Protocol of the Session on October 29, 2020

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Einen Moment, Herr Kollege Schulte! Es gibt den Antrag auf Kurzintervention.

Bitte schön, Herr Grimm!

Ja, sehr geehrter Herr Kollege Schulte! Wenn Sie hier zum Besten geben, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, worum es eigentlich geht, was der Herr Dr. Jess vorgetragen hat, dann nehme ich Ihnen das sofort ab. Aber ich will Ihnen mal versuchen auf die Sprünge zu helfen. Sie und Ihre Partei sind dafür verantwortlich, dass den Bürgern in diesem Lande das Fell geradezu über die Ohren gezogen wird. Wir sind auf dem Weg in einen Hoch- und Höchststeuerstaat, und da tragen Sie und Ihre Kollegen, auch in Berlin, mit große Verantwortung für. Die höchsten Steuern und Abgaben der Welt, wir wissen es, werden in Deutschland bezahlt. Wir haben Belgien 2019 überholt. Die höchsten Strompreise der Welt – wir haben es ja hier auch lange diskutiert, Sie haben es auch geleugnet, aber inzwischen wird es überall auch in der Presse wiedergegeben, es gibt auch entsprechende Statistiken –, die höchsten Strompreise der Welt zahlen wir hier in Deutschland. Und hier in Mecklenburg-Vorpommern wohnen die Bürger mit dem geringsten Einkommen.

Und da kommen Sie mit Ideen für neue Steuererhöhungen! Es wird also den Bürgern noch mehr das Fell über die Ohren gezogen. Ich denke an die CO2-PaketGesetzgebung, die ja ab dem nächsten Jahr wirksam wird und dann sich fortpflanzt bis 2025, und ich denke an die geplanten EU-Steuern für Plastiksteuer und für Digitalsteuer. Geht Ihnen da nicht irgendwie ein Licht auf?

Und die Herrschaften da drüben, die schreien ja auch nach höheren Steuern, diesmal für Millionäre, aber so viele Millionäre, glaube ich, haben wir gar nicht in MeckPomm, dass sich das irgendwie rentieren dürfte. Außerdem hat noch niemand darüber gesprochen, dass Kapital ein scheues Reh ist und dass Millionäre natürlich das Weite suchen würden, wenn solche Ideen hier wirklich umgesetzt werden würden.

Also das ist alles ziemlich schwach, was hier für Verbesserungen für diese Bürger ins Haus steht. Es ist eigentlich überhaupt nicht zu sehen. Man müsste sich als Bürger in Mecklenburg-Vorpommern eigentlich eher immer mehr einer Existenzangst ausgesetzt sehen, zumal die Werktätigen, die ja mit dem Auto zu ihren Jobs fahren müssen und das tagtäglich tun, trotz Ihrer ganzen Corona-Ideen, diese Leute werden ja auch..., immer enger wird es bei denen im Portemonnaie. Die kriegen Angst, ne?

Herr Kollege,...

Und das ist hier...

… Ihre Zeit ist abgelaufen.

... gemeint,...

Ich bitte Sie,...

... und das ist...

... kommen Sie zum Schluss!

... unsere Position als Alternative für Deutschland. Und das haben Sie nicht verstanden. – Danke!

Herr Kollege Schulte, möchten Sie darauf antworten?

Ja, selbstverständlich!

Dann würde es die Höflichkeit gebieten, dass Sie stehenbleiben, Herr Grimm.

Bitte!

Herr Abgeordneter Grimm, das Sammelsurium von Vorwürfen, das Sie jetzt eben erhoben haben, das macht den Redebeitrag Ihres Kollegen auch nicht besser.

Ich will das nur mal an einem Punkt deutlich machen: Auf der einen Seite sich hinzustellen, dass meine Partei, die Bundesregierung – ich weiß auch gar nicht, wen Sie damit gemeint haben, die EU haben Sie dann auch mitangesprochen – permanente Steuererhöhungen machen würden und damit die Leute hier belasten würden, und auf der anderen Seite, dass die Millionäre vertrieben würden, das ginge ja auch nicht. Da müssen Sie sich irgendwann mal entscheiden, was Sie eigentlich wollen, ob das in diesem Land die Menschen sind mit den niedrigsten Einkommen, was statistisch betrachtet zutreffend ist, oder ob wir hier Millionäre haben, die Angst haben, Steuern zu bezahlen.

