Protocol of the Session on September 12, 2018

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, ich werbe dafür, dass wir gemeinsam und konstruktiv an der qualifizierten Volksbe

fragung arbeiten. Unsere Demokratie ist weder perfekt, noch ist sie statisch. Lassen Sie uns die Demokratie gestalten und lassen Sie uns Vertrauen zurückgewinnen! – Besten Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ums Wort gebeten hat jetzt die Ministerpräsidentin. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.

Einen Moment, Frau Ministerpräsidentin! Ich habe noch gar nicht die Aussprache eröffnet. Das muss ich natürlich noch tun. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 240 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Jetzt, Frau Ministerpräsidentin, haben Sie das Wort.

Vielen Dank, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir wollen in Mecklenburg-Vorpommern die lebendige Demokratie stärken, wir wollen mehr Bürgerbeteiligung, mehr Mitbestimmung und mehr Bürgernähe. Das haben wir uns gemeinsam als Große Koalition vorgenommen.

Wir haben bereits in der letzten Legislatur die Bürgerbeteiligung verbessert. Es gibt die Möglichkeit von Volksbegehren, Volksentscheiden. Dafür wurden die Quoren in der letzten Legislatur abgesenkt, und wir haben gesagt, in dieser Legislatur wollen wir stärker auf Bürgerdialog setzen. Das tun wir mit unseren Formaten „Landesregierung vor Ort“, mit meinen Bürgerforen, mit Bürgerchats. Ich muss sagen, meine Erfahrung nach einem Jahr in diesem Amt ist, es gibt keine Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger. Im Gegenteil, die Bürgerinnen und Bürger kommen in diese Formate, in die Foren, zu den Veranstaltungen und diskutieren über alle Themen, die sie bewegen, von Kita über Windräder bis hin zum Thema Straßen. Ich finde das gut und es ermutigt mich als Ministerpräsidentin und unsere Landesregierung, diese Formate weiter fortzusetzen und in diesem Dialog zu bleiben.

Wir wünschen uns aber auch, dass es zukünftig eine Möglichkeit gibt, Bürgerinnen und Bürger viel eher an politischen Entscheidungen zu beteiligen, sie noch mehr mitbestimmen zu lassen. Deshalb sind wir zutiefst davon überzeugt, dass die Idee einer qualifizierten Volksbefragung ein weiterer ergänzender Baustein für mehr Mitbestimmung, mehr Bürgerbeteiligung und damit für die Stärkung unserer Demokratie sein kann.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Deshalb danke ich den regierungstragenden Fraktionen von SPD und CDU, die heute hier entsprechende Vorschläge in den Landtag einbringen. Ich wünsche mir eine gute konstruktive Diskussion, um diese qualifizierte Volksbefragung zukünftig für unser Land, für die Menschen in unserem Land möglich zu machen. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich den Beteiligten der SPD- und CDU-Fraktion, auch den zuständigen Ministerinnen und Ministern, insbesondere der Justizministerin und dem Innenminister, für eine wirklich intensive und gute Beratung.

„Bürger besser beteiligen, Volksbefragung machen“ hört sich so einfach an, aber wenn man dann ins juristische Klein-Klein kommt und die Urteile sieht, sieht, wie zum Beispiel Bayern vor die Wand gefahren ist, die Regierung in Bayern, dann muss man überlegen, wie machen wir es, dass es trägt. Der Artikel 60a, den wir Ihnen vorschlagen, den wir gemeinsam entwickelt haben, dieser Artikel 60a trägt den Gedanken, Bürgerbefragung zu machen, sie abzusichern über die Landesverfassung, sie zu tragen durch einen gemeinsamen Beschluss von Landesregierung und Landtag und sie auch umzusetzen, wenn entsprechende Quoren erfüllt sind, mit einer konkreten Bindung der Landesregierung in der Landesverfassung nach einer Volksbefragung auch innerhalb von drei Monaten zu sagen, wie dann das Ergebnis umgesetzt wird, mehr Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger, klares Tragen von Regierung und Parlament und klarer Handlungsauftrag an die Regierung. Gleichzeitig wird der Part der Demokratie, die repräsentative Demokratie, der Landtag weiter gestärkt bleiben, denn er ist frei in der Endentscheidung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich finde, es ist eine sehr runde Sache, die unbedingt Unterstützung verdient.

