(Patrick Dahlemann, SPD: Herr Schulte ist immer ein ganz schneller. – Jochen Schulte, SPD: Wir verstehen uns heute.)
Sie haben doch eine Reihe von Juristen bei sich sitzen. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie schnell diese die Verfassungslehre aus ihrem Gedächtnis gestrichen haben. Bei der AfD werden meine nachfolgenden Ausführungen wohl nicht fruchten, das zeigen mir die letzten Monate sehr deutlich. Und trotzdem – die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt –,
einen kleinen Versuch ist es vielleicht aber dennoch wert. Ich werde mich allerdings sehr kurzhalten. Herr Caffier
Die Vollverschleierung behindert die offene Kommunikation. Die Menschen verständigen sich zwar primär über die Sprache, vieles läuft aber auch über Mimik und Gestik. Wir schauen den Menschen gerne in die Augen, um so auch ein Gefühl für unser Gegenüber zu bekommen. Versteckt oder verschleiert sich jemand, so können wir mit den vielen Signalen nicht umgehen. Es verunsichert Menschen. Verschleierte Personen werden deshalb gemieden, wenige angesprochen. Ist der Mensch mir sympathisch oder nicht? Wir wissen es nicht, weil es an den äußeren Signalen fehlt. Es kommt zu einem Dominoeffekt. Fehlende Ansprache führt zu fehlender offener Kommunikation und dies behindert in meinen Augen die Integration.
Diesen Punkt haben meine Fraktion und die CDU in Bund und Ländern immer herausgestellt und betont. Deshalb sind wir auf der Suche nach umsetzbaren Lösungen, denn grundsätzlich leben wir in einem Land, wo jeder seine Persönlichkeit entfalten darf und rumlaufen darf, wie er es möchte. Das garantiert unser Grundgesetz. In Deutschland hat jeder das Recht auf freie Religionsausübung. Auch das garantiert das Grundgesetz. Das bedeutet, dass wir in die Privatsphäre eines Menschen nicht einfach eingreifen können.
Was der Staat allerdings machen kann, ist, in seinen Bereichen das Neutralitätsgebot durchzusetzen. Ich spreche dabei von Mitarbeitern in Schulen, in Behörden, in Gerichten, in kommunalen Kitas. Und genau dort hat der Bundesinnenminister mit seinem Gesetz zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften angesetzt. Es verbietet bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug, in Ausübung ihres Amtes und Soldaten an dienstlichen Orten, das Gesicht zu verhüllen. Dieses Gesetz mag in der Praxis derzeit nur wenig Anwendung finden, aber es verdeutlicht die Sinnesrichtung, die meine Fraktion ganz ausdrücklich unterstützt. Dort, wo der Staat tätig wird, muss eine offene und vertrauensvolle Kommunikation gewährleistet sein. Ihrem Gesetzentwurf hingegen fehlt es an der Abwägung der in Deutschland geltenden Grundrechte.
Ich halte es da eher so wie der Bundesinnenminister: Auch, wenn ich die Vollverschleierung einer Frau als menschenverachtend, frauenfeindlich und integrationshemmend ablehne, man kann nicht alles verbieten, was man ablehnt. Deshalb leben wir in einem Rechtsstaat und an die uns gegebenen Grundsätze haben wir uns zu halten und in deren Rahmen haben wir uns zu bewegen.
Meine Fraktion wird Ihren Gesetzentwurf aus diesen Gründen ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau von Allwörden hat eben darauf hingewiesen, in welchen Landtagen dieser Gesetzentwurf schon das Licht der Welt erblickt hat. Das war uns natürlich auch bekannt. Ich habe so ein bisschen die Hoffnung gehabt, dass vielleicht auch Frau Weißig heute in der Burka erscheint, so wie ihre Kollegin in Brandenburg.
Zum Inhalt des Gesetzentwurfes: Die AfD-Fraktion fordert ein Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum und begründet das im Wesentlichen mit der deutschen Werteordnung.
