Protocol of the Session on January 23, 2019

Um den Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden, die schwerpunktmäßig im Bereich „Sehen und Hören“ oder „Körperliche und motorische Entwicklung“ gefördert

werden müssen, haben wir gemeinsam mit den Schulträgern 29 Schulen mit spezifischer Kompetenz festgelegt und entsprechend ausgestattet. Da die überregionalen Förderzentren mit diesen Schwerpunkten bestehen bleiben, können Eltern künftig wählen, ob sie ihr Kind dort oder in einer Regelschule anmelden. Die Förderzentren werden die Schulen mit spezifischer Kompetenz beraten und ihnen begleitend zur Seite stehen als eine Art Leitstelle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal betonen, dass sich Inklusion, verstanden als gezielte individuelle Förderung, nicht ausschließlich darum dreht, die vermeintlich Schwächeren und diejenigen, die ihre Schullaufbahn mit einem Handicap bestreiten, zu integrieren und mit einzubeziehen. Sie umfasst vielmehr die gesamte Spannbreite vom spezifischen Förderbedarf bis zur Hochbegabung. Das zeigt sich etwa auch an der flexiblen Schuleingangsphase, die dieses Gesetz für die Grundschulen vorsieht. Demnach können Schülerinnen und Schüler künftig die ersten beiden Jahrgangsstufen in einer Zeitspanne von einem, zwei oder drei Jahren bestreiten, um im Anschluss die 3. Klasse zu besuchen. In dieser Phase des Schulstarts werden keine Ziffernoten vergeben, sondern die Eltern erhalten eine differenzierte schriftliche Einschätzung ihres Kindes.

Parallel wollen wir auch die Schulausgangsphase flexibilisieren, um so viele Jugendliche wie möglich hin zu einem regulären Schulabschluss zu führen. Gerade weil wir die individuelle Eignung stärker in den Blick nehmen, haben wir auch verbindliche Standards für die Schullaufbahnempfehlung festgeschrieben. Daran gekoppelt ist die Jahrgangsstufe 7 für alle jene Kinder künftig ein Erprobungsjahr, deren Eltern sie trotz anderslautender Empfehlung auf ein Gymnasium schicken. Damit ebnen wir auch den Weg zu dem, was wir mit der Reform der gymnasialen Oberstufe erreichen wollen, nämlich, dass Schülerinnen und Schüler gemäß ihren individuellen Neigungen und Stärken auf annähernd gleichem Niveau auf das Abitur hinarbeiten.

Wir sehen die gezielte individuelle Förderung als Aufgabe jeder Schulart. Deshalb schreibt dieser Gesetzentwurf auch fest, dass alle Schulen mindestens für Schülerinnen und Schüler mit Teilstörung, vermutetem oder festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf oder solche mit einer Hochbegabung individuelle Förderpläne zu erstellen haben und diese halbjährlich fortschreiben müssen. Wichtig ist mir an dieser Stelle aber auch, zu betonen, dass all das nur geht mit einer entsprechenden personellen Ausstattung und Ressource. Insofern bin ich den Partnern des Inklusionsfriedens sehr dankbar, dass sie mindestens 237 Stellen zur Verfügung gestellt haben zur Umsetzung dessen, was ich gerade ausgeführt habe. Und wichtig ist mir auch, dass die Inklusion Schritt für Schritt durchgeführt wird, mit Augenmaß, und Grenzen hat.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist dennoch keine reine Inklusionsnovelle. Ich sagte es bereits eingangs, wir haben auch viele Themenfelder und Dinge neu geregelt oder klargezogen. Eine solche Klarstellung betrifft zum Beispiel die Schuleinzugsbereiche. Diese Präzisierung zielt auf die Mehrfachstandorte ab, ohne allerdings die bestehende Rechtslage zu ändern, nämlich, dass es für eine Schülerin oder einen Schüler nur eine örtlich zuständige Schule gibt.

Ein weiterer Punkt, der auch mir persönlich sehr wichtig ist, ist der, die berufliche Orientierung soll künftig vermitteln, dass akademische und berufliche Bildung gleichwertig ist. Diese Anforderung wird sich auch und gerade am Gymnasium niederschlagen, wo es parallel zur Studienorientierung eine fundierte berufliche Orientierung geben wird, um den Automatismus „Abitur gleich Studium“ aufzulösen. Damit tragen wir auch einer Forderung der Koalitionsvereinbarung Rechnung.

