Protocol of the Session on April 26, 2018

(Peter Ritter, DIE LINKE: Oh, Leute, Leute, Leute!)

Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf die Zusammenarbeit im bundesweiten Verbund eingehen. Aufgrund meiner Arbeit in der IMK weiß ich, dass sich die unterschiedlichen Organisationsformen bei den Verfassungsschutzbehörden der Länder durchaus in diesen Gremien bemerkbar machen, besonders im Arbeitskreis IV der IMK zum Verfassungsschutz. Hier geht es neben fachlichen Fragen vor allem auch um Vorgänge, die für die Minister von Bedeutung sind. Die vertretenen Abteilungsleiter bereiten die Entscheidungen der Minister zu diesem Thema vor.

Da tun sich dann schon Unterschiede auf zwischen den Abteilungsleitern, die sich auch noch um die Aufsicht über die eigene Verwaltung ihres Landesamtes kümmern müssen, und denen, die sich tagtäglich und ausschließlich mit den fachlichen Angelegenheiten des Verfassungsschutzes beschäftigen. Die Nähe zur politischen Führung hat somit viele Vorteile, aber nicht ausschließlich wohlgemerkt. Das mag in größeren Ländern – das habe ich schon mal erwähnt –, in denen der Verfassungsschutz auch personell breiter aufgestellt ist, anders sein. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Organisationsform für den Verfassungsschutz bewährt.

Meine Damen und Herren, deshalb ist es ganz sicher kein Zufall, wenn die überwiegende Mehrheit der Länder in der Bundesrepublik die jeweiligen Verfassungsschutzbehörden als Abteilungen im Ministerium eingliedert. Derzeit erfolgt im Saarland die Umstellung, Sie sind darauf eingegangen. Das Saarland wäre dann das elfte Land, in dem es eine sogenannte Abteilungslösung gibt. Als kleine Randnotiz zu meiner Zählweise und der in Ihrem Antrag: Hamburg ist ein Sonderfall, da sich der Verfassungsschutz zwar hier Landesamt nennt, aber Teil der Innenbehörde ist, organisatorisch also unter einer Abteilungsleitung läuft. Solche Spiele möchte ich nicht machen. Also dann schon klare Definition.

Wir sollten es tunlichst vermeiden, in die umgekehrte Richtung zu steuern und damit Berichts- und Entscheidungswege, die Kommunikation in besonders sensiblen Angelegenheiten und den Informationsaustausch unnötig zu verschlimmbessern. Der Antrag ist sicherlich gut gemeint, er ist aber, glaube ich, nicht dazu geeignet, sein eigentliches Ziel, nämlich die Stärkung des Verfassungsschutzes, umzusetzen. Dort, wo Defizite sind, arbeiten wir an etlichen, gerade, was den Bereich der Öffentlichkeit betrifft. Deswegen jährliche Treffen in jedem Landkreis,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Kann ich da dabei sein?)

deswegen Teilnahme des Verfassungsschutzes bei den, …

Wenn du Kreistagsabgeordneter bist – selbstverständlich.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich bin schon seit 20 Jahren Kreistagsabgeordneter!)

… deswegen auch regelmäßige Teilnahme an dem Mecklenburg-Vorpommern-Tag als Abteilung. Denn es ist natürlich auch Aufgabe des Verfassungsschutzes, sich

zu präsentieren und den Betroffenen zur Verfügung zu stehen.

Da sind noch Dinge, an denen wir in Zukunft weiter arbeiten werden, um sie zu verbessern. Ich kann dem Parlament aus diesem Grund nur empfehlen, den Antrag betreffend auf eine Umwidmung in ein Amt abzulehnen, sondern lassen Sie uns das, was die Abteilung betrifft, und dort, wo man meint, Defizite zu haben, dementsprechend gemeinsam angehen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Danke, Herr Minister.

Meine Damen und Herren, ich habe vorhin in der Situation „Sitzungsunterbrechung, ja oder nein und wie lange“ ganz vergessen, die Aussprache offiziell zu eröffnen. Ich danke dem Minister, dass er das dann praktisch getan hat, aber ich muss natürlich noch sagen, dass der Ältestenrat eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorgesehen und das vereinbart hat. Ich sehe und höre dazu auch keinen Widerspruch, dann verfahren wir weiter so.

