Protocol of the Session on October 25, 2018

(Marc Reinhardt, CDU: Und Sport.)

Ich bin auch, was diese Einschätzung anbelangt, völlig bei Ihnen, und ich gehe auch davon aus, dass wir in diesem Hause keine andere Auffassung haben. Ich teile auch Ihre Skepsis, dass nicht jede Methode, die bundesweit eingesetzt wird, eine richtige Methode ist, aber ich finde, Sie haben sich das in Ihrer Begründung etwas zu leicht gemacht, weil ich denke schon, dass es einige Argumente gibt, die man hier auch austauschen muss. Und den Verweis auf ein anderes Bundesland, auf meine Kollegin in Brandenburg, finde ich auch etwas zu einfach gesprungen, aber dazu werde ich Ihnen nachher etwas sagen, weil es geht nicht darum, das zu kopieren, was in anderen Bundesländern gemacht wird, sondern es geht darum, für Mecklenburg-Vorpommern die beste Lösung für unsere Grundschulen, für die Lehrerinnen und Lehrer und die Schülerinnen und Schüler zu finden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Bernhard Wildt, BMV: Das ist ja kein Widerspruch.)

Ich möchte einfach ganz deutlich sagen, dass ich das auch nicht zielführend finde, die Fibel als den einzigen Weg zu bezeichnen, weil dadurch die Komplexität von Schule und auch die Individualität von Schülerinnen und Schülern verkannt wird. Ich will aber nicht verhehlen, dass die Fibel sehr wohl geeignet ist, den Weg, nämlich die Kompetenz, lesen und schreiben zu erlernen, zu vermitteln. Ich möchte aber auch noch mal zu der Studie sagen, auf die Sie sich ja gestützt haben in Ihrer Antragsbegründung, weil Sie haben selber gesagt, ich zitiere aus Ihrem Antrag, das wäre eine „groß angelegte Studie der Universität Bonn“.

Und lassen Sie mich mal bitte etwas zu dieser Studie sagen: Sie ist gut vermarktet worden, aber ich finde, sie lässt inhaltlich und qualitativ absolut zu wünschen übrig, denn an dieser Studie haben lediglich 3.084 Kinder aus zwölf Grundschulen in Nordrhein-Westfalen teilgenommen und nur für 237 dieser Kinder liegen vollständige Daten von den sechs Messzeitpunkten vor. Bei weiteren 55 Kindern haben die Forscher dann die fehlenden Daten von jeweils einem der Testteilnehmer geschätzt, sodass wir am Ende bei 292 ausgewerteten Kindern landen. Also der Terminus „groß angelegt“ ist, finde ich, damit verfehlt, zumal sich diese 292 auch noch auf drei verschiedene Lehrmethoden aufteilen.

Zu suggerieren, dass sich daraus valide Ergebnisse ableiten ließen, sei unredlich, schreibt der Geschäftsführer des Verlages der Rechtschreibwerkstatt in einem offenen Brief an die Verfasserin der Studie. Unabhängig davon, wie man also zur Methode der Rechtschreibwerkstatt steht, er hat recht, genauso wie man mit den Schlüsselsätzen seines Briefes, ich zitiere: „Wir haben eine nie dagewesene Heterogenität auf den verschiedensten Ebenen unserer Gesellschaft und damit auch in unseren Schulen. Dem kann man aber nur Rechnung tragen mit einer differenzierten Herangehensweise unter Berücksichtigung individueller Lernwege für Kinder.“ Zitatende.

Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir bei dem, wie ich finde, „Qualität der Rechtschreibung an unseren Schulen sicherstellen“, also dass wir bereits das

tun, was Sie, werte Abgeordnete der BMV, hier fordern. Denn lesen und schreiben zu vermitteln, dabei orientieren sich unsere Schulen eben nicht an irgendeinem Dogma, sondern, und das ist für mich die Kernaussage dieser Debatte, zuallererst an den Kindern, und die kommen mit ganz unterschiedlichen Lernvoraussetzungen an die Schule.

Es geht mir überhaupt nicht darum, dass wir an Kindern experimentieren, ganz im Gegenteil. Wir haben in unserem Koalitionsvertrag festgelegt, und gerade im Bereich der Schule, keine Experimente. Aber ich möchte ausführen, warum ich gerade die Individualität an Schule schätze und das auch der Gedanke der Inklusion ist, nämlich die gezielte individuelle Förderung von Kindern, denn Lehrerinnen und Lehrer machen sich ein Bild von dieser individuellen Ausgangslage, mit denen die Kinder in die Schule kommen, arbeiten an grundlegenden Kompetenzen wie der auditiven und visuellen Wahrnehmung der Fein- und Grobmotorik und entscheiden auf dieser Basis über die geeignete Methode.

