Für die Landesregierung hat zunächst ums Wort gebeten der Minister für Inneres und Europa. Bitte, Herr Caffier.
weil schneller, als wir das jetzt gemeinsam mit den regierungstragenden Fraktionen gemacht haben – Entscheidungen, die getroffen worden sind, und die Möglichkeit einzuräumen, dass wir zu den Kommunalwahlen das noch eröffnen –, geht es nun weiß Gott nicht!
(Torsten Koplin, DIE LINKE: Die Verärgerung ist ganz meinerseits! NRW und Schleswig-Holstein haben schon.)
Vier Länder haben das in Deutschland auch gemacht, die hatten aber vorher Landtagssitzung. Da hätten Sie eine Sondersitzung beantragen müssen, dann hätten wir das vielleicht machen können.
Sie müssen doch ehrlich miteinander umgehen, und wenn wir über Verwaltung immer schimpfen, dann muss
man auch mal zur Kenntnis nehmen, dass Verwaltung vieles möglich macht. Das sollte man durchaus auch mal sagen dürfen an dieser Stelle.
Insofern bin ich erstens froh, dass das Parlament dies auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ich sage Ihnen allen aber gleich voraus, Sie können auch eine Anhörung beantragen. Dann beschweren Sie sich aber bitte nicht, wenn wir nicht die Möglichkeit einräumen, dass zumindest zur Kommunalwahl die Bürgerinnen und Bürger des Landes teilnehmen können! Zur Europawahl schaffen wir es sowieso nicht, weil der Bund nicht in der Lage war, das Bundesrecht anzupassen, und für die Europawahl ist nun mal der Bund zuständig. Deswegen werbe ich sehr dafür, dass wir zügige Beratungen machen zu diesem Thema, um dann zu den Kommunalwahlen auch die Möglichkeit im Land einzuräumen, diese Wahlen dementsprechend realisieren zu können.
Es handelt sich nun mal um den am schnellsten erstellten Gesetzentwurf, der zumindest in meiner langjährigen Zeit in der Landespolitik vorgekommen ist. Das Thema haben wir am Dienstag im Kabinett noch mal behandelt und dann die Regierungsfraktionen dementsprechend gebeten, dass es trotzdem bis 12.00 Uhr am darauffolgenden Tag dem Parlamentssekretariat zugeleitet wird.
Ich denke, man kann durchaus mal erwähnen, immer, wenn man nur die wenig praxisnahe Behauptung zu hören bekommt, was in der Verwaltung angeblich alles nicht läuft, es gibt auch durchaus einige Dinge, wenn der Wille der Parlamentarier und der Verwaltung da ist, die schnell auf den Weg gebracht werden.
Und nein, hier handelt es sich nicht um einen selbst verschuldeten Schnellschuss der Landesregierung oder der Regierungsfraktionen, sondern es gab immerhin – bisher jedenfalls – die gut begründete Auffassung, dass die Regelung für diesen Betroffenenkreis für verbundene Wahlen auch einheitlich sein sollte. Nun haben wir Landes-, also sprich Kommunalwahlen, und europaweite Wahlen an einem Tag und deswegen war bisher die Auffassung, wenn es geregelt wird, soll es einheitlich geregelt werden.
Zwischenzeitlich hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung getroffen. Fraglich ist, wieso der Bund dieses Thema bislang nicht angegangen ist, und sind auch, was hier heute ausgeführt worden ist, Informationen, die wir den Medien entnommen haben. Das Bundesinnenministerium hat sich jedenfalls noch nicht dazu geäußert bis zur jetzigen Stunde, sodass ich nur von der Aussage ausgehen kann, dass man das im Sommer auf den Weg bringen wird.
Klar ist aber, dass mit der Karlsruher Entscheidung Eile geboten ist. Das ist vollkommen außer Zweifel. Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Vorschriften des Wahl
gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Davon ist eine, nämlich der Wahlrechtsausschluss für Betreute, auch im Landes- und Kommunalwahlgesetz zu finden.
Auch, wenn das Gericht hierzu nicht explizit entschieden hat, finden sich gleiche Vorschriften auch im Europawahlgesetz des Bundes. Mit Blick auf die anstehenden Kommunalwahlen ist es deshalb notwendig, dass wir zügig handeln und auch die Zeiträume noch gewährleisten können, um die dementsprechenden Wahlvoraussetzungen, Wahlzettel und Wahlbenachrichtigungen für die Betroffenen ausreichen zu können. Deswegen wäre ich auch sehr dankbar für eine zügige Beratung.
