervor, die Sie eben gebracht haben – vollkommen klar: Es liegt zurzeit kein Entwurf vor.

Insofern ist auch noch mal aus dem Bildungsministerium zu den Änderungsanträgen dokumentiert worden, dass

sie unschädlich sind. Auf der einen Seite aber zu glauben, dass nur, wenn wir die Ausbildung an die Hochschulen verschieben, damit das Problem gelöst ist, ist aus unserer Sicht und aus der Sicht des Bildungsministeriums das noch nicht gelöst. Außerdem liegt das Bundesgesetz noch nicht vor. Insofern bitte ich um Verständnis und hoffe, Sie können nachvollziehen, was die Bildungsministerin Ihnen mitteilen wollte. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Dr. Jess.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste!

Vor allen Dingen lieber Herr Heydorn! Ich freue mich außerordentlich, dass Sie nach längerer Abwesenheit extra zu meiner Rede wiedergekommen sind, und ich darf Ihnen versichern, auch diese wird wieder etwas akademisch sein. Ich muss Ihnen sagen, ich bin lieber akademisch als banal frech, wie wir das manchmal von Ihnen so gewohnt sind.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Das war jetzt sehr inhaltsreich.)

Aber zurück zum Thema.

Also, Herr Dr. Jess, ich muss Sie jetzt mal kurz unterbrechen.

Ich habe immer darum gebeten oder auch darauf Wert gelegt, dass hier Leute nicht persönlich angegriffen werden. Wenn es da irgendetwas gibt, was Sie mit Herrn Heydorn ausmachen wollen, dann tun Sie das bitte draußen oder im bilateralen Gespräch! Aber hier im Rahmen einer Debatte persönliche Angriffe auf einen Abgeordneten zu starten, das ist nicht zulässig. Ich weise das als unparlamentarisch zurück und verweise darauf, dass ich das im Wiederholungsfalle auch ahnden würde.

(Horst Förster, AfD: Er hat es auch verdient. – Peter Ritter, DIE LINKE: Dann gilt das aber auch für alle.)

Wir befassen uns heute mit dem Antrag der Freien Wähler …

Es tut mir leid, Herr Dr. Jess, ich muss noch mal unterbrechen.

Herr Förster – ich habe gerade überlegt, wie ich die Stimme identifiziere –, meine Kommentare oder meine Anmerkungen hier sind nicht zu kommentieren. Ich weise noch mal darauf hin. Wir sind jetzt hier am Anfang der Rede und ich möchte nicht mit Ordnungsmaßnahmen agieren müssen, aber es war das erste und letzte Mal, dass ich das heute ungestraft vor sich gehen lasse.

Jetzt können Sie fortfahren, Herr Dr. Jess.

Jetzt haben Sie aber viel von meiner Zeit genommen. Sie müssten wieder zurückstellen.

Wir befassen uns heute mit dem Antrag der Freien Wähler/BMV, die Ausbildung der Hebammen und Geburtshelfer zu einem verpflichtenden Hochschulstudium zu machen, und zwar, ich zitiere, „schnellstmöglich“.

Ich sage es gleich vorneweg: Eine Überweisung in die zuständigen Ausschüsse unterstützen wir gern, um offene Fragen klären zu können. Dem Antrag selbst können wir bei einer sofortigen Abstimmung nicht zustimmen.

Ich möchte bei meinen jetzigen Ausführungen auf die verschiedenen Aspekte des Für und Wider einer Akademisierung der Hebammen- und Geburtshelferausbildung eingehen. Weiterhin werde ich nur von Hebammen reden, aus sprachtechnischen Gründen.

Zunächst, was ist die Ausgangslage? Die bisherige Hebammenausbildung in Mecklenburg-Vorpommern dauert drei Jahre, in der Regel nach vorangegangenem Abitur. In unserem Bundesland erfolgt die Ausbildung an der Beruflichen Schule „Alexander Schmorell“ in Rostock. Die Ausbildung umfasst 4.600 Stunden, wovon etwa ein Drittel Theorie und zwei Drittel praktische Ausbildung sind. Ausgebildete Hebammen sind entweder freischaffend oder angestellt an Krankenhäusern tätig. Der durchschnittliche Bruttoverdienst liegt nach der „Schweriner Volkszeitung“ bei circa 2.300 Euro. Allein die Berufshaftpflichtversicherung der freischaffenden Hebammen beträgt bis zu 7.000 Euro pro Jahr, was eine erhebliche Belastung darstellt. Diese Problematik wurde in den Vorjahren bereits diskutiert, aber nicht wirklich gelöst.