Ich will es mal an einem Punkt deutlich machen: Ich bezahle – und ich gehöre zu dem Kreis, der Spitzensteuersatz in diesem Land bezahlt –, ich zahle meine Steuern gerne, weil ich dafür einen Staat bekomme, der auch für die Menschen etwas tut, die nicht ganz so viel verdienen wie ich, und das ist eine Frage der Solidarität. Und das mögen Sie anders sehen, und das sieht offensichtlich Ihre Partei anders, dass man sagt, Solidarität besteht im Endeffekt darin, dass jeder sich um sich selber kümmert, weil es dann allen auch gutgehen mag. Das ist eine Auffassung, die wir nicht teilen, und deswegen werde ich mich auch solchen Bestrebungen, wie es ja teilweise aus der AfD-Fraktion, aus der AfD-Partei kommt – es hat ja auch mal Diskussionen darüber gegeben, dass man zum Beispiel Hartz IV ganz abschafft und dass es stattdessen eine Art Grundeinkommen gibt, das aber so niedrig ist, dass selbst denjenigen, die da Zuverdienste machen müssen, dann im Endeffekt das wieder weggestrichen wird –, das ist nicht unser Weg.

Und dann sage ich Ihnen noch in einem zweiten Satz, weil ich habe noch ein paar Sekunden, natürlich bin ich dafür, dass in einer sich wandelnden Gesellschaft – ich nenne jetzt mal das Thema Klimawandel oder Umweltverschmutzung – diejenigen, die diese Belastungen für die Gesellschaft herbeiführen, auch mit zur Kasse gezogen werden.

(Thomas Krüger, SPD: So ist das.)

Und ich halte es für sinnvoll, und gerade ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern – damit komme ich auch zum Ende meiner Erwiderung –, das davon profitieren wird, dass mehr erneuerbare Energien auf dem Markt sind, hat ein großes Interesse daran, dass zum Beispiel auch CO2-Belastungen, zum Beispiel durch fossile Brennstoffe, aber auch durch andere Dinge, tatsächlich besteuert werden,...

Herr Kollege, bitte!

... weil es der Wirtschaft dieses Landes guttut. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Aussprache gemäß Paragraf 43 Nummer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „Für eine gerechte Agrarstruktur – Bodenmarkt regulieren“, auf Antrag der Fraktion DIE LINKE.

Aussprache gemäß § 43 Nummer 2 GO LT zum Thema Für eine gerechte Agrarstruktur – Bodenmarkt regulieren

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.

Für die Fraktion DIE LINKE hat zunächst das Wort der Abgeordnete Dr. Weiß.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Jetzt besonders laut klatschen!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor Kurzem gab es ein denkwürdiges Jubiläum, den 75. Jahrestag der Bodenreform auf dem Gebiet der damaligen Sowjetischen Besatzungszone. Einerseits ging es dabei um die Heilung jahrhundertelangen Unrechts des Landraubes durch den Altadel, insbesondere durch das Bauernlegen, wo sich gerade dieser Altadel so lange bereicherte, bis es in kaum einem Dorf noch freie Bauern gab. Die Reichsstatistik von 1882 sah die Konzentration des Großgrundbesitzes in den östlichen Provinzen Preußens und in Mecklenburg. Allein in den Betrieben mit über 100 Hektar Fläche war der Anteil in Ostelbien bei über 44 Prozent, SachsenAnhalt, Braunschweig, da lag der Wert bei 23 Prozent, in Thüringen bei 12, im Süden Deutschlands – Bayern, Baden-Württemberg – nicht über 5.

Natürlich sind das Grenzwerte mit 100 Hektar. Das kaschiert etwas die eigentliche Situation, denn viele Güter – darum ging es ja in der Zählung – waren ja in der Hand nur weniger Großgrundbesitzer, die da drüberstanden. In einer Karte von 1928, glaube ich, hatte Curschmann für Mecklenburg 95 Prozent der gesamten Fläche der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Mecklenburg als Großgrundbesitz ausgewiesen. Klar war da auch die Fläche der Kirche dabei, da waren auch die Flächen der Städte dabei. Nun, das alles müssen wir hier jetzt nicht runterbrechen, das ist Historie. Aber insgesamt war das Ergebnis dieser Entwicklung die Grundlage dafür, dass die Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossen, eine Bodenreform auf deutschem Territorium durchzuführen. Allerdings wurde sie nur in der Sowjetischen Besatzungszone ernsthaft angegangen. Kurz nach dem Beginn – beispielsweise im Hannoverschen – hat man da zurückgerudert.

