Wer das Volk fragt, muss damit rechnen, dass Ergebnisse nicht unbedingt die eigene Überzeugung oder die eigene Entscheidung widerspiegeln. Damit muss man dann auch umgehen, das gehört ehrlicherweise zu diesem Thema dazu. Ich wünsche uns viel Erfolg in den Beratungen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Liebe deutsche Landsleute! Frau Präsident! Werte Kollegen und liebe Gäste!
Ich möchte zunächst mal darauf eingehen, dass Frau Schwesig in ihrer Begründung für die Verfassungsänderung von den konstruktiv-demokratischen Kräften gesprochen hat,
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zurufe von Patrick Dahlemann, SPD, und Thomas Krüger, SPD)
Allerdings hat Frau Schwesig das dann konkretisiert, indem sie angesprochen hat, wen sie meint, und uns dabei ausdrücklich nicht genannt.
Frau Schwesig, ich kann Ihnen dazu nur sagen: Wunderbar, machen Sie weiter so! Der Bürger merkt das ganz genau und wir werden bei allen Wahlen stärker. Wir werden mehr und Sie werden das spüren!
Diese Ausgrenzungspolitik, dieser Schlag ins Gesicht für über 20 Prozent der Wähler dieses Landes, bald noch
Ausgrenzungspolitik lehnen Sie sonst immer ab, nur wenn es um die Ausgrenzung der AfD und – was viel schlimmer ist – ihrer Wähler geht, da sind Sie in vorderster Front dabei. Dafür sollten Sie sich schämen!
Jetzt zu den beiden Teilen der Verfassungsänderung. Da ist zunächst mal der Artikel 17a, da geht es um die Belange von Menschen mit Behinderung. Grundsätzlich finden wir richtig, dass stärker auf Belange von Menschen mit Behinderung eingegangen werden soll. Auch das, was Sie mit Ihrer Verfassungsänderung implizieren, jedenfalls nach dem, was wir aus den Redebeiträgen entnehmen konnten, ist zustimmungswürdig. Allerdings spiegelt sich das nicht im Text wider, den Sie vorgeschlagen haben. Da klingt das, wenn man das erst mal unbefangen liest, so, als ob ein ausdrücklicher Schutzauftrag – bisher sollten die Menschen mit Behinderung einem besonderen Schutz unterliegen – abgeschwächt wird dahin, dass man sich für Selbstbestimmung und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe einsetzt. Jedenfalls in der Formulierung ist das missglückt und deswegen sind wir auch der Meinung, dass das dringend in den Ausschüssen noch besprochen werden muss. In der Tendenz aber ist das, was Sie damit implizieren, zustimmungswürdig. In den Ausschüssen sollten wir uns da noch gründlichere Gedanken machen.
Kritischer zu sehen ist dagegen der neue Artikel 60a, den Sie einführen wollen, die sogenannte qualifizierte Volksbefragung. Unter der Rubrik „Lösung“ in der Begründung für diesen Antrag steht, dass Sie weitere direktdemokratische Elemente in die Verfassung aufnehmen wollen. Wenden wir uns dem mal genauer zu! Direktdemokratische Elemente, das bedeutet, dass das Volk Initiativen ergreifen kann. Wenn wir in den Text schauen, den Sie hier vorschlagen, dann heißt es, diese „qualifizierte Volksbefragung“ kann unternommen werden in Übereinstimmung zwischen „Landtag“, also Landtagsmehrheit, „und Landesregierung“. Mit anderen Worten, das Volk taucht hier überhaupt nicht als Initiator auf. Nur die Landesregierung kann zur Frage stellen, was sie meint, das befragt werden soll. Das ist kein direktdemokratisches Element, das ist das Gegenteil davon.
Die Landesregierung meint, das, was sie für fragwürdig hält, soll gefragt werden, und das, was sie nicht für fragwürdig hält, soll nicht Gegenstand einer qualifizierten Volksbefragung sein.
