Protocol of the Session on December 8, 2016

(Leif-Erik Holm, AfD: Nee, wir wollen neu verhandeln.)

Damit wollen Sie den Menschen die „Tagesschau“, das „heute journal“, das „Nordmagazin“, „extra 3“, den „Tatort“, „Die Frühaufsteher“ bei Radio MV, „NDR Info“, selbst das NDR-Programm mit den deutschen Schlagern nehmen. Sie wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und das öffentlich-rechtliche Fernsehen abschaffen, denn eines ist klar, der Geist Ihres Antrages sagt doch Folgendes: Wer kündigt, der will auflösen und der will abschaffen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Nicht nur das. Auch der private Rundfunk würde verschwinden, Herr Holm. Ist Ihnen das eigentlich klar? Denn indem die AfD den Rundfunkstaatsvertrag kündigt, entzieht sie auch den privaten Sendern in Deutschland die Rechtsgrundlage.

Die Märchen der erzwungenen Neuordnung nehmen wir Ihnen nicht ab. Sie bieten keine Alternative. Das, was Sie hier vorgetragen haben, war kein Konzept für ein Radio- und Rundfunkprogramm in Deutschland. Diese Anträge kennen wir im Übrigen schon von der NPD. Die wurden hier schon teilweise wortgleich vorgetragen. Der Unterschied ist aber, dass die AfD sich über Medienpräsenz nicht beschweren kann. Kein Tag vergeht ohne sie in den Medien. Eigentlich müssten Sie doch jeden Tag zum NDR gehen und sagen: Danke schön, dass wir wieder Platz im Sender hatten.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Leif-Erik Holm, AfD: Darüber reden wir doch gar nicht.)

Nun möchte ich, meine Damen und Herren, uns den Antrag selbst zu Gemüte führen. Schauen wir uns mal einzelne Punkte an. Sie haben in der Begründung mehrere Vorwürfe aufgeworfen:

Erstens. „Der Rundfunk als sogenannte vierte Gewalt hat seine Kontrollpflichten gegenüber den anderen drei Gewalten unzureichend wahrgenommen. … Staatsferne statt Kuschelkurs. Wo war der ,gute Journalismus‘ bei der Asylkrise?“ Ende des Zitates. So weit aus der Begründung.

Herr Holm, der Journalismus war da, als auf Demonstrationen im Fackelschein Naziparolen gerufen wurden. Er war da, als Wohnungen und Unterkünfte von Flüchtlingen brannten. Er war da, als Kinder schon im Bus angepöbelt und angeschrien wurden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Thomas Krüger, SPD – Zuruf von Holger Arppe, AfD)

Er war auch da, als Minister im Wahlkampf in der Nacht abgeschoben haben.

Zweitens. „Die schlechte Qualität, die vielen Wiederholungen und ein ähnliches Programmangebot bei den privaten Rundfunkanbietern verstärken die Unzufriedenheit …“, ebenfalls aus der Begründung zu diesem Antrag. Na klar, bei einem 24-Stunden-Programm sind Wiederholungen ein legitimes Mittel. Übrigens, Herr Arppe, ich bin noch zu Zeiten aufgewachsen, als das Abendprogramm am Morgen wiederholt wurde und lange, lange Sendepause war. Daran werden sich die Älteren sicherlich erinnern. Deswegen ist es gut, dass wir ein 24Stunden-Programm haben und eine Vielfalt von Sendern, zwischen denen man wählen kann.

(Zuruf von Holger Arppe, AfD)

Ich finde es auch gut, dass es Wiederholungen gibt, denn nicht alle schauen zur gleichen Zeit fern oder hören Radio. Im Kinderprogramm sind Wiederholungen sogar gewünscht.

(Holger Arppe, AfD: Ja, na klar!)

