Protocol of the Session on September 13, 2018

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin!

Erstens. Karenzzeiten sind kein Ausschlusskriterium, sich in der Politik zu engagieren.

Zweitens, lieber Kollege Kokert, habe ich bewusst kein Beispiel genannt, weil ich das auch ein Stück weit unfair empfinde, dann immer auf dem einen, den es bis jetzt betroffen hat, herumzuhacken. Das ist nicht mein Stil. Meine Überlegung ist eher, dass wir jetzt gemeinsam Regelungen finden, die in der Zukunft solche Diskussionen, auch solche Neiddiskussionen ausschließen. Deswegen verstehe ich die Debatten nicht ganz, die Sie hier führen,

(Zurufe von Dietmar Eifler, CDU, und Harry Glawe, CDU)

sozusagen mit Unterstellungen auch uns gegenüber, was Berufsverbot und so was angeht. Das finde ich nicht zielführend.

Sie selbst haben jetzt wieder eine ganze Reihe von Fragestellungen diskutiert und gesagt, wir müssen darüber reden, wie machen das die anderen Bundesländer. Also nehmen wir uns selbst ernst, tragen wir diese Fragen in den Rechtsausschuss, diskutieren wir sie dort, und dann

können wir vielleicht in unserer Eigenschaft als Landtagsabgeordnete auch unserer Regierung ein Stück weit Handlungsempfehlung geben.

(Vincent Kokert, CDU: Das haben Sie aber eben noch ausgeschlossen, Herr Ritter. Ich kann es doch nicht ändern!)

Ich habe in meinem Redebeitrag vorhin schon gesagt, dass ich für die Überweisung bin, dass wir genau dort diese Probleme diskutieren,

(Torsten Renz, CDU: Nee, vorhin haben Sie gesagt, die Regierung gibt keine Ratschläge! – Glocke der Vizepräsidentin)

damit wir auch Ihre Fragen, die Sie haben, miteinander diskutieren können. Vielleicht ergeben sich daraus Antworten, aus denen wir gemeinsam eine Lösung finden für das Problem „Einführung von Karenzzeiten in Mecklenburg-Vorpommern“.

Wenn Sie jetzt schon wieder sagen, nee, nee, so nicht, dann machen Sie deutlich, dass Sie kein Interesse an einer Problemlösung haben. Wenn ich mich bewege und sage, okay, ich bin bereit für einen gemeinsamen Diskussionsprozess, damit wir vielleicht auch der Regierung eine gemeinsame Erklärung geben, dann sagen Sie nur, nee, haben Sie doch vorhin abgestritten. Also bewegen auch Sie sich, stimmen Sie einer Überweisung zu! Wir laden die Experten vom Bund und den Ländern ein, da können wir all diese Fragen stellen, die Sie und mich bewegen.

(Vincent Kokert, CDU: Die Zustimmung liegt nicht in meiner Macht, Herr Ritter.)

Sehen Sie, das ist dann schon wieder die nächste Ausrede. Es hat also keinen Sinn, den Versuch zu unternehmen, auch bei so einer Frage Brücken zu bauen. Es ist ein Vorschlag der Opposition, der wird niedergemacht mit unsinnigen Argumenten.

(Zurufe vonseiten der Fraktion der CDU)

Sie tragen nicht zur Problemlösung bei. Sie haben kein Interesse, diese Frage gemeinsam mit uns zu lösen. Das ist die klare Botschaft. Also bleibt es am Ende dabei, dass Sie demnächst einen Gesetzentwurf präsentiert kriegen, und dazu müssen Sie sich verhalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/2572 an den Rechtsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist dem Überweisungsvorschlag zum Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/2572 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und AfD und Stimmenthaltung der Fraktion der BMV nicht gefolgt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/2572. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/2572 bei gleichem Stimmverhalten abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Aufgaben und Zusammensetzung der „Kommission Universitätsmedizin 2020+“, Drucksache 7/2568.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Aufgaben und Zusammensetzung der „Kommission Universitätsmedizin 2020+“ – Drucksache 7/2568 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 20.08. und 11.09. informierte Bildungsministerin Hesse per Pressemitteilung über die Einrichtung beziehungsweise Besetzung einer Kommission „Universitätsmedizin 2020“. Sollte diese anfänglich Strukturen und Vorgänge an den Universitätskliniken untersuchen und Empfehlungen für das zukünftige Landeshochschulgesetz oder die Zielvereinbarungen mit den Universitäten geben, war zuletzt nur noch von Empfehlungen für die Ministerin und die Aufsichtsräte zu lesen. Man beachte die Aktzentverschiebung! Im Fokus, so hieß es, stehe die Aufgabenerfüllung in Zeiten des ökonomisierten Gesundheitswesens. „Die Ökonomisierung“, so wörtlich, dürfe „nicht vor dem Patientenwohl stehen“. Wie wahr!