Jetzt hat für die Fraktion der AfD das Wort der Abgeordnete Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Liebe Gäste! Den Beschreibungen der Aufgaben des Verfassungsschutzes und seiner Bedeutung im vorliegenden Antrag kann ich nur zustimmen. Allerdings dürfte es insoweit auch von keiner Seite einen ernsthaften Widerspruch geben. Dafür ist die Beschreibung eigentlich zu allgemein, aber eben zutreffend. Was die konkrete Arbeit und die konkreten Erwartungen an den Verfassungsschutz angeht, da dürften die Meinungen vielleicht hier und da eher auseinandergehen.

Aber zunächst noch ein paar Worte zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Ich will es mal ganz brutal sagen: Ich kann das manchmal nicht mehr hören, nicht, weil ich irgendetwas dagegen hätte, sondern weil ich den Begriff „inflationär“ ständig höre, und wenn ich mich rückbesinne, wie es früher war, da wurde darüber wenig gesprochen. Ich bin inzwischen der Überzeugung, je mehr man darüber debattiert, desto mehr ist das ein Indiz dafür, dass es vielleicht gar nicht so toll und so gut bestellt ist um die freiheitlich-demokratische Grundordnung, oder anders, dass sie mehr offene oder versteckte Feinde hat als früher.

In dem Zusammenhang besinne ich mich darauf, wie ich in der Schule erzogen wurde, wie wir dort groß geworden sind, und das war eigentlich so – ich vermute, das war im Osten nicht viel anders –: Die Demokratie wurde uns praktisch als die Reaktion auf das schlimme NS-System beigebracht. Auch das Bundesverfassungsgericht neigt dazu, das Grundgesetz als Gegenentwurf zur NSHerrschaft anzusehen. Das ist ein Aspekt, aber ich halte das eigentlich für grundsätzlich falsch.

Erst mal haben wir eine längere historische Entwicklung, auch eine längere demokratische Historie und im Übrigen – das ist meine ganz wesentliche Aussage – müssen die Demokratie und unser System aus sich heraus überzeugen. Diejenigen, die noch einen Bezug zur

NS-Herrschaft haben, sie entweder selbst erlebt oder von den Eltern oder Großeltern Geschichten darüber gehört haben, die sterben irgendwann aus, irgendwann ist das eine Zeit so fern wie die von Karl dem Großen oder sonst wem. Also diese freiheitlich-demokratische Grundordnung, diese Demokratie, die hier und da schwerfällig und mühsam ist, muss aus sich heraus überzeugen.

Jetzt will ich nicht sagen, was man alles daran aussetzen könnte, aber ich will einen ganz wesentlichen Punkt nennen, bei dem wir große Fehler gemacht haben und der Zäsurcharakter hat: Das ist die Wiedervereinigung. Ich gehöre auch zu denen, die das mit vielen, die sich damit befassen, so sehen, dass alles Gejammer nichts hilft, dass diese Beitrittslösung eine Chance war, die man nicht vergeben durfte, und dass das alles im Grunde richtig gelaufen ist. Aber mit dem Beitritt haben wir die Füße langgestreckt und haben alles weiterlaufen lassen. Ob Sie es glauben oder nicht, ich kann mich an Diskussionen erinnern, wo wir noch voller Illusionen aus Ost und West diskutiert und gesagt haben, das ist jetzt die Stunde null, wo sich die Besten aus beiden Teilen der Nation zusammensetzen und aus ihren Erfahrungen in den Teilstaaten irgendwie etwas Neues machen müssen.

Das hätte gelingen können und als Erstes hätte das erfordert, dass wir dem Volk eine Verfassung vorlegen. Es hätte auch keiner Ängste bedurft, dass diese Verfassung nicht angenommen worden wäre. Jetzt will ich nicht ins Detail gehen mit der Promillezahl und Sonstigem. Man hat danach im Grunde alles aus der westlichen Ordnung übergestülpt und das hat Wunden geschlagen, nicht nur im Westen, sondern auch hier, und die wirken immer noch nach.

(Ann Christin von Allwörden, CDU: So, und jetzt zum Antrag!)

Das wollte ich sagen. Ich hatte es nicht vor, aber es ist ja hier eben auch etwas Grundsätzliches zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung ausgeführt worden, richtig.