Wenn wir jetzt über die Einführung einer akademischen Hebammenausbildung debattieren, dann sollte zuallererst darüber gesprochen werden, warum. Herr Minister hat es schon in verschiedener Weise ausgeführt. Ich würde das gern noch etwas ergänzen.

Welche reale Mangelsituation bei der Hebammenausbildung ist so, dass sie nur durch die Akademisierung der Ausbildung behoben werden kann? Oder ist es vielleicht einfach der Wunsch der Hebammen zur Berufsprofilierung, das heißt eigentlich das Bemühen um die gleiche berufliche Augenhöhe im Vergleich zu anderen akademischen Berufen im Gesundheitswesen? Ich persönlich denke, dass Letzteres der Fall ist, zumal sich die Vertreter des Hebammenverbandes vehement für eine Akademisierung aussprechen. Über eine echte Mangelsituation bei der derzeitigen Hebammenausbildung wurde meines Erachtens noch nie berichtet, ganz im Gegenteil. Die duale Ausbildung in Deutschland wurde in der Vergangenheit im Ausland des Öfteren lobend hervorgehoben. Wenn dem so ist, dann muss die Frage erlaubt sein, welche Vor- und Nachteile sich aus einer derartigen Neuorientierung der Ausbildung ergeben, ob die Akademisierung wirklich eine effiziente Lösung ist.

Meine Damen und Herren, es gibt offenbar, insbesondere im Gesundheitswesen, einen Trend zur Akademisierung der Gesundheitsberufe. Das betrifft derzeit den Pflegebereich und eben die heute debattierte Hebammenausbildung. Segregation und Spezialisierung neuer akademischer Fachbereiche gibt es, seit es Universitäten gibt. Von den ursprünglich vier klassischen Fakultäten der Universitäten haben insbesondere Philologie und Medizin breite Auffächerung erfahren. Voraussetzung einer solcher Spezialisierung ist immer die sich herausbildende Eigenständigkeit des neuen Faches in Wissenschaft und Lehre gewesen.

Betrachten wir nun einmal verschiedene Argumente für und wider einer Akademisierung der Hebammenausbildung:

Erstens. Bemerkungen zur Abgrenzungsproblematik der ärztlichen Geburtshilfe

Wird die Hebammenausbildung akademisiert, so stellt sich die Frage, inwieweit es dann eine Überschneidung mit der Geburtshilfe im Studium der Medizin gibt. Ist es wirklich sinnvoll, eine Professur für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Medizin zu haben und daneben eine Professur Geburtshilfe, ehemals Hebammenausbildung, zu entwickeln, die beide den Anspruch auf Lehre und Forschung wahrnehmen? Wo wird die Abgrenzung liegen? Wird durch die neue Eigenständigkeit des Faches Geburtshilfe die Entwicklung des Faches mehr befördert als im Bereich der Medizinerausbildung?

Die Forderung nach der Akademisierung der Hebammenausbildung muss eine Antwort auf derartige Fragen geben können. Diese Antworten sollten aber nicht Politiker, sondern die betroffenen Fachvertreter aus der Medizin und der Geburtshilfe und die Hebammen geben. Ich bin nicht überzeugt, dass die Politik voreilig und hastig eine solche fachliche Bewertung vornehmen sollte und kann.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Zweitens. Bemerkungen zur geltendem EU-Rechtssetzung

In der Begründung des Beschlussantrages wird ausgeführt, dass die EU-Richtlinie 2013/55 die Pflicht begründen würde, bis zum 18.01.2020 die Hebammenausbildung in ein Hochschulstudium umzuwandeln. Der Minister ist auch schon darauf eingegangen, dass das gar nicht geklärt ist, dass es dann wirklich eine Hochschule sein muss. Tatsächlich ist nämlich von einer Hochschulausbildung in dieser EU-Richtlinie überhaupt keine Rede.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Hört, hört!)

Die 2013 erschienene EU-Richtlinie auferlegt den Mitgliedsstaaten, bis zum genannten Termin als Voraussetzung für die Hebammenausbildung den, ich zitiere, „Abschluss einer mindestens zwölfjährigen allgemeinen Schulausbildung“, Zitatende, festzulegen. Dass diese Ausbildung dann an einer Hochschule erfolgen solle, ist also lediglich eine deutsche Schlussfolgerung. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung folgt offenbar dieser Interpretation und sieht die Akademisierung der Hebammenausbildung vor.

