Protocol of the Session on September 12, 2018

Ja, Herr Ritter, so kann man es auch sagen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, so sagen Sie es selber.)

Wenn Sie jetzt jemand fragt …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich finde es nur albern.)

Das Thema ist nicht neu – ich sagte es ja, wir haben das bereits 2013 in der Befassung gehabt –, aber es ist eben so, dass wir auch eine neue Legislatur haben, da gibt es die Diskontinuität und eine Landesregierung ist auch an Beschlüsse der alten Legislatur nicht gebunden. Deswegen ist es gut, dass wir den Beschluss heute in der Form erneuern. Ich möchte Sie bitten, weil es in MecklenburgVorpommern aufgrund der Kleinteiligkeit der Unternehmen eine sehr, sehr hohe Betroffenheit gibt,

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

dass wir heute diesem Antrag alle zusammen zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Bernhard Wildt, BMV)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung Frau Drese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Rentenentlastungsgesetz vom 3. August 2005 wurde zum 1. Januar 2006 die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge neu geregelt. Der Fälligkeitszeitpunkt im Paragrafen 23 SGB IV wurde einheitlich auf den drittletzten Bankarbeitstag des Beschäftigungsmonats vorgezogen. Arbeitgeber müssen das voraussichtliche Arbeitsentgelt des Monats schätzen und gegebenenfalls Restbeträge zum Fälligkeitstag des Folgemonats nachzahlen. Maßgebend ist nunmehr der Monat, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wird, ausgeübt worden ist. Der Zahlungszeitpunkt wurde und wird seither somit mit dem Monat der Arbeitsleistung und des Entstehens des Beitragsanspruchs zeitlich verbunden.

Ziel des Gesetzes war es im Wesentlichen, die durch die aus der Umstellung resultierenden Beitragsmehreinnahmen in Höhe von rund 20 Milliarden Euro im Jahr 2006 die Liquidität der Sozialversicherungsträger in einer Notsituation zu erhöhen und so eine Beitragssatzerhöhung in der Rentenversicherung zu vermeiden. Die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge ist seit dem Inkrafttreten einer gesetzlichen Änderung im Jahr 2006 häufig diskutiert worden. Ich weiß aus vielen Gesprächen als Abge

ordnete, aber auch als Sozialministerin, dass insbesondere die kleinen und mittelständischen Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern diese Regelung kritisieren, da sie zu zusätzlichen Belastungen für sie führt. Zudem beschlossen die Handwerkskammern in Ostdeutschland am 5. April 2013 eine Resolution, um diese Regelung rückgängig zu machen. Daraus folgten in verschiedenen Ländern entsprechende Initiativen, so auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern.

Ende Januar 2014 wurde auf Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD auf der Landtagsdrucksache 6/2619 der Beschluss gefasst, die Landesregierung zu bitten, auf Bundesebene Initiativen zur Rückführung der vorgezogenen Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zu unterstützen. Dies ist durch die Landesregierung in der vergangenen Legislaturperiode erfolgt. MecklenburgVorpommern unterstützte einen Gesetzesantrag des Landes Sachsen im Mai 2014 sowohl in den Fachausschüssen des Bundesrates als auch im Bundesrat selbst.

Der Antrag wie auch ein Vertagungsantrag des Landes Brandenburg fanden allerdings keine Mehrheit. Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales würde eine Rückkehr zur früheren Regelung zu einmaligen Mindereinnahmen in der Rentenversicherung von 14 Milliarden Euro, in der Arbeitslosenversicherung von 1,6 Milliarden Euro, in der Krankenversicherung von 8,5 Milliarden Euro und in der Pflegeversicherung von 1,3 Milliarden Euro führen. Dies wäre natürlich mit erheblichen Auswirkungen auf die Liquidität und damit die Beitragssatzentwicklung verbunden.

Sehr geehrte Damen und Herren, das ist kurz skizziert der Spannungsbogen rund um die Frage „Vorfälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen“. Allerdings gab es durch ein anderes Gesetz einen Teilerfolg zur Entlastung von Unternehmen. Ich spreche vom Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz vom 27. Juni 2017. Durch eine Änderung des Paragrafen 23 SGB IV wurde unter anderem das Verfahren der Beitragszahlung vereinfacht. Arbeitgeber erhalten damit die Möglichkeit, die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe der Beiträge des Vormonats zu zahlen, der Restbetrag wird im Folgemonat fällig. Diese Möglichkeit bestand bis dahin nur für einen Teil der Arbeitgeber. Die Neuregelung trat zum 1. Januar 2017 rückwirkend in Kraft.

