Zusätzlich sind Gemeinschaftsnominierungen mehrerer Staaten möglich. Über die Aufnahme von Dokumenten in das Weltregister berät ein internationales Komitee, dessen Mitglieder von der UNESCO-Generaldirektion beru
fen werden. Dieses trifft die endgültige Entscheidung über die Aufnahme in das UNESCO-Register „Memory of the World“. Nationale Nominierungskomitees bereiten die Vorschläge für das Weltregister vor. Die Deutsche UNESCO-Kommission e. V. hat 1999 ein Nominierungskomitee für eben dieses Programm eingerichtet. Das Prozedere verläuft entsprechend dem Leitfaden zum Nominierungsverfahren über das UNESCO-„Memory of the World“-Programm.
Die Bundesrepublik Deutschland ist mit 22 Eintragungen bereits überproportional in diesem Register vertreten. Wenn Sie sich diese Liste der Eintragungen ansehen, zum Beispiel die Gutenberg-Bibel oder die LutherSchriften, erhalten Sie einen Eindruck von dem Anspruch dieses Programms. Ob der literarische Nachlass Reuters die Kriterien zur Aufnahme erfüllt, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Jedenfalls gibt es neben Stavenhagen noch andere Erinnerungsorte an Fritz Reuter in Deutschland, wie zum Beispiel Eisenach. Hier greift also der Antrag von Mecklenburg-Vorpommern allein sicherlich zu kurz.
Im Übrigen bemüht sich ein Verbund von europäischen Archiven und Bibliotheken unter der Federführung des Archivs der Hansestadt Lübeck unter Beteiligung des Archivs der Hansestadt Stralsund und mit Unterstützung des Landes Mecklenburg-Vorpommern aktuell um einen Antrag zur Aufnahme von Dokumenten der Hanse in das Weltdokumentenerbe. Darauf wollen wir uns gegenwärtig konzentrieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach all dem, was ich gerade vortrage, halte ich den Antrag der Fraktion der AfD deshalb nicht für zustimmungswürdig, da er noch weiter zu untersetzen ist. Schließlich sehe ich auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Konzentration auf den Hanseantrag als zielführender an. Nach allem empfehle ich Ihnen daher, den Antrag abzulehnen. – Danke schön.
Ich unterbreche jetzt wie angekündigt die Sitzung, bis die Minister sich wieder auf ihre Plätze begeben haben. Da sich nicht absehen lässt, wann das ist, werde ich mit einem Signalzeichen den Sitzungsbeginn ankündigen. Ich bitte Sie also, sich nicht allzu weit zu entfernen, damit ich nicht die Sitzung erneut unterbrechen muss, weil nicht genügend Abgeordnete am Platz sind. Die Sitzung ist unterbrochen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich berufe eine außerordentliche Ältestenratssitzung ein und unterbreche die Sitzung für zehn Minuten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn der Wirtschaftsminister noch nicht da ist – aber mir wurde gerade signalisiert, er ist auf dem Weg –, denke ich, dass wir jetzt weitermachen können.
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und erteile das Wort der Abgeordneten der CDU-Fraktion Frau von Allwörden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fritz Reuter ist einer der bedeutendsten Dichter und Schriftsteller der niederdeutschen Sprache und er wurde in Mecklenburg-Vorpommern, in Stavenhagen am 7. November 1810 geboren.
Dort gibt es heute das Fritz-Reuter-Literaturmuseum, welches engagiert und motiviert daran arbeitet, den literarischen Nachlass von Fritz Reuter und weiterer niederdeutscher Schriftsteller für die Nachwelt zu erhalten. Dies ist für unsere Landesgeschichte ein wichtiges und bedeutendes Vorhaben, welches ausdrücklich die Unterstützung der CDU-Fraktion findet.
