Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vieles von dem, was ich seitens der Ministerin und der Regierungsfraktionen hier gehört habe, erinnert mich so ein bisschen an Silvester. Die meisten von Ihnen kennen vielleicht den Sketch „Dinner for One“, das „Same procedure as every year“. Übertragen auf Ihre Argumentation zum Thema Produktionsschulen ist es ebenso die gleiche Prozedur wie jedes Jahr.
Als sich die Produktionsschulen 2014, den Empfehlungen der Landesregierung folgend, auf den Weg machten, angesichts einer zunehmend unsicheren Zukunft die Anerkennung als Ersatzschule zu beantragen, die dann versagt wurde, hieß es, sie seien trotzdem gesichert. Als sich der Sozialausschuss 2016 im Zuge einer Anhörung mit den Optionen für die Sicherung des Angebotes Produktionsschule befasste, hieß es, die Produktionsschulen seien sicher.
Das Gleiche führten die Abgeordneten von SPD und CDU auch aus, als wir im Rahmen der Haushaltsberatungen 2017 über die finanzielle Ausstattung der Produktionsschulen diskutierten. Und auch heute haben Sie den Eindruck erweckt, als gäbe es gar keine Probleme. Während ich Sie, Frau Ministerin Drese, auf ganz konkrete Probleme angesprochen habe, haben Sie auf die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU verwiesen. Dann senden wir also den Text der Koalitionsvereinbarung nach Waren, anstelle von Geld,
und teilen mit, dass alles in Ordnung ist. Frau Ministerin, ehrlich gesagt, das ist doch eine Farce!
Es gab übrigens auch mal einen Bundessozialminister von der CDU, der plakatieren ließ: Die Rente ist sicher. Und man könnte trefflich darüber streiten, ob er recht hatte oder nicht.
Aber Spaß beiseite, Herr Kollege Renz. Die jetzt in der Produktionsschule Müritz anzutreffenden Probleme waren auch schon lange absehbar. Schon im April 2016 wiesen verschiedene Anzuhörende darauf hin, dass die vertragliche Bindung der Produktionsschulen an die Bundesagentur für Arbeit bezüglich des arbeitsmarktpolitischen Instrumentes BvB-Pro endlich sei und die auskömmliche Finanzierung für den Fall, dass keine gleichwertige neue Regelung getroffen werde, nicht mehr gesichert sei. Im selben Kontext wurde ausgeführt, dass ein Zurückfahren der Mittel nur zeigen würde, dass die Verortung der Produktionsschulen eine aktuell dringend zu lösende politische Aufgabe sei. Offenkundig lässt die Lösung auch mehr als zwei Jahre danach auf sich war
Wir reden heute auch nicht zum ersten Mal über die grundsätzlichen Schwierigkeiten, die sich aus der bekannten Mischfinanzierung der Produktionsschulen ergeben. Für Sie mal zur Erklärung der Hintergründe: Die drei Träger der Produktionsschulen, die es im Land gibt, verhandeln bezüglich ihrer Finanzen mit Vertretern aus acht Kommunen, setzen sich mit der Bundesagentur für Arbeit an sechs Standorten auseinander und stimmen sich darüber hinaus mit sechs verschiedenen Jobcentern ab. Sie sind dazu gezwungen, weil neben der ESFFinanzierung nur mehrere Zuwendungsbescheide die Gesamtfinanzierung überhaupt absichern. Der daraus resultierende Verwaltungsaufwand ist entsprechend hoch, denn an die Zuwendungsbestimmungen der jeweiligen Zuwendungsgeber sind verschiedene Prüfkriterien gebunden.
Zudem erzeugt die aktuelle Mischfinanzierung eine Einmischung in praktisch alle Belange und Abläufe der Schulen, was natürlich die inhaltliche Weiterentwicklung der Produktionsschulidee auch nach Aussage der Fachleute deutlich erschwert. Beispielhaft seien genannt: unterschiedliche Arbeitszeiten der Produktionsschüler, unterschiedliche Hierarchien der Zuwendungsgeber, unterschiedliche Anforderungen an das Controlling oder unterschiedliche Laufzeiten eingekaufter Maßnahmen. Deshalb ist es aus unserer Sicht auch zwingend erforderlich, ein mit den Trägern abgestimmtes, langfristig tragfähiges Konzept zu entwickeln, in dem die gesetzliche Verortung und die künftige Finanzierung geklärt werden.
