Protocol of the Session on October 30, 2020

Ein öffentlich ausgestelltes Symbol von Rassismus, Nationalismus und Kriegstreiberei – Herr Arppe, auch Ihren Eintrag vorn in Ihrer Chatgruppe fand ich sehr interessant zu meiner Person –,

(Holger Arppe, fraktionslos: Nehmen Sie mal die Hände aus den Taschen, wenn Sie mit mir reden!)

geführt von Leuten wie Arppe oder geführt von Leuten,

(Holger Arppe, fraktionslos: „Herr“ Arppe bitte!)

die Parolen wie „Ausländer raus!“ skandieren, das ist nicht vereinbar mit einer freien, offenen Gesellschaft,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

die sich gegen Hass und Diskriminierung positioniert, Herr Arppe.

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos – Glocke der Präsidentin)

Die verschiedenen Versionen der Reichskriegsflaggen …

Einen Moment bitte, Herr Ritter!

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

Herr Arppe, Sie haben gleich noch Redezeit und können sich dann äußern. Ich würde jetzt darum bitten, dass Sie von den störenden Hinweisen Abstand nehmen. – Vielen Dank!

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

Herr Ritter, Sie haben das Wort!

Die verschiedenen Versionen der Reichskriegsflaggen wurden schon vor den Nazis überwiegend von rechtsnationalen Gruppen verwendet und sind daher sogar historisch mit Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus verbunden. In diese Tradition stellen sich heute Reichsbürger und rechtsradikale Vertreter der Identitären Bewegung – da haben Sie auch sehr enge Beziehungen zu, Herr Arppe –

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

und beziehen sich auf Symbole, Werte und Meinungen, auf denen große Teile der nationalsozialistischen Ideologie gefußt haben. Mit NS-Reichskriegsflaggen müssen wir uns hier zum Glück nicht mehr beschäftigen, die sind ob des Hakenkreuzes ohnehin verboten. Aber ihre Vorgänger transportieren eine ähnliche Weltanschauung und sind daher nicht zu dulden.

Die einzelnen Flaggen, um die es in diesem Antrag konkret geht, sind die Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes ab 1867, die ab 1871 Kaiserliche Kriegsflagge des Deutschen Reiches wurde, ihre beiden Nachfolgeversionen von 1921 bis 1935 und die schwarz-weiß-rote Reichsflagge, die zwischen 1933 und 1935 auch vom Dritten Reich genutzt wurde. In der rechtsextremen Szene sehen wir diese Flaggen seit Jahren, die allein für sich genommen schon ausgrenzend und diskriminierend wir

ken, die dann auch mit ausländerfeindlichen Parolen untermauert werden. Das kann nicht sein! Das ist nicht mit unserer Gesellschaft vereinbar! Und daher sind wir und viele andere in ganz Deutschland der Auffassung, dass diese Flaggen schnellstens verboten werden sollten, und das rechtssicher, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wir sehen in den letzten Jahren – und das fällt nicht nur uns auf – ein Wachsen und Erstarken der rechtsextremen Szene, auch ganz konkret hier in Mecklenburg-Vorpommern. Ich darf an das Nordkreuz-Netzwerk erinnern, das 2017 aufgedeckt wurde. Wenn da dann Feindeslisten geführt werden, wenn in dieser menschenverachtenden Ideologie aus Hass Taten werden, dann müssen wir uns als Gesellschaft ernsthaft Gedanken machen.

Natürlich wird ein Verbot der Flagge keine gewaltbereiten Neonazis bekehren oder sie dazu bringen, ihre „Ausländer raus!“-Plakate durch „Refugees Welcome!“ zu ersetzen. Ein einzelnes Verbot wird kein Problem mit Rechtsextremismus lösen, das sich zunehmend in der Gesellschaft und in den Strukturen Deutschlands zeigt. Dennoch ist es wichtig, diesen verfassungsfeindlichen Weltanschauungen keine Bühne zu bieten, keine plakativen Symbole zuzulassen, mit denen sich Nachwuchs rekrutieren lässt und andere diskriminiert werden. Denn je mehr wir diese rechtsextreme Symbolik aus dem öffentlichen Raum verbannen, liebe Kollegen, desto schwerer machen wir es ihnen, den demokratischen Diskurs zu bestimmen und mit rassistischen, inhaltlich völlig schwachsinnigen Parolen für sich zu werben.