Ich möchte noch eins sagen: Ich habe in der letzten Zeit gelesen, es geht um eine Befragung von oben. Wenn sich Politikerinnen und Politiker als „die da oben“ sehen, dann ist das ihr eigenes Problem. Wir sehen uns als Regierung, als Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinnen und Bürger und wir wollen eigene politische Debatten eben nicht nur in unserem politischen Raum führen, wie zum Beispiel die Debatte zum Wahlalter mit 16, sondern wir wollen Bürgerinnen und Bürger fragen: Wie ist eure Meinung dazu? Gerade beim Wahlalter mit 16 gibt es Pro und Kontra, berechtigt, da hat jeder seine Meinung, und wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Ausweitung von Bürgerbeteiligungen, nämlich Wahlalter mit 16, in unserem Land diskutieren, gern auch streiten und am Ende entscheiden. Zu sagen, wir bereden das nicht nur unter uns, sondern wir wollen das diskutieren mit den Menschen in unserem Land, wir wollen von ihnen ein Votum haben, frühzeitig und nicht erst, wenn Entscheidungen gefallen sind, das, glaube ich, ist sehr hilfreich und ein wichtiger, ergänzender Schritt, denn wir haben schon die Möglichkeit von Volksentscheiden, von Initiativen aus der Bevölkerung heraus, aber ich wünsche mir, dass auch wir die Möglichkeit haben, Bürgerinnen und Bürger zu befragen, nicht nur mal einfach so wie eine Umfrage, wie ein Umfrageinstitut, sondern wirklich qualifiziert mit einer ganz konkreten Handlungsempfehlung für die Regierung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Für diese Änderungen brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit und deshalb werbe ich ausdrücklich bei den konstruktiven demokratischen Kräften dieses Landtages, bei der Fraktion DIE LINKE und auch bei der Fraktion BMV, dass wir einen gemeinsamen Weg finden, diese Bürgerbefragungen freizugeben. Man kann immer noch mehr machen, vieles anders machen, aber wir sollten ein Instrument, was es noch nicht gibt und was deutschlandweit auch gelobt wird, nicht den Menschen versperren. Das ist meine herzliche Bitte.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Abschließend möchte ich auf Artikel 17a eingehen. Wir hatten uns fest vorgenommen, dass wir ausschließlich einen Vorschlag machen für eine qualifizierte Volksbefragung und weitergehende wünschenswerte Änderungen in der Verfassung daneben diskutiert werden sollen. Dann hat uns die Sozialministerin völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass, wenn wir an die Verfassung gehen, wenn das Parlament darüber diskutiert, es sich lohnt, sich den Artikel 17a anzuschauen. Ich darf ihn einmal vorlesen:

„(Schutz von alten Menschen und Menschen mit Behin- derung)

Land, Gemeinden und Kreise gewähren alten Menschen und Menschen mit Behinderung besonderen Schutz. Soziale Hilfe und Fürsorge sowie staatliche und kommunale Maßnahmen dienen dem Ziel, das Leben gleichberechtigt und eigenverantwortlich zu gestalten.“

