Das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfes hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Reinhardt.
möchte ich es nicht versäumen, auf der Tribüne eine Besuchergruppe zu begrüßen, das sind Schülerinnen und Schüler der Kooperativen Gesamtschule Altentreptow. Herzlich willkommen!
Vielen Dank, sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor Ihnen liegt der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern. Wir alle wissen und wie auch in den Anträgen der LINKEN und der BMV ausgeführt ist, gibt es ein Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 29.01.2019, das besagt, dass der bisherige Ausschluss von Behinderten vom Wahlrecht – auch psychisch Kranken –, so, wie es zurzeit geregelt ist, verfassungswidrig ist. Das Urteil macht aber auch deutlich, dass es Ausschlussgründe geben könne, in denen es gerechtfertigt sei, eine Person vom Wahlrecht auszuschließen. Einer bleibt auch bestehen, nämlich, wenn man rechtskräftig verurteilt ist zu einem bestimmten Maß und einem das Wahlrecht aberkannt ist, bleibt dies natürlich weiterhin bestehen.
Was machen wir nun mit diesem Gesetzentwurf, damit er auch noch rechtzeitig zur Kommunalwahl in Kraft treten kann? Es haben alle schon bemerkt, dass wir ihn als Fraktionen einbringen, und es auch morgen, so er denn überwiesen wird, eine Sondersitzung des Innenausschusses geben muss, damit im April hier die Zweite Lesung stattfinden kann. Wir werden den entsprechenden Paragrafen bei uns für die Kommunalwahlen ersatzlos streichen. Um neue Tatbestände einzuführen, ist jetzt natürlich die Zeit nicht mehr gegeben, sodass auch diese Personengruppe, bei der das Bundesverfassungsgericht es angemahnt hat, zur Kommunalwahl berechtigt sein wird.
Es wird dann aber einen Unterschied geben. Ich weiß nicht, wer die Presselage heute verfolgt hat, auch der Bund ändert sein Wahlgesetz. Das ist maßgeblich für die Europawahl, dies tritt aber erst am 01.07. in Kraft. Das bedeutet, wir haben Kommunal- und Europawahlen zusammen, das heißt, dass die entsprechende Personengruppe, um die es hier heute geht, zwar zur Kommunalwahl wahlberechtigt sein wird, aber nicht für die Europawahl. Jetzt hätte man natürlich überlegen können: Wollen wir dann unser Gesetz nicht auch lieber verabschieden? Wir glauben, es ist trotzdem richtig, dass wir hier unserer verfassungsmäßigen Aufgabe nachkommen und dies für die Kommunalwahl ermöglichen. Das stellt uns aber vor das Problem, dass es dann auseinanderfällt, Bundes- und Landesrecht, und wir dieser Personengruppe es für die Wahl am 26. Mai nur für die Kommunalwahl ermöglichen können.
Ich glaube trotzdem – auch der Bürgerbeauftragte hat uns ja alle angeschrieben –, dass wir das so richtig ma
Zur Begründung des Antrages der Fraktion Freie Wähler/BMV hat jetzt das Wort die Abgeordnete Weißig.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ehrlich gesagt, ich hätte nicht gedacht, dass die Landesregierung nach einer Entscheidung eines Gerichts so schnell mit einer Gesetzesänderung aufwartet. Wir haben da …
(Torsten Renz, CDU: Nee, das sind die Landtagsfraktionen, nicht die Regierung! – Peter Ritter, DIE LINKE: So schnell ist die Regierung nicht.)
Wir haben da in der Vergangenheit meist eher eine vornehme Zurückhaltung erlebt, aber mit der Umsetzung der Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts sind ja auch keine Ausgaben verbunden. Gleichwohl greift der Entwurf des Gesetzes zu kurz und muss in den Ausschüssen dringend überarbeitet werden.