Und die Hoffnung meines geschätzten Kollegen Ingo Schlüter vom DGB Bezirk Nord, die er 2016 im Rahmen der Anhörung zur Absicherung der Produktionsschulen in deren Aufnahme in das Landeskonzept zum Übergang Schule/Beruf setzte, ist mir ehrlich gesagt etwas zu vage. Denn dieses seinerzeit mit großem Brimborium angekündigte Papier fristet jetzt vermutlich ein tristes Dasein und vergilbt in Schubladen und Panzerschränken. Ich für meinen Teil habe jedenfalls schon lange nichts mehr davon gehört. Was stattdessen aus den Produktionsschulen zu hören ist, ist Frustration, dass im Nachgang zur Expertenanhörung 2016 nun wirklich gar nichts Signifikantes passiert ist, und die anhaltende Sorge darüber, dass aus dem einstigen Exportschlager nunmehr ein Ladenhüter werden könnte.
Meine Fraktion will das ausdrücklich nicht, denn dass es dieses Angebot braucht, darüber war man sich 2016 einig und daran hat sich nach unserem Dafürhalten auch bis heute nichts geändert. Deshalb möchte ich zum Schluss meiner Debattenrede noch einmal an die Ausführungen der Expertinnen und Experten erinnern.
Das Deutsche Jugendinstitut sah seinerzeit in den Produktionsschulen eine mögliche und geeignete Antwort, Jugendlichen in schwierigen Lebensumständen Chancen für eine gelingende soziale und berufliche Integration zu bieten.
Die Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern hielt die Produktionsschulen für einen Baustein im Übergangssystem, der auch unter den heutigen Bedingungen, Frau Friemann-Jennert, in einem begrenzten Anwendungsbereich seine Berechtigung hat. Wir reden nämlich nicht pauschal über Entwicklungen am Ausbildungs
markt, wir reden hier über eine ganz bestimmte Gruppe nicht ausbildungsreifer schulaversiver Jugendlicher. Darum geht es und um nichts anderes, und dieses allgemeine Blabla, Entschuldigung, das hilft nun tatsächlich niemandem.
Die Bundesagentur für Arbeit in Greifswald erachtete die Produktionsschulen seinerzeit für eine bestimmte Gruppe Jugendlicher – und ich habe eben gesagt, welche das ist – als das einzig geeignete Angebot im Kontext des Übergangssystems von Schule und Beruf. Und wenn sich die Regierungsfraktionen daran stören, dass wir als Oppositionsfraktion mit dieser Initiative um die Ecke kommen und Sie wieder mal beim Regieren stören, dann nehmen Sie meinetwegen doch das eindeutige Votum der Fachwelt zum Anlass, sich endlich ernsthafter als bislang mit dem Thema zu befassen! Der italienische Philosoph Dante Alighieri hat einmal treffend formuliert:
„Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie an und handelt.“ Gewartet haben Sie nun wirklich genug. Es ist Zeit zu handeln, meine Damen und Herren von SPD und CDU!
Für den Fall, dass Sie selbst die Überweisung und die inhaltliche Auseinandersetzung im Fachausschuss ablehnen sollten, beantrage ich hier schon mal namentliche Abstimmung zum Antrag. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit vielen Jahren folge ich der herzlichen Einladung des Beirates der Produktionsschule Waren-Müritz, um an der Zeugnisübergabe teilzunehmen. Wer einmal erlebt hat, wie stolz diese jungen Menschen auf das Erreichte sind, der wird sich sehr, sehr wundern über die Reden, die hier vor allen Dingen aus den Koalitionsfraktionen dargeboten worden sind.
Das ist einfach nicht zu tolerieren, wie Sie mit dieser Situation umgehen. Und ich erlaube mir deshalb, auch noch mal aus der Antwort der Kreisverwaltung auf meine Anfragen zu zitieren. Dort heißt es …
Im Übrigen hat es gar nichts mit Landratswahlkampf und so einem Quatsch zu tun. In meiner Eigenschaft als Mitglied des Jugendhilfeausschusses im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte bin ich seit vielen Jahren an diesem Thema dran und begleite diese Einrichtung.
