Protocol of the Session on December 13, 2018

Herr Dachner!

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits zitierten Entscheidung die Tür für den neuen Gefahrenbegriff geöffnet. Hierauf hat der Fraktionsvorsitzende

der AfD in seiner Einbringungsrede bereits hingewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass die Verfassung Eingriffstatbestände nicht nur zur Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren, sondern eben auch für deren Vorfeld erlaubt.

Bei alledem geht es um die Abwägung widerstreitender Rechtsgüter, der Sicherheit des Landes und seiner Bürger und die Freiheit Einzelner. In diesem Spannungsverhältnis von Sicherheit und Freiheit sind strenge Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zu stellen: auf der einen Seite der Schutz bedeutender Rechtsgüter, auf der anderen Seite der Freiheitsentzug durch Präventivhaft.

Es gibt bei derartigen Abwägungen, die eine Kernaufgabe rechtsstaatlichen Handelns ausmachen, keine messbare allein richtige Lösung. Man kann sich mit guten Gründen für einen starken handelnden Staat entscheiden, der entschlossen seine Bürger schützt. Man kann aber auch wegen der Schwere des frühzeitigen Eingriffs Bedenken haben. Den Abgesang auf den Rechtsstaat kann man aber nur angesichts des bayerischen Modells bei redlicher Bewertung nicht anstimmen, Herr Dachner, auch Sie nicht.

Ich halte den bayerischen Weg, dem sich übrigens auch andere Länder angeschlossen haben, für richtig, und zwar genau aus rechtsstaatlichen Gründen.

(Manfred Dachner, SPD: Sagen Sie mal! Sagen Sie mal zwei Länder!)

Dazu Folgendes: Das Wort „Rechtsstaat“ begleitet uns in den letzten Jahren im öffentlichen wie politischen Diskurs geradezu inflationär. Rechtsstaatliche Bedenken gibt es allemal und oft stehen sie einem vernünftigen Handeln im Wege, so jedenfalls der Eindruck vieler, sodass auch die Mehrheitsgesellschaft, bei der nach verlässlichen Umfragen inzwischen das Vertrauen in den Rechtsstaat brüchig geworden ist, nicht mehr so unbefangen, wie das in früheren Jahren war, zu diesem Rechtsstaat steht. Da geschehen Dinge oder sie unterbleiben, worüber der rechtstreue Bürger nur noch den Kopf schüttelt. Das ist eine lange Entwicklung, die sich durch die Migrationskrise dramatisch verschärft hat.

Der Rechtsstaat lässt hier Dinge zu, die schlechthin niemandem mehr zu vermitteln sind. Der islamistische Gefährder erhält eine Duldung, weil er nicht abgeschoben werden kann. Sogar der verurteilte IS-Kämpfer bleibt nach Verbüßung seiner Haft im Lande, weil ihm am Ende einer langen Prozesskette doch noch ein Abschiebungshindernis attestiert wird. Es braucht einen ganzen Stab von Polizisten, um einen Einzelgefährder zu überwachen, beziehungsweise fehlen dafür schon jetzt die Leute. Es ist schlichthin nicht möglich, sämtliche Gefährder rund um die Uhr zu überwachen. Und das hat nichts damit zu tun, dass hier billig auf Personalmangel zurückgegriffen wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Manfred Dachner, SPD: Wie viele Gefährder haben wir denn?)

Wir haben so viele Gefährder, und Frankreich hat noch einen ganzen Haufen mehr. Es ist schlechthin nicht möglich, diese Gefährder, die an sich rund um die Uhr be

wacht werden müssen, tatsächlich zu überwachen, sodass wir sie also rumlaufen lassen wie tickende Zeitbomben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Nicht Tausende, sondern Hunderttausende Migranten sind ausreisepflichtig, bleiben aber im Land und erhalten eine Rundumversorgung.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das sind alles Gefährder, oder was?!)

Recht und Realität fallen hier evident auseinander. Es bedarf schon eines fundamentalistischen Rechtsverständnisses, um das gut zu finden.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Der Staat schaut ohnmächtig zu und erweist sich damit als handlungsunfähig. Dies und genau dies zerstört das Vertrauen in den Rechtsstaat. Davon bin ich fest überzeugt. Dies ist nicht allein die Sichtweise meiner Partei und dies ist erst recht nicht das Ergebnis angeblicher Hetze gegen Migranten.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Es ist das Ergebnis einer Anwendung des gesunden Menschenverstandes.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der Rechtsstaat darf nicht nur keine Herrschaft des Unrechts zulassen, er darf es nicht einmal zulassen, dass der Eindruck entstehen kann, dass dies so ist. Ich halte es deshalb für zulässig und geboten, in Fällen islamistischer Gefährder und in vergleichbaren Fällen drohender Gefahr dieser unter sorgfältiger Abwägung der Umstände des Einzelfalls erforderlichenfalls auch mit den Mitteln der Präventivhaft zu begegnen. Wir wollen einen Rechtsstaat, der das Recht konsequent und notfalls auch mit Härte durchsetzt und somit die Sicherheit und Freiheit der rechtstreuen Bürger schützt. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt noch einmal das Wort der Fraktionsvorsitzende Herr Kramer.