Eine Sache möchte ich als gleichstellungspolitischer Sprecher meiner Fraktion vorwegschicken: Von einem religiösen Gebot, das einer Frau eine Gesichtsverschleierung vorschreibt, halte ich überhaupt nichts. Das hat für mich nichts mit einer offenen und freien Gesellschaft zu tun. Entsprechend kritisch sehe ich aber auch ein staatliches Gebot, das Frauen eine Gesichtsverschleierung verbietet. Frauen sollen den Gesichtsschleier ablegen „dürfen“, aber nicht „müssen“. Das nennt sich dann Freiheit, liebe Kollegen von der AfD-Fraktion.
Gebote oder Verbote, ob aus religiösen oder staatlichen Gründen, sind deshalb gleichsam abzulehnen. Wir brauchen dagegen eine Debatte mit den Beteiligten über Frauenrechte im Islam und wir brauchen eine Aufklärung über Fragen der Gleichberechtigung – das allerdings nicht nur im Islam. Nur dann können Frauen dieses Symbol der Unterdrückung ablegen. Das dazu.
Aber unabhängig davon, wie man inhaltlich zu dem Thema steht, sollte man immer zuerst fragen, welche Notwendigkeiten für eine Regelung, für einen Gesetzentwurf überhaupt bestehen. Ansonsten heißt es wieder, man würde sich mit weltfremden Problemen befassen und hier nur Steuergelder verpulvern. In der Begründung des Gesetzentwurfes räumen Sie selbst ein, dass wir über eine sehr „geringe“ Personenzahl reden. Die genauen Zahlen sind weder Ihnen noch mir bekannt und es gibt auch keine auf Mecklenburg-Vorpommern konkret bezogene öffentliche Debatte.
Das Thema ist hierzulande also völlig irrelevant. Sie wollen hier nur einfach Stimmung machen oder sich wichtigtun. Selbst wenn man Ihrem Gesetzentwurf folgen würde, würde sich das öffentliche Erscheinungsbild in Mecklenburg-Vorpommern kein bisschen ändern.
Aber zurück zu Ihrem Gesetzentwurf an sich. Dieser ist an einigen Stellen etwas irreführend. Bei der Zweckmäßigkeit beziehen Sie sich in erster Linie auf sicherheitspolitische Aspekte. Bezüglich freier und gleichrangiger Begegnung von Menschen steht da nur ein einziger Satz. In der Begründung selbst spielen dann die sicherheitspolitischen Aspekte wiederum überhaupt keine Rolle mehr. Da geht es nur noch um die verfassungsmäßige „Werteordnung … eines freien, offenen und demokratischen Landes“. Insofern stellt sich schon die Frage, was denn nun Ihr eigentliches Anliegen bei diesem Gesetzentwurf ist. Und es stellt sich auch die Frage: Wie viele Gefahrensituationen wurden hierzulande von Frauen mit Gesichtsverschleierung verursacht? Nicht eine einzige. Sicherheitspolitisch lenkt diese Problematik daher völlig von den tatsächlichen Herausforderungen in unserem Land ab. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Mecklenburg-Vorpommern, dass Städte wie Demmin oder Anklam mit einem Burka-Verbot sicherer wären, als sie es jetzt sind?!
Also, liebe Kollegin, liebe Kollegen der AfD-Fraktion, der Gesetzentwurf geht an den wirklichen Problemen des Landes vorbei. Sie wissen, dass ich eigentlich immer dafür bin, Gesetzentwürfe der Opposition einer Zweiten Lesung zu unterziehen und deshalb in den Ausschuss oder in die Ausschüsse zu überweisen. Aber selbst bei mir ist jetzt eine Schmerzgrenze erreicht, weil mit dem Inhalt dieses Gesetzentwurfes kann ich nichts anfangen und ich wüsste auch nicht, worüber ich im Innenausschuss mit Ihnen reden sollte. Deshalb wird meine Fraktion heute einer Überweisung des Gesetzentwurfes nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/773 zur federführenden Beratung an den Innen- und Europaausschuss sowie zur Mitberatung an den Rechtsausschuss und an den Sozialausschuss zu überwiesen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion der AfD, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und der LINKEN abgelehnt.
