Sehr geehrte Damen und Herren, die vormalige Entscheidung der Landesregierung fußte auf Argumenten, die der Trickserei eines Taschenspielers gleichkommen. Argumentiert wurde seinerzeit mit einem Defizit des Krankenhausstandortes Wolgast in Höhe von 2,1 Millionen Euro. Nicht gesagt wurde, dass dieses Defizit etwas mit dem Personalaufwuchs in der Geriatrie zu tun hat, denn man hatte sich am Krankenhausstandort dazu entschlossen, das Profil zu ändern. Wenn ich das Profil des Standortes ändere und Personalaufwuchs vornehme, dann investiere ich erst mal, dann kostet das Geld, ergo habe ich erst einmal ein Defizit. Geschlossen wurden dann die Abteilungen mit der geringsten Gewinnmarge. Das war der Punkt. Dass man nicht geschaut hat,
wer die meisten Defizite bringt, das ist so und so – also im Gesundheitswesen, wo es darum geht, das höchste Gut, das der Mensch hat, sicherzustellen, derartige Berechnungen anzustellen, das ist schwierig –, aber dass geschaut wurde, was die geringste Gewinnmarge hat, das war der Punkt.
Oder es wurde argumentiert mit rückläufigen Belegungszahlen in den Stationen. Nicht gesagt wurde, dass bereits langfristig die Patientenströme so gelenkt wurden – das hat übrigens die Anhörung im damaligen Sozialausschuss der letzten Legislaturperiode zutage gefördert –, dass sie vorausschauend umgeleitet wurden. Also wen wundert es da, wenn ich langfristig die Patienten und die Versicherten auf einen anderen Standort orientiere, dass ich dann zu dem Punkt komme, am Standort Wolgast gehen in diesem Falle die Fallzahlen zurück?
Es wird interessant sein zu sehen, mit welchen politischen Pirouetten die Landesregierung ihr Umdenken begründet. Wie auch immer, Wirtschaftsminister Glawe gebührt das Verdienst einer anderen Kultur des Umgangs, das will ich schon sagen. Das wertschätzt die Fraktion DIE LINIKE sehr, dass Sie eine andere Kultur des Umgangs mit dem Sachverhalt im Allgemeinen und mit der Bürgerinitiative insbesondere pflegen. Der Lösungsvorschlag, den Sie präsentieren, Herr Glawe, ist jedoch inkonsequent und nicht bedarfsgerecht. Der Vorschlag, mit einer Portalklinik aufzuwarten und acht Betten – es gibt im Übrigen ein Konzept der Bürgerinitiative, die von zwölf Betten ausgeht, also voll funktionsfähig –, das halten wir eher für ein politisches Placebo, was Sie gerade verbreiten wollen.
Nicht bedacht wird weiterhin, dass die Frauenheilkunde und die Geburtshilfe, die Geburtenstation nicht an den Standort zurückkehren sollen. Und es gibt aus unserer Sicht gleich mehrere Gründe, die Frauenheilkunde und die Geburtsstation wieder ans Netz zu nehmen. So hat uns gegenüber die Techniker Krankenkasse ausgewiesen, dass entgegen dem Trend in allen anderen Landkreisen Mecklenburg-Vorpommerns die Zahl junger Menschen bis 2030 in der Region Vorpommern-Greifswald konstant bleiben wird beziehungsweise einen leichten Aufwuchs nehmen wird. Wenn man davon ausgeht, dass das der Fall ist, und die demografischen Zahlen – Dr. Weiß wird das bestätigen können –
Ich mache an dieser Stelle einen Schnitt, bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bin sehr interessiert an der Aussprache und werbe noch einmal für unseren Antrag. – Vielen Dank fürs Zuhören.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Die Wiedereinrichtung der Kinder- und Jugendmedizin sowie der Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Standort im Kreiskrankenhaus Wolgast hat DIE LINKE zum Thema der heutigen Stunde gemacht. Das ist ihr gutes Recht.
Das ist Ihr gutes Recht, habe ich gesagt, und ich habe auch nichts dagegen. Herr Parlamentarischer Geschäftsführer, wenn ich Sie schon sozusagen lobe, dann können Sie Beifall klatschen, aber nicht dazwischenrufen.
Meine Damen und Herren, die medizinische Versorgung der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern und in der Region Vorpommern-Greifswald ist zu keiner Zeit gefährdet, ist es nicht gewesen und ist es heute auch nicht. Das will ich Ihnen noch mal sagen, Herr Koplin. Die Frage von Vertrauen muss man natürlich stellen. Andererseits muss man aber auch sagen, dass, denke ich, alle Planungsbeteiligten, und das ist ja im Paragrafen 7 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes festgeschrieben, dass daran die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkrankenkassen, der Landesausschuss des Verbandes der Krankenversicherungen, der Krankenhausgesellschaft, des Städte- und Gemeindetages und des Landkreistages beteiligt sind. Das heißt, es wurden mit hoher Verantwortung schon die Dinge besprochen.
