Protocol of the Session on June 1, 2018

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Geringverdienende Selbstständige entlasten – Krankenversicherungsbeiträge auf Antrag an den erzielten Einkünften bemessen“, das ist eine Forderung, die schon seit Langem auf der Bundes-, aber auch auf der Landesebene diskutiert worden ist. Die Dinge, die Professor Weber vorgetragen hat, sind im Prinzip so richtig.

Allerdings muss ich Ihnen sagen, Herr Weber, es gibt eine Gesetzesinitiative des Bundes und Initiativen, die in besonderer Weise natürlich auch durch das Land Mecklenburg-Vorpommern begleitet werden und wurden. Wir gehen davon aus, dass am 01.01.2019 eine neue Regelung greift. Da geht es um den 80. Teil der jeweiligen Bezugsgröße bei besonders geringen Einkommen. Für den Nachweis et cetera sind die Kriterien: Dort ist vorgesehen, dass die monatliche Mindestbeitragsbemessungsgrundlage 1.142 Euro ist, der 80. Teil sind monatlich 171 Euro Mindestbeitrag. Das würde fast Ihrer Intention entsprechen, nicht unter 121 Euro zu fallen. Das hat der Gesetzgeber de facto vor. Ich kann Sie nur auffordern, dann im Deutschen Bundestag mit Ihren Kollegen der AfD dafür zu sorgen, dass diese Gesetzesinitiative parlamentarisch durchgeht, um gerade den Selbstständigen, die geringe Einkünfte haben, das Überleben zu

sichern. Darum geht es ja am Ende. Die Fragen, die durch die auflaufenden Dinge bei den Krankenkassen noch zu besprechen sind, wie man die Rückstände eintreibt et cetera, müssen auf dem jeweiligen individuellen Weg dann auch besprochen werden.

Also ich denke, dass dieser Antrag, den Sie heute gestellt haben, richtig ist, aber wir stehen sozusagen kurz vor der Entscheidung auf der Bundesebene. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat im Bundesrat aktiv dafür geworben, dass die Dinge auf den Weg kommen, und der Referentenentwurf ist de facto vor der Tür. Von daher kann ich heute dem Hohen Hause nur empfehlen, den Antrag abzulehnen, weil die Entscheidung de facto durch die Gesetzgebung auf der Bundesebene auf dem Weg ist.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Können Sie sich auch enthalten?)

Na, warum denn? Ich meine, Sie stellen jetzt einen Antrag und tun so, als wenn Sie die Ergebnisse nicht kennen. Sie kennen diesen Referentenentwurf ja auch schon. Also Sie müssen ja nicht so tun, als wenn Sie im Deutschen Bundestag nichts mitkriegen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Seit 2016 ist es auf dem Weg.)

Noch mal,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Wie sollen wir wissen, dass es jetzt wirklich am Ende des Weges ist?)

noch mal, Herr Professor Weber: Ich habe Ihnen gesagt, der Gesetzgeber hat vor, dieses Verfahren einzuleiten und am 01.01.2019 in Kraft zu setzen. Das ist die Botschaft, die ich Ihnen geben kann. Ich kann Ihnen nur sagen, das Land Mecklenburg-Vorpommern hat im Bundesrat genauso dafür gestimmt wie viele andere. Von daher denke ich – ich will es gar nicht weiter ausdehnen –, die Dinge sind im Fluss, und ich kann die AfD nur auffordern, im Deutschen Bundestag dann zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Ich begrüße auf der Besuchertribüne Teilnehmende an einem Fortbildungsprojekt der Fortbildungsakademie der Wirtschaft Rostock und Geflüchtete. Herzlich willkommen!

Ich rufe jetzt auf für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Herrn Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gemessen an den Wortbeiträgen von Professor Dr. Weber und Minister Glawe gibt es wohl nur in einem Punkt Übereinstimmung mit uns, nämlich in der Problembeschreibung. Es gibt in der Tat Hunderttausende Selbstständige und Zigtausende in unserem Land. Viele davon sind geringverdienend. Die Krankenversicherungsbeiträge, die sie zu leisten haben, sind dann in hohem Maße belastend, drücken auf die allgemeinen Existenzbedingungen, und dass da etwas gemacht werden muss, Herr Glawe hat es gesagt, ist seit

Jahren bekannt. Der letzte Vorstoß der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag rührt aus dem Frühjahr 2017. Es hat dazu auch eine Anhörung gegeben und es ist abgelehnt worden.

