Protocol of the Session on April 27, 2018

Und dann ist es ja nicht so, dass die Arbeitnehmer bei uns also ein völlig trauriges Dasein fristen würden und überhaupt nicht auf diese veränderten Situationen reagieren könnten. Ich möchte noch mal in Erinnerung rufen, wir haben die Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, wir haben die Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz, die Familienpflegezeit nach dem Familienpflegezeitgesetz, alles mit Rückkehrrechten, und wir haben ja auch schon die Möglichkeit der Teilzeit und Befristung aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, allerdings bisher noch ohne Rückkehrrecht. Also es ist nicht so, dass es da gar nichts gäbe. Es gibt jede Menge Rückkehrrechte, und die stellen ja die Arbeitgeber schon heute vor eine große Herausforderung, damit umzugehen. Wenn ein Arbeitnehmer, sagen wir mal, relativ schnell selbstbestimmt sagt, ich möchte jetzt aus einem bestimmten Grund eine Zeit lang nicht arbeiten oder weniger arbeiten, dann muss er ja ersetzt werden. Und darum muss sich der Arbeitgeber kümmern, denn er ist ja auf der anderen Seite vertragliche Verpflichtungen eingegangen, seine Leistungen auch zu erbringen. Der Arbeitgeber kann nicht zum Kunden gehen und sagen, tut mir leid, es haben sich gerade drei Arbeitnehmer bei mir abgemeldet, die sind in Elternzeit, Pflegezeit und in Teilzeit gegangen, und jetzt kann ich leider die versprochene Leistung nicht mehr erbringen. Sehen Sie mal zu, wie Sie das geregelt kriegen! Das würde man ja auch nicht akzeptieren.

Das ist die eine Sichtweise. Ich glaube, das können insbesondere die Kollegen von der CDU noch sehr schnell akzeptieren oder sich sehr schnell dort hineindenken, dass es eben auch die Sicht der Unternehmer gibt, aber es gibt auch noch – und das wird völlig vergessen – die Sicht der Arbeitnehmer, die jeweils als Ersatzmann zur Verfügung stehen müssen. Wenn also jemand in die Elternzeit geht, dann braucht ja das Unternehmen eine Ersatzkraft und stellt die in der Regel dann auch nur befristet ein. Das heißt, als Kehrstück dieser ganzen Befristungs- und Rückkehrmöglichkeiten entsteht ein Arbeitsmarkt mit lauter befristeten Arbeitskräften, die immer nur für vorübergehende Zeiträume eingestellt werden als Ersatzperson für einen anderen Arbeitnehmer.

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

Wir bekommen also Arbeitnehmer der ersten Klasse und Arbeitnehmer der zweiten Klasse. Die ersten sind die, die vollumfänglich beschützt werden, die Rückkehrrechte haben, die einfach das Glück haben, einen unbefristeten ordentlichen Arbeitsvertrag zu haben. Die können dann sagen, ich gehe jetzt in Pflegezeit, ich gehe in Familienpflegezeit, in Elternzeit, und künftig können sie auch in Teilzeit gehen und wieder zurück in Vollzeit gehen. Und dann haben wir noch Arbeitnehmer zweiter Klasse, Schattenarbeitnehmer würde ich sie mal fast nennen, die einfach spiegelbildlich im Hintergrund stehen und sagen, gut, jetzt komme ich da für zwei Jahre als Elternzeitvertretung, dann habe ich vielleicht eine halbe Stelle. Wenn der wieder in die Vollzeit zurück möchte, dann bin ich wieder auf null.

Das ist die Kehrseite dieser ganzen Medaille. Das gerät mir in der bisherigen Debatte völlig außen vor und ich

frage mich, wann die LINKEN eigentlich dieses Feld entdecken,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

wann sie da überlegen, wie man den dortigen Leuten helfen kann und wie das funktionieren soll. Das geht nämlich dann gar nicht mehr, es gibt nämlich nicht noch einen dritten Arbeitsmarkt oder drittklassige Arbeitskräfte, die nur zur Verfügung stehen, um die auch noch auszugleichen. Das geht eben alles nicht so einfach. Sie können diese Dinge nicht komplett planen in einem Weltmodell, wo jeder Arbeitnehmer da seinen Platz für den Rest seines Lebens findet, sondern man ist – und Frau Friemann-Jennert hat es richtig gesagt – sehr stark darauf angewiesen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer partnerschaftlich zusammenarbeiten.

Und meine eigene Erfahrung – wir sprechen eben auch immer alle von unserer eigenen Erfahrung – ist, dass sich da in der Regel durchaus eine Lösung findet, denn der Arbeitgeber hat gar keinen Grund dafür oder gar kein Bedürfnis, den Arbeitnehmern irgendwie im Wege zu stehen. Normalerweise kommt man ja gerne zueinander und versucht gemeinschaftlich, eine Lösung zu finden. Das sollte man auch mal als Grundprämisse akzeptieren, dass es kein Gegeneinander ist, sondern ein Miteinander am Arbeitsmarkt. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Ja, geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal möchte ich allen meinen Vorrednerinnen und -rednern den allergrößten Respekt zollen, dass sie sich mit diesem Wisch, den wir hier als Antrag auf dem Tisch haben,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Oha!)

inhaltlich so tief auseinandergesetzt haben.

(Manfred Dachner, SPD: Die Nerven behalten haben. – Jens-Holger Schneider, AfD: Das war sehr unparlamentarisch.)