Die jetzige Neuregelung durch das Bürokratieentlastungsgesetz, statt einer Schätzung der Beiträge für den laufenden Monat, die tatsächlichen Beiträge des Vormonats einzusetzen, ist Ergebnis einer Untersuchung, die im Auftrag des Nationalen Normenkontrollrates durchgeführt wurde. Sie vereinfacht das Verfahren für einen Teil der Arbeitgeber und entlastet sie damit. Das BMAS schätzt, dass statt der bisher 17 Prozent der Arbeitgeber zukünftig bis zu 56 Prozent der Arbeitgeber das vereinfachte Beitragsverfahren nutzen könnten.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat die gesetzlichen Änderungen begrüßt. Die Vereinfachung hat aber insbesondere für kleinere Unternehmen weiterhin einen größeren bürokratischen Aufwand als in der Praxis vor dem 1. Januar 2006 zur Folge. Vor diesem Hintergrund erachte ich den heute hier vorliegenden neuerlichen Landtagsantrag der Koalitionsfraktionen als konsequent und gerechtfertigt, vor allem auch deshalb, da der Landtagsbeschluss vom Januar 2014 der Diskontinuität unterliegt. In Deutsch übersetzt: Gesetzesvorlagen, die

nicht mehr vor Ende einer Legislaturperiode umgesetzt werden konnten, müssen vom neuen Parlament neu eingebracht werden. Der Landtag muss sich also neu positionieren. Und Mecklenburg-Vorpommern hat wie die anderen ostdeutschen Länder mit seinem großen Anteil von kleinen und mittelständischen Unternehmen eben ein besonderes Interesse, zur Bürokratievereinfachung zu kommen.

Parallel hat aber auch mit Datum vom 24. April 2018, Bundestagsdrucksache 19/1838, die Fraktion der FDP im Bundestag einen Antrag mit dem Titel „Bürokratieentlastung für Unternehmen schaffen – Fälligkeitsdatum der Sozialversicherungsbeiträge verschieben“ eingebracht. Ziel des Antrages ist es unter anderem, den Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, den bürokratischen Aufwand in Bezug auf die Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge zu senken sowie das Fälligkeitsdatum der Sozialversicherungsbeiträge auf den drittletzten Werktag des Folgemonats zu verschieben. Dieser Antrag wurde in den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales und in die Ausschüsse für Arbeit und Wirtschaft und Gesundheit zur Beratung im Bundestag überwiesen. Eine Beschlussfassung steht noch aus und sollte aus Sicht der Landesregierung unbedingt abgewartet werden, um das weitere Vorgehen im Bundesrat abzustimmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, als Landesregierung würden wir eine neuerliche Positionierung des Landtags begrüßen, um auf der Basis in Berlin tätig werden zu können. Gleichzeitig werben wir aber um Verständnis, zunächst die Beratung im Bundestag genau zu verfolgen und die hoffentlich bald vorliegenden Ergebnisse abzuwarten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Burkhard Lenz, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Professor Dr. Weber.

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen!

(Andreas Butzki, SPD: Frau Präsidentin!)

Die Fakten sind im Wesentlichen genannt. Herr Waldmüller und Frau Drese haben ausgeführt, was der Sache nach dazu zu sagen ist.

Der Antrag, den wir hier vor uns haben, ist die richtig verstandene Schnittmenge aus einer Wirtschaftspolitik, die hier auf Mecklenburg-Vorpommern zugeschnitten ist und gleichzeitig die Förderung ländlicher Räume betrifft. Wir sind strukturell geprägt von Klein- und Kleinstunternehmen, also solche ohne eigene Personalabteilung. Und genau die sind diejenigen, die durch diese Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge besonders belastet waren. Es geht einmal – das ist schon gesagt worden – um Bürokratieabbau. Es war genau das Doppelte an Meldungen und Berechnungen notwendig – 24 statt 12 Monatsabrechnungen – als vor der Umstellung, als man noch am 15. des Folgemonats berechnen musste.

Selbst, wenn sich nichts geändert hat an der Berechnungszahl, musste immerhin eine Bestätigungsmitteilung erfolgen, die für Kleinbetriebe ohne Personalabteilung schon aufwendig war. Wenn nur ein Arbeitnehmer krank

geworden, ausgefallen oder anders gearbeitet hatte als in der Vorabberechnung, dann musste eine neue Monatsberechnung nachgeschickt werden, um eventuelle Rückforderungen geltend machen zu können, also im Normalfall 24 statt 12 Monatsabrechnungen. Der Bürokratieaufwand, der dadurch entstanden ist, ist bundesweit auf 1,5 Milliarden geschätzt worden. Das war ein Liquiditätsentzug. Herr Waldmüller hat 5.000 Euro bei zehn Arbeitnehmern gesagt, ich habe hier eine Schätzungszahl von ungefähr 300 bis 500 Euro pro Arbeitnehmer. Da sind wir also fast deckungsgleich.

Jedenfalls wäre es ein richtig verstandener Schritt in die richtige Richtung, gerade hier für Mecklenburg-Vorpommern und die hiesige Wirtschaftsstruktur, dem zuzustimmen. Deswegen werden wir jedenfalls diesem Antrag zustimmen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Brade.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Landtags! Dies ist ein Dankeschön-Antrag. Und dieses Dankeschön geht nicht in erster Linie an den Antragsteller, der nun richtigerweise endlich nach zwölf Jahren Beitragsirrfahrt wieder in die richtige Spur findet, sondern an die Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land.

(Egbert Liskow, CDU: An alle.)