Nachts um 4 Uhr müssen nicht die aktuellsten Sendungen laufen, aber für mich ist viel ärgerlicher der Zwang, dass die Mediatheken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach einer festgelegten Frist ihre Beiträge löschen müssen. Warum können Eigenproduktionen der einzelnen Sender, bezahlt aus den Beitragsgeldern der Bürgerinnen und Bürger, nicht jederzeit abrufbar sein?

Drittens sagen Sie in Ihrem Antrag, Zitat: Es gibt kein „Mitsprecherecht“, die „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ vertreten nicht die Bürger. Die Frage ist, die müssen Sie mir mal beantworten, Herr Holm: Wer ist eigentlich der Bürger, wer ist die Bürgerin?

Meine Dame und meine Herren der AfD, es reicht nicht aus, die Gefühle und Wahrnehmungen von Teilen der Bevölkerung zu artikulieren und darauf aufbauend Veränderungen zu fordern, die Sie nicht konkret untersetzen. Wer die Medienlandschaft politisch gestalten will, muss erst einmal beschreiben, wie sich die Medienlandschaft entwickelt. Welche Gruppen fehlen denn Ihrer Meinung nach in den Rundfunkbeiräten?

(Enrico Komning, AfD: Unsere fehlen.)

Wer ist dort fehl am Platze?

(Leif-Erik Holm, AfD: Die Parteien!)

Wer soll da verschwinden?

(Leif-Erik Holm, AfD: Die Parteien!)

Was schlägt die AfD hier vor? Wie sieht eine Zusammensetzung aus, durch die sich die Bürgerinnen und Bürger vertreten fühlen?

Durch DIE LINKE gewinnen die gesellschaftlich relevanten Gruppen in der Breite. So hat Thüringen den Landesrundfunkrat für Lesbische, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und queere Menschen geöffnet. Das war ein riesengroßer Fortschritt, nicht wahr, Herr Arppe? Hier, meine Damen und Herren, müssen Sie uns die Antwort geben: Wer soll denn dort vertreten sein?!

Viertens sagen Sie: „Bürger haben … ein Informationsrecht, im Umkehrschluss das Recht auf Nicht-Nutzung dieser Angebote. Der Bürger ist Chef, der Rundfunk ist Diener.“ Die Gesellschaft schafft sich den öffentlichrechtlichen Rundfunk, ohne ihm direkt Aufträge zu erteilen. Das ist der Grundgedanke dieses Systems. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört der Gesellschaft, nicht den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern. Die Gesellschaft als Ganzes kann entscheiden, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk auszugestalten ist. Damit ist ganz klar, wem der öffentlich-rechtliche Rundfunk dient: der Demokratie, der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung, und das unabhängig von staatlichen oder wirtschaftlichen Interessen und auch Interessen Einzelner.

Fünftens sagen Sie: „ARD und ZDF produzieren keine Filme auf Weltniveau. Es werden kaum Skandale aufgedeckt, keine Dokumentationen gedreht, die in Erinnerung bleiben …“ Das ist natürlich erst mal eine subjektive Wahrnehmung, aber die Frage ist: Was ist „Weltniveau“? Gerade vor Kurzem hat eine deutsche Produktion den Emmy gewonnen. „Tatort“ beziehungsweise „Polizeiruf 110“ sind und bleiben Straßenfeger und – auch wenn schon etwas älter – „Derrick“ ist die meistverkaufte deutsche Serie und wurde weltweit in über 100 Ländern ausgestrahlt.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: „Bonanza“ war auch!)

Aber relativ frisch, Herr Renz, ist dagegen die „Panorama“-Reportage über die AfD und die NPD im Wahlkampf. So bleibt mir ein gewisser Udo Pastörs in Erinnerung, der sich darüber beschwerte, dass die AfD am rechten Rand fischte

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

und seine Parolen klaut und er dafür ins Gefängnis müsse.

