Protocol of the Session on July 13, 2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte doch um Beruhigung.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Frieden schaffen ohne Waffen – Militarisierung stoppen, auf Drucksache 7/785.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Frieden schaffen ohne Waffen – Militarisierung stoppen – Drucksache 7/785 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Peter Ritter für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Stichwort „Frieden“ sollte jetzt mal in den Raum gerichtet sein, das passt ganz gut zum Thema und zu Debatten, die da stattfinden. Auch das gehört sozusagen zu Umgangsformen mit- und untereinander, aber das ist nicht das eigentliche Thema des Antrages. Der Antrag „Frieden schaffen ohne Waffen – Militarisierung stoppen“ geht auf ein Gesetzgebungsverfahren zurück, das vor rund zehn Jahren in Gang gesetzt worden ist und zum späteren Artikel 18a der Landesverfassung geführt hat. Auslöser war eine Volksinitiative. Schon allein die Erinnerung daran wäre Grund genug für den vorliegenden Antrag.

Zur Begründung der damaligen Initiative wurde auf die Zunahme rechtsextremistischen Gedankenguts und das Auftreten rechtsextremistischer Strukturen im Land Mecklenburg-Vorpommern verwiesen. Im Ergebnis der Beratungen – und ich erinnere mich noch gut, auch das war sozusagen eine Sternstunde des Parlaments, weil wir gemeinsam, die demokratischen Fraktionen, um eine Lösung gerungen haben –, im Ergebnis der Beratungen hat der Landtag eine Friedensverpflichtung als Staatsziel in die Landesverfassung aufgenommen. Es heißt seitdem: „Alles staatliche Handeln muss dem inneren und äußeren Frieden dienen und Bedingungen schaffen, unter denen gesellschaftliche Konflikte gewaltfrei gelöst werden können.“ Zitatende. Irgendwie passt dieses Zitat heute wunderbar in diese Tagesordnung, weil wir uns schon an mehreren Punkten mit Fragen der Konfliktbewältigung und Konfliktlösung beschäftigt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zweierlei wird man an dieser Stelle feststellen können: Letztlich ist der Artikel 18a nicht das erhoffte scharfe juristische Schwert gegen extremistisches Handeln und gleichzeitig sollten innere und äußere Entwicklungen Anlass genug sein, an die Friedensverpflichtung und Gewaltfreiheit zu erinnern, wie sie im Artikel 18a zum Ausdruck gebracht werden.

Wenn wir die innere Situation in Mecklenburg-Vorpommern beschreiben, lässt sich feststellen: Sicherheitspolitisches Chaos oder gar bürgerkriegsähnliche Zustände, wie sie in manchen Landtagsanträgen oder Posts auf Facebook-Seiten suggeriert werden, gibt es nicht. Es gibt aber – auch darüber haben wir heute schon gesprochen – die Phänomenbereiche rechts und links in der Statistik des Landesverfassungsschutzes. Es gibt aber darüber hinaus neuerdings das Reichsbürgerproblem und die Bewegung der Identitären, und die sind mitten unter uns.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist es legitim, wenn etwa die AfD laut nachdenkt über eine völlige Neuausrichtung in der Landeszentrale für politische Bildung. Und wenn die AfD dann eine stärkere Orientierung auf die linke Seite verlangt, ist das aus ihrer politischen Sicht nur konsequent, geht aber an der Faktenlage unseres Landes vorbei.

(Zuruf von Holger Arppe, AfD)