Das Besondere an diesen Beiträgen ist – viele von Ihnen werden es wissen –, sie sind Monat für Monat für jeden Arbeitenden in Höhe von circa 21 Prozent fällig, egal, ob die Auftragsbücher voll sind oder nicht, egal, ob genügend Liquidität in den Unternehmenskassen ist oder nicht, egal, ob Ware für den nächsten Auftrag bezahlt werden muss oder nicht, egal, ob Gewerbesteuer, Einkommensteuer und andere Steuern fällig sind. Das machen die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land auch gern, denn es geht um die soziale Sicherung ihres höchsten Gutes – ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Nun schauen wir uns doch einmal an, was im Januar 2006 genau passiert ist und warum die Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern von dieser Neuregelung, nämlich der Doppelung der Zahlungen an die Sozialkassen in einem Monat, besonders betroffen waren. Wie wir alle wissen, stand unser Land vor besonderen Herausforderungen. Zu dieser Zeit war in den blühenden Landschaften bereits der Herbst eingezogen und die Blätter fielen gänzlich, begleitet von der Bankenkrise in den USA, die, wie Sie wissen, auch bei uns nachhaltige Spuren hinterlassen hat. Das sogenannte Sommermärchen – ich meine die Fußball-WM – hat uns trotz allem ein wohliges Gefühl des Zusammenhalts gegeben.

Diese Ereignisse haben grundlegend nichts miteinander zu tun, beschreiben aber sehr gut die Stimmung, die in diesem Lande herrschte. Die Arbeitslosenquote lag in Westdeutschland bei 10,2 Prozent, im Osten unserer Republik bei 19 und in M-V sogar bei 21,9 Prozent. Zwar erfüllte Deutschland 2006 beim Staatsdefizit wieder das Defizitkriterium des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, doch den Wirtschaftsunternehmen, gerade im Ostteil des Landes, ging es nicht besonders gut.

Wir reden von einer Zeit, in der sich die von Gerhard Schröder am 14. März 2003 in seiner Regierungserklärung vor dem Plenum des Deutschen Bundestages begonnene Agenda 2010 gerade in der Entfaltung befand. Wir reden von einer Zeit wirtschaftlicher Stagnation durch die Krise der sogenannten neuen Märkte. Wir reden von einer Zeit, da hat Europa am Krankenbett Deutschlands die Hände gefaltet.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ja, wir waren doch gerade dabei, die Sozialsysteme zu sanieren. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wurde gekürzt, die Unterstützung für Langzeitarbeitslose wurde auf das Niveau der Sozialhilfe gesenkt, dazu wurden Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld zusammengelegt. In den Jobcentern wurden kommunale Sozialhilfe und staatliche Arbeitslosenvermittlung verzahnt. Im Gesundheitswesen wurden die Krankenkassen durch Ausklammerung von Leistungen entlastet. Eingriffe gab es zur Stabilisierung der Rentenfinanzen, das Rentenniveau sank.

Und dann die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge: Sie spülte ein 13. Mal in einem Jahr die Abgaben der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie den Anteil der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in die Kassen der Sozialversicherung. Ein Lottogewinn? Eine Dividende? Eine Spende? Man kann es so oder so betrachten, entweder als Leihgabe der Wirtschaft an die sozialen Träger oder als ein Geschenk. Nur zu einem Geschenk meinte schon Muhammad Yunus, Wirtschaftswissenschaftler aus Bangladesch:

(Egbert Liskow, CDU: Aha!)

„Geschenke spornen niemanden an. Sie machen träge.“

(Egbert Liskow, CDU: Das sage ich auch immer.)

Deshalb sagen wir: Eine Rückführung der vorgezogenen Fälligkeit bei den Sozialversicherungsbeiträgen für unsere kleinen und mittleren Unternehmen in M-V jetzt! Die Kassen sind gefüllt, der Staat hat profitiert von der Leistung der Wirtschaft. Hier möchte ich den Fokus auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen legen. Sie tragen unser Land mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit ihrem sozialen Engagement. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den mehrfach dargestellten Istzustand, den brauche ich nicht zu wiederholen, das haben die Redner vor mir alles ausreichend gemacht. Auf zwei Dinge erlaube ich mir dennoch hinzuweisen:

Erstens, Herr Brade, versuchen wir jetzt seit zwölf Jahren, eine Entscheidung der früheren rot-grünen Bundesregierung zu korrigieren. Zugegebenermaßen waren die Zeiten damals andere, Herr Waldmüller hat darauf hingewiesen.

Und zweitens wurde und wird das Thema natürlich auch im Bundestag diskutiert. Auch das war hier schon Thema.

Bis Berlin scheint sich die Auffassung der Koalitionäre aus M-V bislang aber nicht so wirklich herumgesprochen zu haben. Da sitzen nämlich die Abgeordneten von CDU und SPD ein Stück weit im Bremserhäuschen. Herr Kollege Waldmüller, wenn Sie das nicht glauben, dann würde ich Ihnen empfehlen, sich die Reden Ihrer Parteikollegen zu einem Antrag der FDP, den Sie ja selbst hier auch angeführt haben, aus dem April dieses Jahres noch mal anzuschauen.