Sechstens sagen Sie, keine „Abschaffung“ des Rundfunks, sondern eine „Neuordnung“ der „Rundfunkfreiheit für alle“. Ich möchte noch einmal betonen, dass wir das Märchen nicht glauben. Was ist ein „schlanker Rundfunk“, wie Sie ihn bezeichnen? Was ist die von Ihnen geforderte „Rundfunkfreiheit für alle“? Was ist – ich komme zum Schluss – der Auftrag? Das sind doch alles Dinge, wo Sie nicht deutlich sagen, was im Programm erfolgen soll.

Letzter Satz, Frau Präsidentin: Ich bin der Überzeugung, dass Sie auch eine Lüge verbreiten. Sie verbreiten, die GEZ soll abgeschafft werden. Aber nicht nur jetzt, son

dern auch in verschiedenen Dokumenten Ihrer Partei ist nachzulesen, die Bürgerinnen und Bürger sollen auch zukünftig für den Rundfunk und das Fernsehen bezahlen. Also sprechen Sie die Wahrheit und verbreiten Sie nicht Lügen in Mecklenburg-Vorpommern und in Deutschland! Wir lehnen den Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Torsten Renz, CDU)

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Kokert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist er nun, der Big Point der AfD in dieser Legislaturperiode,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD – Enrico Komning, AfD: Da kommen noch welche!)

die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, garniert mit der Behauptung, dass man diesen zeitgleich gar nicht abschaffen möchte.

(Enrico Komning, AfD: Wir wollen nur die GEZ abschaffen.)

Das wäre alles gar nicht so schlimm. Es ist legitim, solche Forderungen hier in den Raum zu stellen. Aber ein bisschen peinlich finde ich schon, dass der auch noch als doppeltes oder sogar zehnfaches Lottchen daherkommt, nämlich in allen zehn Ländern fast wortgleich gestellt wird. Dann reden Sie von Ihren Konzepten und der Antrag sagt im Prinzip nur: Kündigung aller Staatsverträge. Das ist Ihr Konzept, Herr Holm, was Sie hier heute vorgestellt und uns zur Abstimmung eingereicht haben.

(Leif-Erik Holm, AfD: Wir regieren leider nicht.)

Wenn Sie es nicht glauben, hier ist Ihr Antrag. Dahinter stehen nur seitenweise Begründungen mit irgendwelchen kruden Theorien, die ich Ihnen gern widerlegen möchte. Aber kurzum, aus rein ökonomischer Sicht haben Sie diesen Antrag hier gestellt, er war halt fertig. Sie haben ihn wortgleich übernommen und heute ins Parlament eingereicht als Ihren ersten großen Antrag. Ich glaube, wenn dieser Antrag nicht gestellt worden wäre, wäre in Mecklenburg-Vorpommern auch nichts passiert, aber es steht Ihnen als Oppositionspartei natürlich zu, solches hier zu fordern.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Ich will Ihnen aus Sicht meiner Fraktion sagen, welche Probleme uns umtreiben, wenn ich über die Medienlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern nachdenke. Das Problem, das wir in M-V haben, ist nicht, dass wir zu viele Medien haben, sondern das Problem ist, dass wir zu wenige Medien haben.

(Thomas Krüger, SPD: So ist das.)

Das Problem taucht in der täglichen Berichterstattung schon auf. Wir haben noch drei Tageszeitungen in diesem Land und den Norddeutschen Rundfunk. Jetzt kommen Sie und sagen, eine wichtige Säule unabhängiger Berichterstattung in diesem Land, die schaffen wir

einfach mal mit einem Federstrich ab. Ich stelle Ihnen klar und deutlich die Frage: Wie sieht Ihr Konzept in der digitalisierten Welt des 21. Jahrhunderts aus?

(Zuruf von Dr. Matthias Manthei, AfD)

Wie sieht Ihr medienpolitisches Konzept im 21. Jahrhundert aus? Ich habe von Ihnen dazu nichts gehört, außer dass Sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen wollen.

(Leif-Erik Holm, AfD: Das wollen wir nicht.)