„Rechnung tragen“ ist auch ein gutes Stichwort, um auf die Ressort- und Verbandsanhörung einzugehen. Die Hinweise, die dort an uns herangetragen wurden, haben zum Teil zu spürbaren Veränderungen in der Novelle geführt. Unter anderem haben wir den Schullastenausgleich für Sportgymnasien in den Entwurf mitaufgenommen. Das Land wird also in Zukunft den Schulkostenbeitrag für besonders vielversprechende sportliche Talente aus anderen Bundesländern an die Träger der Sportgymnasien bezahlen.

Auf den Sport bezieht sich auch eine zweite Ergänzung. Der Besuch des nächstgelegenen Sportgymnasiums kann auch bedeuten, dasjenige Sportgymnasium zu besuchen, an dessen Standort sich das Leistungszentrum für die jeweils vom Schüler beziehungsweise von der Schülerin ausgeübten Sportart befindet. Damit tragen wir insbesondere den Forderungen des Landessportbundes Rechnung und ich bin sehr froh, dass wir dieses aufnehmen konnten, denn auch als Sportministerin ist mir das sehr wichtig, dass wir unsere jungen Talente fördern können.

Aber jenseits dieser und weiterer bereits vorgenommener Änderungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, gilt natürlich auch für diese Novelle das sogenannte Struck’sche Gesetz, wonach kein Gesetz so aus dem Parlament herauskommt, wie es eingebracht worden ist. Das gilt umso mehr für ein Gesetz, das sich nicht nur allgemein auf Schule als Themenfeld bezieht, sondern ganz konkrete Auswirkungen auf alle unsere öffentlichen Schulen im Land haben wird. Sie werden nachjustieren wollen an der einen oder anderen Stellschraube. Absehbar ist das beispielsweise bei der Regelung, dass allein die Versetzung in der Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums einen Abschluss bedeutet, der der Mittleren Reife entspricht. Ich weiß, dass einige unter Ihnen hier gerne eine Prüfung sehen würden, und ich sehe durchaus, dass es hierfür ein Für und Wider gibt, über das man diskutieren sollte.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Ich weiß nicht, ob es da eine Meinung gibt. Man hört ja nichts, man liest nichts.)

Ich möchte abschließend noch einmal sagen, ich bin zum einen den Partnern des Inklusionsfriedens sehr dankbar, dass wir diesen Weg gemeinsam – insbesondere zur Umsetzung der Inklusion – gegangen sind, weil ich glaube, das ist ein richtig guter Weg, denn es geht hier darum, unseren Schülerinnen und Schülern, unseren Lehrerinnen und Lehrern ein gutes Rüstzeug an die Hand zu geben für eine gute Schule in Mecklenburg-Vorpommern. Da sehe ich in der Umsetzung der jetzigen Schulgesetze eine echte Verbesserung, weil wir viel mehr das in den Fokus nehmen, was aus meiner Sicht gute Schule ausmacht, nämlich die gezielte individuelle Förderung jedes Einzelnen, jeder Schülerin und jedes Schülers. Denn das ist mein Wunsch an Schule, dass wir den einzelnen

Schüler in den Blick nehmen können und ihn fördern können. Aber – und das sagte ich bereits – dafür benötigt es auch Ressource, da dürfen wir unsere Schulen nicht alleinlassen. Insofern werbe ich auch dafür, dass wir uns darüber noch mal unterhalten.

Abschließend möchte ich mich bei allen bedanken, die sich in diesem intensiven Anhörungsverfahren eingebracht haben, sei es beispielsweise bei dem Landesschülerrat, dem Landeselternrat, den Verbänden, Kammern, Stiftungen und Kommunen,

(Torsten Renz, CDU: Den LINKEN.)

aber selbstverständlich auch bei den bildungspolitischen Sprechern der Fraktionen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir all Ihre Hinweise und die Hinweise, die bereits kamen, ernsthaft geprüft haben und weiterhin auch ernsthaft miteinbeziehen wollen, denn diese Schulgesetznovelle soll leben und sie soll unseren Schulen ein gutes Rüstzeug geben. Insofern freue ich mich auf die anstehenden Gespräche, die nun folgen werden. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 7/3012 zur federführenden Beratung an den Bildungsausschuss sowie zur Mitberatung an den Innen- und Europaausschuss, an den Finanzausschuss sowie an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer möchte diesem Überweisungsvorschlag zustimmen? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung aller anwesenden Fraktionen und des fraktionslosen Abgeordneten angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes, des Landesverwaltungskostengesetzes und der Vollstreckungszuständigkeits- und -kostenlandesverordnung, auf Drucksache 7/3013.

Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes, des Landesverwaltungskostengesetzes und der Vollstreckungszuständigkeits- und -kostenlandesverordnung (Erste Lesung) – Drucksache 7/3013 –

Das Wort zur Einbringung hat der Minister für Inneres und Europa. Herr Caffier, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zugegeben, so richtig sexy klingt der Gesetzentwurf nicht,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sächsisch?)

alleine schon der Name ist an und für sich ein Brechreiz.

Sächsisch vielleicht auch ein bisschen.

(allgemeine Heiterkeit)

Manche Regelungen sind tatsächlich nur für die Verwaltung wichtig. Das scheint auch hier auf den ersten Blick so zu sein.

Für die Bürgerinnen und Bürger dürfte es allerdings schon interessant sein zu wissen, dass sie dank dieses Gesetzentwurfes zukünftig Verwaltungsleistungen auch online über Portale abrufen können sollen. Das heißt, ich muss nicht mehr aufs Amt und anlog eine Leistung beantragen, sondern ich kann das bequem von zu Hause aus tun, sofern wir die entsprechenden Geschwindigkeiten im Netz haben. Dafür muss im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes die Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale anbieten. Es sollen über 500 noch analoge Verwaltungsleistungen bis 2022 digitalisiert werden. Von der Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Verwaltungsaktes soll das gesamte Verfahren möglichst ebenfalls online durchgeführt werden können.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern werden diese Portale geschaffen, die in den Portalverbund des Bundes und der Länder eingebunden werden. Verwaltung soll einfach, schnell und unbürokratisch für die Bürgerinnen und Bürger funktionieren. Hierzu hat der Bundesgesetzgeber bereits verschiedene Gesetzesvorhaben beschlossen, diese müssen nun in die Landesgesetzgebung mit aufgenommen werden. Der vorliegende Regelungsentwurf ist somit letztlich ein wesentlicher Baustein für die Digitalisierung der Verwaltungsleistungen in M-V.

Neben den Bürgerinnen und Bürgern wird ganz maßgeblich auch die Wirtschaft im Land davon profitieren. Der Entwurf stellt ebenso sicher, dass die Regelungen auf Bundes- und Landesebene einheitlich sind. Auch das muss den Bürger auf den ersten Blick nicht sonderlich interessieren, aber diese sogenannte Simultangesetzgebung führt nicht nur zur Rückführung und Vermeidung verfahrensrechtlicher Sonderregelungen im materiellen Bundesrecht, sie sorgt auch dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger sich darauf verlassen können, dass für dieselbe Verwaltungsleistung in allen Ländern die gleichen verfahrensrechtlichen Regelungen gelten. Würden diese Regelungen nicht auch in unserem Bundesland einheitlich umgesetzt, würde dies unter anderem zu Wettbewerbsnachteilen für hiesige Unternehmen im Vergleich zu ihren Mitbewerbern in anderen Bundesländern führen. So können Wirtschaftsunternehmen in MecklenburgVorpommern beispielsweise gerade nicht, so, wie es in der Digitalisierungsstrategie zukünftig geplant ist, einfach, schnell und unbürokratisch deutschlandweit und einheitlich Verwaltungsleistungen in Anspruch nehmen, egal, ob es nun um Förderanträge oder um Genehmigungen geht. Dasselbe gilt für die Bürgerinnen und Bürger, ganz egal, was sie von der öffentlichen Verwaltung brauchen.

Für alles Weitere, auch hinsichtlich der erweiterten Befugnisse in der Sachaufklärung bei Zwangsvollstreckungen sowie der Anpassung des Landesverwaltungskostengesetzes, verweise ich auf die Drucksache. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Bitte.)

Auch hier ist im Ältestenrat vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich kann Widerspruch dazu weder sehen noch hören, dann ist das so beschlossen.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf der Drucksache 7/3013 zur federführenden Beratung an den Innen- und Europaausschuss sowie zur Mitberatung an den Rechtsausschuss sowie an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung aller Fraktionen und des fraktionslosen Abgeordneten angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes für die Übergangsperiode nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union, auf Drucksache 7/3040.

Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes für die Übergangsperiode nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Übergangsgesetz Mecklenburg- Vorpommern – BrexitÜG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 7/3040 –

Das Wort zur Einbringung hat der Minister für Inneres und Europa. Bitte, Herr Caffier.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich würde jetzt bloß sagen, die spinnen, die Briten.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir uns heute überhaupt mit diesem Gesetz befassen müssen, finde ich persönlich ausgesprochen bedauerlich. Mit dem Vereinigten Königreich hatte Deutschland immer einen verlässlichen Partner an seiner Seite, wenn es darum ging, marktwirtschaftliche Vernunft in die europäische Debatte zu bringen, eine manchmal übers Ziel hinausschießende Kommission einzufangen oder auch eine maßvolle Reform der EU voranzutreiben. Mit dem Entschluss des Königreichs, aus der EU auszutreten, hat Deutschland einen wichtigen Partner weniger an seiner Seite.

Über das, was in diesen zwei Jahren seit diesem Beschluss auf der Insel passiert ist, kann man allerdings nur den Kopf schütteln. Es zeigt beispielhaft, was passiert, wenn rein emotional geladene Debatten aus dem Ruder laufen, und zwar vollkommen, weil Fakten beiseitegewischt werden und Angst die vorherrschende politische Kraft ist, anstatt positive Visionen. 350 Millionen pro Woche für das nationale Gesundheitssystem? Pustekuchen! Tatsächlich steht das britische Gesundheitssystem mehr denn je vor dem Kollaps und wird voraussichtlich sogar noch teurer werden. Der Abschluss von Freihandelsverträgen mit Drittstaaten? Alle bestehenden Abkommen fallen erst mal weg, und viel Spaß dabei, als briti

scher Einzelkämpfer bessere Abkommen auszuhandeln als die Wirtschaftsmacht Europäische Union. Grenzkontrollen? Schon jetzt ziehen sich aufgrund der Unsicherheit europäische und internationale Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich zurück, weil der Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit all seinen Grundfreiheiten für sie, auch für die Wirtschaft entscheidend ist.

All das liegt nicht daran, dass die EU nicht zu Kompromissen fähig gewesen wäre, im Gegenteil. Über zwei Jahre lang haben sich die EU selbst wie auch die nationalen Regierungen im Rahmen des Machbaren auf das Vereinigte Königreich zubewegt. Klar ist aber auch, das bestimmte Dinge nicht verhandelbar sind, wie der Binnenmarkt oder beispielsweise die EU-Außengrenze. Das wäre mit einem Stück Realismus auch allen Beteiligten von Anfang an klar gewesen, nur hat Realismus in der Debatte um den Brexit offensichtlich, oder man kann auch „leider“ sagen, keine Rolle gespielt. Dass erst nach dem Referendum bei Google die Suchanfragen „Was ist die EU?“ explosionsartig stiegen, sagt eigentlich alles darüber, wie informiert diese weitreichende Entscheidung vor Ort getroffen worden ist. Dass man Bürgerinnen und Bürger überhaupt über solch eine komplexe Frage mit einem einfachen Ja oder Nein abstimmen lässt, bei der es offensichtlich nicht einmal Abgeordnete schaffen, einen kühlen Kopf zu bewahren oder in der Thematik in Gänze durchzusteigen, zeugt von keinem guten Demokratieverständnis.

Dass sich ausgerechnet das Vereinigte Königreich, quasi das Mutterland der parlamentarischen Demokratie, auf solch eine Irrfahrt eingelassen hat, sollte uns Sorgen bereiten. Kaum ein Land hat politisch und wirtschaftlich so sehr von der EU profitiert, wie wir hier in Deutschland. Wer das infrage stellt, verrät deutsche Interessen, und die deutsche Bevölkerung wird für billige Wahlkampfsprüche irregeführt. Das, was der Brexit im Königreich ausgelöst hat, ist nichts anderes als blankes Chaos. Es gibt keine Mehrheiten für einen geordneten Ausstieg, aber auch keine für einen ungeordneten. Genauso wenig gibt es eine Mehrheit für einen Verbleib in der EU oder für Neuwahlen oder für ein erneutes Referendum. Die Abgeordneten im britischen Unterhaus wissen zwar, was sie alles nicht wollen, aber ernsthafte Lösungsansätze scheint nach wie vor niemand zu verfolgen. Das Land ist politisch komplett zum Erliegen gekommen, die Wirtschaft sackt ab.