Jetzt hat man offensichtlich ein Problembewusstsein entwickelt unter dem Eindruck der Bundestagswahl 2017 und hat, wie Herr Glawe es gesagt hat, auf Grundlage des Koalitionsvertrages auf Bundesebene etwas vor. Man will also dort die Belastung – in Anführungsstrichen – durch Krankenversicherungsbeiträge um fast die Hälfte senken.

Nun bin dann aber doch etwas verwundert, dass Sie, Herr Glawe, angesichts des vorliegenden Antrags der AfD sagen, na ja, brauchen wir jetzt nicht, wir haben ja auf Bundesebene die Initiative und fordern die AfD auf, der CDU/CSU und SPD Rückenwind auf Bundesebene zu geben angesichts dieses Vorhabens, das hier beschrieben wurde.

(Minister Harry Glawe: Ich könnte Sie auch auffordern, dafür zu sorgen. Das können wir noch nachholen.)

Das finde ich eben nicht.

(Minister Harry Glawe: Wenn Sie das gerne haben, gerne, Herr Koplin.)

Das finde ich eben nicht. Jetzt muss man sich den Antrag nämlich mal genau angucken. Der ist sehr konfus. Der ist sehr konfus und ich bin wirklich erschrocken, was wir hier vorgelegt bekommen haben. Also da ist klar, wir haben eine große Relevanz allein hierzulande. 81 Prozent der Selbstständigen sind in der gesetzlichen Krankenversicherung, so sie 15.000 Euro im Jahr oder weniger haben, darüber bis 25.200 dann 66 Prozent in der GKV, was darauf schließen lässt, je höher die Einkünfte der Selbstständigen, umso eher gehen Sie zur PKV. DIE PKV ist diejenige – die in der Privaten Krankenversicherung versichert sind, sind mit diesem Antrag gar nicht berührt. Aber auch für sie steht die Gerechtigkeitsfrage, denn die PKV-Beiträge sind ja oftmals nicht gering, steigen mit zunehmendem Alter und werden dann auch zu einem Problem. Wir haben also sowohl in der GKV als auch in der Privaten Krankenversicherung versicherte Selbstständige, für die wir ein Gerechtigkeitsproblem zu lösen haben, und beides muss in Betracht kommen.

Nun lässt sich das jedoch nicht lösen, ohne am großen Rad zu drehen. Bleiben wir also bei den gesetzlich Krankenversicherten. Ich will nur darauf hinweisen, dass dieser Antrag, der uns von der AfD vorgelegt wird, den handwerklichen Makel hat, dass er das nicht auseinanderhält, sondern stillschweigend nur auf die gesetzliche Krankenversicherung abstellt.

(Zurufe von Horst Förster, AfD, und Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Und nun kommt Folgendes, Herr Förster. Ich sehe vier Widersprüche oder vier Problemstellungen in Ihrem Antrag:

Der erste ist, Sie sagen, Sie wollen zum Beispiel die Beitragsbemessung aufheben, den Mindestbeitrag aufheben, und dann wiederum gibt es ja im zweiten Teil Ihres Antrages den Hinweis, den Mindestbeitrag aber beizubehalten. Dann haben Sie ihn hergeleitet nach Ihrer

Logik und kommen auf den Betrag, den Sie genannt haben. In Ihrer Begründung steht jedoch der jetzt geltende rechtliche Mindestbeitrag. Der gilt ja. Und wenn Sie sagen, wir heben auf, lassen den Beitrag aber gleich, dann bleiben wir immer noch, wie in Ihrer Begründung ausgewiesen, bei 271 Euro. Das hilft den Betroffenen an der Stelle überhaupt nicht, es sei denn, man hat eine Bundesregelung bereits getroffen. Die nehmen Sie gedanklich vorweg. Also das ist nicht sauber runterdekliniert an dieser Stelle.