Diese Freiheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, das sage ich aus tiefster Überzeugung, sollten wir ihnen unbedingt lassen, auch gerade, und das betone ich hier wirklich, mit Blick auf die gezielte individuelle Förderung, die ich für unsere Kinder auch fordere.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sie haben es selber ja auch ausgeführt in Ihrer Begründung, es gibt in Mecklenburg-Vorpommern eben nicht diesen Flickenteppich wie vielleicht in einigen anderen Bundesländern, sondern hier ist es so nach einer Umfrage, die wir unter den Lehrerinnen und Lehrern bei uns im Land vor drei Jahren gemacht haben, dass knapp 90 Prozent – die genaue Zahl ist, glaube ich, 86 Prozent – mit der Fibel arbeiten, und lediglich 2 Prozent bedienen sich mit der Methode „Lesen durch Schreiben“.

Also was will ich damit sagen? Hier in MecklenburgVorpommern, finde ich, haben wir nicht den Bedarf, wie er sich vielleicht in Brandenburg ergeben hat. Und ich möchte es noch mal sagen: Schule ist für mich kein statisches Gebilde, Schule lebt, Schule will gestaltet werden, und dafür brauchen Lehrerinnen und Lehrer vor Ort auch gewisse Spielräume und vor allem, meine sehr geehrten Damen und Herren, Vertrauen in ihre Arbeit.

Ich möchte einfach noch mal sagen, dass auch uns allen hier gerade das Lesen, Schreiben und Rechnen in der Grundschule wichtig ist. Deswegen haben wir den Mindestwortschatz für die Jahrgangsstufen 1 bis 4 eingeführt. Wir haben die zusätzliche Deutschstunde eingeführt. Und insofern möchte ich schließen. Ich glaube, es ist wichtig, einfach ein Stück weit an Individualität zuzulassen für die gezielte individuelle Förderung an unseren Schulen und nicht alles vorzugeben.

(Der Abgeordnete Dr. Ralph Weber bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Ich glaube, unsere Lehrerinnen und Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern sind sehr wohl in der Lage, entsprechend den Voraussetzungen, die sie haben, die Arbeit gut zu machen, und dafür möchte ich ihnen aus tiefstem Herzen danken. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Die Ministerin hat gar nicht erst die Frage durch mich zugelassen, also gehe ich davon aus, sie wollte keine Nachfrage beantworten. Ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen, Herr Professor.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Vielen Dank für die Individualität.)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Kröger.

Wertes Präsidium! Liebe Abgeordnete! Werte Gäste! Leiwe Mäkelborger un Vörpommern! Voranstellen möchte ich einen kleinen Ausflug in Richtung der aktuellen OECD-Studie, die gerade wieder in aller Munde ist. Sie ist keineswegs eines der regelmäßig wiederkehrenden Murmeltiere, denn sie zeigt uns auch, wie weit wir noch von unserem Anspruch, den auch gerade die Ministerin eben formuliert hat, nämlich, dass jedes Kind die Förderung erhält, die es benötigt, entfernt sind.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag der BMV ist ein Mosaiksteinchen auf dem Weg zu einer besseren Bildung. Der Weg zu einer besseren Rechtschreibung – und da sind wir uns, glaube ich, hier alle einig – heißt: Üben, üben, üben! Aber dieser Antrag zielt auf die Unterbindung einer ungeeigneten Lernmethode.

Vor einigen Wochen hat die Universität Bonn eine unter Leitung von Professor Roehr-Sendlmeier angefertigte Studie über Rechtschreibleistungen von Grundschülern im Verhältnis zur angewandten Lernmethode in Auszügen veröffentlicht. Die BMV springt mit ihrem Antrag auf diesen Zug auf, und selten hat eine Studie zu didaktischen Themen der Grundschule ein so großes Medienecho hervorgerufen wie diese. Dabei ist diese Studie noch gar nicht in Gänze erschienen, sondern nur in kurzen Zusammenfassungen.

Die Verfasser der Studie betonen selbst, und hier möchte ich mit Erlaubnis des Präsidiums zitieren: „Wünschenswert wäre eine Durchführung einer bundesweiten repräsentativen Längsschnittanalyse, um vorliegende Ergebnisse noch besser absichern und generalisieren zu können.“ Zitatende. Es wird nach Gründen für die besorgniserregende Entwicklung bei der Rechtschreibleistung gesucht und da scheint diese Studie einen wichtigen Grund gefunden zu haben: die Methode „lautorientiertes Schreiben“, oder bei uns im Lande allgemein bekannt als „Schreiben nach Gehör“. Allerdings fehlt noch die vollständige wissenschaftliche Auswertung dieser Studie. Aber wozu den wissenschaftlichen Disput befeuern, wenn wir hier über eine absolute Minderheit reden, die nach dieser Methode vorgeht? Trauen wir da unserem gesunden Menschenverstand nicht mehr? Es würde ja auch kaum jemand auf die Idee kommen, als alternative Lernmethode zur Erlangung des Führerscheins das Fahren nach Gehör einzuführen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wenn also die Zahlen stimmen, dass weniger als zwei Prozent der Schulen unseres Landes die Methode des Schreibens nach Gehör praktizieren, so beweist dies, dass die Lehrer aufgrund ihrer Praxiserfahrung schon längst bessere Schlüsse gezogen haben als mancher Akademiker an Universitäten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Andreas Butzki, SPD: Richtig!)