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, „Schutz von alten Menschen“, „staatliche Fürsorge“, das sind Begriffe, wo ich immer wieder, wenn ich hier zum Beispiel im Altenparlament bin oder auch bei vielen anderen Veranstaltungen, zum Beispiel für Menschen mit Behinderung, höre, das sind Begriffe, die sind für uns überholt. Wir wollen nicht einfach nur eine Fürsorge oder einen Schutz, sondern wir wollen gleichberechtigte Teilhabe. Wir sind auf Augenhöhe, wir sind nicht die Schwachen, für die ihr etwas tun müsst, sondern wir sind die, die mitmachen wollen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Es findet sich in unserer Verfassung auch nicht der Begriff der Inklusion, obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention jetzt schon viele Jahre besteht. Deshalb bin ich der Sozial- und der Justizministerin sehr dankbar, dass wir einen neuen Vorschlag mit den regierungstragenden Fraktionen entwickelt haben, der jetzt heißt „Inklusion von Menschen mit Behinderungen und Teilhabe von Seniorinnen und Senioren“, denn Seniorinnen und Senioren sehen sich nicht nur als alte Menschen, die alt und gebrechlich sind und Schutz brauchen, sondern sie sehen sich als gleichberechtigte Partner in dieser Demokratie, die etwas einbringen können. Das hören wir immer hier im Altenparlament und das sollten wir auch ausstrahlen in unserer Verfassung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Der Text selbst heißt: „Land, Gemeinden und Kreise setzen sich für die Selbstbestimmung und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie von Seniorinnen und Senioren ein.“ Die gleichberechtigte Teilhabe, die Selbstbestimmung impliziert Schutz, aber eben auch Mitbestimmungsmöglichkeiten. Das ist ziemlich mehr als nur Schutz. Ich bin aber sehr dafür, dass wir im Sozialausschuss darüber diskutieren können, ob diese Formulierungen weiterentwickelt werden können.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Was niemand wollte, ist, den Schutz von Seniorinnen und Senioren oder Menschen mit Behinderungen raus

zunehmen. Was wir wollten, ist, sie auf die Augenhöhe zu bringen, wo sie hingehören, mitten in unsere Gesellschaft, gleichberechtigt und selbstbestimmend. Darum geht es uns.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich finde, die Debatte heute, in den nächsten Wochen und Monaten um mehr Bürgerbeteiligung, mehr Mitbestimmung lohnt sich. Jeder hat bestimmt gute Ideen, wie man das umsetzen kann. Wir haben juristisch natürlich auch Grenzen, wie man es in eine Verfassung schreibt, aber was mir wirklich sehr am Herzen liegt, ist, dass es am Ende dieser Debatte eine konstruktive demokratische Mehrheit in diesem Parlament gibt, die den Weg frei macht für mehr Mitbestimmung für die Bürgerinnen und Bürger, und wir wünschen uns, dass wir mit der Kommunalwahl im nächsten Jahr eine neue qualifizierte Volksbefragung zum Wahlalter mit 16 machen können, um endlich loszulegen. Nicht nur diskutieren über mehr Bürgerbeteiligung, sondern sie auch umsetzen, das ist mein Wunsch, und ich freue mich auf die Debatte in den Ausschüssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ums Wort gebeten hat außerdem die Justizministerin. Frau Hoffmeister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten in verbundener Aussprache und, na klar, das Flaggschiff ist selbstverständlich die Verfassungsänderung selbst. Ihr folgen aber dann zwei weitere Schiffe, von denen das kleinere, aber gleichwohl notwendige der Gesetzentwurf ist, zu dem ich kurz spreche. Es geht um die erforderliche Folgeänderung des Landesverfassungsgerichtsgesetzes. Da sich im Zusammenhang mit der qualifizierten Volksbefragung verfassungsrechtliche Fragen und Streitigkeiten ergeben können, müssen diese dem Landesverfassungsgericht zugewiesen werden.

Zum einen ist in dem Zuständigkeitskatalog des Paragrafen 11 Absatz 1 Landesverfassungsgerichtsgesetz die Entscheidung über die Zulässigkeit einer qualifizierten Volksbefragung aufzunehmen und zum anderen ist an dieser Stelle auch die Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichtes über Streitigkeiten über die Durchführung einer qualifizierten Volksbefragung geregelt. Außerdem werden für diese neuen Verfahrensarten die notwendigen besonderen Verfahrensvorschriften eingefügt, die sich an den bisherigen Regelungen der Paragrafen 50 und 51 unseres Landesverfassungsgerichtsgesetzes orientieren.

Im Übrigen handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Anpassungen und deshalb, meine Damen und Herren, darf ich zusammenfassend sagen: Der Gesetzentwurf stellt sicher, dass verfassungsrechtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit der qualifizierten Volksbefragung in einem geordneten Verfahren behandelt werden können. Deshalb bitte ich auch um Ihre Unterstützung bei der Überweisung in die zuständigen Ausschüsse. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Der Minister für Inneres und Europa hat ebenfalls ums Wort gebeten. Herr Caffier, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Nun sozusagen das kleine Schiff im Zusammenhang mit den Gesetzesänderungen.