Das Verbot der Flaggen ist in der Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Szene nur ein Schritt und es ist leider auch nur ein überwiegend symbolischer, aber selbst diesen sollten wir geschlossen gehen. Denn nichtsdestotrotz ist es immer wichtig, sich klar zu positionieren, sich für die Rechte und Freiheiten von Minderheiten einzusetzen und aktiv für Demokratie und Toleranz zu streiten, und dazu gehört, ein Symbol beziehungsweise eine Reihe von Symbolen zu verbieten, die diese Werte verhöhnen. – Herzlichen Dank! Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dagmar Kaselitz, SPD)

Vielen Dank, Herr Ritter!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Reichs- und Reichskriegsflaggen gelten ja seit Langem als ein Erkennungszeichen von rechtsextremen Reichsbürgern und anderen Demokratiefeinden. In der Tat – Kollege Ritter hat das schon ausgeführt –, in den Fokus der Öffentlichkeit gerieten Reichsfahnen zuletzt Ende August, als Demonstranten die Treppe des Reichstagsgebäudes in Berlin besetzten. Jedem aufrechten Demokraten drehte sich beim Anblick dieser Bilder der Magen um.

Vor diesem Hintergrund wurde in Bremen am 21. September das Verbot der Reichskriegsflagge durchgeführt. Der Bremer Senat ist der Ansicht, dass ihre Verwendung in der Öffentlichkeit eine nachhaltige Beeinträchtigung der Voraussetzungen für ein geordnetes staatsbürgerliches Zusammenleben und damit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Hierdurch sei regelmäßig der Ordnungswidrigkeitstatbestand des Paragrafen 118 Absatz 1 OWiG, also Ordnungswidrigkeitengesetz, erfüllt. Dies gelte auch für das Zeigen und Verwenden auf privatem Grund. Wenn dadurch eine Wirkung für die Öffentlichkeit erkennbar entfaltet werden soll, wird zum Beispiel durch das Hissen einer Reichskriegsflagge an einem Flaggenmast auf einem Privatgrundstück das ungehindert einsehbar.

Ich stehe ja Initiativen aus der Hansestadt Bremen grundsätzlich eher etwas skeptisch gegenüber, aber in diesem Fall fand ich die Idee durchaus sympathisch und war geneigt, dem Bremer Beispiel zu folgen. Die Mitarbeiter in meinem Haus mahnten mich jedoch rechtzeitig zur Vorsicht, die Bremer Regelung stände auf recht wackligen Füßen, was die rechtliche Frage betraf. Nicht alles, was unerwünscht ist, in denen sich auch große Teile möglicherweise einig sind, kann man deswegen automatisch verbieten.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Das gilt halt auch in der Frage. Und genau in diese Schublade fällt eben auch der Erlass aus Bremen. Und aus diesem Grund können wir auch einer Aufforderung zu einem Verbot derzeit nicht folgen, weil uns die rechtlichen Grundlagen dazu einfach fehlen.

Tatsächlich kassierten die Gerichte weite Teile des Erlasses wieder ein, ein pauschales Verbot ist schlichtweg nicht zulässig. Die Richter haben in jedem Fall eine Einzelfallbetrachtung verlangt. Ich habe die Juristen im Innenministerium gebeten, hierfür eine rechtlich saubere und praktikable Lösung zu finden, und das ist uns, wie ich finde, gelungen. Am Dienstag erging ein Erlass des Innenministeriums an die Polizeibehörden und die Ordnungsbehörden zum Umgang mit Reichsflaggen und Reichskriegsflaggen. Städte- und Gemeindetag sowie Landkreistag haben wir parallel dazu informiert.