Die Kliniklandschaft im Versorgungsbereich Vorpommern-Greifswald hat immerhin acht Standorte, ich will nur einige wenige nennen: Universitätsmedizin Greifswald mit 889 Betten, Krankenhaus Bethanien mit 172 Betten, Krankenhaus Karlsburg mit 236 Betten, Asklepios Klinik in Pasewalk mit 274 Betten, AMEOS Klinikum Ueckermünde und Anklam mit 322 Betten und das Kreiskrankenhaus Wolgast mit 155 Betten. Das sind insgesamt 2.125. Dazu gibt es sieben Tageskliniken in den Städten Greifswald, Anklam, Pasewalk, Ueckermünde und Wolgast. Die Standorte sind aus meiner Sicht bedarfsgerecht ausgewiesen.
Und ich will auch eins vorausschicken: Der Standort und Erhalt des Kreiskrankenhauses Wolgast ist unbestritten, meine Damen und Herren. Das ist als Erstes festzuhalten. Strukturänderungen sind im Laufe der Jahre immer wieder erfolgt. Das heißt, der Landeskrankenhausplan wurde sukzessive fortgeschrieben. Das ist über Jahre passiert. Das hat auch unter den Sozialministerinnen der LINKEN stattgefunden. Also so viel zu den Dingen, die Herr Koplin hier teilweise als unverantwortlich bezeichnet hat, und die medizinische Versorgung wäre gefährdet, das ist mitnichten so, meine Damen und Herren.
Natürlich gibt es immer Entscheidungen, die diskussionswürdig sind, aber ich will festhalten, die freien Berufe, also das Rückgrat der medizinischen Versorgung, sind in diesem Falle die Kinderärzte und Gynäkologen. Davon
haben wir allein im Versorgungsbereich im Landkreis Vorpommern-Greifswald 30 und am Standort Wolgast 3. Das gilt also für die Kinder und damit für die Pädiatrie. Wir haben deutlich mehr Betten in der Region, immerhin 43,4 Betten auf 10.000 Kinder, im Landesdurchschnitt 24,2. Also wenn Sie von einer Unterversorgung sprechen, Herr Koplin, da fehlen mir fast die Worte.
Meine Damen und Herren, natürlich geht es auch darum, gerade die Notaufnahme immer sicherzustellen. Die Notaufnahme im Kreiskrankenhaus Wolgast hatte folgende Zahlen im Jahre 2015 zu vermelden: Das Krankenhaus berichtet, dass rund zehn bis zwölf Kinder und Jugendliche täglich Patienten waren. Davon wurden 80 Prozent ambulant behandelt und 20 Prozent erhielten eine stationäre Versorgung. Dieses sind auch Ausgangszahlen für eine spätere Lösung. Wir haben festzustellen, dass Kinder- und Hausärzte in der Region die Notfallversorgung aufrechterhalten. Dazu gehört mittlerweile auch die Klinik Kölpinsee auf der Insel Usedom. Das ist eine Entscheidung, die meine Vorgängerin Frau Hesse sehr weitsichtig und richtig getroffen hat.
Meine Damen und Herren, Krankenhäuser in Greifswald und in Anklam versorgen die Kinder und die Frauen auf hohem Niveau. Natürlich ist die Frauenheilkunde ein wichtiges Thema. Auch dort sind Ärzte und Ärztinnen im Landkreis tätig, allein 26 im Versorgungsgebiet Vorpommern-Greifswald, 2 davon in Wolgast. Also Sie sehen, auch in diesem Feld ist die Versorgung sichergestellt.
Die Übernahme von Verantwortung in der Gesundheitspolitik braucht natürlich Dialog und Diskussion. Deswegen habe ich mich im Auftrag meiner Fraktion und auch im Auftrag der SPD auf den Weg gemacht, zusammen mit dem Staatssekretär Dahlemann und dem Ministerpräsidenten die Dinge zu besprechen. Das haben wir vereinbart und das werden wir auch umsetzen. Wir haben Gespräche geführt mit den Krankenkassen, mit der AOK als Beispiel, mit den gesamten Ersatzkassen, auch mit der Techniker Krankenkasse haben wir gesprochen. Wir wollen dafür sorgen, dass wir eine sektorenübergreifende Versorgungsform entwickeln, das ist wichtig für die Region.
