Protocol of the Session on May 17, 2017

Die entscheidende Frage ist aber, ob der vorliegende Gesetzentwurf der richtige Weg für dieses Ansinnen ist. Das bezweifeln wir. Ich möchte das kurz begründen. Der Gesetzentwurf wirkt aus unserer Sicht eher wie mit heißer Nadel gestrickt und wenig durchdacht. Da hätte sich Bundesjustizminister Maas deutlich mehr Zeit lassen müssen, dann hätte er auch einige Unklarheiten ausräumen können.

Der große Knackpunkt, den wir insbesondere bei dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz sehen, ist, dass die Betreiber sozialer Netzwerke verpflichtet werden sollen, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden und jegliche rechtswidrigen Inhalte innerhalb von sieben Tagen zu entfernen oder den Zugang zu sperren. Problematisch ist dann die Frage der „offensichtlichen Rechtswidrigkeit“. Diese lässt sich nicht so ohne Weiteres beantworten. Was ist etwa mit Satire oder mit Fake News? Ich erinnere da an die öffentliche Diskussion um das Böhmermann-Gedicht, rechtlich sicher nicht einfach zu bewerten. Darüber zu entscheiden, soll auf private Personen übertragen werden. Genau da sehen wir die Problematik. Wir sind der Meinung, der Auffassung, dass die Rechtsdurchsetzung immer noch bei den Gerichten liegt und eben nicht auf Private übertragen werden sollte, denn diese sollen im Zweifel löschen und danach erst nachfragen. Das halte ich in diesem sensiblen Bereich für äußerst fragwürdig.

Kurios finde ich auch, dass von der 24-Stunden-Regel abgewichen werden kann, wenn mit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde ein längerer Zeitraum für die Löschung oder Sperrung vereinbart wurde. Wenn diese

Möglichkeit besteht, könnte man das ganze Geschehen auch grundsätzlich in die Hände der Gerichte legen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Enrico Komning, AfD: Richtig, richtig.)

Das ist auch die Richtung, in die die Kritik des Richterbundes geht und die ich teile. Er bedauert, dass die inländischen Strafverfolgungsbehörden nicht wirksamer unterstützt werden, wenn es darum geht, strafbare Inhalte im Netz zu verfolgen. Unter anderem schlägt der Richterbund deshalb eine Frist, in der Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden beantwortet werden müssen, vor.

Meine Dame und meine Herren von der AfD, Sie sehen, es geht hier also nicht um eine überforderte Justiz oder die Ausstattung der Gerichte, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben. Es geht um die rechtlichen Rahmenbedingungen. Das bringt mich dann auch zu den Punkten, warum wir Ihren Antrag trotz unserer Bedenken gegen den Gesetzentwurf ablehnen werden.

(Enrico Komning, AfD: Aus Prinzip wahrscheinlich.)

Wenn man Ihrem Antrag folgen würde, würde sich in der Bekämpfung von Hassbotschaften, von Falschnachrichten im Internet absolut nichts ändern. Es würde weiter gehetzt, diskreditiert oder gelogen werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vor allen Dingen nicht bei der AfD. Da wird sich nichts ändern.)

Vielleicht geht es Ihnen aber auch gerade darum, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn man sich Ihren Antragstext und auch die Begründung durchliest, hat man den Eindruck, es gehe gar nicht um die Bekämpfung von Hassbotschaften und Falschnachrichten, sondern um deren Anerkennung als Teil der Meinungsfreiheit.

(Enrico Komning, AfD: So ein Blödsinn!)

Diese Auffassung teilen wir ganz sicher nicht.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Es gibt aber noch einen ganz anderen Grund, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können, ein formaler, aber aus juristischer Sicht doch ein entscheidender Grund. Ignorieren kann man ihn nicht. Im Antragstext soll die Landesregierung aufgefordert werden, den Gesetzentwurf im Bundesrat abzulehnen. Das ginge allerdings nur bei einem Zustimmungsgesetz. Beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz handelt es sich um ein Einspruchsgesetz, kein Zustimmungsgesetz. Insofern waren Ihre Hamburger Kollegen in der Formulierung etwas weiter als Sie. Die Forderung einer Ablehnung reicht also nicht aus. Wie gesagt, hätten Sie nach Hamburg oder Berlin geschaut, dort haben sie weitaus klüger formuliert, wo der Senat dazu aufgefordert wurde, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der von der Bundesregierung beschlossene Entwurf keine Gesetzeskraft erlangt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Fake-Antrag.)

Meine Damen und meine Herren, nach alldem bleibt unsere Kritik am Gesetzentwurf und es bleibt aber auch dabei, dass wir den Antrag der AfD ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Ehlers von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist unbestritten, dass sich die Debattenkultur im Internet – und gerade in den sozialen Netzwerken – in den letzten Jahren sehr verschärft hat. Deswegen hat die Bundesregierung das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hier vorgelegt. Die Justizministerin hat schon richtigerweise ausgeführt, es geht nicht darum, hier unbedingt neue Dinge zu schaffen, sondern Bestehendes durchzusetzen. Damit sollen, das ist das Ziel, Hasskommentare und Fake News im Netz eingedämmt werden.

Bereits 2015 wurde eine Taskforce gebildet mit den Betreibern der Netzwerke und mit Vertretern aus dem gesellschaftlichen Leben, die das vorbereitet haben. Es gibt eine Selbstverpflichtung der Unternehmen, die zwar zu ersten Verbesserungen geführt hat, die aber aus unserer Sicht und auch aus Sicht des Bundesgesetzgebers nicht ausreicht. Deswegen soll, und das ist auch schon erwähnt worden, eine gesetzliche Berichtspflicht für soziale Netzwerke über den Umgang mit Hasskriminalität und strafbaren Inhalten eingeführt werden, ein wirksames Beschwerdemanagement, und Verstöße können künftig mit Bußgeldern geahndet werden.

