Präventivhaft für Gefährder nach bayerischem Vorbild – so lässt sich Ihr Antrag in sechs Worten zusammenfassen. Wir gucken also nach Bayern. Dort wurde das Polizeigesetz geändert und der sogenannte Unterbindungsgewahrsam ausgeweitet. Wir stellen also erst mal fest, Präventivhaft ist nur ein anderes Wort für Unterbindungsgewahrsam. Den Unterbindungsgewahrsam gibt es in jedem Polizeigesetz der Länder, er ist eben nur unterschiedlich ausgestaltet. Also das Instrument der Präventivhaft gibt es bereits, auch übrigens in MecklenburgVorpommern. Strittig ist vielmehr, wann es zur Anwendung kommen kann. Bayern hat dort eine neue Begriffskategorie eingeführt, die der drohenden Gefahr.
Und dieser Gefahrenbegriff in Verbindung mit der theoretischen Möglichkeit der unbegrenzten Freiheitsentziehung ohne Urteil hat dem bayerischen Polizeigesetz viel Kritik eingebracht. Insbesondere die Verfassungsmäßigkeit wurde da angesprochen, und unser Innenminister ist auch bereits darauf eingegangen.
Ganz aktuell befindet sich in Nordrhein-Westfalen eine Änderung des Polizeigesetzes im Landtagsverfahren. Auch dort wird über die Einführung der neuen Gefahrenbegriffe „drohende Gefahr“ und „drohende terroristische Gefahr“ gesprochen. Und auch, wenn viele Sachverständige dort die Einführung der neuen Gefahrenbegriffe begrüßen, so zeigt sich in den Stellungnahmen doch auch das verfassungsrechtliche Problem.
Ihr Antrag zeigt mir, dass Sie sich mit den Hintergründen der Kritik am bayerischen Polizeigesetz gar nicht befasst haben. Und noch mehr zeigt es mir, dass Sie sich mit dem Gesetzgebungsverfahren in Nordrhein-Westfalen nicht befasst haben. Mittlerweile gibt es vonseiten der Koalitionsfraktionen Änderungsanträge, die genau diese Begrifflichkeiten aus dem Gesetzesentwurf auch wieder herausnehmen. Sie sehen also, so einfach ist die Thematik dann doch nicht. Dies ist auch der Grund, warum der Gesetzentwurf, der dem Landtag in NordrheinWestfalen im Februar 2018 übersandt und dann im April zur Ersten Lesung vorgelegt wurde, immer noch in den Ausschüssen oder im Ausschuss besprochen wird.
Und auch, wenn meine Fraktion dem Ansinnen von Bayern viel abgewinnen kann –ich habe mich dazu ja auch in der Presse deutlich geäußert –, so sind die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht per se von der Hand zu weisen. Dem ist einfach so. Sollten wir uns also Hals über Kopf über diese Bedenken hinwegsetzen, oder sollten wir lieber das SOG am Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ausrichten? Es gab ja schon Entscheidungen zur Präventivhaft. Ich denke da an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Bundeskriminalgesetz. Diese Vorgaben sollten wir erst mal ins Gesetz einarbeiten und uns nicht vorschnell über Bedenken hinwegsetzen.
Das wichtigste Ziel meiner Fraktion im Bereich der Polizei ist es, für die Anwender ein rechtssicheres SOG zu schaffen. Das sind wir unseren Polizisten im Land schuldig, die dieses Gesetz jeden Tag anwenden müssen. Nichts ist schlimmer, als wenn sich ein Polizist rechtskonform verhält und dann den Straftäter doch wieder auf freien Fuß setzen muss. Ich glaube, wir beide wissen, wovon wir da sprechen. Und das wäre noch schlimmer wegzustecken, wenn man weiß, dass der Gesetzgeber eventuell zu sorglos gehandelt hat und der entsprechende Paragraf dadurch ungültig ist.
Wir müssen das SOG also an dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichtes anpassen und wir müssen die Erfahrungen in Bayern mit ihrem Polizeigesetz abwarten. Wenn die Rechtsprechung zu der Entscheidung kommt, dass das bayerische Gesetz rechtssicher ist, dann sollten auch wir hier darüber nachdenken. Aber bis dahin werde ich die Bedenken im Sinne unserer Polizisten nicht einfach vom Tisch wischen.
Das SOG, so sagte ich es jetzt bereits drei-, vier- oder fünfmal, muss angepasst werden! Es muss aber eben so angepasst werden, dass es ein verlässliches Handwerkszeug für unsere Polizisten ist. Und aus diesen Gründen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Er muss ja was machen für sein Geld. – Thomas Krüger, SPD: Na der kennt sich mit der Justiz ja auch aus.)
Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Vor dem Hintergrund des jüngsten Terrors ist dieser Antrag sicher von ehrenwerten Motiven geleitet.
und zwar aus dem Grunde, weil man doch glauben könnte, hier wird sich mit der unzweifelhaft unschönen Situation hier in Deutschland auf diesem Gebiet ein Stück weit abgefunden. Ich finde, der Primat sollte vielmehr auf andere Dinge gelegt werden,
zum Beispiel auf einen konsequenten Grenzschutz, gegebenenfalls der deutschen Staatsgrenzen, aber vor allen Dingen auch der EU-Außengrenzen, eine konsequente Anwendung der bestehenden Gesetze, denn viele, wenn nicht sogar die meisten derjenigen, die in letzter Zeit als Terroristen oder Gefährder auffällig geworden sind, die waren ja schon polizeibekannt, hätten mithin also gar nicht frei rumlaufen dürfen vor der Hand.