Der heutige Antrag kann dazu aber keinen signifikanten Beitrag leisten. Mit diesem Antrag soll dem allmählichen Aussterben der plattdeutschen Sprache entgegengewirkt werden, jedenfalls wird das in der Begründung genau so ausgeführt. Für dieses Ziel ist der vorliegende Antrag aber das falsche Mittel. Ziel des UNESCO-„Memory of the world“-Programms ist – mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich aus dem „Leitfaden zum Nominierungsverfahren“ –, „dokumentarische Zeugnisse von außergewöhnlichem Wert in Archiven, Bibliotheken und Museen zu erhalten und auf informationstechnischen Wegen weltweit zugänglich zu machen.“ Das Programm zielt also ausdrücklich darauf ab, dokumentarische Zeugnisse weltweit zugänglich zu machen. Wie sich aber allein aus dieser Möglichkeit eines technischen Zugangs der von Ihnen behauptete ungeheure Schub für den Erhalt der niederdeutschen Sprache entwickeln soll, ist für mich nicht nachvollziehbar oder erkennbar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schutz und die Förderung der niederdeutschen Sprache sind in unserer Landesverfassung in Artikel 16 Absatz 2 festgeschrieben. Gerade für die CDU-Fraktion ist dieses ein wichtiges Thema, welches wir bereits im letzten Wahlprogramm aufgegriffen hatten. Es freut mich deshalb umso mehr, dass dieses Thema auch in die aktuelle Koalitionsvereinbarung mit eingeflossen ist. Dort werden verschiedene Maßnahmen festgelegt, unter anderem, dass der Plattdeutschwettbewerb fortgeführt, erstmalig Niederdeutsch als Abiturfach an ausgewählten Schulen des Landes eingeführt und der Niederdeutschbeitrag zu einem Beitrag für Heimatpflege und Niederdeutsch weiterentwickelt wird.
Durch die Landesregierung wurde bereits in der letzten Wahlperiode das Programm „Meine Heimat – Mein modernes Mecklenburg-Vorpommern“ aufgelegt.
Meine Damen und Herren, Ihnen wird nicht entgangen sein, dass die Umsetzung einiger Maßnahmen aus der aktuellen Koalitionsvereinbarung auch schon begonnen hat. Niederdeutsch wird bereits an einigen Schulen des Landes als Unterrichtsfach angeboten. Ich hoffe, dass es schnell mehr werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Anerkennung von Niederdeutsch als Prüfungsfach im Abitur werden durch einen Beschluss der KMK ebenfalls geschaffen. Der Weg zu einem noch breiteren Zugang über die Schulen zur niederdeutschen Sprache ist damit eröffnet.
Aber nicht allein im Bereich der Schule findet eine Förderung der niederdeutschen Sprache statt. Im Bereich der frühkindlichen Bildung bietet der Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern eine Heimatschatzkiste an. Das Projekt resultiert aus dem Programm „Meine Heimat – Mein modernes Mecklenburg-Vorpommern“ und wird von der Landesregierung finanziell gefördert. Diese Heimatschatzkiste enthält eine Materialsammlung mit didaktischen Begleitmaterialien, die alle Kindertagesstätten im Land erhalten werden. Die angesprochenen Altersstufen reichen vom Krippenbereich über den Kindergarten bis zum Hort. Neben heimatkundlichen Lerninhalten wird zusätzlich auch Material enthalten sein, mit dem spielerisch Niederdeutsch als Fremdsprache vermittelt werden kann.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, es sind schon viele Initiativen gestartet und viele Maßnahmen begonnen worden, um die niederdeutsche Sprache zu fördern. Es mag sein, dass immer noch mehr zur Förderung getan werden könnte, aber dies kann nicht durch diesen Antrag und die Aufnahme des literarischen Nachlasses von Fritz Reuter in das UNESCO-Programm des Weltdokumentenerbes erreicht werden. Ich bin vorhin schon auf die entsprechenden Voraussetzungen und folgenden Verpflichtungen eingegangen.
Natürlich bestehen aber auch formelle Bedenken. Ausdrücklich ist dem „Leitfaden zum Nominierungsverfahren“ zu entnehmen, dass Einzelpersonen, Institute, Einrichtungen und Verbände sowie Nichtregierungsorganisationen vorschlagsberechtigt sind. Mit dem vorliegenden Antrag wird aber ausdrücklich ein Handlungsauftrag an die Landesregierung erteilt. Diese ist aber nicht vorschlagsberechtigt, sodass ein solcher Antrag nicht zulässig wäre.
Zusammenfassend muss also festgestellt werden, dass formell die Voraussetzungen des UNESCO-Programms nicht erfüllt werden und auch das im Antrag in der Begründung angegebene Ziel der Förderung der niederdeutschen Sprache nicht erreicht wird. Es wird Sie daher nicht überraschen, wir werden diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Frau von Allwörden hat es eben schon beschrieben, wie
es im Leitfaden zum Aufnahmeverfahren für das Weltdokumentenerbe heißt, dass Einzelpersonen, Institute, Einrichtungen, Verbände und Nichtregierungsorganisationen antragsberechtigt sind. Kein Wort von einer Antragsberechtigung der Legislative, ganz im Gegenteil, es ist sogar ausdrücklich erwünscht, dass die Vorschläge von den Bürgerinnen und Bürgern selbst kommen, eben aus dem zivilgesellschaftlichen Raum.
