Protocol of the Session on October 25, 2018

(Christel Weißig, BMV: Oh!)

Niemals, wirklich niemals dürfen pädagogische Methoden im politischen Raum entschieden werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Andreas Butzki, SPD: Das ist richtig.)

Das ist falsch! Da ist mir das auch komplett egal, ob in Brandenburg die rot-rote Regierung es verboten hat, was falsch ist, ist falsch. Und es ist mir egal, ob unter RotSchwarz oder unter Schwarz-Gelb oder unter Rot-Rot, was falsch ist, ist falsch und sollte nicht wiederholt werden.

(Bernhard Wildt, BMV: Dann schreiben Sie einen Brief an Herrn Holter!)

Da kommen wir noch zu, zur Kultusministerkonferenz. Da nehme ich noch Bezug drauf.

Ihr Antrag suggeriert aber auch, dass die Lehrkräfte eben nicht verantwortungsvolle Methoden anwenden.

(Andreas Butzki, SPD: Richtig!)

Das sind jetzt nur zwei Gründe, warum wir Ihren Antrag ablehnen. Für mich ist vollkommen unverständlich, die Ursache für die tatsächlich miserablen Rechtschreibleistungen in dieser Methode, die es im Übrigen in der Grundschuldidaktik überhaupt nicht gibt, zu suchen. Die Vergleichsarbeiten VERA belegen, dass in der 3., in der 6., in der 8. Klasse immer 30 Prozent der getesteten Kinder unterhalb der Regelstandards unterwegs sind. Und da lasse ich mich jetzt auch nicht von dem Argument des jeweiligen Ministers oder der Ministerin überzeugen, das ist ja dann nächstes Jahr weg, diese Differenz. Nein, wir haben immer 30 Prozent, und wenn wir immer 30 Prozent haben, dann verwächst sich nichts, dann wird nichts weniger. Am Ende haben wir die Schulabbrecher, wir haben die Ausbildungsabbrecher und, und, und. Wir haben immer rund 30 Prozent, die eben unterhalb der Regelstandards unterwegs sind. Ansonsten müsste sich das wirklich irgendwann verwachsen.

Jetzt komme ich einmal zu dem Argument der Ministerin eben: Na selbstverständlich haben wir heterogene Lerngruppen. Aber das kann ich nicht als Begründung nehmen für diese Art des Schreibenlernens. Das würde ja bedeuten, dass alle Lehrkräfte in einer Klasse unterschiedliche Methoden anwenden müssten, und das geht nicht. Wir können nicht von einem Lehrer verlangen, jetzt zum Beispiel beim Schreibenlernen drei verschiedene Methoden, die es geläufig gibt, zu nehmen. Das funktioniert nicht, da lasse ich dieses Argument der heterogenen Lerngruppen nicht gelten für diese eine Methode. Wer heterogene Lerngruppen hat, der muss den Kindern einfach mehr Zeit zur Verfügung stellen, um zu lernen, um zu üben und um zu festigen. Das ist die einzig wahre Möglichkeit, hier weniger Fehler machen zu lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Tausende Kinder in Mecklenburg-Vorpommern können wirklich nicht richtig lesen und nicht richtig schreiben. 2014 waren es 60 Prozent der Grundschüler in der 3. Klasse, die unter dem Regelstandard unterwegs gewesen sind. 40 Prozent erreichten nicht einmal den Mindeststandard. Das sind bei 10.000 Getesteten 4.000 Kinder. 4.000 Kinder können nur sehr schlecht schreiben, aber nur zwei Prozent der Getesteten haben überhaupt diese Methode des lautorientierten Schreibens. Da liegt doch schon auf der Hand, dass diese Methode nicht die Ursache ist für diese schlechten Rechtschreibleistungen. Wir brauchen mehr Deutschunterricht, wir brauchen das muttersprachliche Prinzip, dass also jeder Lehrer in jedem Fach, egal, in welchem Fach, auch auf die Rechtschreibung der Schülerinnen und Schüler achtet und diese dann auch bewertet.

