Wir sehen also, während die Zahl der Infektionen auch in unserem Land deutlich gestiegen ist, sind die Kapazitäten unseres Gesundheitssystems weiterhin nur schwach
Mecklenburg-Vorpommern ist nicht Berlin, MecklenburgVorpommern ist nicht NRW, Mecklenburg-Vorpommern ist nicht Rheinland-Pfalz. Eine bundesdeutsche Kollektivbestrafung unserer Wirtschaft ist dementsprechend ökonomischer Unfug.
Und, meine Damen und Herren, diese Zahlen rechtfertigen auch trotz der steigenden Infektionen keinen neuen Lockdown in Mecklenburg-Vorpommern. Natürlich verdient jeder Erkrankte die volle medizinische Versorgung. Die ist in unserem Bundesland aber nicht mal im Ansatz gefährdet, meine Damen und Herren. Und was die Ministerpräsidentin hier heute so öffentlich verkündet hat, ist evidenzfreier Aktionismus.
Diese Krisenpolitik führt zu einem Übergewicht der Exekutive, die Verordnungspolitik schien diese Landesregierung schon im Frühjahr geradezu zu revitalisieren. Jetzt aber gehören Diskurs und Entscheidungen in die Legislative. Es muss Schluss sein mit einer sich gegenseitig überzeichnenden Maßregelungspolitik der Regierung, und deshalb sind wir auch der Linksfraktion für ihren Antrag dankbar. Wir brauchen eine wirklich demokratische Kontrolle der Landesregierung.
Unser Antrag zum Beispiel, unser Antrag auf eine Expertenanhörung im Innenausschuss ist mit stillschweigend kalter Arroganz von den Regierungsfraktionen brüsk abgewiesen worden.
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Peter Ritter, DIE LINKE: Da ging es nicht um die Beteiligung des Parlaments, sondern um Corona-Maßnahmen.)
CDU und SPD folgen damit einem billigen Machterhaltungsprinzip, das sachlich begründete Anliegen einfach wegwischt. Das ist nicht nur unkollegial, das widerspricht sogar der Landesverfassung, denn Ausschüsse dienen der Vorbereitung von Verhandlungen und Beschlüssen des Landtages.
Frau Ministerpräsidentin, wir debattieren heute hier Ihre Regierungserklärung, in der Sie die gestern auf der Ministerpräsidentenkonferenz verhandelten Beschlüsse verteidigen. Ich fordere Sie auf, unterstützen Sie den demokratischen Geist dieses Hohen Hauses, in dem Sie heute sprechen durften! Unterstützen Sie unsere Forderungen nach breiten Expertenanhörungen in den betroffenen Ausschüssen dieses Landtages!
Die genannten Zahlen zeigen, es geht nicht darum die Corona-Gefahr zu verharmlosen, es geht darum, die Verhältnismäßigkeit politischer Maßnahmen mit Fakten zu begründen, und diese Begründung, Frau Schwesig, sind Sie uns und unseren Bürgern in Ihrer heutigen Erklärung einfach schuldig geblieben.
Was fordert Frau Schwesig im Einklang mit der Kanzlerin? Schaut man sich die gestern veröffentlichen Maßnahmen an, dann fällt uns auf, dass in ihrer Lesart vor allem „das Freizeitverhalten“ der Bürger der „entscheidende Treiber“ des Infektionsgeschehens sein soll. Das ist vor dem Hintergrund der komplizierten Lage überhaupt nicht nachvollziehbar. Wir erleben hier einen dumpfen Corona-Populismus der Landesregierung, meine Damen und Herren.
Und der Journalist Thomas Vitzthum hat es auf den Punkt gebracht, ich zitiere: „Es geht ihnen dabei nicht um Logik und Nachvollziehbarkeit, es geht noch nicht einmal um wissenschaftliche Evidenz. Die Leute sollen einfach ihre Kontakte reduzieren, deshalb werden ihnen möglichst viele Anlässe genommen, andere zu treffen.“ Zitatende.
Meine Damen und Herren, die Politik kann nicht alles richten, obwohl sie häufig gern alles richten wollen würde. Trauen wir dem gesunden Menschenverstand mehr zu in folgendem Sinne: Mit aufmerksamer Hygiene, mit achtsamer Vorbeugung und mit der Absicherung einer normal funktionierenden medizinischen Versorgung ist bereits viel gewonnen. Diese Erlasspolitik des Hin und Her erzeugt Unruhe, die sich in dieser Krise noch verhängnisvoll auswirken kann. Das Virus ist beherrschbar, auch ohne Lockdown.
Laut Robert Koch-Institut finden 0,5 Prozent, 0,5 Prozent, der Corona-Ansteckungen in der Gastronomie statt. Trotz dieses Faktums wird unsere Ministerpräsidentin vielen Gastronomie- und Freizeitbetrieben jetzt einen Todesstoß versetzen.