Zur Sache: Das Bundesverfassungsgericht erklärt mit seiner Entscheidung die Pauschalierung der Ausschlussgründe in Paragraf 13 Absatz 2 für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Sofern sich der Ausschluss vom Wahlrecht allein an dem äußeren Merkmal der Betreuerbestellung für alle Angelegenheiten orientiert, ist diese Typisierung aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichtes willkürlich. Sie verhindert die erforderliche Feststellung der Wahlfähigkeit in jedem Einzelfall, Randnummer 95 des Urteils. Es stellt mit seiner Entscheidung aber grundsätzlich heraus, dass Behinderte sehr wohl vom Wahlrecht ausgeschlossen werden können. Mit der vollständigen Streichung der Ziffer 2 in Paragraf 5 des Landeswahlgesetzes allein ist es also nicht gemacht, da scheut sich die Landesregierung offensichtlich vor der Arbeit und wartet wieder einmal auf Vorgaben des Bundesgesetzgebers. Das Bundeswahlgesetz, auf das sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bezieht, muss an diese Vorgaben angepasst werden. Aber wann das passieren wird, wissen wir nicht.
Allerdings können wir nicht schon wieder abwarten, was der Bund so macht. Wir müssen Föderalismus endlich ernstnehmen und als Vertreter des Souveräns auf Landesebene aktiv werden. Ich denke, dass ein Hinweis auf die anhaltende Untätigkeit auch der Bundesregierung im Falle des Wahlrechts für Menschen mit Behinderung deutlich macht, dass wir selbst tätig werden müssen, denn bereits seit 2016 liegt die Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor. Die
damalige Chefin ist Ministerin Andrea Nahles, SPD. Passiert ist bislang nichts, um nicht zu sagen, gar nichts.
Es bedurfte wieder erst einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, das sich im Übrigen sehr ausführlich mit den Aussagen dieses Gutachtens befasst. Da stellt sich die Frage, ob Frau Nahles oder irgendjemand sonst im Hause des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales das Gutachten überhaupt gelesen hat. Aber wahrscheinlich hätte dazu wieder ein Berater eingekauft werden müssen.
Dieses Gutachten jedenfalls ist prall gefüllt mit Handlungsempfehlungen für die Politik, demgemäß auch für uns in Mecklenburg-Vorpommern. Wir können in dieser wichtigen Frage der Landesverfassung nicht auf den Bundesgesetzgeber warten.
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Alle Menschen, die dazu in der Lage sind, müssen auch wählen dürfen. Die Barrierefreiheit für Behinderte auch bei Wahlen wird durch den technischen Fortschritt und vielfältige Assistenzmittel längst realisiert. Das Gutachten im Auftrage des Bundesministeriums kommt zu dem Schluss, dass Wahlrechtsausschlüsse nur auf einer richterlichen Entscheidung beruhen dürfen, die sich auch ausschließlich auf das Wahlrecht bezieht. Das ist nämlich bei der Bestellung eines Betreuers für alle Angelegenheiten nicht der Fall. Der damit verbundene Wahlrechtsausschluss war ein systemwidriger Automatismus. Die Prüfung der Wahlfähigkeit gehört eben nicht zum Verfahren der Betreuerbestellung.
Es wird mit Sicherheit auch immer Menschen geben, die trotz Assistenz zu einer eigenen Wahlentscheidung nicht in der Lage sind, weil ihre Beeinträchtigung zu schwer für eine freie Willensentscheidung ist. Ein Ausschluss vom Wahlrecht muss daher im Einzelfall zwingend durch richterlichen Beschluss festgestellt werden. Nur auf dieser Grundlage kann Betroffenen das grundlegende demokratische Recht der Wahl vorenthalten werden.
Die Voraussetzung für einen Wahlrechtsausschluss Behinderter hat das Bundesverfassungsgericht zudem klar und deutlich auf der Grundlage der Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderung umrissen: Beschluss eines Gerichts, das sich auf die Prüfung der Wahlfähigkeit bezieht, unter Vorlage eines erforderlichen zwingenden Sachgrundes. Die betroffenen Personen verfügen aufgrund ihrer Behinderung nicht im hinreichenden Maße über die Fähigkeit zur Teilnahme an demokratischen Kommunikationsprozessen. Worauf wollen wir noch warten? – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dem Redebeitrag von Herrn Abgeordneten Reinhardt für die Koalitionäre war so eine Form der Erleichterung spürbar. Nach dem Re
debeitrag, kurz und knackig, war die Frage, was es da zu machen gäbe – wir werden diesen Passus verändern und dann sind wir fertig mit dem Thema.