Also, in der Antwort heißt es, ich zitiere: „Der engagierte und langjährig erfahrene Beirat der Produktionsschule Müritz hat sich im Februar 2018 bezüglich dieser weitrei
chenden Auswirkungen mit einem Brief an die Ministerpräsidentin des Landes … gewandt und darauf verwiesen, dass durch die Deckelung der Landes-CoFinanzierung auf 2 Millionen Euro … jährlich für alle 5 Träger der Produktionsschulen in Mecklenburg-Vor- pommern eine auskömmliche Finanzierung nicht … gewährleistet ist.“ Also hier ist ganz klar die Landesverantwortung genannt.
„Das lang erwartete Antwortschreiben ging dann im April ein. Leider sieht die Ministerpräsidentin derzeitig auch keine Lösungswege für die Produktionsschule Müritz und die anderen 4 Schulen im Land. Für das Jahr 2018 ist aufgrund der Höhe der Überzeichnung ein Ausgleich nicht mehr zu erreichen. Derzeitig arbeitet die Produktionsschule auf der Grundlage des vorzeitigen Maßnahmebeginns, ohne jeglichen Rechtsanspruch auf eine auskömmliche Finanzierung.“ Und Sie stellen sich hier hin und erklären uns, es ist alles in Ordnung?! Ich muss Ihnen sagen, Sie haben leider überhaupt keine Ahnung.
„Das Angebot der Produktionsschulen in MecklenburgVorpommern hat sich in den letzten Jahren zunehmend zu einem Angebot für junge Menschen entwickelt, die die bisherigen Angebote, Hilfen und Programme im Übergang zwischen Schule und beruflicher Ausbildung aus unterschiedlichen Gründen nicht annahmen und sich mehr und mehr aus dem System des Übergangs von Schule in … Beruf entkoppelt haben.“ Das, was Sie beschrieben haben, was sie sonst in der Berufsausbildung Übergang von Schule/Beruf machen, das ist alles richtig, das stellt auch meine Fraktion überhaupt nicht infrage, aber dieses spezielle Angebot für die jungen Leute, das ist eben etwas anderes, als Sie uns hier weiszumachen versucht haben.
„Die Produktionsschulen“, heißt es weiter, „konnten und können nachweisen, dass insbesondere junge Menschen mit massiven Problemen arbeitsmarktrelevante Kompetenzen erwerben und in Anschlussmaßnahmen integriert werden können.“ Und Sie haben auf die Bedeutung der Wirtschaft und auf die Bedarfe der Wirtschaft hingewiesen.
Das machen die Produktionsschulen auch, indem die Kreisverwaltung unter anderem antwortet: „In den Unternehmen Mecklenburg-Vorpommerns fehlen Auszubildende und Nachwuchskräfte in höchstem Maße. Die Wirtschaft ist daher auch auf die Befähigung der meist benachteiligten jungen Menschen angewiesen.“ Die Produktionsschule ist also eine Vorstufe, um die Bedarfe der Wirtschaft erfüllen zu können? Die kann künftig hier nicht mehr gewährleistet werden und Sie stellen sich hier hin und sagen, es ist alles in Ordnung, Ihren Antrag brauchen wir nicht?!
„In der Produktionsschule Müritz“, heißt es weiter, „werden jährlich bis zu 60 junge Menschen betreut, vorrangig aus der Müritz Region aber auch aus Neubrandenburg, Demmin und Neustrelitz. 2018“, heißt es zum Abschluss, „könnte es gelingen“ – könnte es gelingen! –, „das finan
zielle Defizit auszugleichen. Aber 2019 ff steht zu befürchten, dass dies nicht gelingt.“ Das ist die klare Botschaft aus Waren-Müritz, dass die Finanzierung ab 2019 fortfolgend nicht mehr gelingen kann. Und Sie stellen sich hier hin und sagen, es ist alles in Ordnung?! Sie sollten sich schämen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/2157 zur Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und AfD und Stimmenthaltung der Fraktion der BMV abgelehnt.
Die Fraktion DIE LINKE hat gemäß Paragraf 91 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/2157 eine namentliche Abstimmung beantragt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beginnen nun mit der Abstimmung. Dazu werden Sie hier vom Präsidium namentlich aufgerufen und gebeten, vom Platz aus Ihre Stimme mit Ja, Nein oder Enthaltung abzugeben. Damit Ihr Votum korrekt erfasst werden kann, bitte ich Sie, sich nach Aufruf, wenn möglich, von Ihrem Platz zu erheben und Ihre Stimme laut und vernehmlich abzugeben. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesenden, während des Abstimmungsvorgangs von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das scheint offensichtlich nicht der Fall zu sein.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung für zwei Minuten. Die Sitzung ist unterbrochen.