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Ja, aber das hat doch damit jetzt nichts zu tun.)

Ja, trotzdem war es ja vielleicht schön, dass Sie das mal von mir gehört haben.

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Herzlichen Dank!)

Die Antragsteller wollen mit ihrem Antrag den Verfassungsschutz aufwerten und versprechen sich von einer eigenständigen Behörde mehr Unabhängigkeit. Dabei ist auch von Entpolitisierung die Rede. An einer damit geäußerten Kritik an einer politischen Einflusseinnahme ist sicherlich etwas dran, aber wir sollten zunächst einmal auf dem Teppich bleiben. Nach jedem neuen Terroranschlag wird die Frage erörtert, ob tatsächlich jedes Bundesland einen eigenen Verfassungsschutz braucht, ob der Informationsaustausch zwischen den Ämtern gut ist oder verbessert werden muss, kurzum, ob weniger Ämter mit einer noch besseren Zusammenarbeit nicht einen effizienteren Verfassungsschutz erwarten ließen. Diese Thematik erscheint mir dringlicher als die Frage, wie die Behörde an der Spitze organisiert sein sollte. Als eines der zahlenmäßig kleinsten und ärmsten Länder sollten wir mit der Einrichtung neuer selbstständiger Behörden, die dann in aller Regel auch mehr Geld kosten, zurückhaltend sein.

Nun aber zur Frage der Objektivität und politischen Einflussnahme: Liebe Kolleginnen und Kollegen, glaubt hier wirklich jemand, dass die Aufwertung zu einer selbstständigen Behörde daran substanziell etwas ändern würde? Dass Landesämter traditionell eigenständiger agieren als ein in ein Ministerium integrierter Verfassungsschutz mag sein, aber dass sie damit unabhängiger sind, ist durch nichts belegt. Der Wechsel des Behördenschilds ist Etikette und besagt eigentlich gar nichts darüber, wie es da drinnen aussieht. Die Problematik der Objektivität und der Freiheit von politischer Einflussnahme, die nie auszuschließen und in einem gewissen Umfang auch erträglich ist, geht tiefer und hat kaum etwas mit der Organisation einer Behörde zu tun.

Die Vernetzung der Parteien oder besser der Altparteien und ihr Einfluss in sämtliche Bereiche der Gesellschaft, die Frage, wie man in Führungspositionen gelangt, wie angepasst man dafür sein muss, ob Kompetenz oder Parteizugehörigkeit das letztlich ausschlaggebende Auswahlkriterium sind, das sind die entscheidenden Fragen, um die es geht, wenn wir von Unabhängigkeit reden. Zu einer ordentlichen Arbeit des Verfassungsschutzes gehört eben auch seine Objektivität und dazu gehört wiederum, wie objektiv die Wahrnehmung ist und ob das, was wahrgenommen wird, sachgerecht gewichtet wird oder, ganz einfach, ob die Sehschärfe auf beiden Augen dieselbe ist. Daran bestehen je nach Blickwinkel hier und da Zweifel. Die Eigenständigkeit der Behörde ist aber für all dies nach Auffassung unserer Fraktion nicht ohne Belang. Die AfD lehnt den Antrag deshalb ab. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Friedriszik.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Verfassungsschutz ist Demokratieschutz – da bin ich gar nicht so weit weg von Ihnen. Das ist so, das soll auch so sein. Die Organisation der Landesbehörden für den Verfassungsschutz ist in der Bundesrepublik Deutschland unterschiedlich geregelt. Sieben Länder haben die Verfassungsschutzbehörden als Landesämter organisiert, die dem jeweiligen Innenressort unterstellt sind, in neun Ländern ist der Verfassungsschutz als Abteilung organisatorischer Bestandteil des jeweiligen Innenressorts, so auch in Mecklenburg-Vorpommern. Bei uns im Land ist die Verfassungsschutzbehörde das Innenministerium und ist dort als eigenständiges Ressort angesiedelt.