Dieser Erkenntnis war einiges vorausgegangen. In der vergangenen Legislaturperiode, wie in dieser auch, haben sich der Finanzausschuss und das Parlament in Gänze mehrfach mit der wirtschaftlichen Schieflage der Unimedizin Greifswald beschäftigt. Ein straffes Konsolidierungsprogramm folgte, eine Trendumkehr an der Unimedizin Greifswald ist zu erkennen, wenngleich das aufgelaufene Defizit mittlerweile saldiert deutlich über 40 Millionen Euro beträgt.

Ganz anders die Entwicklung an der Unimedizin Rostock: Die Wirtschaftszahlen beeindruckten. Wir alle hinterfragten lange Zeit nicht, auf welche Weise sie zustande kommen, welcher Preis dafür an anderer Stelle gezahlt wird. Die Vorgänge an der Unimedizin Rostock, wie es Ministerin Hesse in ihrer Pressemitteilung bezeichnet, wurden im Zuge einer parlamentarischen Anfrage aus der Linksfraktion öffentlich. Zu der Frage an die Landesregierung, wie viele Beraterverträge denn die Vorstandsmitglieder der Universitätsmedizinen hierzulande neben ihrem eigentlichen Job denn noch so hätten, gab sie zwei zu Protokoll.

Zunächst stellte sich heraus, dass diese Auskunft nicht korrekt war. Dann wurde bekannt, dass es im Fall des Rostocker Vorstandsvorsitzenden der Unimedizin nicht nur weitere lukrative Nebenjobs, sondern auch fragwürdige Firmenverbindungen zur wundersamen privaten Geldvermehrung gab. Damit nicht genug – Recherchen

förderten zutage, dass die Unimedizin Rostock von renditehungrigen Beteiligungsgesellschaften, sogenannten Heuschrecken, befallen war.

(Ministerin Birgit Hesse: Ach!)

Weiterhin wurde öffentlich, dass wirtschaftliche Erfolge an diesem Haus in immer stärkerem Maße auf Knochen des medizinischen Personals und der Pflegekräfte erbracht wurden und zulasten der Patientinnen und Patienten gehen. Auch, so war zu erfahren, würden notwendige Ersatzinvestitionen, etwa im Bereich der Augenheilkunde, nicht vorgenommen.

All das sind untrügliche Anzeichen einer Ökonomisierung. Eine solche wird definiert als die Ausbreitung des Marktes, seiner Ordnungsprinzipien und -prioritäten auf Bereiche, in denen wirtschaftliche Überlegungen eine untergeordnete Rolle spielten beziehungsweise absichtsvoll spielen sollen.

(Unruhe bei Marc Reinhardt, CDU, und Torsten Renz, CDU)

Herr Renz und Herr Reinhardt, das stört jetzt doch ein bisschen.

(Torsten Renz, CDU: Okay.)

In der Tat, Gesundheit darf keine Ware sein. Im Gesundheitswesen müssen zwei nicht handelbare Güter den entscheidenden Vorrang haben: Vertrauen und Gewissen. Völlig zu Recht verweist die Bildungsministerin auf ein ökonomisiertes Gesundheitswesen und mahnt eine medizinisch-ethische Orientierung an. Dabei hat sie, wie es unser Antrag zeigt, unsere Unterstützung. Eine stetige Ökonomisierung besonders der Daseinsvorsorge gehört zu kapitalistischen Verhältnissen wie die Nässe zum Regen. Marx und Engels beschrieben bereits vor 170 Jahren scharfsinnig, dass im Kapitalismus, wörtlich, „kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen“ ist, „als das nackte Interesse, als die gefühllose ,bare Zahlungʻ“. Gesellschaftliche Verhältnisse und ihre Phänomene sind, wir wissen es, Menschenwerk und somit veränderbar. Vor der Veränderung steht jedoch das Erkennen.

Apropos Erkennen: Das bisherige Agieren der Ministerin und des Ministeriums mit Blick auf die Kommission „Universitätsmedizin“ lässt eben nicht erkennen, dass transparent und schonungslos aufgeklärt werden soll, warum und wie es zu den besagten Vorgängen etwa in Rostock gekommen ist. Uns scheint es kein Zufall zu sein – deshalb auch die mit unserem Antrag begehrte Erweiterung der inhaltlichen Aufgaben der Kommission auf eine Analyse der Geschäftspraktiken, auf Vertragsregelungen, Zielvereinbarungen und auf die Tätigkeit der Aufsichtsräte. Der erkennbare Wille des Bildungsministeriums, den Blick zurück partout vermeiden zu wollen, scheint uns deshalb kein Zufall, weil die Landesregierung selbst Verantwortung dafür trägt, dass es überhaupt zu einer derart exzessiven Ökonomisierung an der Universitätsmedizin gekommen ist. Treiber der Ökonomisierung im Gesundheitswesen sind in der Regel interne Mechanismen und externe Akteure. Zu den internen Mechanismen gehören Praktiken, die das Erzielen von Überschüssen geradezu herausfordern. Externe Akteure wiederum bürsten die gesamte Einrichtung auf Gewinne.