Denn dass dies nur ein Wisch ist,

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

der von einer Scheinheiligkeit geprägt ist,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

die seinesgleichen sucht, das dürfte ja wohl allen klar sein, die den Antragstext auch wirklich gelesen haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich glaube, jeder Redner und jede Rednerin hat ganz klar und deutlich gesagt, dass das, was Sie hier als großes Anliegen, als Bundesratsinitiative auf den Weg bringen wollen,

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Das ist ein Wisch!)

in anderen Gesetzen bereits geregelt ist. Sie haben nicht die gesetzlichen Regelungen, die wir jetzt haben, kritisiert, sondern Sie greifen hier zwei Punkte, die Teilzeitarbeit angehen, auf und wollen die in ein Gesetz, in das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das grundsätzlich über Teilzeit und Befristung Aussagen trifft, hineinbringen. Das sagt überhaupt nichts über die Qualität aus, die Sie damit verfolgen, es ist keine Kritik an den bestehenden Regelungen. Ich glaube eher, Sie wussten gar nicht, dass wir hier schon bestehende gesetzliche Regelungen und Möglichkeiten haben.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Torsten Renz, CDU: Ich nehme das auch an.)

Und sich dann hier hinzustellen

(Tilo Gundlack, SPD: Das ist doch nichts Neues.)

als die Verfechter der Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, das ist doch einfach lächerlich!

(Torsten Renz, CDU: Ja.)

Gerade in den letzten Legislaturperioden waren es insbesondere SPD-Frauen, die sich ganz besonders für diese Themen starkgemacht haben – auch unsere Ministerpräsidentin war da nicht ganz unbeteiligt, wenn ich mich recht erinnere –, sodass es niemandem entgangen sein kann, dass gerade diese beiden Aspekte in gesetzliche Regelungen eingeflossen sind.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Glocke der Vizepräsidentin)

Sie schreiben ein paar Selbstverständlichkeiten auf, die man anders auslegen kann, weil man vielleicht andere Grundsätze verfolgt. Wenn ich hier Ihr Familienbild sehe, das kann ich direkt unterstreichen, bloß ist bei mir Familie etwas mehr als nur Papa, Mama und zwei Kinder,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Bei uns im Übrigen auch.)

sondern es gibt auch andere Familien. Immer dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, ist ein Stück Familie, und das gehört auch unterstützt und gefördert.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

So, und Sie verlangen in Ihrem Antrag ja eigentlich nur konkret, mit einer Bundesratsinitiative bereits bestehende Regelungen in das Teilzeit- und Befristungsgesetz aufzunehmen. Was hat das für einen Mehrwert, wenn ich das aus einem Gesetz herauslöse und in ein anderes hineinfüge? Das erschließt sich mir jetzt nicht.

Sie haben kein Wort darüber verloren, was Sie sich darunter konkret vorstellen. Herr Wildt hat eben angesprochen, was das für manche Unternehmen für Probleme mit sich bringt. Deswegen gibt es bei den jetzt bestehenden Regelungen, was Teilzeit im Allgemeinen angeht, auch eine Beschränkung für Unternehmen nach Arbeitnehmerzahlen, die dort vorhanden sind, um es den Unternehmen zu ermöglichen und leichter zu ermöglichen. Aber es geht überhaupt nicht um Qualität. Sie tun hier so,

als gäbe es keine Regelungen – die es ja nachweislich gibt –, kritisieren diese nicht, sondern sagen ausschließlich, wir wollen diese Regelungen in ein anderes Gesetz haben. Was daran fortschrittlich sein soll, was daran für unsere Familien bedeutungsvoll sein soll und ihnen helfen soll, erschließt sich in keiner Art und Weise. Deswegen kann man diesen Wisch,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

diesen Antrag, Entschuldigung, einfach nur ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wollte mich eigentlich nicht dazu äußern, ob „Wisch“ nun noch parlamentarisch ist oder nicht. Und ich warne auch davor, dass wir uns zu sehr in unseren Rederechten beschneiden, weil wenn wir hier wirklich jedes Wort auf die Goldwaage legen und darüber prüfen, ob es denn parlamentarisch ist oder nicht, haben wir bald gar keine Möglichkeit, uns hier auszudrücken. Auf der anderen Seite muss ich allerdings sagen, dass ich Abklatschen im Parlament doch als nicht der Würde des Hohen Hauses entsprechend ansehe, und würde bitten, davon zukünftig abzusehen.

Jetzt rufe ich auf für die Fraktion der AfD den Abgeordneten Professor Dr. Weber.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD)

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Wertes Präsidium! Werte Kollegen und liebe Gäste! Auch ich halte sehr viel davon, dass wir hier im Parlament offen und in der gebotenen Schärfe diskutieren.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Deswegen, Frau Tegtmeier, dürfen Sie ruhig in meinen Augen „Wisch“ sagen. Wenn ich dann auf Ihr „Geschwätz“ eingehe, haben wir das wieder ausgeglichen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Es ist schon mehr als erstaunlich, wenn ich jetzt höre, wie viel Mühe Sie sich geben, einem eigentlich – und das hat außer Frau Tegtmeier nahezu jeder Redner anerkannt –, einem eigentlich, vom Hintergrund her gesehen, positiven Antrag möglichst viel Negatives abzugewinnen. Aber auch das sind wir inzwischen gewohnt,

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

insofern möchte ich ein bisschen was zum Inhalt sagen.