Ich empfehle hier, Herr Arppe, die Antwort der Landesregierung auf meine Anfrage zu politisch motivierten Straftaten in Mecklenburg-Vorpommern. Aus dieser Antwort lassen sich unter anderem Forderungen ableiten, den Handlungsrahmen Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken zügig zu evaluieren und fortzuschreiben. Es lassen sich aber aus dieser Antwort keine Notwendigkeiten ableiten, die Strategien in der Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung zu ändern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir nun zweitens das Staatsziel des äußeren Friedens betrachten, dann dürfte dem Landtag bewusst sein, dass hier vieles im Argen liegt. Ist die Welt denn in den letzten Jahren eine bessere, eine friedlichere Welt geworden? Hat die Politik Europa zusammengeführt? Ist die Außenpolitik zu einer Friedenspolitik geworden? Unsere Antwort, die Antwort meiner Fraktion, ist hier ganz klar: Nein, die Welt ist aus den Fugen geraten. Und in dieser Situation ist deutlich an die Friedensverpflichtung unserer Landesverfassung zu appellieren: Nein zum Aufrüsten der NATO! Nein zu deutschen Rüstungsexporten! Nein zu Rüstungsproduktion!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Waffen werden hergestellt und gekauft, um Kriege zu führen, aus keinem anderen Grund. Statt immer mehr Geld für Waffen und Krieg zu verschleudern, sollte auch unser Bundesland aktiv mithelfen, Deutschland zum Abrüstungsweltmeister zu machen. Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete gehören verboten. Erst heute hat die Bundesebene Exporte nach Saudi-Arabien genehmigt, trotz des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und Katar. Auch die schon hier vielfach diskutierten Patrouillenboote sind auf dem Weg ins Krisengebiet. Also, Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete gehören verboten. Unsere Soldatinnen und Soldaten müssen aus ihren Einsätzen nach Hause geholt werden, denn der sogenannte Krieg gegen den Terror hat im Ergebnis nur die Terroristen immer stärker gemacht.

Beim jüngsten Besuch meines Arbeitskreises im Panzergrenadierbataillon in Hagenow konnten wir uns davon überzeugen, wie ernst die Bundeswehrangehörigen den Auftrag nehmen, den sie als Parlamentsarmee vom Parlament erhalten, mit welch hoher Intensität sie sich auf diese Einsätze vorbereiten und immer froh sind, wenn

alle gesund und unbeschadet nach Hause kommen. Die deutliche Botschaft war: Sie, die Politik, gibt uns diesen Auftrag mit. Wir werden diesen Auftrag erfüllen, solange wir diesen Auftrag erhalten. Deshalb sollte Politik darüber nachdenken, ob solche Aufträge für eine Parlamentsarmee zeitgemäß sind oder nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das NATORüstungsziel von 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist blanker Wahnsinn, ihm ist eine deutliche Absage zu erteilen.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Stattdessen müssen endlich die deutschen Gelder für Entwicklungszusammenarbeit auf international zugesagte 0,7 Prozent des BIP angehoben werden. So war sicherlich auch die jüngste Kritik von Außenminister Gabriel und SPD-Kanzlerkandidat Schulz an einem grob falschen Weg der Bundeskanzlerin zu verstehen.

Mitunter, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird die Position vertreten, eine angespannte internationale Sicherheitslage enge den Raum für weitere Abrüstungsschritte zunehmend ein. Die Friedensverpflichtung in unserer Landesverfassung gibt hier eine andere Orientierung. Wir brauchen eine aktive Friedenspolitik. Die Vorherrschaft des Militärischen muss beendet werden. Und in diesem Sinne beantwortet unsere Landesverfassung auch die Frage, ob wir einen Sozialstaat oder einen Rüstungsstaat haben wollen.