Nun meint die Fraktion der BMV, diese Abteilung soll aus dem Ministerium ausgegliedert und ein eigenständiges Landesamt für Verfassungsschutz werden. Ich frage mich, warum. Die vorliegende Begründung halte ich, gelinde gesagt, für wenig überzeugend, im Gegenteil: Die Begründung des Antrages spricht gerade für die Beibehaltung des Verfassungsschutzes als Abteilung innerhalb des Innenministeriums. In der Antragsbegründung heißt es unter anderem: „Landessämter agieren traditionell eigenständiger als die in die Innenministerien integrierten“ Verfassungsschutzbehörden. Das spricht doch gerade für die Organisation des Verfassungsschutzes als Abteilung innerhalb des Ministeriums.

Der Verfassungsschutz darf in einer Demokratie kein Eigenleben entwickeln. Es müssen das Primat der Politik und das Prinzip der demokratischen Kontrolle gelten. Eigen

ständiges Agieren eines Landesamtes für Verfassungsschutz hat in Thüringen dazu geführt, dass der dortige Verfassungsschutz seit 2015 als Abteilung des Innenministeriums organisiert ist. Gerade die Vorfälle im Zusammenhang mit dem NSU haben sicherlich dazu beigetragen.

Meine Damen und Herren, Ziel des Antrags soll sein, dass der Verfassungsschutz noch mehr als bisher zu einer angemessenen Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Extremismusbekämpfung befähigt werden soll. Warum es dazu aber einer Ausgliederung aus dem Ministerium und der Einrichtung eines Landesamtes bedarf, erschließt sich mir nicht. Auch die Aussage, den Verfassungsschutz als eine unabhängige Behörde zu organisieren, sei ein Signal für eine starke Demokratie, ist mir schleierhaft. Was das Signal für eine starke Demokratie sein soll, bleibt mir ein Rätsel.

Völlig paradox wird die Begründung, wenn es heißt: „Besonders auch die Geschehnisse um den NSU haben deutlich gemacht, dass in Deutschland eine Diskussion um die Neuausrichtung der Sicherheitsarchitektur notwendig ist. In diesem Sinne soll dieser Anstoß auch zu einem Diskurs über die Sicherheitsarchitektur in Mecklenburg-Vorpommern“ führen. Meine Damen und Herren, es wäre eine logische Vorgehensweise, erst eine Diskussion zu führen und danach gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen. Auch insofern ist das mit dem Antrag verfolgte Ziel nicht nachzuvollziehen. Die SPD-Fraktion lehnt den Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Vincent Kokert, CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort der Abgeordnete Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin in Sachen Verfassungsschutz ja selten der gleichen Meinung wie der Innenminister, aber was sozusagen das Schicksal Ihres Antrages angeht, teile ich die Meinung des Ministers: Dem Antrag kann man nicht zustimmen. Ich könnte Ihnen vieles über den Verfassungsschutz erzählen, kann es aus bekannten Gründen aber nicht.

(Vincent Kokert, CDU: Dürfen Sie nicht! Dürfen Sie nicht!)

Genau da sind wir beim ersten der Probleme, welches wir durch Ihren Antrag überhaupt nicht lösen. Ob nun Abteilung oder Landesamt – wenn man in einem Kontrollgremium, einem sogenannten Kontrollgremium des Verfassungsschutzes mitarbeiten darf, dann unterliegt man dort bestimmten Regelungen, die sozusagen den Umgang mit den dort gewonnenen Erkenntnissen schwierig machen. Ich weiß gar nicht, wie weit ich mich jetzt hinauslehnen kann, aber egal: Nicht alles ist verkehrt, um es mal vorsichtig auszudrücken. Aber Ihre Problemlösung und auch der Diskussionsansatz, den Sie hier vorschlagen, führen dann doch am Ziel vorbei, sich mit dieser Frage stärker auseinanderzusetzen. Ich komme an anderer Stelle noch darauf zurück.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verteidigung und Stärkung unserer Demokratie – das ist der beste Schutz unserer Verfassung.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ob der Verfassungsschutz jedoch Demokratieschutz ist, muss aufgrund jüngster Erfahrungen zumindest hinterfragt werden. Auch deshalb bin ich ein Stück weit überrascht, Herr Kollege Wildt, über Ihren Antrag. Erst vor wenigen Stunden haben wir gemeinsam hier im Parlament und Sie als Mitunterzeichner die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU-Komplex beschlossen. Mit dem vorliegenden Antrag greifen Sie eigentlich schon eine mögliche Schlussfolgerung für die künftige Arbeit des Ausschusses vorweg. Es ist ja kein Geheimnis, die Arbeit des Verfassungsschutzes wird im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eine Rolle spielen. Wenn Sie aber schon vor der Befassung im PUA zu der Erkenntnis kommen, wir brauchten einen Strukturwandel, dann hat der Antrag fast schon hellseherische Fähigkeiten, und das kann ich mir nun beim besten Willen nicht vorstellen. Meine Bitte ist, warten Sie die Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss ab, bevor Sie in diesem Ausmaß an der Sicherheitsarchitektur unseres Landes herumschrauben wollen! Womöglich ist Ihr Antrag gar nicht so hellseherisch, wie ich es gerade angedeutet habe.

