Für die Landesregierung hat zunächst ums Wort gebeten der Minister für Landwirtschaft und Umwelt. Herr Dr. Backhaus, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin wirklich dankbar für diesen Antrag, denn, ich betone noch mal, wenn man von der Grünen Woche gerade kommt und das Thema „Gesunde Ernährung“, gerade in unserer Halle im Übrigen „Lust auf Genuss – gesunde Ernährung aus der Region“ zelebriert hat, mit vielen Spezialitäten, dann ist es mir und der Landesregierung nach wie vor eine Herzensangelegenheit, uns diesem Thema weiter zu widmen. Und leider...
Denn wenn man sich insgesamt des Themas annimmt, dann muss man erkennen, wie die Lage in Deutschland ist. Wissen Sie eigentlich, wissen wir gemeinsam, was das Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland uns insgesamt kostet? Ich hoffe, Sie wissen es. Im letzten Jahr waren es 374,2 Milliarden Euro. Das heißt, wir
haben die Grenze der 1 Milliarde Kosten, die wir alle als Gemeinschaft aufzubringen haben für das Gesundheitswesen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, überschritten. Ich finde, das ist eine Zahl, die kann man gar nicht oft genug sagen.
Und dann kommt die zweite Kernaussage, 70 Prozent – 70 Prozent! – der Kosten des deutschen Gesundheitswesens und der entwickelten Industriestaaten sind Lebensstil- oder tatsächlich Bewegungsmangelprobleme. Wenn wir das begreifen und erkennen, was wir gelernt haben, im Übrigen durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, mit der wir ja eng kooperieren, dass wir diese Grundsätze, nämlich fünf Mahlzeiten am Tag, ausgewogen in der Sache, aber auch in der Zusammensetzung, umsetzen müssen, dann wären wir schon ein ganzes Ende weiter. Wenn ich mir überlege – das ist ja auch mit dem Bildungsministerium und mit der Sozialministerin abgestimmt –, dass, wenn wir in die Schulen, in die Kindergärten hineingehen und heute investieren, im Übrigen nicht nur in neue Kindergärten, die gut aussehen und den neuen didaktischen Grundlagen entsprechen, sondern sie müssen sich auch mit neuen Inhalten schmücken, dann glaube ich ausdrücklich, dass es richtig war und ist, dass wir den Schulgarten wieder zurückbringen, im Übrigen auch in die Kindergärten gehen. Ich darf ausdrücklich sagen, dass es ein großer Erfolg ist, dass wir diese aktive Begleitung der Kinder vornehmen, weil der Grundsatz gilt, „Was Hänschen nicht lernt“, Herr Wildt, „lernt Hans nimmermehr“, oder „Nicht lesen macht dumm“. Deswegen glaube ich, spielerisch-didaktisch das Thema massiv anzunehmen, ist gut. Ich bin auch dem NDR ausdrücklich dankbar für die Aktivitäten, die wir gemeinsam ausgelöst haben, im Übrigen auch mit dem „Talk im Funkhaus“ –
wo wir ja mal die Zahlen offengelegt haben, wie sich die Lage darstellt in Mecklenburg-Vorpommern. Natürlich ist es erschreckend. Ich hatte auch die große Hoffnung, dass wir bei der Adipositas, beim Bewegungsmangel oder bei den Gewichtsproblemen weiterkommen, und zwar im Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern. Ich muss ausdrücklich konstatieren, es ist eigentlich traurig, wir kommen nicht weiter, sondern die Zahlen bei der Adipositas steigen und auch bei den Schuleingangsuntersuchungen sind die Zahlen beim Übergewicht oder tatsächlich auch schon die Schwelle zu Diabetes II bei Kindern in Mecklenburg-Vorpommern festgestellt worden.
Deswegen sage ich sehr klar und deutlich, wenn es nach der Sozialdemokratie gegangen wäre, das Stichwort haben Sie eben gerade angedeutet, dann hätten wir längst die Nährwerttabelle, wir hätten im Übrigen auch ausdrücklich die Ampel
auf den Lebensmitteln, und das ist keine Diskriminierung der Lebensmittelwirtschaft und der Verarbeitung, sondern das wäre ein Gesundheitsthema. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich auch noch über die Brücke gegangen, wir hätten einen Smiley genommen. Oder um das noch ein bisschen anders zu formulieren, mit der CDU/CSU war das nicht zu machen. Und sich jetzt heute hinzustellen – ich habe das auch gerade gelesen, ja – und so zu tun, als ob wir nun endlich das Thema entdeckt haben, und das auch nach oben zu fahren, dann nehmen Sie das bitte mit in Ihre Bundestagsfraktion und auch in das Bundeslandwirtschaftsministerium, dass wir hier endlich weiterkommen! Für mich wäre das der Durchbruch, wenn wir endlich die Ampel bekommen
oder eine andere Nährwertdarstellung, sodass der Verbraucher, der mündige Verbraucher, wirklich erkennen kann, mit welchen Problemen wir es hier zu tun haben.