Dem Auftrag der beiden Anträge kommen wir nach, indem wir deshalb mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den Wahlrechtsausschluss ersatzlos streichen. Natürlich wollen wir nicht mit verfassungsrechtswidrigen Regelungen in die anstehenden Wahlen im Mai gehen. Deshalb ist der Gesetzentwurf – so, wie ich meine, wie die Fraktionen meinen – alternativlos.
Ich weise allerdings darauf hin, dass nach den anstehenden Wahlen voraussichtlich eine Neuregelung des Bundes in das Landes- und Kommunalwahlgesetz zu übernehmen ist. Darauf weise ich heute schon hin, damit man nachher nicht die Diskussion führt, dass der Bund erst später diese Gesetzesänderung vornehmen dürfte.
Dazu müsste sich aber der Bundestag entschließen, den Wahlrechtsausschluss für Betreute verfassungskonform zu regeln, denn es wird immer auch Personen geben, die ihre Wahlpräferenz nicht mehr ausdrücken können. Deswegen, weiß ich, können wir das nicht als Land entscheiden, das muss dann schon bundeseinheitlich entschieden werden, wer möglicherweise nicht mehr an den Wahlen teilnehmen darf, weil die Wahlpräferenz dafür nicht gegeben ist. Das kann nur eine bundeseinheitliche Regelung sein und wir sollten uns hüten, hier selbst etwas zu entwerfen, was nachher vom nächsten Verfassungsgericht eingesammelt wird. Es muss in Mecklenburg-Vorpommern genauso gelten wie in SchleswigHolstein oder Baden-Württemberg oder Bayern.
Bisher haben im Übrigen – es klang ja schon mehrmals an – die Länder Bremen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen unabhängig vom Bund diesen Passus gestrichen. Darüber hinaus befinden sich Bremen, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Reinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit einer verbundenen Europa- und Kommunalwahl im Mai in einer ähnlichen Situation wie wir in Mecklenburg-Vorpommern, ohne dass ich weiß, wie die einzelnen Länder darauf reagieren werden.
Meine Damen und Herren, den Anliegen der Anträge der BMV und der LINKEN muss die Landesregierung – zumindest in großen Teilen – deshalb nicht mehr nachkommen, weil dementsprechend mit dem Entwurf der Regierungsfraktionen genau dieser Passus schon eingebracht worden ist.
Zu Ziffer 1 des Antrages kann ich sagen, diese ist unschädlich, und ich glaube, es gibt nicht einen einzigen Abgeordneten in diesem Raum, der die UN-Menschenrechtskonvention infrage stellt. Wenn dies sozusagen das Bedürfnis ist, dann sehe ich da keine große Hürde, wenn es noch mal mit einfließt.
Zur Ziffer 2 möchte ich klarstellen, dass die Kommunen bereits jetzt nach Kräften Jahr für Jahr dafür sorgen, dass alle Wählerinnen und Wähler an der Wahl teilnehmen können, und dies ganz besonders auch dadurch, dass barrierefreie Wahlräume zur Verfügung gestellt werden. Wir hatten ja heute früh das Thema „Ländliche Räume“ durch die Kollegen der AfD-Fraktion und auch da ist deutlich geworden, dass man nicht jedes Dorf mit jedem Dorf vergleichen kann, nicht jede Voraussetzung mit jeder Voraussetzung. Jede Gemeinde in diesem Land bemüht sich bereits heute, dafür Sorge zu tragen, dass alle, die zur Wahl gehen wollen, auch ihre Wahlstimme dementsprechend abgeben können. Und wo dies einmal nicht möglich ist, wird den Wählern auf ihre Bitte hin im Einzelfall sicher geholfen, sei es durch das Ausweichen auf ein barrierefreies Wahllokal, sei es durch Fahrdienste oder eben auch durch die Ermöglichung der Briefwahl, die in vielen Fällen realisiert wird.