Und, Herr Koplin, ob es nun acht oder zwölf oder fünf Betten sind, da sind wir mit der Bürgerinitiative gar nicht mehr so weit auseinander, das können Sie ja wohl zugeben. Also das Gespräch war eigentlich zielführend. Entscheidend wird jetzt sein, wie wir die Vertragsgestaltungen insgesamt mit den Krankenkassen diskutieren. Wir brauchen ja einen dreiseitigen Vertrag. Daran wird zurzeit gearbeitet. Ich habe Ihnen vorgetragen, dass wir bis Ende Januar dazu ein Konzept vorlegen werden, wie wir gerade die Notallversorgung von Kindern und Jugendlichen in Wolgast am Standort des dortigen Kreiskrankenhauses sicherstellen wollen.
Und warum wollen wir das? Es gibt zwei entscheidende Gründe. Der eine Grund ist die Entfernung zur Universität Greifswald, gerade aus dem nördlichen Bereich der Insel Usedom. Wenn man jetzt Heringsdorf, Bansin oder Ahlbeck nimmt, das sind schon Wege, die man auch unter Beachtung von Brückenzeiten nicht so einfach überwinden kann. Deswegen ist eine Versorgung, eine Notfallversorgung in Wolgast am Krankenhaus angezeigt.
Wir können uns gern darüber streiten, ob das Portalklinik oder Portalpraxisklinik heißt oder Notfallaufnahme, die Dinge sind aus meiner Sicht verhandelbar, und da muss ich mich gar nicht über den Begriff streiten, sondern entscheidend ist die sektorenübergreifende Versorgung, also unter Einbeziehung von niedergelassenen Ärzten und der Universität, aber auch unter Einbeziehung derjenigen, die sich unterversorgt fühlen – fühlen –, obwohl die statistischen Zahlen es gar nicht hergeben.
Bei der Frage der Gynäkologie wird es äußerst schwierig, die Wiedereinrichtung zu rechtfertigen, denn die Geburtenzahlen in Anklam sind nicht so, dass man sagen kann, wenn man Wolgast wieder aufmacht, ob man nicht beide Standorte gefährdet. Die Geburtenzahl in Greifswald betrug jetzt 1.000. Das ist für einen Maximalversorger gut, aber es gibt durchaus Regionen, wo es noch besser ist. Also ich denke, wir sollten da auch verantwortungsvoll agieren, dass einerseits natürlich die Notfallversorgung gesichert ist. Eins will ich noch hinterherschieben: 90 Prozent aller Frauen entscheiden sich lange vorher, in welcher Einrichtung sie ihre Kinder bekommen wollen. Das ist die praktische Realität. Der Notfall ist auch abgesichert.
Meine Damen und Herren, wir wollen ein neues modernes medizinisches Konzept am Standort in Wolgast entwickeln. Sektorenübergreifende Versorgungsformen sind eine neue anstrebenswerte Alternative. Dazu gehört auch die Einbringung von telemedizinischen Angeboten. Diese Angebote laufen so weit, dass man eine Vernetzung machen muss zwischen niedergelassenen Ärzten, dem Krankenhaus, also Wolgast, auf der einen Seite und andererseits mit dem Maximalversorger Universität Greifswald, sprich Kinderklinik, mit Hintergrunddienst, der in der Regel zu Hause ist. Also auch ein Oberarzt muss zu Hause erreichbar sein, um die Dinge als Beratung einfließen zu lassen, die wichtig sind, wenn ich eine Diagnose stelle und daraus eine Therapie ableiten will.
Es gibt da schon einen sehr modernen Ansatz in Mecklenburg-Vorpommern, den die Universität Rostock macht. Und zwar macht sie Exklusivverträge mit AIDA. Dort laufen auch telemedizinische Projekte, wo der Schiffsarzt beraten wird, wie welche Untersuchungen und welche Methoden oder welche Therapieempfehlungen für die Reisenden, die mit AIDA weltweit unterwegs sind, abgesichert werden sollen. Das heißt also, die Zweitmeinung wird immer wichtiger, und ich denke, dass wir das in der Modellregion Wolgast für Vorpommern entwickeln wollen.
Wir wollen und werden die Gespräche auf Augenhöhe führen, denn die kinderärztliche Versorgung muss natürlich einmal für die Bürgerinnen und Bürger der Region bis nach Heringsdorf und Ahlbeck, andererseits aber auch für die Touristen und die Gäste in unserem Land gewährleistet werden. Und da stehen für die Koalitionäre gerade Kinder, die eine Notfallversorgung brauchen, im Mittelpunkt.