Denn auch das will ich noch mal herausarbeiten, der ungesunde Lebensstil, Übergewicht, Bewegungsmangel und falsche Ernährung kosten uns allen als Beitragszahler sehr, sehr viel Geld. Die Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind mit 43 Prozent die häufigste Todesursache in Deutschland. Ursache: Rauchen, ein ungünstiges Verhältnis tatsächlich der Ernährung und ebenfalls immer wieder Bewegungsmangel. Oder die zweithäufigste Todesursache, die Krebserkrankungen, 30 Prozent aller Krebserkrankungen sind in den westlichen Industrieländern im Übrigen auf Bewegungsmangel zurückzuführen und – immer wieder auch wissenschaftlich und wissensbasiert bewiesen – falsche Ernährung.
Und noch zwei weitere Zahlen, die absolut erschreckend sind, wenn ich das sagen darf: 16 Millionen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, 16 Millionen Menschen in Deutschland haben tatsächlich und leiden an Übergewicht, erschreckend und von erheblicher volkswirtschaftlicher Dimension. Allein die Ausgaben für Adipositas werden durch das deutsche Gesundheitswesen auf 17 Milliarden Euro geschätzt. Die andere große Zahl, die ich hier noch mal in den Raum stellen möchte, 30 Prozent – 30 Prozent! – von den 374 Milliarden sind auf falsche Ernährung und Bewegungsmangel zurückzuführen. Das heißt, round about 120 Milliarden Euro kostet uns alle dieses Problem. Wenn wir davon nur einen Bruchteil nehmen würden, nur 10 Milliarden in Deutschland, dann könnten wir in den Schulen, in den Kindergärten mit einem gesunden Mittagessen, mit einem Frühstück tatsächlich kostenlos arbeiten, und ich rufe uns hier alle gemeinsam auf, auch dieses Thema weiter voranzutreiben.
Um das auch noch mal zu sagen, ich bedauere es politisch zutiefst, dass wir, wenn wir in Richtung Bund schauen, nicht weitergekommen sind in dieser Frage. Schauen wir uns den sogenannten Ernährungsreport an, der gerade vorgelegt worden ist! Sicherlich sind das ein paar nette Statistiken, die da herausgegeben worden sind, letzten Endes aber keine Lösungen. Ich habe selbst an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen und habe für diese Nährwerttabelle oder für die Ampel gekämpft. Die Bilanz ist negativ, leider an der CDU und CSU gescheitert
Das staatliche Tierwohllabel – seit einem Jahr trainieren wir an dem Ding rum, bis heute nicht umgesetzt.
Reduktionsstrategie Zucker, Fette, Salze – war vereinbart, steht in der Koalitionsvereinbarung drin, groß gefeiert gerade jetzt eben. Ich kann nur eins sagen, diese freiwillige Vereinbarung ist das Papier, auf dem das geschrieben worden ist, nicht wert. Wir werden damit nicht weiterkommen!
Deswegen meine dringende Bitte, lassen Sie uns gemeinsam im Interesse der Gesundheit – lassen Sie uns im Interesse der Gesundheit im Übrigen nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Erwachsenen – dafür sorgen, dass wir hier endlich weiterkommen, denn eins ist auch klar, diese Selbstverpflichtung, die man dort vorgenommen hat, nämlich 20 Prozent weniger Zucker in Frühstückszerealien oder 15 Prozent weniger Zucker in Erfrischungsgetränken oder 10 Prozent weniger Zucker in den Kinderjoghurts, Herr Renz, wird uns nicht helfen. Das wird uns überhaupt nicht helfen bei dieser Problematik. Das klingt erst mal großartig, ob diese Selbstverpflichtung einiger großer Konzerne aber tatsächlich die Qualität unserer Lebensmittel verbessern wird, wage ich anzuzweifeln, ganz offen und ehrlich. Es geht im Übrigen, wie Herr Kokert heute bei den Funklöchern gesagt hat, hier ums Geldverdienen, und die interessiert es überhaupt nicht, ob es um die Gesundheit geht, sondern es geht um Gewinnmaximierung
Was brauchen wir wirklich, meine sehr geehrten Damen und Herren? Eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist der Grundstein für eine gesunde Gesellschaft.
Dafür brauchen wir eigentlich nur zwei Grundsatzbausteine. Erstens, wir brauchen Vielfalt für gesunde und nahrhafte – nahrhafte! – Lebensmittel, im Idealfall im Übrigen ökologisch produziert und dann aus der Region. Unser wichtigster Partner ist und bleibt hier auch die Landwirtschaft, darüber hat heute noch niemand etwas gesagt, selbstverständlich auch die Industrie, aber ebenso der Handel, der hier mitziehen muss. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir die längst alle an einem Tisch gehabt auf der Bundesebene, hätten dann Tacheles geredet und wären zu dieser Ampellösung gekommen.