(Ministerin Birgit Hesse: Oh, Leute!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Innenminister! Natürlich respektieren wir die Rechtslage. Genau mit diesem Antrag unterstreichen wir das doch, denn dieser Antrag soll ja die fehlende Möglichkeit für ein rechtsstaatliches Handeln erst schaffen, und eine Rechtsgüterabwägung hat bei jeder Maßnahme, bei jeder freiheitsbeschränkenden Maßnahme zu erfolgen. Ihr Beispiel der Fußfessel läuft absolut ins Leere, wird sie doch erst angewandt, nachdem etwas passiert ist. Wir sprechen hier von einer präventiven Maßnahme,

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Sie sprechen von restriktiven Maßnahmen.

Und natürlich trüge die Präventionshaft auch zur Entlastung der Polizeibeamten doch bei. Ich erinnere an einen Artikel in der SVZ, in dem Herr Schumacher sich nämlich genau darüber beklagte, der Vorsitzende der GdP hier in M-V, wie viel Personal gebunden worden ist, nachdem die beiden Terrorverdächtigen in Güstrow wieder auf freien Fuß gelassen werden mussten.

Und, Herr Innenminister, Sie wissen doch selbst am besten genau, wie viel Gefährder wir hier im Land haben und wie viel Gefährder unter ständigem Polizeischutz stehen müssen.

Zu Herrn Manthei bleibt festzustellen: Sie sprachen die verschiedenen Gewahrsamsmöglichkeiten an, und weil es diese Möglichkeiten gibt, brauchen wir die ja in unserem Antrag nicht neu zu benennen.

Herr Ritter, im letzten Plenum hatten Sie vier Anträge eingebracht, die wir hier bereits mehrfach behandelten, und Sie begründeten dies mit der Wichtigkeit Ihrer Anträge, also der Wichtigkeit für Sie. Und genauso verhält es sich eben auch mit unseren Anträgen, mit unserer politischen Agenda.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, Sie hatten uns nur vorgeworfen, wir hätten nichts getan, was nicht stimmt.)

Weil uns das wichtig ist, bringen wir immer wieder die Anträge ein, bis Sie hier anfangen zu reagieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Peter Ritter, DIE LINKE: Dann halten Sie uns aber nicht vor, wir hätten zu dem Thema nichts getan. Das stimmte einfach nicht.)

Kollege Ritter, Sie vergleichen das mit Gesetzen aus Passagen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie haben gesagt, wir hätten dazu nichts getan! Hallo!)

mit Gesetzespassagen der 30er-Jahre. Ich möchte nur daran erinnern, sozialer Wohnungsbau ist auch eine Erfindung aus der Zeit des Nationalsozialismus.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Wenn es danach geht, fahren Sie nur über Bundes- und Gemeindestraßen nach Hause und meiden Sie dann Autobahnen, Herr Ritter? Ich hoffe das sehr für Sie.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie begreifen wirklich nichts, was? – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Die Debatte hier hat auch gezeigt, dass es offensichtlich keine Streitpunkte zwischen CDU- und Linksfraktion gibt bezüglich der Terrorabwehr.

(Thomas Krüger, SPD: Das Niveau wird immer besser hier.)

Und, Herr Dachner, Ihr Beitrag, das war ja eine absolute Frechheit, das war ein untauglicher Versuch, Regierungshandeln auf die Opposition abzustellen, weil wir haben doch in unserem Antrag genau beschrieben, dass

wir uns explizit auf die bayerische Lösung beziehen. Sollten wir nach Ihrem Dafürhalten hier 300 Seiten Text in Form des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes einfügen?

Frau von Allwörden hat ebenso wie der Innenminister berichtet, dass man sich in einer Novellierung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes befindet, und genau darum bringen wir doch diesen Antrag hier ein, damit das Niederschlag findet und dann möglicherweise auch mal im Ausschuss diskutiert wird. Denn Kritik an diesem Gesetzgebungsverfahren ist berechtigt, genauso, wie Kritik an unserem Antrag berechtigt ist, aber dann lassen Sie uns doch über diese wohl berechtigten Kritikpunkte im Ausschuss sprechen.

Entgegen allen Ihren bisherigen Erwiderungen gibt es sowohl aus der wissenschaftlichen als auch aus der praktischen Perspektive gute Gründe für eine Präventivhaft. Kollege Förster hat es schon angedeutet. Von der juristischen Sichtweise her möchte ich an dieser Stelle auf den Staatsrechtler Kyrill Schwarz noch mal verweisen. Dieser hob in seiner Stellungnahme an unseren Landtag hervor. Ich zitiere: „Dabei darf nicht geleugnet werden, dass der mit der tatsächlichen Eskalation der Bedrohungslage gestiegene Informationsbedarf der Sicherheitsbehörden dazu führt, dass sich Eingriffsbefugnisse immer weiter in das Vorfeld von Gefahren ausdehnen...“ Es „ist zu berücksichtigen, dass zur Abwendung erheblicher Gefahren für Bund und Länder auch Maßnahmen, wie beispielweise eine Präventivhaft, möglich wären... Der Gesetzgeber ist daran nicht gehindert...“ Sie befinden sich doch jetzt in einem Gesetzgebungsverfahren.

Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass sich diese Einschätzung auch gerichtlich durchsetzen wird.

Herr Abgeordneter!