Ich glaube – und in der jüngeren Vergangenheit hat sich das auch gezeigt –, dass es gerade im Rahmen von Wahlkämpfen und in der Umgebung schärfere Debatten gegeben hat. Deswegen kann ich die Aufregung der AfD sehr gut verstehen, weil Sie da immer vorneweg sind, wenn es darum geht, hier sozusagen am Rande zu formulieren. Einige Beiträge, auch von Kollegen im Land, löschen Sie schon selber, nachdem die irgendwo hochgeploppt sind und es öffentliche Diskussionen gibt.

(Jochen Schulte, SPD: Echt?! Welche?)

Wenn ich mir jetzt den Twitter-Beitrag durchlese,

(Jochen Schulte, SPD: Welcher Kollege war das denn?)

vom Fraktionsvorsitzenden der AfD in Rheinland-Pfalz, der nach der Wahl in NRW dazu aufgerufen hat, ich zitiere, „den Wendehals Laschet durch den Landtag zu treiben“, und „gute Jagd“ wünscht dabei, das finde ich schon sehr, sehr grenzwertig und mehr als zynisch, wenn man dazu aufruft, auch im politischen Diskurs zur Jagd aufruft. Wir haben ein paar passionierte Jäger hier im Saal,

(Zuruf von Enrico Komning, AfD)

also von daher, das finde ich schon sehr, sehr grenzwertig. Deswegen kann ich natürlich auch verstehen, dass Sie hier sehr angefasst sind, wenn künftig etwas schärfer durchgesetzt werden soll an der Stelle. Das ist, glaube ich, ganz wichtig,

(Enrico Komning, AfD: Das wird Sie auch betreffen.)

das ist ganz wichtig und zu betonen.

Ich halte mich hier an die Regeln des Anstandes, Herr Komning. Das gelingt Ihnen und Ihrer Fraktion nicht immer.

Es ist, glaube ich, auch noch mal ganz wichtig, das hier zu betonen: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Es wird so getan, als wenn da jeder machen kann, was er will, und die Meinungsfreiheit steht über allem. Nein, das ist nicht der Fall an der Stelle. Die Meinungsfreiheit ist logischerweise ein hohes Gut und geschützt durch unser Grundgesetz, aber auch im Internet muss es Grenzen geben. Es geht hierbei eher um die Frage, wie die durchgesetzt werden.

In Paragraf 1 Absatz 3 sind die rechtswidrigen Inhalte noch mal aufgeführt. Ich glaube, der Kollege Friedriszik hat sie schon erwähnt: die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornografischer Schriften, Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung. Da wird wohl keiner hier im Saal sein, der sagen will, das sind Bagatelldelikte und das lassen wir alles mal so durchlaufen. Nein, das sind Dinge, die gehören nicht ins reale Leben, die gehören auch nicht ins Netz. Die müssen dort bestraft und sanktioniert werden. Und da, glaube ich, sollten wir einer Meinung sein. Deswegen kann ich den Antrag der AfD an der Stelle auch nicht ganz nachvollziehen.

Das Gesetz ist aus meiner Sicht auch ein Schritt in Richtung Etablierung einer neuen Debattenkultur und eines stärkeren Verantwortungsbewusstseins im Internet. Gerade diejenigen, die in sozialen Netzwerken mit Beleidigungen …

Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie bitte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Komning?

Jetzt nicht, danke.

Diejenigen, die gerade in sozialen Netzwerken mit Verleumdungen und Beleidigungen konfrontiert sind, egal von welcher Seite jetzt, von links, von rechts, von oben, von unten, die, glaube ich, brauchen auch Möglichkeiten, um sich dagegen zu wehren. Deswegen soll das Gesetz hier vorgelegt werden.

Unsere Justizministerin hat gesagt, dass wir mitten im Verfahren sind, dass es aus Sicht der Länder durchaus noch Gesprächsbedarf gibt. Von daher stellen wir uns doch hier der Verantwortung, gemeinsam auch mit unserer Justizministerin die Dinge vorzubringen. Jetzt aber im Schnellschuss zu sagen, wir lehnen das Gesetz in Gänze ab, machen wir nicht mit an der Stelle. Von daher lehnen wir auch den Antrag der AfD heute ab. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Jetzt gestatten Sie eine Nachfrage?

Dann bitte, Herr Komning.

Herr Kollege, ich habe die Frage, ob Sie der Ansicht sind – Sie haben ja die ganzen Straf

tatbestände aufgeführt, die verfolgt werden sollen –, sind Sie der Ansicht, dass die Bewertung, ob solche Straftaten vorliegen, tatsächlich einem zivilrechtlichen Unternehmen überlassen bleiben soll, oder ist es nicht aus Ihrer Sicht auch eher eine Aufgabe der Staatsanwaltschaften und der Strafverfolgungsbehörden?

Ich glaube, das ist deutlich geworden in der Debatte, es ist, glaube ich, am Ende natürlich Aufgabe der Justiz, aber in Zusammenarbeit mit den Unternehmen. Da sehe ich jetzt auch keinen Widerspruch an der Stelle.

Danke, Herr Abgeordneter.

Das Wort erhält noch einmal der Fraktionsvorsitzende der AfD-Fraktion Herr Leif-Erik Holm.

Liebe Bürger! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn dieses Netzwerkdurchsetzungsgesetz so toll ist, wie Sie es beschrieben haben, Frau Justizministerin, warum warnt dann der Deutsche Journalisten-Verband ausdrücklich vor diesem Gesetz?

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Manfred Dachner, SPD: Na, da müssen Sie den fragen!)

Das hat schon seinen Grund,