Das Zweite ist – das ist im Übrigen sehr interessant –, Sie schlagen vor, dass diejenigen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung als Selbstständige versichert sind, de facto gar nicht veranlagt werden, sondern nur auf Antrag. Sie sagen nicht, wer den Antrag stellen soll. Wir können ja mal darüber rätseln, wie viele denn selbstständig einen Antrag stellen, sie möchten, berechnet uns doch mal bitte, wie viele Krankenversicherungsbeiträge wir bezahlen müssen. Wer soll also den Antrag stellen? Sollen diejenigen den Antrag stellen, die als Selbstständige tätig sind, oder soll die Krankenkasse den Antrag stellen? Und wenn der Antrag gestellt wird, gilt der dann für immer oder ist dieser Antrag für den Monat gültig, für das Vierteljahr gültig, für ein Jahr? Das sind nämlich die Zeitabschnitte, nach denen die Beiträge abgerechnet werden. Das ist nicht klar geregelt bei Ihnen. Im Grunde genommen kann das auch als Einladung gewertet werden, dass diejenigen, die da in Betracht kämen, sich erst mal gar nicht weiter zu melden brauchen. Dann wird es aber problematisch für die Solidargemeinschaften. Darauf komme ich dann noch mal.

Dann schreiben Sie, Beiträge für geringverdienende Selbstständige sollen nach den tatsächlichen Einkünften bemessen werden. Das klingt erst einmal logisch, aber ich will Ihnen gerne ein Beispiel skizzieren: Ein im Hauptberuf selbstständiger Schlüsseldienst hat vielleicht, mal konstruiert, ganz wenige Einkünfte. Danach wird er jetzt veranlagt, danach wird er zurzeit zu hoch belastet und wir sagen alle, wir wollen eine Entlastung für diejenigen. Nach Ihrer Logik aber kommen jetzt seine anderen Einkünfte noch in Betracht, die bislang gar nicht in Betracht kommen. Die können in der Vermietung und Verpachtung sehr erheblich sein. Dann kann es sein, dass diejenigen, die Sie gerade im Blick haben, die im Moment noch geringverdienenden Selbstständigen, plötzlich nach Ihrer Logik wesentlich höhere Beiträge zu zahlen haben als bislang und an der Stelle ein Systembruch entsteht. Sie müssen nur sagen, ob Sie das wollen. Das hätte ja eine Logik. Das wäre in Anlehnung an das Steuerrecht, aber so, wie sich das hier liest, …

(Minister Harry Glawe: Der Einkommen- steuerbescheid ist entscheidend.)

Ja, ja, das ist die Frage.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Das geht aus dem Antrag nicht hervor.

(Minister Harry Glawe: Das weiß doch jeder Mensch.)

Was will die AfD? Ich finde, Anträge müssen selbsterklärend sein. Anträge müssen eine Qualität haben. Wir sind als Fraktion allesamt ausgestattet mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(Minister Harry Glawe: Aber Sie wissen doch, wie das Grundprinzip läuft.)

Wir haben beste Arbeitsbedingungen. Also wenn wir schlechte Politik machen, liegt es nicht an den Rahmenbedingungen, dann liegt es an uns selber

(Minister Harry Glawe: Eben, dann muss ich das nachweisen, dass ich weniger Einkünfte habe.)

und an der Qualität unserer Anträge, Herr Glawe.

Sie verteidigen gerade AfD-Anträge. Darf ich Ihnen das mal mitteilen?!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD – Minister Harry Glawe: Nein, das verteidige ich nicht!)

So, einen Moment!

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Jetzt verteidige ich erst mal mich. Jetzt haben hier alle Sendepause.

(Minister Dr. Till Backhaus: Mensch, Harry, hör doch mal auf jetzt!)

Also ich habe jetzt die ganze Zeit hier, ich weiß nicht, welche Geräusche oder womit ich das vergleichen soll. Ich habe versucht, zu signalisieren, dass es von der Regierungsbank keine Zwischenrufe zu geben hat.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das ist aber Harry! – allgemeine Heiterkeit)

Ich weiß ganz ehrlich nicht mehr, wie ich es noch erklären soll. Es ist egal, wer es ist. Es soll von der Regierungsbank …

(Minister Dr. Till Backhaus: Ich bin das ja gar nicht.)