Der Gesetzentwurf wird gemäß Paragraf 48 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung erneut auf die Tagesordnung gesetzt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Aussprache gemäß Paragraf 43 Ziffer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „Für die Sicherheit unserer Kinder – Richtig schwimmen von Anfang an!“.
Aussprache gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT zum Thema Für die Sicherheit unserer Kinder – Richtig schwimmen von Anfang an!
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass dieses Thema auf Antrag meiner Fraktion auf die Tagesordnung des Landtages gerückt ist, nicht nur, weil uns in den nächsten Wochen die sommerliche Badesaison mit Tausenden Gästen an den Stränden von Seen und Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern bevorsteht, sondern weil das Thema gesamtgesellschaftlich einfach einer größeren Beachtung bedarf.
Erst Mitte Juni hat uns alle ein Fall die Aktualität dieser Aussprache vor Augen geführt, als eine 13-jährige Schülerin bei einem Badeunfall in Warnemünde trotz intensiver medizinischer Hilfe verstorben ist. Die Fähigkeit zu schwimmen kann im Notfall über Leben und Tod entscheiden. In Nord- und Ostsee, in Flüssen und Seen oder in Schwimmbecken – in Deutschland sind im vergangenen Jahr mehr als 500 Menschen beim Baden ertrunken. 2016 sind, so eine aktuelle Studie der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, sogar 49 Badetote mehr zu verzeichnen als 2015.
Alarmierend ist zudem der Anstieg der Badeunfälle bei Kindern. 46 Kinder sind im vergangenen Jahr ertrunken, doppelt so viele wie im Jahr 2015. Es ist offenkundig, dass wir gerade im Bereich von Kindern und Jugendlichen Verbesserungen und Lösungsvorschläge erarbeiten müssen, wozu auch diese Debatte heute dienlich sein soll.
Und nur um es zu erwähnen: Gefährdet sind des Weiteren auch ältere Menschen. 108 Senioren zwischen 71 und 85 Jahren sind im vergangenen Jahr ertrunken. Auch ist zu beklagen, dass sich unter den Opfern die Anzahl von Geflüchteten verdoppelt hat. Diese Zahlen sollen uns allen zu denken geben und uns vor allem veranlassen, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Anzahl der Badeunfälle wirklich reduzieren.
Die Tendenz zurückgehender Schwimmfähigkeit ist keineswegs akzeptabel. Die größte Gefahr geht oftmals von den unbewachten Binnengewässern aus. Drei Viertel aller Badetoten in Deutschland ertranken in Flüssen, Seen, Bächen und Teichen. An den Küsten von Nord- und Ostsee, die oftmals durch engagierte und ehrenamtliche Rettungskräfte gesichert sind, kamen dagegen „nur“ 26 Menschen ums Leben.
Ein Großteil der Badeunfälle ist vermeidbar, da die Ursachen häufig in Selbstüberschätzung, Krankheit, Leichtsinn und Unwissenheit über die Gewässereigenschaften liegen, zum Beispiel eine starke Strömung. Das konnte ich in Heringsdorf – ich glaube, das war vor zwei Jahren – erleben, wo zehn Jugendliche in Not gerieten, aber auch den Rettungsschwimmern nicht Folge leisteten, als der Sturmball schon längst gezogen war.
Unser Ziel muss es daher sein, dass möglichst viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sicher schwimmen können. Das „Seepferdchen“ mit 25 Metern Schwimmdistanz besagt nicht, dass man ein guter Schwimmer ist.
In den letzten Jahren mehren sich die Meldungen, die der Bevölkerung und dabei gerade den Kindern eine abnehmende Schwimmfähigkeit attestieren. Die jüngst veröffentlichte und bereits zitierte Studie der DLRG hat insbesondere den Fokus auf die Schwimmfähigkeit von Kindern gelegt. Demnach wird die Fähigkeit, sicher zu schwimmen, besonders bei Kindern im Grundschulalter als ungenügend eingeschätzt.