Insofern empfehle ich dem Parlament die Zustimmung zu dem Entwurf der Regierungsfraktionen. Ich bitte noch mal an der Stelle um zügige Beratung, um dann in der Tat die Kommunalwahlen dieses Landes auch für diesen Personenkreis zu ermöglichen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht um den Wahlrechtsausschluss für in allen Angelegenheiten Betreute, für sogenannte Vollbetreute. In der bisherigen Debatte ist da bereits eine Schieflage entstanden, als ob es ganz allgemein um die Benachteiligung von Behinderten schlechthin ginge und nur um einen Ausschluss von Betreuten. Es geht also wie gesagt um den Wahlausschluss von sogenannten Vollbetreuten.
Das Bundesverfassungsgericht hat die bestehende Regelung, die gleichermaßen für das Bundeswahlgesetz als auch für unser Landeswahlgesetz gilt, für verfassungswidrig erklärt, sodass die beanstandete Norm nichtig ist. Der Gesetzentwurf trägt dem Rechnung und beseitigt die bisherige Regelung. Dem ist nichts entgegenzusetzen, ob einem nun die Entscheidung passt oder nicht. Gleichwohl halte ich einige Anmerkungen für angebracht.
In seinem 44-seitigen Beschluss bestätigt das Verfassungsgericht den Trend seiner Rechtsprechung, dass die Entscheidungen immer länger und ausufernder, für den Normalbürger dafür umso schwerer verständlich und auch oft inhaltlich kaum noch nachvollziehbar sind. Allerdings sind die Entscheidungen des Verfassungsgerichts
Das Verfassungsgericht hat gerade in jüngster Zeit Entscheidungen getroffen, die den deutlichen Hauch einer ideologischen Befrachtung ausstrahlen und bis vor 10 oder 20 Jahren undenkbar gewesen wären.
Das Dogma der Unfehlbarkeit gilt für das Bundesverfassungsgericht nicht. In seinem Beschluss führt das Verfassungsgericht zunächst aus, dass es seit Bestehen der Bundesrepublik einschränkende Regelungen zum Wahlrecht gibt. Im vorliegenden Verfahren ging es um vollbetreute Personen und Straftäter, die wegen Schuldunfähigkeit in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht sind. Im Kommunalwahlgesetz M-V ist allerdings nur ein Wahlausschluss für Vollbetreute geregelt, nur insoweit besteht also ein Anpassungsbedarf.
Eine von der Bundesregierung im Jahr 2011 bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Auftrag gegebene Studie kam zu dem Ergebnis, dass die jetzt für verfassungswidrig erklärte Regelung verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Von einer Streichung der in Rede stehenden Bestimmung wurde ausdrücklich abgeraten, ebenso von einer außerhalb des Betreuungsrechts angesiedelten, eigenständigen Prüfung der Wahlfähigkeit.
Das Verfassungsgericht kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Es hält einen Wahlrechtsausschluss für möglich, wenn es an der erforderlichen Einsichts- und Handlungsfähigkeit, der nicht durch geeignete Existenzsysteme abgeholfen werden könne, fehle. Diese Einsichts- und Handlungsfähigkeit kann noch nicht durch einen Betreuer ersetzt werden, denn es handelt sich bei dem Wahlrecht um ein höchst persönliches Recht.
Das Verfassungsgericht sieht jedoch bei der bisherigen Regelung eine Ungleichbehandlung und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und gegen das Verbot einer Benachteiligung wegen einer Behinderung. Diese Ungleichbehandlung leitet das Gericht daraus ab, dass für den Wahlausschluss auf eine Vollbetreuung abgestellt wird, denn es gibt auch Fälle, wo von einer Betreuung bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen für eine Vollbetreuung abgesehen werden kann, weil dem Betreuten auf andere Weise geholfen werden kann, zum Beispiel aufgrund einer Vorsorgevollmacht. Da in so einem Fall aber das Wahlrecht erhalten bliebe, läge also eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Vollbetreuten vor.
Zum Verständnis: Nicht der Wahlausschluss als solcher ist das Problem, dieser ist grundsätzlich bei fehlender Wahlfähigkeit möglich und dann auch wohl geboten. Das war und bleibt auch so. Allein in der Typisierung der davon Betroffenen sieht das Verfassungsgericht eine gleichheitswidrige Regelung. Die fehlerhafte Typisierung der vom Wahlausschluss Betroffenen liegt also darin, dass allein auf die Vollbetreuung abgestellt wird, ohne dass die Gruppe der Vollbetreuungsbedürftigen, denen kein Betreuer bestellt wurde, dabei mitberücksichtigt wurde. Darin sieht das Verfassungsgericht eine Benachteiligung der Vollbetreuten.