Das sieht die Fraktion DIE LINKE gänzlich anders. Wir haben einen Antrag gestellt, der aus drei Punkten besteht. Zum einen wollen wir klargestellt haben, dass die UN-Behindertenrechtskonvention, die mittlerweile mehr als zehn Jahre auch für uns normgebend ist, umgesetzt wird, dass wir barrierefreie Wahllokale zu den Kommunal- und Europawahlen haben am 26. Mai, dass es die Möglichkeit gibt durch entsprechende Maßgaben, die wir hier anmahnen, dass diejenigen, die nicht selbst in Wahllokale kommen können, dennoch ihre Stimme abgeben können, und wir wollen selbstverständlich die Änderung des Gesetzentwurfes.
Lassen Sie mich zur Begründung Folgendes sagen: Das Thema „Wahlrecht für Menschen mit Behinderung“ bewegt spätestens seit dem 29. Januar die Gemüter. Der Wahlausschluss für Menschen, die in allen Angelegenheiten und nicht nur durch eine einstweilige Anordnung betreut werden, wie schuldunfähige Straftäterinnen und Straftäter in psychiatrischen Einrichtungen, ist verfassungswidrig, wie hier schon zweifach betont wurde. Es ist eine wichtige und längst überfällige Entscheidung für die circa 81.000 Menschen bundesweit und mehr als 1.600 Personen in Mecklenburg-Vorpommern, die bislang aufgrund der pauschalen Regelungen kein Wahlrecht besitzen, denn der pauschale Ausschluss widerspricht der seit mehr als zehn Jahren geltenden UNBehindertenrechtskonvention. Gut, dass das mittlerweile klargestellt ist.
SPD, CDU und CSU hatten sich das Ziel des inklusiven Wahlrechts und die Abschaffung des Wahlrechtsausschlusses für Menschen mit einer Vollbetreuung in den aktuellen Koalitionsvertrag geschrieben. Es war also klar, dass hier gehandelt werden muss. Im Übrigen, andere Bundesländer haben schon gehandelt, da gebe ich Frau Weißig recht, die darauf verwiesen hat, dass es gelegentlich in unserem Land anders gehandhabt wird und man dann immer abwartet.
Eines muss jedoch auch den Abgeordneten von SPD und CDU im Land Mecklenburg-Vorpommern bewusst sein: Das Wahlrecht allein macht noch keine Wahl, denn passende Rahmenbedingungen gehören auch dazu, damit Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen die Wahl überhaupt und in geeigneter Weise ausüben können.
Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 sowie in Artikel 3 Absatz 3 der Verfassung unseres Landes ist die Allgemeinheit und Gleichheit der Wahlen festgeschrieben. Die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren, sieht leider anders aus. Eine Benachteiligung ist es bereits, wenn eine Person mit Mobilitätseinschränkungen nicht in ein Wahllokal kommt oder wenn Wahlunterlagen nicht gelesen oder verstanden werden können. Bereits das sind Benachteiligungen und diese bestehen fort, nicht überall, denn Schablonen, Wahlbegleitungen und barrierefreie Wege und Gebäude sind hier und da schon vorhanden und manchmal gibt es Wahlhelferinnen und Wahlhelfer in Einrichtungen, aber leider nicht garantiert, nicht flächendeckend und nicht für alle verlässlich. Das müssen wir
ändern, sehr geehrte Damen und Herren. Wir brauchen ein lückenloses System an Hilfe, Unterstützung und Möglichkeiten, in dem alle Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können, erst recht mit dem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Die Bundesrepublik Deutschland hat am 30. März 2007 als eines der ersten Länder das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen – „Die UN-Behindertenrechtskonvention“ abgekürzt – unterzeichnet. Die Konvention trat 2008 in Kraft und wurde im Dezember 2008 durch das Zustimmungsgesetz fester Bestandteil unserer Rechtsordnung, das sagte ich bereits. Sie garantiert, „dass jeder Mensch ohne Unterschied Anspruch auf alle darin aufgeführten Rechte und Freiheiten hat, … Menschen mit Behinderungen der volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garantiert werden muss“ und – immer wieder Zitate – „die Menschenrechte aller Menschen mit Behinderungen, einschließlich derjenigen, die intensivere Unterstützung benötigen, zu fördern und zu schützen“ sind.
