Über die Ursachen und Hintergründe des Volksaufstandes ist einiges gesagt worden, das möchte ich jetzt nicht wiederholen. Ich will aber durchaus noch mal, weil wir hier im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern sind – Vincent Kokert hat es gemacht, als wir das letzte Mal im Landtag das Thema diskutiert haben, das war im Oktober 2012, als es darum ging, das Jubiläum 2013 vorzubereiten mit einem gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen, er ist auf die Situation, wie das 1953 in Mecklenburg-Vorpommern war, eingegangen –, ein paar Worte dazu sagen.
Dass die drei Nordbezirke nicht das Zentrum des Volksaufstandes waren, glaube ich, ist hinlänglich bekannt. Da gibt es dann auch gewisse Parallelen zu 1989, wo sozusagen die Bewegung eher aus dem Süden kam. Das lag sicherlich auch 1953 mit daran, dass die damaligen drei Nordbezirke bis heute in Mecklenburg-Vorpommern eher agrarisch geprägt sind, wir nicht die großen Zentren haben und die Nachrichten aus Berlin sozusagen etwas langsamer hier ankamen in Zeiten ohne Telefon, Facebook und Twitter sowie andere Dinge. Und natürlich die Staatsmacht und vor allem die Rote Armee hatten Zeit, sich darauf einzustellen, den Volksaufstand niederzuschlagen. Ich glaube, das ist einer der wichtigsten Gründe.
Aber auch hier im Norden gab es ja Bewegung. In 70 Städten und Gemeinden unseres heutigen Bundeslandes gab es Demonstrationen und Streiks. Vincent Kokert hat es gesagt, ich wiederhole das hier gern noch mal: Da waren also auch Städte dabei wie Altentreptow, Barth, Boizenburg, Ducherow oder Gadebusch. In Teterow gab es beispielsweise die Versuche, politische Gefangene zu befreien, ähnlich auch in Grabow, und auf Rügen sollen bis zu 10.000 Arbeiter demonstriert haben. Zentren des Aufstandes waren aber vor allem die Werft- und Hafenstandorte wie Rostock, Stralsund, Wismar oder Wolgast. Von daher gab es also auch hier in Mecklenburg-Vorpommern an dem Tag Streiks und Aufstände, an die es sich zu erinnern lohnt.
Fakt ist, dass es zu DDR-Zeiten keine Auseinandersetzung mit dem Tag gab. Das war konterrevolutionärer Putschversuch, faschistische Umsturzbewegung, wie auch immer das genannt wurde. Im Westen dagegen – das ist auch schon von den Vorrednern gesagt worden – war es ein Feiertag, der Tag der Deutschen Einheit. Zur Wahrheit gehört aber auch, glaube ich, dass es – und so ist das mit einigen anderen Gedenktagen natürlich auch – ein Stück weit über die Jahre ritualisiert wurde. Es gab immer die Gedenkveranstaltung im Bundestag, also gerade in den 70er-, 80er-Jahren ließ das Interesse doch etwas nach. Ich glaube, das gehört auch zur historischen Wahrheit.
Was, glaube ich, auch wichtig ist, der 17. Juni ist sicherlich kein singuläres Ereignis, denn er reiht sich schon ein in eine Reihe von gescheiterten Aufständen im Ostblock. Ich möchte hier nur beispielsweise den Volksaufstand in Ungarn 1956 oder auch den Prager Frühling 1968 nennen. Aber ich glaube, der 17. Juni ist dann auch schon
ein Stück weit Wegbereiter gewesen für Dinge, die wir Anfang der 80er-Jahre beginnend mit Solidarność in Polen und letztendlich 1989 hier erlebt haben, dass der Wille nach Freiheit und Demokratie stärker war als das Unterdrückungssystem dieses Unrechtsstaates. Ich glaube, das ist auch eine der wichtigen Botschaften, die vom 17. Juni ausgeht. Deswegen kann man, glaube ich, allen mutigen Frauen und Männern danken, die damals am 17. Juni auf die Straße gegangen sind, die dafür zum Teil mit ihrem Leben bezahlt haben, die im Zuchthaus gelandet sind oder andere Repressalien über sich haben ergehen lassen müssen. Ganz herzlichen Dank für ihren Einsatz!