Meine Damen und Herren, der südliche Teil der Insel Usedom kann durchaus durch das Krankenhaus Anklam versorgt werden. Das sind ja sozusagen die beiden Nadelöhre. Einerseits haben wir das Nadelöhr Wolgast und andererseits das Nadelöhr hinter Anklam, die Zufahrt zur Insel oder das Runterkommen von der Insel.
Meine Damen und Herren, wir verstehen durchaus die Sorgen und Nöte der Bürger, auch der Bürgerinitiative. Von
daher werden wir im weiteren Dialog die Dinge besprechen. Die Krankenkassen werden einen Vorschlag aus ihrer Sicht bis Anfang/Mitte Januar vorlegen. Dann werden wir mit der Krankenhausgesellschaft, mit der Kassenärztlichen Vereinigung die Dinge weiter vertiefen und wir werden eine moderne Lösung am Krankenhaus Wolgast anstreben. Ich hoffe, dass die Dinge mit Augenmaß durch die Opposition begleitet werden. Es geht um das Machbare und es geht darum, die medizinische Versorgung und die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Dafür will ich werben, denn wir brauchen moderne Ansätze, die nicht rückwärtsgewandt sind, sondern sich den neuen medizinischen Herausforderungen stellen.
Natürlich steht im Mittelpunkt immer der Arzt, der am Patienten entscheiden muss, aber in der heutigen Zeit braucht man auch Beratung und diese Beratung können wir mit der Telemedizin erreichen. Wir können auch konsiliarische Tätigkeit von niedergelassenen Ärzten durchaus einfordern, das ist in vielen Krankenhäusern üblich. Da, wo die Fachgebiete nicht vertreten sind, macht man das, und ich bin eigentlich ganz hoffnungsvoll, dass wir das auch mit den Pädiatern der Region und in Wolgast erreichen können, wenn alle aufeinander zugehen, denn am Ende haben alle einen Eid geschworen, dass wir Leiden lindern wollen. Dass natürlich andererseits die Notfallversorgung – das steht nicht im Eid – eine ganz besondere Herausforderung ist, darin sind sich alle einig, die Planungsbeteiligten wie auch die niedergelassenen Ärzte. Ich als Minister stehe auch zur Verfügung, denn glauben Sie mir, ich habe einige Jahre Erfahrung, zwar nur im Pflegebereich, aber ich habe immerhin 21 Jahre auf einer Wachstation durchlebt, von daher ist mir schon bekannt, welche Sorgen und Nöte die Menschen haben.
In besonderer Weise zeichnet uns aus, dass wir die Sorgen um Kinder und Jugendliche gerade in der Urlaubsregion Usedom, um Wolgast und später auch in anderen Regionen ernst nehmen müssen. Dazu brauchen wir den Beitrag der Telemedizin, dazu brauchen wir aber auch den guten Willen aller Beteiligten. Und ich bin mir relativ sicher, wenn wir unser Konzept vorstellen, dann sage ich nicht, es ist alternativlos, es ist aber eine Grundlage zur Diskussion, die am Ende eines Abwägungsprozesses bedarf, und wir brauchen von beiden Seiten Kompromissbereitschaft. Dann, denke ich, kriegen wir es auch durch.
Ich habe im Wirtschaftsausschuss den Eindruck gewonnen, dass die Politik weitestgehend zu Kompromissen bereit ist und sieht, dass wir in dieser Frage moderne Lösungsansätze eher wollen als ein „Weiter so“. Nichtstun und rückwärtsgewandte Gesundheitspolitik helfen keinem. Wir müssen uns als neues, junges Bundesland den neuen Herausforderungen stellen. Dazu bin ich bereit, dazu ist meine Fraktion bereit und ich hoffe und ich weiß, die SPD sowieso, bei den LINKEN bin ich mir nicht ganz sicher nach dem Vortrag von Herrn Koplin, bei der AfD muss ich mal hören, was gesagt wird. Vielleicht komme ich noch mal zurück ans Mikrofon. – Danke.
Herr Professor Weber, ich kann mich erinnern, dass es heute Morgen eine Situation gab, in der Sie darauf aufmerksam gemacht wurden, dass es nicht der Würde dieses Hohen Hauses entspricht, wenn Sie hier, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht, eine Frau Präsidentin mit „Frau Präsident“ anreden. Wir haben hier keinen Präsidenten. Das können Sie sich gern wünschen, aber es wird nicht eintreten, weil das Präsidium weiblich ist. Und wir erwarten von Ihnen, dass Sie die Würde dieses Hauses achten, also die korrekte Anrede verwenden. Habe ich mich unmissverständlich ausgedrückt?