Zu den internen Mechanismen an der Unimedizin Rostock: Das Bildungsministerium hat über Jahre den Vorstand ermuntert, hohe Überschüsse zu erzielen. Sie betrugen im Jahre 2012 knapp 3 Millionen Euro und steigerten sich auf zuletzt über 13 Millionen Euro. Grundiert wurde diese Entwicklung durch Zielvereinbarungen, die in sehr auslegbarer Formulierung ein, wörtlich, „jeweils mindestens ausgeglichenes Jahresergebnis“ anstreben. Wenn Staatssekretär Schröder im NDR„Nordmagazin“ am 21. Juli erklärt, man erwarte, wörtlich, „im Grunde … eine schwarze Null“, so widerspricht dies zumindest der gelebten Wirklichkeit.

Widersprüchlich ist auch das Handeln des Ministeriums, wenn es um individuelle Anreizsysteme zur Erzielung von Überschüssen geht. Erst wurde bestritten, dass es Verträge mit zusätzlichen Vergütungen für Vorstände gab, wenn sie Überschüsse erwirtschaften. Später wurde eingestanden, dass es doch einen Anreizmechanismus gibt, der an einen Überschuss der Betriebsergebnisse in Höhe von maximal 1,21 Prozent der Jahresumsatzerlöse gekoppelt ist. Also doch! Es gibt Anreize, wenn auch gedeckelt, sie entfalten ihre Wirkung. Was wird uns das Bildungsministerium wohl erklären, wenn sich bewahrheitet, dass in Quartals- beziehungsweise Monatsgesprächen von leitenden Ärzten eine quantitative Zunahme medizinischer Leistungen abverlangt wurde? Was wird uns das Bildungsministerium wohl sagen, wenn sich bewahrheitet, dass an der Unimedizin Rostock punktuell Softwareprogramme zum Einsatz kommen, mit denen ablesbar ist, ob sich die Behandlung eines Patienten wirtschaftlich rechnet (grün markiert), wirtschaftlich grenzwertig ist (gelb markiert) oder ökonomische Verluste erzeugt (rot markiert)?

Die uns vorliegenden Informationen sind glaubwürdig. Diejenigen, die uns informierten, haben jedoch Angst, Angst vor der Vorstandsetage, Angst vor dem Bildungsministerium, Angst, den Job zu verlieren.

(Heiterkeit bei Ministerin Birgit Hesse)

So weit sind wir also schon!

Nun zu den externen Akteuren: Zu ihnen gehört die Heuschrecke DocServ, ein Unternehmen, das zur Beratung im Jahr 2016 an die Unimedizin Rostock geholt wurde. Seit 2012 ist dieses Unternehmen Teil eines Kapitalfonds, der seinen Sitz in einer Steueroase hat. Öffentliche Gelder renditeträchtig in Profite waschen, ist der Geschäftszweck. Zu dessen Erfüllung reichen zuweilen Patientendaten. Aus ihnen kann man zukünftige Versorgungsbedarfe ermitteln und Versorgungsströme über die in der Familie befindlichen Unternehmen lenken. Die wiederum sorgen dann dafür, dass der Geldstrom nicht versiegt.

Von alldem will die Unimedizin, will das Ministerium bis Mai/Juni dieses Jahres nichts gewusst haben. Das ist höchst zweifelhaft. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter wird hinsichtlich der Referenzen mit Einstellung in die Unimedizin genauestens geprüft, klar doch. Ausgerechnet bei diesem Unternehmen soll das nicht der Fall gewesen sein?

Das Handeln an der Unimedizin wird hinsichtlich dieser Heuschrecke umso sonderbarer, als dass man zwischenzeitlich den mit ihr geschlossenen Beratervertrag in einen Vertrag zur Regelung des Entlassmanagements

gewandelt hat. Somit erlangte sie Einfluss auf Medikamenten- und Hilfsmittelversorgung. Die Dienstanweisung, dass alle Verordnungen über die Heuschrecke zu laufen haben, kam direkt aus dem Vorstand. Das widerspricht mehreren rechtlichen Regelungen. Haben Sie das je der Staatsanwaltschaft vorgelegt? Ich behaupte Nein und frage: Warum eigentlich nicht?

Sehr geehrte Damen und Herren, wie sich zeigt, kann die Kommission nicht qualifizierte Empfehlungen geben, wenn nicht die zurückliegenden Geschehnisse aufgearbeitet werden. Dies muss ausdrücklich Arbeitsbestandteil der Kommission sein.

(Zuruf von Ministerin Birgit Hesse)

Wir seitens der Linksfraktion wollen, weil es sich bei dieser Kommission, wie von der Bildungsministerin betont, um die Bearbeitung politischer Fragen handelt, dass der politische Raum, also die Fraktionen des Landtages mit der Benennung jeweils einer Expertin beziehungsweise eines Experten, ob aus den eigenen Reihen oder extern benannt, beteiligt werden. Der bereits von der Ministerin vorgetragene Einwand, die Landtagsfraktionen würden in der Kommission lediglich interessengeleitet wirken, verfängt nicht. Jedwede Politik ist konzentrierter Ausdruck von Interessen, im Übrigen auch die der Ministerin, ist sie doch zugleich Mitglied der SPD, oder nicht? – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Bernhard Wildt, BMV)