Schauen wir mal weiter, gehen wir mal weg von der direkten Demokratie und wenden wir uns dem zu, was wir leider noch haben, nämlich repräsentative Demokratie. Da sind wir jetzt als Abgeordnete gefragt. Aber was wir vermissen in Ihrem Entwurf für Artikel 60a (neu) der
Landesverfassung: irgendwelche Möglichkeiten einer qualifizierten Minderheit des Landtages, selbst Themen für eine entsprechende qualifizierte Volksbefragung anregen und einbringen zu können – nur Landesregierung in Übereinstimmung mit dem Landtag, kein durchsetzbares Recht beispielsweise für ein Viertel oder ein Drittel der Abgeordneten des Landtages –, selbst ein Thema für eine solche qualifizierte Volksbefragung auf den Weg zu bringen. Also noch nicht mal eine richtig verstandene repräsentative Demokratie spiegelt sich in Ihrem Antrag wider. Das, was sich in dem Antrag widerspiegelt, was Sie mit Ihrer Verfassungsänderung wollen, das ist Durchsetzung einer Machtposition der Regierung und sonst gar nichts.
Dafür den Ausdruck „direkte Demokratie“ zu verwenden, ist Verhöhnung dessen, was eigentliche direkte Demokratie ist: Vox populi – es geht vom Volk aus, was gemacht werden soll. Was Sie wollen, geht alles von der Landesregierung aus, und deswegen können und werden wir das nicht mittragen. In dieser Form lehnen wir die Verfassungsänderung ab, obwohl wir uneingeschränkt für direkte Demokratie eintreten. Gerade weil wir das wollen, weil wir wollen, dass das Volk gefragt wird, weil wir wollen, dass das Volk entscheidet, machen wir eine solche Mogelpackung nicht mit. Der Artikel 60a ist unserer Meinung nach in keiner Form, so, wie jetzt vorgeschlagen, diskussionswürdig. Wir lehnen die Verfassungsänderung ab.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Krüger hat es heute schon gesagt, die SPD wollte sich von Willy Brandt inspirieren lassen und mehr Demokratie wagen. Aus unserer Sicht ist das, was uns vorliegt, weder mehr Demokratie noch gewagt,
Es ist nicht einmal neu, dass Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können. Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheide – das ist alles Willensbildung aus dem Volke heraus, das ist direkte Demokratie.
Wenn bei Volksinitiativen 15.000 Unterschriften vom Volk für ein Thema, das durch das Volk bestimmt wird, gesammelt werden, wenn also die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, welches Thema ihnen auf den Nägeln brennt, dann ist das direkte Demokratie.
So gab es allein in der rot-schwarzen und schwarz-roten Regierungszeit in Mecklenburg-Vorpommern zwölf Volksinitiativen. Zum Beispiel wurden 32.000 Unterschriften
gegen den Bau des Steinkohlekraftwerkes in Lubmin gesammelt, diese Volksinitiative wurde von SPD und CDU 2008 abgeschmettert. Mehr als 50.000 Unterschriften sammelte die Volksinitiative für den Erhalt der Theater- und Orchesterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern,
Die Zigtausenden Unterschriften zur Volksinitiative für einen Mindestlohn von 10 Euro die Stunde, auch dieser Wille des Volkes interessierte SPD und CDU nicht.
Sehr geehrte Damen und Herren, von den zwölf Volksinitiativen während der rot-schwarzen Regierungszeit, von denen alle die notwendige Anzahl von Unterschriften erreicht hatten, wurden alle zwölf in den Wind geschossen.
Wenn das Volk also an die Tür des Landtages klopft, dann blitzt das Volk bei SPD und CDU regelmäßig ab.
Diese Koalition, die jede Volksinitiative abgeschmettert hat, will jetzt eine Bürgerbefragung in die Verfassung aufnehmen, wo doch so bisher der Wille der Bürgerinnen und Bürger so ganz und gar nicht interessiert hat,
denn wenn allein das Volk Probleme benennt, wenn das Volk die Regierung auffordert, ihre Politik zu überdenken und beispielsweise das fatale Theater- und Orchesterstreichkonzert über Bord zu werfen, dann ist das offenbar zu viel direkte Demokratie, die nämlich am Lack der Regierung kratzt. Genau deshalb soll jetzt die Bürgerbefragung eingeführt werden, eine weichgespülte Beteiligung, bei der nicht einmal die komplette demokratische Bandbreite der Fraktionen des Landtages ein Wörtchen mitzureden hat. Denn was beispielsweise die Wählerinnen und Wähler der LINKEN, die uns ihr Vertrauen ausgesprochen haben, interessiert, wozu sie befragt werden wollen, das spielt im derzeitigen Gesetzentwurf schlicht keine Rolle, weil die Opposition keine Rolle spielt. Es wird also nicht um ein Thema gerungen, es werden keine Argumente ausgetauscht über das Für und Wider eines Themas, allein die Regierung und die Koalition entscheiden.