Meine Fraktion wird dem Antrag auch inhaltlich nicht zustimmen können, denn Sie liefern in Ihrer Begründung des Antrages gleich mehrere Argumente, die aus Sicht meiner Fraktion gegen die die Einrichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz sprechen. Unter dem Verweis auf den NSU-Komplex pauschal von „Verfassungsschutz ist Demokratieschutz“ zu sprechen, halte ich für äußerst zweifelhaft. Gerade mit Blick auf die Entstehungsjahre des NSU in Thüringen galt dort zumindest wohl eher das Motto „Verfassungsschutz ist Heimatschutz“, denn es war das unkontrollierte V-Leute-System, also auch die Finanzierung von verurteilten und notorischen Gewalttätern zu Vollzeitaktivisten, das den Aufbau des „Thüringer Heimatschutzes“ maßgeblich begünstigt hat, vielleicht sogar erst ermöglichte. Auch das wird ja zurzeit noch untersucht. Mit der finanziellen Sorglosigkeit im Rücken bauten Neonazis wie Tino Brandt und Marcel Degner genau die Strukturen auf, in denen sich das spätere NSU-Kerntrio radikalisierte. Andere Untersuchungssauschüsse haben dies auch deutlich belegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Eingangssatz Ihrer Begründung schreiben Sie weiterhin, dass es unter anderem die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist, Informationen zu sammeln. Das ist wohl so. Leider führen Sie aber nicht mehr aus, was später mit diesen Informationen geschieht. Auch das ist eine Frage, die mich umtreibt. Ich bin nicht per se dagegen, dass es eine Institution gibt, die über verschiedene Wege Informationen sammelt. Die Frage, die sich aber daraus ergibt, ist: Was mache ich mit den gewonnenen Erkenntnissen? Lasse ich die Struktur, die ich beobachtet habe, weiter agieren, wie das möglicherweise beim NSU der Fall war, oder kann ich sozusagen mit den gewonnenen Erkenntnissen dagegensteuern, und zwar aktiv?

Bleiben wir bei Ihrer selbst gewählten Begründung, also dem NSU. Wenn man hinterfragt, was macht man mit den Erkenntnissen, die dort gesammelt werden, dann lautet die Antwort nach meinem bisherigen Erkenntnisstand: wenig bis gar nichts. Es ist doch vielmehr so, dass Ihr in höchstem Maße vertrauenserweckender Titel „Verfassungsschutz ist Demokratieschutz“ in der jüngsten Vergangenheit ad absurdum geführt wurde. Schon in den 1990erJahren warnte das Bundeskriminalamt, also nicht Peter Ritter, sondern das Bundeskriminalamt, in einem internen Schreiben vor einem sogenannten „Brandstiftereffekt“.

Nun werden Sie sich verwundert die Augen reiben, woher hat der Ritter schon wieder so ein internes Schreiben des BKA. Ich kann Sie beruhigen, ich kann die Quelle nennen. Der „Spiegel“ berichtete in seiner Ausgabe vom 05.11.2012 über dieses Papier des BKA. In dem Artikel des „Spiegel“ heißt es, ich zitiere: „Das BKA-Papier entstand in einer Zeit, als die rechtsextreme Szene nach der Wiedervereinigung nur so von Kraft strotzte. Auf die Pogrome in Hoyerswerda und Rostock waren tödliche Brandanschläge in Mölln und Solingen gefolgt... Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe wuchsen mit dem Selbstbewusstsein einer politischen Bewegung heran, die bis dahin ungeahnte Erfolge verzeichnen konnte.“ Zitatende.