Nun konkret zum Vorschlag der AfD-Fraktion. Es ist bereits angesprochen worden, der 17. Juni ist ein bundesweiter Gedenktag. Der Bund hat genau dreimal von seiner Kompetenz in dieser Frage Gebrauch gemacht. Das ist einmal unser Nationalfeiertag, der 03.10., der sicherlich eher ein etwas technokratisches Datum ist, nicht so richtig ein emotionaler Nationalfeiertag, die Ursachen und Hintergründe sind bekannt, dann der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, den wir ja morgen Abend hier begehen werden, und der 17. Juni. Deswegen, glaube ich, besteht an der Stelle auch nicht die Notwendigkeit, hier noch einen landeseinheitlichen Gedenktag – die Ministerin hat vom Flickenteppich gesprochen – auf den Weg zu bringen. Irgendjemand sagte jetzt, was man da machen soll, vormittags ist dann Bundesgedenktag, nachmittags Landesgedenktag. Ich habe in der Fraktion die Frage gestellt, ob man zweimal am Tag die Flagge hochziehen soll, einmal morgens für den Bund oder absenken in dem Fall, auf Halbmast flaggen, und nachmittags dann für das Land.
Also ich glaube, wichtiger ist – und das ist auch, denke ich, noch mal die zentrale Botschaft, die ich gern hierlassen möchte –, dass wir einfach diesen Tag mehr mit Leben erfüllen. Es spielt, glaube ich, keine Rolle, ob es ein Bundesgedenktag ist oder ein Landesgedenktag, das mag eine Diskussion sein für juristische Feinschmecker, sondern der Tag muss ein Stück weit wieder mehr mit Leben erfüllt werden. Es gibt ja schon zahlreiche Veranstaltungen hier im Land. Wir sind im engen Austausch zu dieser Frage mit den Opferverbänden, die das ähnlich sehen, die sich wünschen würden, dass es einfach mehr Beteiligung an den Veranstaltungen gibt, denn auch hier nimmt die Erlebnisgeneration immer weiter ab, also diejenigen, denen direkt nach dem Krieg Leid und Unrecht zugefügt wurde, sind mittlerweile 60 Jahre älter. Von daher, glaube ich, ist es an der Stelle wichtiger, diesen Gedenktag mit Leben zu erfüllen.
Wir haben dieses Jahr am 17. Juni sogar den Tag der offenen Tür des Landtages, zufälligerweise, und selbst da lassen sich Aktivitäten eventuell gemeinsam beraten und planen. Es ist angesprochen worden vom Kollegen Manthei, dass zurzeit auch das Thema „Erinnerung an die friedliche Revolution“ diskutiert wird. Nach meiner Information gibt es dazu am 30. Januar einen Workshop der Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen, mit den Opferverbänden zusammen, wo es darum geht, diese Erinnerungskultur weiter aufrechtzuerhalten. Ich glaube, das ist der richtige Weg.
Von daher würde ich uns alle gemeinsam, weil ich jetzt keinen gehört habe, der gesagt hat, wir brauchen das
alles nicht und wir haben genug von über 65 Jahren danach, dazu einladen, dass wir gemeinsam unseren Beitrag leisten, uns in unseren Wahlkreisen und bei Landesveranstaltungen einbringen und das Thema wachhalten. Ich glaube, ein landesweiter Gedenktag hilft da nicht, denn wir haben den bundesweiten Gedenktag, und den sollten wir gemeinsam mit Leben erfüllen. Deswegen werden wir auch hier eine Überweisung ablehnen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir Deutsche tun uns schwer mit der Vergangenheit, das ist nichts Neues, auch bei diesem 17. Juni 1953 zeigt sich das ein weiteres Mal.
Der 17. Juni 1953 steht allerdings nicht allein, sondern er ist eigentlich im Kontext zu sehen mit zwei anderen Daten. Das ist ja schon hier gesagt worden, da ist einmal der 9. November 1989, aber dann auch der 3. Oktober 1990. Dieser spezielle Dreiklang von drei Gedenktagen ist schon etwas Besonderes, da sollte man sich vielleicht noch mal genauer anschauen, wessen man eigentlich gedenkt an den einzelnen Tagen.