Obwohl der Rahmenplan Deutsch für die Grundschule immer noch das Schreiben nach Gehör anbietet – dort wird es als lautorientiertes Schreiben bezeichnet –, sehen wir hier den Ansatz, um dieses Problem lösen zu können, eigentlich nur an dieser Stelle.

Nun direkt zum Antrag der Fraktion der BMV. Sein Anliegen ist grundrichtig. Kritik haben wir allerdings erstens an der Überschrift, zweitens an der vorschnellen Zugrundelegung einer noch nicht im Ganzen veröffentlichten Studie sowie drittens an den relativ unkonkreten Forderungen an die Landesregierung. Er beinhaltet unter anderem nicht den Entzug der Grundlagen für die umstrittene Methode des lautorientierten Schreibens, die Änderung des Rahmenplans.

(Torsten Renz, CDU: Ist alles schlecht.)

Um auf das Eingangsbild zurückzukommen: Das Mosaiksteinchen in Form des vorliegenden Antrages ist unserer Auffassung noch zu klein für die Lücke, die damit gefüllt werden soll. Einer Überweisung des Antrages werden wir zustimmen, aber bei einer Abstimmung des Antrages, sofern er nicht überwiesen wird, werden wir uns enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Reinhardt.

(Bernhard Wildt, BMV: Jetzt aber! Die CDU-Fraktion hat eine Umfrage gemacht.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zunächst will auch ich sagen, Herr Wildt, natürlich sind wir uns im Punkt 1, wie Sie es auch aufgeschrieben haben, alle einig, dass das Erlernen von Schreiben, Lesen und natürlich auch Rechnen elementar ist und ganz wichtig bei uns an den Grundschulen. Die CDU-Fraktion hat das besonders dadurch hervorgehoben, dass wir uns für die dritte Deutschstunde eingesetzt haben und die auch gemeinsam mit unserem Koalitionspartner eingeführt haben. Das, denke ich, war ein ganz wichtiger Beitrag.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Dann wurde vieles auch durch Sie schon gesagt. Das Lesen durch Schreiben oder, wie wir es eigentlich alle kennen, Schreiben durch Gehör war in aller Munde, wurde von vielen Seiten heftig kritisiert. Wenn man sich das näher anguckt – das habe ich gemacht, auch mal mit Lehrern gesprochen, die das selbst unterrichten –, erst noch mal die Zahlen: Ja, es sind nur zwei Prozent und an sechs Schulen, glaube ich, im Land wird dieses Verfahren angewandt.

(Andreas Butzki, SPD: Genau.)

Wenn man sich das das erste Mal anguckt, ist man selber sehr skeptisch – also das bin ich bis heute, das gebe ich offen zu –, aber im Gespräch mit Lehrern haben die

se mir auch erzählt, es kann Kinder geben, die Benachteiligungen haben, die vielleicht auch hochbegabt sind, wo diese Methode durchaus sinnvoll ist zum Lernen des Schreibens und des Lesens.

Insofern stehe ich da auch auf der Seite der Ministerin zu sagen, am besten können das dann immer die Lehrer vor Ort entscheiden. Wir sollten dieses Instrument aus diesem Instrumentenbaukasten, den wir da haben, wo natürlich die meisten nach der Methode der Fibel arbeiten, den sollten wir zumindest noch nicht, aus meiner Sicht, herausnehmen. Ich kenne die Studie auch. Die Ministerin hat berichtet, was die Schwierigkeiten dieser Studie sind.

Was ich aber sagen kann, ist, wir als CDU-Fraktion und die Bildungspolitiker bei uns werden dieses Verfahren auch mit den Praktikern vor Ort weiter begleiten und auch ganz genau angucken. Aus heutiger Sicht lehnen wir es aber noch ab, diese Methode zu verbieten oder bei uns im Bundesland abzuschaffen. Wir werden das weiterverfolgen, denn auch wir haben den Anspruch, das möglichst Beste für unsere Schülerinnen und Schüler im Land zu haben. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort die Fraktionsvorsitzende Frau Oldenburg.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Kindern das Wort verbieten, den Lehrkräften die Methode zu verbieten, lautorientiertes Lesen und Schreiben in den Giftschrank, das alles möchte meine Fraktion nicht.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Das aber sieht der Antrag der Fraktion BMV vor, ich möchte daraus zitieren, „dafür zu sorgen, dass die Methode ‚Lesen durch Schreiben‘ und verwandte Methoden des Schreibenlernens nach Gehör an Grundschulen in unserem Land künftig … nicht mehr im Unterricht angewendet werden dürfen“. Ende des Zitats.

(Bernhard Wildt, BMV: Genau.)

Herr Wildt, ich lag so selten mit Ihrer Fraktion über Kreuz wie bei diesem Antrag.

(Christel Weißig, BMV: Oh!)