(Beifall Dr. Wolfgang Weiß, DIE LINKE, und Bernhard Wildt, BMV)

Ich warte wirklich auf den Moment, das muss ich so sagen, wo in Aufsätzen oder in Klausuren nach jedem zweiten oder dritten Wort irgendwie mir eine brünette Puppe entgegenwinkt, ein Hund mit dem Schwanz wackelt, ein weinendes Gesicht gemalt wird oder ein lachendes Gesicht oder auch eine Katze, Karsten, das ist auch möglich. Darauf warte ich nur.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Diese Regierung muss jetzt endlich aufhören, gerade in der Bildung zu knausern.

(Tilo Gundlack, SPD: Katzen-Karsten.)

Wir brauchen mehr Deutschunterricht in der Grundschule, und dann können wir auch irgendwie das Fachkräfteproblem lösen und werden eventuell auch auf irgendeinem Gebiet in der Bildungspolitik mal die rote Laterne abgeben.

Bis 1989 hatten die Kinder in der Grundschule in der DDR bis zu 13 Stunden Deutschunterricht – in der Woche, nicht im Monat! Jetzt sollen sie in sechs bis sieben Stunden richtig lesen und schreiben lernen. Da brauche ich keine Studien, ich weiß einfach, dass hier der Mangel auf der Hand liegt. Bei der Hälfte des Deutschunterrichts kann ich nicht 100 Prozent des Erfolgs haben, das geht nicht.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Studien hin oder her, keine dieser Studien belegt, dass Kinder bei gleichen Voraussetzungen bei allen Methoden, die es gibt, schlechtere Ergebnisse erzielen. Hier geht es in diesem Streit genau darum, es geht nicht um Fakten, es geht um Glauben. Diese Theorie ist das eine, die Praxis ist das andere. Sie haben schon gesagt, dass bayerische Kinder sicherlich nicht nach dieser Methode lernen, das liegt auf der Hand. Ich denke, auch bei Kindern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche ist das ebenfalls so. Aber es wird das Grundprinzip für den Anfangsunterricht in den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Arbeit in der Grundschule von 2015 auf der Basis des internationalen Forschungsstandes eindeutig formuliert, und da möchte ich zitieren: „Beim Schriftspracherwerb ist das lautorientierte Schreiben ein Entwicklungsschritt auf dem Weg zum normgerechten Schreiben. Das Kind wird ausgehend von seinen lautorientierten Verschriftungen von Anfang an systematisch an das orthografisch korrekte Schreiben herangeführt.“ Ende des Zitats.

Meine Fraktion wendet sich entschieden gegen die Bevormundung der Lehrkräfte. Nicht allein die Methode ist entscheidend, sondern zum einen sind es die Lernvoraussetzungen des Kindes. Zum anderen muss derzeit aufgrund des Sparzwanges der Landesregierung alles im Schnelldurchlauf erfolgen, und die Eltern sollen die großen Lücken schließen, die die Bildungspolitik bei den Kindern hinterlässt. Beides sind falsche Wege. Die Kinder brauchen mehr Unterricht, sie brauchen mehr Zeit zum Üben, sie brauchen mehr Zeit, ihr Wissen anzuwenden und zu festigen. Die Methode kann nicht für alle der falsche Weg sein, aber das Knausern der Landesregierung, das ist für alle der falsche Weg.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Butzki.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Neustrelitzer begrüße ich natürlich auch unsere Gäste aus Waren, aus meiner Nachbarstadt. Herzlich willkommen! Uns liegt heute …

(allgemeine Unruhe – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Herr Abgeordneter, gestern gab es eine solche Anmerkung auch schon. Wir hatten uns darauf verständigt, dass die Besucher durch die Präsidentin begrüßt werden, und das gilt auch für Sie.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Lernen durch Zuhören.)

Dann entschuldige ich – da war ich nicht da –, also dann entschuldige ich mich. Das wird auch nicht wieder vorkommen, Frau Präsidentin.

(allgemeine Unruhe – Torsten Renz, CDU: Vorsichtig mit solchen Versprechungen!)

Uns liegt heute mal wieder ein Antrag der BMV zur Schulpolitik vor. „Qualität der Rechtschreibung an unseren Grundschulen sicherstellen“, das hört sich erst mal sehr interessant und sehr gut an, aber wenn man genauer hinschaut – und wir haben es heute schon gehört –, soll irgendwas verboten werden oder stark reglementiert. Wie es am Anfang Ihres Antrages heißt: „Das Erlernen einer guten Rechtschreibung in der Schule ist für eine erfolgreiche Bildung und den gesamten Lebensweg eines Menschen sehr wichtig.“ So beginnt Ihr Antrag. Dem können wir uneingeschränkt zustimmen, und das macht meine Fraktion auch. Dann hört es aber auch schon auf mit den Gemeinsamkeiten.