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen beinhaltet eine Vielzahl spezieller auf die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung abgestimmter Regelungen, so auch die gleichberechtigte Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben. Das ist normiert in Artikel 29. Demnach verpflichten sowohl Grundgesetz als auch Landesverfassung, als auch die UN-Behindertenrechtskonvention zum Abbau von rechtlichen und strukturellen Hemmnissen. Darin geht es uns mit unserem Antrag.
Ich möchte Ihnen Folgendes mitteilen, weil unser Antrag, der Vorschlag von der Fraktion Freie Wähler/BMV und der Gesetzentwurf der Koalitionäre nebeneinanderliegen: Wir schlagen vor, dass alle drei Dokumente überwiesen werden, das heißt, die Überweisung der Drucksachen 7/3235, 7/3244 und 7/3248 federführend in den Innenausschuss sowie mitberatend in den Sozialausschuss und den Rechtsausschuss. Sollte dem nicht entsprochen werden, möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir der Überweisung des Gesetzentwurfes zustimmen, dann jedoch eine getrennte Abstimmung unseres Antrages fordern. Wir möchten ein Votum zu den Punkten 1 und 2, getrennt vom Punkt 3. Den Punkt 3 möchten wir gern in den Sozialausschuss überwiesen sehen. Soweit zum Verfahren.
Nun noch etwas in der Sache: Strukturelle und räumliche Hürden, Hindernisse und Unwägbarkeiten führen auch weiterhin dazu, dass Menschen, die mobilitäts- und sinneseingeschränkt sind, die Wahl nicht ausführen und ihre demokratischen Rechte nicht wahrnehmen können, weil es manchmal rein praktisch nicht geht oder der Aufwand einfach zu groß ist, und genau da müssen wir ansetzen.
Wir haben uns mit konkreten Fällen auseinandergesetzt und einen möchte ich nennen. Drei habe ich mir aufgeschrieben, aber einer, den ich für auch berührend halte, ist signifikant. Eine junge Frau, die aufgrund eines Gehirntumors vom Hals an halbseitig gelähmt ist und im Hospiz lebt, kann sich nicht selbstständig fortbewegen, benötigt Unterstützung bei allen Tätigkeiten, ist aber mit allen Sinnen voll da, kann sich ausdrücken und will an den Wahlen teilnehmen. Es ist ausgeschlossen, dass sie zur Wahl ins Wahllokal fährt, nicht nur, weil sie dafür Menschen braucht, die das möglich machen, sondern auch, weil sie die Strapazen einfach nicht auf sich nehmen kann. Sie hat die Möglichkeit der Briefwahl Wochen
vorher, diese Teilnahme daran ist aber wiederum abhängig davon, ob die Unterlagen ihr über Dritte zugestellt und ob diese Wahlunterlagen dann auch von Dritten überhaupt oder pünktlich abgesendet werden.
Unter Vorschlag ist insofern, dass diese Personen aufgesucht werden und sie am Tag selbst mit allen anderen Menschen an der Wahl teilnehmen können. So unsere Überlegung, und das ist durchaus machbar, wenn es den politischen Willen gibt. Diese Situation betrifft nicht nur den beschriebenen Fall, es betrifft sehr viele Menschen im stationären Aufenthalt in einer Einrichtung, sei es im Hospiz, in der Pflegeeinrichtung oder in einem Krankenhaus.
Wir tragen politisch dafür Verantwortung, dass das Wahlrecht wahrgenommen werden kann. Wir wollen Gleichberechtigung, Barrierefreiheit und Demokratie miteinander verknüpfen. Das ist Anliegen unseres Antrages. Ich bitte Sie um Zustimmung und freue mich auch auf die Debatte, die jetzt folgen wird. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Für die Landesregierung hat zunächst ums Wort gebeten der Minister für Inneres und Europa. Bitte, Herr Caffier.