Eine konsequente Anwendung der bestehenden Gesetze, eine konsequente Abschiebung von straffällig gewordenen Migranten oder Gefährdern ist genauso wichtig.
Und dann nicht zuletzt sollten auch die Brutstätten des islamistischen Terrors konsequenter ausgetrocknet werden, als da sind radikale Moscheegemeinden,
der sich jetzt gerade wieder erst auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt ausgelebt hat oder vor zwei Jahren auf dem Rudolf-Breitscheid-Platz in Berlin. Da muss konsequenter zugegriffen werden. Und wenn das alles getan wird, nämlich konsequenter Grenzschutz, konsequente Anwendung der bestehenden Gesetze, konsequente Abschiebung und eine Überwachung radikaler islamischer Gemeinden und gegebenenfalls auch deren Verbot, dann, denke ich, bräuchte es auch keine Präventivhaft. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei unserem Antrag zur Präventivhaft geht es natürlich nicht, wie der „Nordkurier“ meinte ankündigen zu müssen, um „Knast auf Verdacht“ oder laut einem Sprecher des Innenministeriums darum, künftig alle Menschen, die potentielle Straftäter werden könnten, in Beugehaft nehmen zu können. Worum geht es in Wirklichkeit? Es geht um die Sicherheit der Bürger und Maßnahmen der Gefahrenabwehr und dabei natürlich auch um deren Angemessenheit. Darüber kann und sollte man sachlich und unaufgeregt diskutieren können.
In seinem Urteil zum Bundeskriminalamtsgesetz führt das Bundesverfassungsgericht aus, Zitatanfang: Der Gesetzgeber hat „einen wirksamen Schutz der Grundrechte und Rechtsgüter der Bürger zu sichern. Für die verfassungsrechtliche Prüfung der Angemessenheit ist zu berücksichtigen, dass die verfassungsmäßige Ordnung, der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie Leib, Leben und Freiheit der Person Schutzgüter von hohem verfassungsrechtlichem Gewicht sind. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm – unter Achtung von Würde und Eigenwert des Einzelnen – zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung Verfassungswerte sind, die mit anderen hochwertigen Verfassungsgütern im gleichen Rang stehen. Es hat den Staat deshalb für verpflichtet erachtet, das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren“, Zitatende.
Das sollte man zunächst einmal verinnerlichen. Die Sicherheit der Bürger hat auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht einen ganz hohen Stellenwert.
Für Maßnahmen der Gefahrenabwehr kommt es auf das Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter an. Im bayerischen Polizeiaufgabengesetz, auf das wir uns beziehen, besteht nach Paragraf 11 PAG eine Eingriffsbefugnis bereits bei drohender Gefahr nur unter besonderen Voraussetzungen, nämlich nur dann, wenn in absehbarer Zeit Eingriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind. Außerdem ist der Anwen
dungsbereich des Gewahrsams nach Paragraf 17 PAG auf einen Katalog bedeutender Rechtsgüter beschränkt. Als solche gelten: Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes, Leben, Gesundheit oder Freiheit, sexuelle Selbstbestimmung, erhebliche Eigentumspositionen oder Sachen, deren Erhalt in besonderem öffentlichem Interesse liegt.
Zudem steht das Ganze unter Richtervorbehalt. Der Richter entscheidet auch über die Dauer des Gewahrsams. Die Entfristung des Gewahrsams ist also keineswegs mit einem dauerhaften Freiheitsentzug gleichzusetzen. Das Schlagwort von einer Unendlichkeitshaft ist eine billige Polemik. Wenn im Einzelfall der Schutz eines Rechtsgutes überwiegt und der Schaden nicht anders abgewendet werden kann, dann soll der Schutz eben nicht durch reinen Zeitablauf enden.
Neu ist, dass die Polizei nicht erst bei Vorliegen einer konkreten Gefahr, sondern bereits bei einer drohenden Gefahr eingreifen darf. Die konkrete Gefahr erfordert eine Sachlage, bei der sich die Rechtsgutverletzung ohne Eingreifen des Staates mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit verwirklichen würde. Bei der drohenden Gefahr wird dieser Zeitpunkt vorverlegt. Wir befinden uns damit gewissermaßen im Vorfeld einer konkreten Gefahr.
Allerdings müssen auch hier nach dem bayerischen Modell über die bereits erwähnte Gefahr für bedeutende Rechtsgüter weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Es müssen im Einzelfall das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründen oder Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes Geschehen zulassen, wonach in absehbarer Zeit Eingriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind. Das soll dann also die drohende Gefahr – so definiert – sein.
Wenn der Innenminister jetzt davon sprach, die Gedanken sind frei, und damit also wohl meint, wir würden dafürsprechen, auf eine bloße Gesinnung hinaus jemanden einsperren zu wollen, dann ist das natürlich völlig absurd. Wir stehen wie keine andere Gruppierung für Meinungs- und Gedankenfreiheit
Das ist also, was in Bayern Gesetz geworden ist, bei verständiger Würdigung alles andere als eine Generalklausel für ein beliebiges polizeiliches Einschreiten.