Wir haben jetzt diese Methode oder die steht im Fokus: „Lesen durch Schreiben“. Das ist eine Methode. Die Zahlen will ich jetzt nicht alle wiederholen, aber ich will trotzdem auf andere Zahlen noch mal hinweisen. Wir haben gesagt, 300 Schüler haben an dieser Studie teilgenommen. Wissen Sie, wie viele Schüler NordrheinWestfalen hat insgesamt?

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Na?)

1,95 Millionen. Können Sie sich ausrechnen, runterrechnen, ich habe noch mal nachgeguckt, 175.000 in der 1. Klasse. Da können Sie jetzt mal Prozentrechnung durchführen und dann sind wir nicht mal bei 0,2 Prozent, die an der Studie teilgenommen haben, also wir sind im Promillebereich.

(Bernhard Wildt, BMV: Das heißt aber nichts.)

Sie sagen dazu, das ist eine groß angelegte Studie.

(Bernhard Wildt, BMV: Das allein heißt gar nichts.)

Nein. Das ist eine groß angelegte, steht aber so drin. Sie sprechen von einer groß angelegten Studie. Das ist keine groß angelegte Studie, wenn Sie im Promillebereich arbeiten. Also das ist schon für eine Antragsbegründung sehr, sehr dürftig.

(Bernhard Wildt, BMV: Es kommt ja nur auf eine Stichprobe an.)

Dann ist Ihre nächste Forderung, Sie wollen die Grundschulen,

(Bernhard Wildt, BMV: Das heißt gar nichts.)

Sie wollen die Grundschulen im Land

(Bernhard Wildt, BMV: Statistik 1. Klasse!)

über diesen Forschungsstand informieren, über eine Studie mit so wenig Probanden. Das ist also nicht nachvollziehbar.

Ich muss wirklich sagen, Frau Oldenburg hat es eben gerade im Vorfeld auch gesagt: Welche Vorstellungen haben Sie eigentlich von unseren Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern? Wenn eine Methode grundlegend eingeführt wird, dann sitzen die Kollegen zusammen, dann wird gemeinsam beraten, da werden genau die Vor- und Nachteile alle besprochen und diskutiert, dann gibt es Fort- und Weiterbildungen, dann werden auch die Eltern informiert, dann werden entsprechende Beschlüsse gefasst und dann wird auch entsprechend analysiert und evaluiert.

Und dann die Frage: Wieso kommt die Fraktion der BMV zu der Behauptung, die Methode „Lesen durch Schreiben“ wird in M-V überdurchschnittlich oft angewendet? Das können Sie nachher noch mal erklären. Also die ganzen Prozente will ich nicht mehr sagen. Zwei Prozent nehmen jetzt nur dran teil und …

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Weil zwei Prozent mehr sind als ein Prozent.)

So, die Frage ist, ob Sie dann in der nächsten Landtagswoche eine andere Methode verbieten. Das würde sich ja jetzt anbieten, weil Sie hätten ja auch formulieren können, Sie wollen nur diesen Fibel-Ansatz haben, aber Sie wollen speziell nur diese Methode verbieten. Das geht natürlich dann in diesem Falle auch nicht und das ist der vollkommen falsche Ansatz. Wie soll sich Unterricht weiterentwickeln, wenn man mit Verboten arbeitet? Und wie wollen Sie das mit den Schulen in freier Trägerschaft machen? Da wird grundsätzlich auch mit anderen, nicht grundsätzlich, aber da werden natürlich auch andere Methoden ausprobiert,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

teilweise die ganzen Profile darauf aufgebaut, und das kann natürlich auch nicht sein.

Sie stellen sich immer dar als Unternehmer, und wenn man von der Unternehmerschaft immer hört, unsere Schüler sind zu schwach in Rechtschreibung, können nicht richtig rechnen, nicht richtig lesen, richtig schreiben und so weiter, dann überlegen Sie mal: Fast 98 Prozent werden jetzt nicht mit dieser Methode „Lesen durch Schreiben“ gefördert. Dann müssten theoretisch nach Ihrer Philosophie alle super dastehen, und das ist ja nun nicht der Fall.