Das ist unverantwortlich und vernichtet Existenzen in Mecklenburg-Vorpommern, und daran kann auch dieser Antrag der Parteien CDU, SPD und Linksfraktion, der ja hier in gemeinsamer Aussprache auch debattiert wird, nichts ändern, denn, meine Damen und Herren, eine solche Politik ist Panikmache. Das ist das absolute Gegenteil einer verantwortungsbewussten Haltung für unser Mecklenburg-Vorpommern.
Die Beschlüsse der Kanzlerin und der Regierungschefs der Länder haben deutschlandweite Maßnahmen zum Inhalt. Das ist angesichts der immer noch sehr unterschiedlichen Infektionsentwicklungen in den einzelnen Bundesländern ein völlig abwegiger Ansatz. Wir brauchen länderspezifische Analysen und länderspezifische Antworten.
Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow hat zur Abwechslung in diesem Zusammenhang mal einen klugen Satz gesagt: „Ich bin keine nachgeordnete Behörde des Kanzleramtes.“
Meine Damen und Herren, auch Mecklenburg-Vorpommern muss in diesen Tagen souverän handeln. Unsere Bürger haben das Interesse, nicht von einem durch eine nervöse Kanzlerin ausgelösten Strudel in den wirtschaftlichen Ruin getrieben zu werden. Frau Schwesig hat die Staatskanzlei heute zu einer nachgeordneten Behörde des Kanzleramtes erklärt.
Wir brauchen jetzt eine differenzierte Bestandsaufnahme für die Situation in unserem Land. Allein auf Infektionszahlen zu schauen, meine Damen und Herren, ist einfach zu wenig. Wie schon erwähnt, diese Krise ist ein Marathon und kein Sprint bis Weihnachten. Wir brauchen einen verstärkten Schutz von Risikogruppen. Dafür brauchen wir Nachbarschaftshilfen, FFP2- und FFP3-Masken und Testmöglichkeiten für zu Hause. So wird gefährdeten Menschen wirklich geholfen.
Wir brauchen gerade in Krisenzeiten aber Ausgabedisziplin. Verschwenden wir keine Mittel für Anschaffungen und Investitionen, die nicht in einen CoronaVeranlassungszusammenhang zu bringen sind! Bei aller empfundenen Not ist Sparsamkeit nach wie vor eine Tugend. Und wir brauchen ein neues Ampelsystem, das möglichst viele Faktoren in die jeweilige Lagebewertung miteinfließen lässt und nicht nur auf die Infektionszahlen schaut. Wir müssen unsere Bürger viel mehr durch Gebote als durch Verbote und Maßregelungen mitnehmen, meine Damen und Herren.
Das Agieren der Kanzlerin in diesen Tagen ist von einer unreflektierten Ungeduld geprägt. Ein solches Verhalten ist kein guter Ratgeber. Wer dieser Krise mit Worten wie „Heimsuchung“ oder „Unheil“ begegnet, der verlässt den Weg einer fundierten und damit der Lage angemessenen Analyse. Wir brauchen klare Fakten und eine Politik der Verhältnismäßigkeit in diesen Tagen. Das wird uns dann gelingen, wenn wir alle betroffenen Akteure an einen Tisch bekommen und gemeinsam mit den beratenden Ausschüssen des Parlamentes gut überlegte Entscheidungen für unsere Bürger treffen.
Na ja, also, Herr Schulte, wir haben ja, meine Fraktion hat ja im Innenausschuss einen Antrag auf Expertenanhörung gestellt – ist abgelehnt worden.
(Jochen Schulte, SPD: Dann machen Sie doch mal was hier fürs Parlament! Sie reden die ganze Zeit vorm Landtag.)
und habe Ihnen mehrere Vorschläge unterbreitet. Wenn Sie das nicht verstehen können, dann liegt es doch nicht an mir.
Kommen wir nun zum Antrag der CDU, SPD und der Linksfraktion. „Folgen der coronabedingten Maßnahmen abmildern“, heißt es dort so schön geschrieben. Diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, sind nicht coronabedingt, sondern politisch gewollt bedingt durch Ihre Maßnahmen.
Denn gäbe es diese Maßnahmen nicht, würden wir gar nicht über diese Folgen reden müssen, meine Damen und Herren. Das ist doch der Punkt.
Und die Frau Ministerpräsidentin spricht, wir müssen vom Ende her denken. Ich will gar nicht an das Ende denken. Wo sollen denn die Gelder herkommen, wenn wir von einem Lockdown zum anderen kommen? Wer soll denn das bezahlen? Der Mittelstand, den Sie gerade hier kaputt machen? Die Steuerzahler, das Rückgrat unserer Nation? Die Antworten auf diese Fragen bleiben Sie uns schuldig in Ihrer Erklärung und auch in Ihrem Antrag. Und ich frage mich – Sie sprachen, Frau Ministerpräsidentin, auch von Zuversicht –, also ich frage mich ganz ehrlich, wo Sie diese Zuversicht hernehmen.
Deswegen zusammenfassend zu meinem Vortrag hier nochmals: Wir müssen vernünftige, wohldurchdachte Entscheidungen für unsere Bürger, für unser Land treffen, für regionale Lösungen, für ein MecklenburgVorpommern mit einer eigenständigen Staatskanzlei. – Herzlichen Dank!