Stattdessen beschäftigen wir uns nun mit einem Schaufensterantrag, mit dem ausgerechnet Sie, meine Damen und Herren der AfD, wohl kaum die Werke Reuters bewahren, sondern eher Reuter als niederdeutschen Schriftsteller im Sinne Ihrer Interpretation von Heimatgefühl instrumentalisieren wollen.
Herr Holm, Sie haben gestern noch betont, die Bürger wollen selber laufen und bräuchten keine politische Bevormundung. Wie passt das mit Ihrem Antrag zusammen?
Wie wenig Sie das Leben und Wirken Reuters offensichtlich wirklich verstehen, zeigt allein die Formulierung im Antragstext, in der Sie Reuter auf die niederdeutsche Sprache an sich reduzieren. Jedoch sollte ein Schriftsteller zuallererst nach den Inhalten seines Werkes befragt und besprochen werden. Warum Sie das versäumt haben, erschließt sich uns nicht.
Als Beispiel sei hier Reuters tiefernste Dichtung „Kein Hüsung“ genannt, in der er die Flucht aus der Heimat als Ausweg aus Unterdrückung und Armut beschreibt und die damit einhergehende Ungerechtigkeit anprangert, Menschen ohne Behausung, ohne Wohnrecht, die grausigstes Elend erfahren müssen. Diese Empathie, dieses, wie Reuter selbst sagt, ich zitiere, „tief empfundene Mitgefühl stets wach erhalten durch die notorischen, grausamen Folgen eines ständischen Egoismus“, ist Ausdruck seiner großen Menschlichkeit, die ihn immer wieder veranlasst hat, auch unter persönlichen Opfern Bedürftigen zu helfen und sie sogar in sein eigenes Haus in Eisenach aufzunehmen. Wir glauben, Fritz Reuter wäre heute jemand, der sich dem Hass und der Hetze entgegenstellen und den Notleidenden und Geflüchteten helfen würde.
Fakt ist, dass das Werk Fritz Reuters in entsprechenden literarischen Gremien und Verbänden bereits gut aufgehoben ist. Frau Ministerin und Frau von Allwörden sind darauf eingegangen. Die umfangreichsten Bestände des Reuter’schen Nachlasses werden im Fritz-Reuter-Literaturmuseum in Stavenhagen und in der Stiftung Weimarer Klassik ausgezeichnet verwahrt und für die Nachwelt erhalten. Reuters Werke sind zudem digitalisiert und weltweit erreichbar.
Damit wäre das Kernelement des Weltdokumentenerbes, nämlich die Absicherung des freien Zuganges zu bedeutsamen Dokumenten und die Bewahrung des dokumentarischen Erbes, schon lange erfüllt. Darum gekümmert haben sich die Bürgerinnen und Bürger, die sich größtenteils, …
... die sich überwiegend im Ehrenamt, beispielsweise im Landesheimatverband Mecklenburg-Vorpommern, seit Jahren und Jahrzehnten engagieren, und das, bevor Sie, meine Damen und Herren von der AfD, das Thema für sich entdeckten. Reuters Sprache, die niederdeutsche Sprache, ist in der europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen verankert. Frau Ministerin hat es dargestellt.
Allerdings – hier möchte ich ein Stück weit Widerspruch üben – sind wir der Auffassung, dass das Landesheimatprogramm, über das Sie gesprochen haben, insofern dringend verbesserungswürdig ist, da es vor Ort an der Umsetzung hapert. Das erlebt man vor allem, wenn man mit Lehrerinnen und Lehrern spricht. Gut gedacht ist eben nicht immer bis ins Detail auch gut gemacht.
Die Charta setzt sich für die Regional- und Minderheitensprachen als einzigartige Bestandteile des kulturellen Erbes Europas ein. Sie tritt dafür ein, dass die Zusammengehörigkeit von regionalen Sprachminderheiten nicht durch politische Grenzen behindert wird. Sie setzt explizit auf die Verbindung verschiedener Bevölkerungsteile, nicht auf eine Abschottung voneinander. In diesem Sinne ist unserer Meinung nach für Reuter und die niederdeutsche Sprache besser gesorgt als mit dem vorliegenden Antrag der AfD-Fraktion.
Am Ende, meine Damen und Herren der AfD-Fraktion, möchte ich etwas Persönliches anmerken: Ich bin in den 90er-Jahren aufgewachsen, einer Zeit, in der die jungen Leute und sicherlich auch die älteren Leute –