Ja, ich bekenne offen, ich bin ein Anhänger der repräsentativen Demokratie. Sie ist ein Erfolgsmodell und hat Deutschland Wohlstand, Wachstum und letztendlich auch Sicherheit gebracht. Allen Unkenrufen zum Trotz ist die Wahlbeteiligung insbesondere bei Bundestagswahlen nach wie vor recht ordentlich, sie könnte natürlich höher sein. Die Parteien nehmen ihre Aufgaben wahr: Vertretung des Volkes und Einfluss nehmen auf die Willensbildung.

Aber auch ich sehe, dass es um die repräsentative Demokratie in Deutschland schon besser bestellt war. Die Parteienbindung nimmt allgemein ab, im Osten war sie nach den Erfahrungen mit der DDR-Geschichte sowieso erst mal relativ gering. Die Medienlandschaft, so wie Facebook, Twitter und Co, erschwert den Wettbewerb um die Meinungshoheit ungemein. Kleinigkeiten werden aufgebauscht, Nebenschauplätze eröffnet, Fake News verbreitet, mit platten Parolen wird häufig die Stimmung vergiftet. Das sind Herausforderungen für alle Parteien und ihre Protagonisten, aber ich denke, es ist lohnenswert, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Wir alle tun gut daran, uns für unser politisches System einzusetzen, dafür zu werben und es gegen Angriffe zu verteidigen. Je erfolgreicher wir dabei sind, desto erfolgreicher wird auch Deutschland sein.

Zur repräsentativen Demokratie gehören seit jeher auch plebiszitäre Elemente und das ist beileibe kein Widerspruch. Richtig ausgestaltet können sie die repräsentative Demokratie unterstützen.

Mit der qualifizierten Volksbefragung – Frau Ministerpräsidentin ging schon darauf ein – wollen Koalition und Landesregierung in genau diesem Sinne neue Akzente setzen. In gewissem Umfang sollen die Menschen in unserem Land befragt und zu bedeutenden Vorhaben auch miteinbezogen werden. Im Volksabstimmungsgesetz schaffen wir dafür den gesetzlichen Unterbau, der auch notwendig ist, um solche Befragungen durchzuführen. Dabei sind folgende Besonderheiten zu beachten:

Erstens. Landtag und Landesregierung müssen übereinstimmend den Tag der Volksbefragung und den Wortlaut der Fragen beschließen.

Zweitens. Das Mindestalter, das für die Teilnahme an einer Volksbefragung berechtigt, kann verändert werden. Hier denkt man vermutlich an die Beteiligung jüngerer Mitbürger. Das ist auch gut. Denkbar wäre aber auch, dass sich zu bestimmten Themen nur bestimmte Altersgruppen von Personen, also beispielsweise ältere Bürger, äußern dürften, zum Beispiel alle Wahlberechtigten über 65.

Drittens. Es besteht die Möglichkeit, eine Volksbefragung ausschließlich per Briefwahl durchzuführen, also komplett ohne Urnengang, und das, denke ich, ist auch wichtig, wenn man die Bürgerinnen und Bürger miteinbeziehen würde. Das würde den Aufwand erheblich reduzie

ren, sollte eine Volksbefragung nicht mit einer landesweiten Wahl zusammenfallen. Ansonsten nutzen wir die Gesetzesänderung für ein paar Vereinfachungen und Klarstellungen, das erleichtert dann die Gesetzesanwendung.

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht alles wiederholen, was die Kollegen bereits ausgeführt haben, aber wenn die Volksbefragung neue Impulse setzt, das Vertrauen in unsere Demokratie stärkt und Politikverdrossenheit reduziert, dann ist sie doch eine gute Sache und sollte unsere Zustimmung finden.

Nach über drei Jahrzehnten Politik möchte ich aber gleichwohl auch auf die Euphoriebremse treten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, na, na, na!)