Am 3. Oktober 1990 manifestierte sich die Deutsche Einheit durch den Abschluss des Einigungsvertrages. Dem allerdings war ein längerer Prozess vorausgegangen, der am 9. November 1989 mit dem Fall der Mauer seinen Abschluss fand. Und so ist – das ist meine Auffassung – der wahre 3. Oktober eigentlich der 9. November.
Wenn dem so ist, dann sollte man noch mal schauen, worum es eigentlich ging. 1953 hatte sich unter dem Schutz und mit dem Verlangen der Sowjetmacht das DDR-Regime gerade frisch installiert und das wurde nun mit Zähnen und Klauen verteidigt. Der 9. November 1989 hat ein Bestreben nach Freiheit natürlich vorangestellt gehabt, aber der Gegner war schon ein etwas geänderter. Der Sowjetunion war, im Begriff des Zerfalls, das weitere Schicksal der noch existierenden DDR offenbar gleichgültig geworden
und der Prozess war auch ein anderer, der Widerstandsprozess. Also wer 1953 mit Steinen auf Panzer losgegangen ist, der hatte sicherlich schon einen bestimmten hohen Grad an Verzweiflung und auch sehr viel Mut. Die
Dinge 1989 waren natürlich mit sehr viel Mut verbunden, aber es war eben nicht diese Form von Widerstand, die da geleistet wurde.
Das ist es, denke ich, worauf man zu schauen hat, gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern. Wir sind ja nun mal ein neues Bundesland. Das sollte implizieren, dass wir uns an den 17. Juni 1953 ganz bewusst erinnern und ein besonderes Gedenken führen sollten. Wenn die Ministerin zu Recht freundlicherweise darauf hinweist, dass es auch ein Bundesfeiertag ist, dann können wir doch trotzdem einen Akzent setzen, indem wir sagen, wir machen den 17. Juni 1953 zu einem Landesgedenktag.
Dafür gibt es noch einen guten Grund, denn speziell den Opfern des SED-Unrechtes sollte unser Gedenken gelten, und am 03.10.1990 scheint mir das nicht so dezidiert zum Ausdruck gebracht zu werden. Daher also unser Wunsch, dass wir einen gesonderten Gedenktag als Land Mecklenburg-Vorpommern begehen.
Wenn jetzt hier gesagt wird, Flickenteppich, okay, das kann ich in gewisser Weise nachvollziehen, wenn allerdings die übrigen neuen Bundesländer unserem Beispiel hoffentlich, vielleicht auch dem Beispiel Thüringens, folgen –
Sie ja nicht, Herr Renz, das habe ich schon kapiert –, dann wäre der Flickenteppich schon mal nicht so schlimm, wie es jetzt vielleicht scheint. Im Übrigen sind wir nun mal ein föderaler Staat und gewisse Flickenteppiche müssen wir dann hinnehmen, auch aus demokratischen Gründen. – Ich danke Ihnen.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/1574 zur Beratung an den Rechtsausschuss zu überweisen. Wer für diesen Überweisungsvorschlag stimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion der AfD und der Fraktion DIE LINKE, Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, CDU und BMV und ebenfalls Zustimmung des fraktionslosen Abgeordneten abgelehnt.
Der Gesetzentwurf wird gemäß Paragraf 48 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung erneut auf die Tagesordnung gesetzt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Petitionsausschusses gemäß Paragraf 10 Absatz 2 des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger sowie über den Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 7/1634.
Beschlussempfehlung und Bericht des Petitionsausschusses (1. Ausschuss) gemäß § 10 Absatz 2 des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger sowie über den Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz – PetBüG M-V) – Drucksache 7/1634 –
Das Wort zur Berichterstattung hat der stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses Herr Abgeordneter Dirk Stamer.
Gut, nachdem mich die Frau Präsidentin übersehen hat, nichtsdestotrotz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Petitionsausschuss hat als einziges Gremium dieses Hauses einen ständigen unmittelbaren Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern und erfährt auf diese Weise die Reaktionen der Menschen im Land auf Gesetze und Verwaltungshandeln. Er bildet sozusagen eine Brücke zur Bevölkerung. Das Petitionsgrundrecht eröffnet den Menschen die Möglichkeit, sich an Sie, die gewählten Volksvertreter, zu wenden, um Ungerechtigkeiten und Unwilligkeiten abzustellen.