Der Erlass enthält eben kein pauschales Verbot, das geht schlicht nicht, stattdessen stellt er auf die Begleitumstände ab, und ich zitiere: „Das Zeigen oder Verwenden dieser aufgeführten Reichskriegsflaggen in der Öffentlichkeit ist daher nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu unterbinden und die Flagge sicherzustellen, wenn mit dem öffentlichen Zeigen der Flagge neben der Sympathie, Ausdruck für Rechtsextremismus, Ausländer- beziehungsweise Demokratiefeindlichkeit, zusätzlich eindeutige beziehungsweise konkret aggressive Begleitfaktoren gegenüber der Bevölkerung hinzutreten, um eine Gefahr im Sinne des SOG M-V zu begründen.“ Zitatende.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Zu den Begleitfaktoren gehören zum Beispiel Provokation, Marschgänge, politische Parolen oder die demonstrative Zurschaustellung der Reichskriegsflagge mit nationalsozialistischen oder demokratiefeindlichen Parolen. Das eindeutig missbräuchliche Zeigen oder Verwenden

der Reichskriegsflaggen in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit aggressiven Begleitfaktoren stellt insoweit eine nachhaltige Beeinträchtigung für ein geordnetes staatsbürgerliches Zusammenleben und damit eben eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar. Das gilt auch für das Zeigen oder Verwenden der Reichskriegsflagge auf privatem Grund, wenn dadurch eine Wirkung für die Öffentlichkeit erkennbar werden soll, die genau die gerade aufgeführten Begleitumstände erfüllt. Das ist das, was derzeit rechtlich möglich ist. Das ist das, was wir machen können. Andere Länder dürfen gerne abschreiben.

Wir werden sehen, wie sich der Umgang mit dem Erlass entwickelt. Die Polizei und die Ordnungsbehörden werden den gewissenhaft anwenden. Ich bin sicher, dass schon bald die erste Reichskriegsflagge einkassiert wird mit dem dementsprechenden Ordnungswidrigkeitengeld. Der Antrag ist insofern, wie eingangs erwähnt, jetzt nicht mehr zeitgemäß. Ich gebe allerdings recht, dass wir uns auf der IMK mit den Gesamtbegleitumständen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Punkt 3 unseres Antrags! Deswegen kann man ihm zustimmen.)

dass wir uns auf der IMK mit den Begleitumständen, sofern sie denn unter Corona stattfinden wird, dementsprechend befassen werden. Und meine Bitte oder mein Wunsch zu dem Thema wäre, dass wir eine einheitliche Regelung in der Bundesrepublik Deutschland finden,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Punkt 3!)

weil es wenig hilfreich wäre, wenn in jedem Bundesland eine eigene Regelung geführt wird. Schon alleine durch das Austauschen von Polizeikräften bei Unterstützungseinsätzen würde das zusätzliche Komplikationen machen. Insofern bin ich auch ganz optimistisch, dass es dazu eine einheitliche Lösung geben wird. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Landsleute! Ganz kurz: Sturm auf den Reichstag hat es so nicht gegeben, eine Legende von links.

Der Erlass, Herr Minister: Sie wissen ganz genau, Sie wollen was erreichen, was Sie nicht erreichen können. Das hat Bremen gezeigt und so auf diesem dünnen Eis auch diesen Erlass gebaut. Da werden Sie Schiffbruch mit erleiden, und zwar aus rechtlichen Gründen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Reichskriegsflaggen mitten im Frieden und dann noch am Reichstag – ja, das stört, das passt nicht. Dennoch ist der Verbotsantrag der LINKEN ein typisch deutscher Antrag. In keinem anderen Land der Welt käme man auf die Idee, alte, historische Flaggen zu verbieten, auch dann nicht, wenn es sich um Kriegsflaggen handelt, dann eher erst recht nicht. Das ist hier anders. Auf der Grundlage eines nicht vorhandenen oder einseitigen Geschichtsverständnisses kommt hier nach und nach alles auf den Prüfstand für politische Korrektheit.

Dass diese Flaggen schon eine halbe Ewigkeit existieren und geduldet werden, spricht bereits dafür, dass sie mit keinem Makel behaftet sind. Ja, es sind Kriegsflaggen, wie es sie bei uns und anderswo schon immer gab. Der 1866 gegründete Norddeutsche Bund, bei dem die Flaggenächtung der LINKEN beginnt, war nun wahrlich als Vorstufe zur Reichsgründung kein Schandfleck in unserer Geschichte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)