Wir als AfD sagen, dass in Deutschland die zuständigen Gremien, ähnlich wie bei der Behindertenrechtskonvention, wieder einmal eine Interpretation im Sinne einer Übererfüllung der EU-Richtlinien vorgenommen haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der Deutsche Hebammenverband argumentiert in analoger Weise, es sei nicht zulässig, für einen Beruf das Abitur vorauszusetzen, die Ausbildung aber an einer Berufsschule anzubieten, die eigentlich auch bei Mittlerer Reife zugänglich sein müsste. Absolventen eines mittleren Schulabschlusses würden somit ohne inhaltlichen

Grund von dieser Berufsausbildung ausgeschlossen werden. Mithin werde damit gegen Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes verstoßen, welcher die freie Berufswahl garantiere. Die Lösung dieses Widerspruchs wird in der Akademisierung der Ausbildung der Hebammen gesehen. Diese Argumentation ist in folgenden Punkten nicht korrekt:

Erstens. Eine Hebammenschule gehört zur Schulart der höheren Berufsfachschule, ist also keine einfache Berufsschule.

Zweitens. Einen inhaltlichen Grund für eine längere Schulausbildung nennt die EU-Richtlinie durchaus in ihrer Einleitung, ich zitiere: „Um Hebammen darauf vorzubereiten, den komplexen Bedürfnissen bei der Gesundheitsfürsorge im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten zu genügen, sollten die Hebammenschülerinnen und -schüler über den Hintergrund einer soliden Allgemeinbildung verfügen, bevor sie mit der Hebammenausbildung beginnen.“ Zitatende. Ich glaube, der Minister hatte es auch schon ähnlich zitiert.

Es geht also in der Richtlinie um Allgemeinbildung, nicht um Hochschulreife. Als Voraussetzung für die Hebammenausbildung nennt die Richtlinie nicht nur den Abschluss einer mindestens zwölfjährigen allgemeinen Schulausbildung, sondern alternativ dazu das Bestehen einer Aufnahmeprüfung von gleichwertigem Niveau oder eine abgeschlossene Ausbildung als Krankenschwester beziehungsweise Krankenpfleger. Krankenschwestern mit einjähriger Berufserfahrung können danach sogar in 18 Monaten zur Hebamme ausgebildet werden. Das klingt wahrlich nicht nach Hochschulstudium. Unklar ist auch, was unter Abschluss einer zwölfjährigen Schulausbildung zu verstehen ist. Da von Hochschulreife in der Richtlinie nicht explizit die Rede ist, ist unter Abschluss das Abitur oder lediglich das Beenden der 12. Klasse gemeint. In manchen Bundesländern gibt es ja das Abitur erst nach 13 Jahren.

Einige Bemerkungen zur Position, dass Deutschland Außenseiter bei der Hebammenausbildung sei: Deutschland soll das einzige EU-Land sein, in dem die Hebammenausbildung nicht auf akademischen Niveau stattfindet. Damit wären deutsche Hebammen benachteiligt, wenn sie im Ausland arbeiten wollten.

Bisher sah das Deutsche Hebammengesetz in Paragraf 6 Absatz 1 vor, dass die Ausbildung der Hebammen an staatlich anerkannten Hebammenschulen in Verbindung mit praktischer Ausbildung an Krankenhäusern zu erfolgen habe. 2009 erhielt dieser Paragraf einen Zusatz. Die Absätze 3 bis 5 ermöglichten nun auch modellhafte Ausbildungsangebote an Hochschulen. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe solcher Studiengänge in mehreren Bundesländern, jedoch noch nicht in M-V.

Bemerkenswert an dieser Argumentation ist, dass es dabei gar nicht um Inhalte geht. Schaut man genauer hin, dann zeigt sich, dass die deutsche duale Ausbildung in manchen Berufen der Bachelorausbildung in anderen Staaten entspricht. Ja, das Ausland beneidet uns um unsere gut ausgebauten dualen Ausbildungsgänge.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Darauf hat der Minister auch schon hingewiesen.

Die EU-Richtlinie spricht ebenfalls von mindestens 4.600 Stunden Ausbildung, wovon aber im Unterschied zu Deutschland nur mindestens ein Drittel praktische Ausbildung sein soll. Dies würde eine Halbierung des praktischen Teils der Hebammenausbildung in Deutschland bedeuten und damit eine erhebliche Verschlechterung dieser stark praxisbezogenen Ausbildung darstellen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Hört, hört!)