Um Sie, sehr geehrte Damen und Herren, nun im Einzelnen über die vom Petitionsausschuss bearbeiteten Eingaben zu informieren, legt Ihnen der Ausschuss in regelmäßigen Abständen seine Beschlussempfehlungen und Berichte vor, denn erst mit Ihrem Beschluss sind die einzelnen, in der Beschlussempfehlung aufgelisteten Petitionsverfahren endgültig abgeschlossen. Ich freue mich daher, Ihnen auf der Drucksache 7/1634 unsere Beschlussempfehlung und unseren Bericht zum Abschluss von insgesamt 119 Petitionen vorlegen zu können, die wir im Zeitraum vom 1. September bis zum 7. Dezember 2017 abschließend behandelt haben.
99 dieser Eingaben wurden durch den Ausschuss inhaltlich im Rahmen eines Petitionsverfahrens behandelt. Hierzu empfiehlt Ihnen der Ausschuss die Sachbeschlüsse, die Sie der Sammelübersicht entnehmen können. In 11 Fällen empfiehlt Ihnen der Ausschuss die Abgabe der Eingaben an den Deutschen Bundestag beziehungsweise das zuständige Landesparlament. In weiteren 9 Fällen wurde gemäß Paragraf 2 des Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetzes von einer sachlichen Behandlung abgesehen, weil es hier an einer Einwirkungsmöglichkeit der Landesregierung und damit auch des Landtages mangelt. Im Hinblick auf die 99 Sachbeschlüsse ist es in 12 Fällen möglich gewesen, dem Anliegen des Petenten in vollem Umfang zu entsprechen. In 39 weiteren Fällen hat der Ausschuss Kompromisse erzielt, indem wir den Petenten alternative Möglichkeiten aufzeigten oder anfängliche Missverständnisse beseitigen konnten.
In dieser Sammelübersicht findet sich jedoch auch eine Petition, bei der es uns nicht gelungen ist, eine zufriedenstellende Lösung zu erzielen, obwohl der Ausschuss das Anliegen des Petenten für begründet hält und Abhilfe
Vor mehr als 20 Jahren, nein, Moment bitte, entschuldigen Sie bitte, mehr als 20 Jahre lang – so ist es richtig – war auf einer Anwohnerstraße, die durch ein Wohngebiet eines kleinen Ortes verläuft, die Geschwindigkeit auf Tempo 30 begrenzt, und das aus guten Gründen: Zum einen fehlt ein Gehweg, zudem ist die Straße wegen einer Kurve sehr unübersichtlich, weiterhin ist die Sicht durch Bewuchs behindert und viertens ist die Straße schmal und uneben. Viele schulpflichtige Kinder nutzen und überqueren die Straße zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
Als im Jahr 2014 plötzlich der Landkreis nach mehr als 20 Jahren die Geschwindigkeitsbegrenzung aufhob, protestierten die Anwohnerinnen und Anwohner und wandten sich vergeblich an die zuständigen Behörden. Daraufhin reichte ein Bürger des Ortes eine Petition ein. In der sodann vom Petitionsausschuss mit allen Beteiligten durchgeführten Ausschussberatung vertrat der Landkreis die Auffassung, dass an der besagten Stelle ein Tempo-30Schild nicht zwingend erforderlich und daher unzulässig sei. Aus diesem Grund hatte es der Landkreis nach einer Verkehrsschau entfernt. Außerdem, so sagte der Landkreis, könne man hier sowieso nicht viel schneller als knapp 35 Stundenkilometer fahren, weil die Straße eben so unübersichtlich sei.
Aus Sicht des Petitionsausschusses sollte diese Ansicht aber eher zum Aufstellen und nicht zum Abbauen von Schildern zu Geschwindigkeitsbegrenzungen führen. Die Gemeinde hingegen sprach sich ebenfalls für die erneute Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung aus. In den B-Plänen der Gemeinde ist die Straße sogar ursprünglich als verkehrsberuhigt eingestuft.