Meine Damen und Herren, warum sage ich das alles? Wir wissen in der aktuellen Situation einfach nicht, wie wir mit London umgehen sollen. Weil es in London selbst nicht bekannt ist oder weil sie es selbst nicht wissen, stehen wir relativ hilflos da, so will ich das mal bezeichnen. Seit zwei Jahren brauchen wir eine Aussage der Briten, wohin ihrer Meinung nach die Reise gehen soll. Bis heute steht diese Aussage aber nicht. Die einzig echte Ansage war bislang eigentlich nur, wir wollen alle Vorteile, die die EU bietet, ohne uns dabei aber an die Regeln halten zu müssen. Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist geradezu kindisch und geht so natürlich nicht. Wenn mich bestimmte Sachen an der EU stören, dann sorge ich dafür, dass ich die EU mit meinen Partnern reformiere, wenn ich von den Vorteilen doch eigentlich überzeugt bin.

Gehen wir aber dennoch mal davon aus, dass trotz aller Unklarheiten ein geordneter Austritt des Königreichs doch noch irgendwie stattfinden wird. Dafür bedarf es

einer Übergangsphase, in der das Land vorläufig bis zum endgültigen Austritt weiter als Mitgliedsstaat der EU gilt, so ist es im Austrittsvertrag mit dem Königreich vereinbart. Diese Bestimmung bindet auch die EU-Mitgliedsstaaten und bedarf der Umsetzung in nationales Recht. Genau dafür brauchen wir den hier vorliegenden Gesetzentwurf, der übrigens von allen anderen Ländern entsprechend verabschiedet worden ist oder noch wird.

Auch der Bundestag hat in der vergangenen Woche ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Dieser Entwurf sieht vor, dass Bezugnahmen im Landesrecht auf die Mitgliedschaft in der EU während der Übergangsperiode so zu verstehen sind, dass auch das Vereinigte Königreich davon erfasst ist. Ausgenommen davon sind eine Reihe von Bestimmungen, die im Austrittsvertrag bereits ausdrücklich genannt sind. Das gilt insbesondere für das aktive und das passive Kommunalwahl- und Europawahlrecht. Die Diskussion konnte man in den letzten Tagen in mehreren Zeitungen nachlesen.

Es ist, wie gesagt, zwar höchst unsicher, ob ein Abkommen noch zustande kommt, für den Fall aber, dass es beschlossen wird, muss das Brexit-Übergangsgesetz Mecklenburg-Vorpommern jetzt in Erster Lesung in den Landtag eingebracht werden, damit es rechtzeitig vor dem vorgesehenen Austrittstermin des Königreichs Ende März in Kraft treten kann. Ich weiß, das ist eine etwas merkwürdige Konstellation, die ich in meiner Zeit hier im Parlament auch noch nicht erlebt habe, dass wir eine Erste Lesung über einen Gesetzentwurf durchführen, von dem keiner hier im Raum weiß, ob wir es jemals brauchen oder ob wir es in dieser Form brauchen. Nur, wenn wir es nicht machen, haben wir auch für unser Bundesland möglicherweise ungeregelte Übergangsphasen, und das will in diesem Chaos keiner. Deswegen werbe ich dafür, dass wir uns dieser Konstellation stellen, die in der Tat sehr, sehr ungewöhnlich ist.

Ich gehe davon aus, dass in puncto Brexit noch einige Pirouetten gedreht werden. Entsprechende Anpassungen am Gesetz werden wir im weiteren Verfahren, im laufenden Verfahren vornehmen. Auch dafür werbe ich heute schon, nicht, weil wir so einen schlechten Entwurf gemacht haben, sondern weil wir alle zusammen nicht wissen, was im Königreich entschieden wird und was das für Folgen auf unsere jeweilige Landesgesetzgebung hat. Das sollte in den Beratungen im Ausschuss geschehen oder geheilt werden, wo meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter natürlich alle Beteiligten hilfreich unterstützen werden, denn auch wir sind da sehr stark an Informationen gebunden. Ich kann nur noch versprechen, dass wir alles dafür tun werden, dass, wenn das Königreich sich für welchen Weg auch immer entscheidet, wir als Land die notwendigen gesetzlichen Regelungen auf den Weg bringen werden. Dafür werbe ich, dafür bedanke ich mich bei allen. – Danke für die Aufmerksamkeit.