Mir ist klar, dass man in der Beantwortung einzelner Fragen, einzelner Teilaspekte oder auch ganz anderer Fragen anderer Auffassung sein kann, selbstverständlich. Deshalb ist es erstens wichtig, dass der Landtag über Differenzen hinweg die besondere Bedeutung der Friedensverpflichtung der Landesverfassung unterstreicht, und zweitens sollte es gemeinsames Ziel sein, dass die Landesregierung auf allen politischen Ebenen ihrer Regierungspolitik diese friedenspolitische Auffassung des Landtages – und damit auch unserer Landesverfassung – zugrunde legt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist alles nicht abstrakt und nicht weit weg. Manöver von NATOTruppen in Mecklenburg-Vorpommern, wo geübt wird wie im Kalten Krieg, NATO-Soldaten in Polen und im Baltikum oder ein NATO-Stützpunkt in Hohe Düne werden die Beziehungen zu Russland kaum verbessern. Hier geht es nicht allein um die Sicherheit des Standortes Hohe Düne, hier geht es um Entspannungspolitik gegenüber Russland. Auch das gibt uns die Friedensverpflichtung des Artikels 18a unserer Landesverfassung mit auf den Weg und deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ritter.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Willkommen zurück in den 80ern! „Frieden schaffen ohne Waffen“ – mit diesem über 30 Jahre alten Slogan greifen Sie mal wieder ganz tief in die Mottenkiste. Wahrlich – da sind wir uns einig – ein frommer Wunsch! Die Wirklichkeit sieht nun leider anders aus. Die Welt ist unsicherer geworden. Wer sich da nicht verteidigen kann, bekommt weder Frieden noch Freiheit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Wahrheit. Und ich muss auch sagen, ich weiß, dass das nicht immer gerne gehört wird, aber es ist schon albern, wenn gerade Sie sich das Motto auf die Fahnen schreiben.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Ich weiß, dass es in Ihrer Fraktion in der Tat viele überzeugte Friedensaktivisten gibt. Das ist auch in Ordnung. Aber die Urheberschaft für den Ausspruch: „Frieden schaffen ohne Waffen“, die liegt eindeutig bei den Kirchen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen ist es ja auch ein frommer Wunsch.)

Angesichts des Verhältnisses der damaligen SED zu den Kirchen sollte dieser Umstand – und wir hatten gerade im vorhergehenden Tagesordnungspunkt ja das Thema Kirchen –, sollte dieser Umstand, Frau Larisch, dem Antragssteller wenigstens eine Fußnote wert sein.

(Holger Arppe, AfD: Sehr richtig!)

Unabhängig davon weiß ich auch gar nicht – und das habe ich in den letzten Tagen schon mehrmals bestätigt –, was dieser Antrag hier im Landtag soll und aus welchem Anlass dieser Antrag gestellt wurde. Vielleicht möchten die Kollegen von der LINKEN ja den Genossen Putin dazu überreden, sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Möglicherweise will man auch Assad zum Rücktritt bewegen. Wenn Sie diesbezüglich erfolgreich sind, haben Sie meine volle Unterstützung.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wer von uns beiden ist denn der Verteidigungsminister von Mecklenburg-Vorpommern? – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Jedoch, Sie wissen genauso wie alle anderen in diesem Hohen Haus, dass dies eben nicht der Fall ist. Wir leben in einer multipolaren Welt mit unterschiedlichen Ländern, mit unterschiedlichen Interessen,

(Heiterkeit und Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

mit unterschiedlichen Herangehensweisen, diese Interessen durchzusetzen. Ist es eigentlich Zufall, dass mit Russland und mit China ein postsozialistisches und ein quasi kommunistisches Regime zu den größten Aggressoren auf dem Planeten gehören? Putin hat eindeutig gezeigt,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hat die Kanzlerin das besprochen letztes Wochenende in Hamburg?)

Putin hat sehr eindeutig gezeigt, wie ihn die Nachkriegsordnung interessiert, nämlich gar nicht,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hat die Kanzlerin das besprochen in Hamburg?)

nämlich gar nicht, lieber Kollege Peter Ritter. Er nutzt die,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie hat nicht darüber gesprochen, aha!)

er nutzt die ausgebaute Stärke des russischen Militärs schamlos aus, um die Grenzen in seiner Region neu zu ziehen.

Und China, auch das war gerade nachzulesen in den letzten Tagen, will seinen Einfluss im strategisch ungemein wichtigen Südchinesischen Meer deutlich ausbauen und setzt dabei,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Und deutsche Firmen haben gut daran verdient.)

und setzt dabei ohne Zweifel auf sein,

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

auf sein Militär als Druckmittel.

Oder nehmen Sie den sogenannten Islamischen Staat, der mit Gewalt und Krieg errichtet werden soll.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)