Andererseits brauchen wir selbstverständlich die Ernährungskompetenz, und da müssen wir aus meiner Sicht alles Weitere darauf ausrichten, mit dem Ziel, diese gravierenden Probleme in den Griff zu bekommen. Hier muss Politik ansetzen. Was haben wir gemacht? Es sind ja schon einige Andeutungen gemacht worden. Wenn ich das sagen darf, unser Schulernährungsprogramm ist hervorragend angenommen. 180 Schulen und Kindergärten, die wir über unser Haus gefördert und damit neu errichtet haben, haben ein neues Konzept gerade auch bei der Ernährung und der Ausrichtung auf mehr Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung umgesetzt.
Auch das Potenzial der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen der Ernährungswirtschaft, der Landwirtschaft ist mit einzubinden. Oder ausdrücklich auch, schon im Jahr 2009 – da bin ich noch belächelt worden von dem einen oder anderen – habe ich die Schulvernetzungsstellen oder auch die Kitavernetzungsstelle auf den Weg gebracht, in Kooperation damals mit dem Bildungsministerium und dem Sozialministerium, im Übrigen ein Erfolgsmodell. Wenn ich Ihnen sagen darf, dass wir immerhin 18.300 Kinder heute in den Kindergärten nach den Grundsätzen versorgen, ist das ein guter Stand und die Entwicklung muss da weitergehen.
Künftig sollen im Übrigen, und das war ja eine Initiative aus Mecklenburg-Vorpommern, die Seniorenverpflegungsvernetzungsstellen geschaffen werden. Wenn der Bund hier Mittel bereitstellt, werden wir auch dieses tatsächlich weiter umsetzen, denn auch für die ältere Generation gilt – das finde ich hervorragend –, jeder Dritte ab 60 möchte gesund ernährt werden, und damit ist das eine wichtige Zielgruppe, im Übrigen auch im Interesse von uns Beitragszahlern im Gesundheitswesen.
Und abschließend, ich glaube auch noch mal ausdrücklich sagen zu dürfen, das Schulernährungsprogramm, das wir endlich auf den Weg gebracht haben, wo 15.000 Kinder jede Woche mit Milch – im Übrigen aus dem Land Mecklenburg-Vorpommern – und Obst aus dem Land Mecklenburg-Vorpommern versorgt werden, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Was bleibt noch zu tun? Ich glaube, in MecklenburgVorpommern ist es notwendig, diesen Grundsatz weiter auszubauen, gesunde Ernährung als integralen Bestandteil unserer Politik zu begreifen und damit auch ressortübergreifend in der Zusammenarbeit voranzukommen und die ernährungspolitischen Instrumente weiter auszubauen. Ich arbeite im Übrigen ja seit Wochen, Monaten – Sie werden das so ein bisschen jetzt heraushören – an einer Ernährungsstrategie für unser Land, dieses zusammenzufassen, die Forderung und die Förderung der Gemeinschaftsverpflegungen. Wir wollen im Übrigen als erstes Ministerium auf biologische Lebensmittel und regionale Produkte umstellen. Auch das ist ein Kampf, der nicht so ganz einfach ist, aber um das, wenn man es so will, als Beispiel zu machen. Und ich habe die große Hoffnung, dass man im Übrigen auch auf der Bundesebene in dieser Frage weiterkommt.
Ernährungspolitik ist also insofern keine Spielwiese, um eine mediale Aufmerksamkeit zu erreichen, sondern es geht letztendlich um das Leben von Menschen und es geht um eine gesunde Gesellschaft. In diesem Sinne hoffe ich, und ich werde, wenn das so beschlossen wird, selbstverständlich auch die Zuarbeiten leisten. – Herzlichen Dank.
Herr Minister, was sagen Sie dazu, dass Ahornsirup in sämtlichen Lebensmittel jetzt erlaubt werden soll?
Das ist ein Dickmacher, der kommt aus den USA, war vorher nicht erlaubt und jetzt ist es erlaubt, und es ist erwiesen, also ein Dickmacher.
Also insgesamt muss man ganz klar feststellen – ich habe ja was zu den Lebensmittelhändlern gesagt –, ich glaube schon, dass man erstens aufklären muss und zweitens tatsächlich an der einen oder anderen Stelle dann auch Verbote aussprechen muss. Ich glaube im Übrigen, was die Gentechnik oder andere Fragestellungen anbetrifft, wir haben dazu eine klare Haltung, wir wollen diese Produkte nicht in Deutschland, weil die Auswirkungen insgesamt auf den Organismus und auf die Zukunft gerichtet nicht weit genug erforscht worden sind, und dazu gehört auch der Ahornsirup, von dem wir nicht genau wissen, welche Auswirkungen das insgesamt in absolut negativster Form auf die Zukunft haben kann. Insofern lehne ich dieses Zeug auch ab.