Insgesamt sind Großgrundbesitzer mit mehr als 100 Hektar Fläche und sehr viele, wie damals deklariert, Nazi- und Kriegsverbrecher und Aktivisten der NSDAP enteignet worden, entschädigungslos. Alles wurde in einen lokalen Bodenfonds übertragen. Dabei ist auch sehr viel Unrecht passiert, ganz klar, unter heutigen Kenntnissen. Die sowjetische Militärverwaltung internierte eine erhebliche Anzahl von Grundbesitzern auch unterhalb des entsprechenden Levels, denen das politische Vorleben vorgeworfen wurde, in ehemaligen NS-Speziallagern, vielen Konzentrationslagern. Und trotzdem gilt festzuhalten, zum ersten Mal seit Hunderten von Jahren wurde in unserer Region großen Teilen Landwirtschaftsfläche der Charakter einer Allmende zurückgegeben.

Meine Damen und Herren, warum sage ich das? Dieser Blick zurück soll vor allem der Abgrenzung dienen, denn wir wollen keine neuerliche Bodenreform. DIE LINKE hat anderes im Sinn. Wir möchten gerne vor allem die erheblichen Verwerfungen auf einem mittlerweile völlig intransparenten Bodenmarkt diskutieren, Transparenz in den Markt bringen, den vor Ort wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betrieben einen gerechten Zugang zum vorhandenen Boden geben, Neugründungen und vor allem auch Neugründungen der Junglandwirte ermöglichen. Und das alles sind nun wirklich keine sozialistischen Ideen, obwohl an der einen oder anderen Stelle wirklich die Verwertungslogik des Kapitalismus gebrochen werden muss, um einen entsprechenden regulatorischen Eingriff auf dem Bodenmarkt zu realisieren.

Einige Bundesländer haben das bereits auf den Weg gebracht. Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen haben der Entwicklung am Bodenmarkt mit eigenen Agrarstrukturgesetzen angefangen zu begegnen. Das ist nicht in jedem Falle sehr erfolgreich gelaufen bis jetzt, aber sie arbeiten dran. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gab es diesen Versuch des Agrarministers, den Verkauf von Agrarflächen an Nichtlandwirte zu unterbinden. Was daraus geworden ist, wird er uns sicherlich gleich sagen.

Für uns LINKE gilt: Grundlage einer gesunden und gerechten Agrarstruktur muss ein agrarpolitisches Leitbild sein auf Bundesebene, das an unsere Bedürfnisse angepasst und runtergebrochen werden kann, denn auch auf Landesebene ist ein Agrarleitbild Voraussetzung für ein darauf aufbauendes Agrarstrukturgesetz.

Das derzeitige Regularium fußt auf folgenden Gesetzen: dem Landwirtschaftsgesetz, dem Gesetz – ich muss das wirklich vorlesen – über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, kurz Grundstücksverkehrsgesetz, und dem Reichssiedlungsgesetz. In Bezug auf den Bodenmarkt allerdings hat sich durch die Grundgesetzänderung von 2006 die Kompetenz verändert. Diese Kompetenz, die Gesetzgebungskompetenz des Grundstücksverkehrsrechtes, ist inzwischen auf die Länder verschoben, und das gibt uns natürlich die Möglichkeit, dort zu handeln. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Regelungen – Flurneuordnung und Ähnliches –, auch das ist bekannt und muss hier nicht im Detail abgearbeitet werden. Bis heute hatte mal lediglich BadenWürttemberg auf diesem Sektor erfolgreich etwas auf den Tisch gelegt und auch umgesetzt.

Die Fraktionen der LINKEN im Bund und in den Ländern haben sich zusammengetan und ein Gutachten auf den Weg gebracht: „Weiterentwicklung der rechtlichen Steuerungsinstrumente des landwirtschaftlichen Bodenmarktes“. Dieses Gutachten ist Ende September vorgelegt worden und steht Ihnen ab sofort zur Verfügung, der öffentlichen Diskussion. Genauso, wie wir uns genötigt sahen, dieses Gutachten auf den Weg zu bringen, ist es Gegenstand einer Diskussion unter anderem in den bäuerlichen Strukturen, im Bauernverband beispielsweise selbst, denn wenn immer Land in die Hand von Bauern gehört, dann, glaube ich, ist das gut. „Ackerland in Bauernhand“ könnte man heute dazu sagen.

Bereits 2010 hat meine Fraktion einen Antrag in diesem Hause eingebracht, der unter dieser Überschrift hätte laufen können. Es ging um den Ausverkauf landwirtschaftlicher Flächen an Nichtlandwirte, der verhindert werden sollte. Und die Mehrheit des Parlaments hatte damals den Antrag abgelehnt, mit der Begründung, die Herr Dr. Backhaus damals bereits als Landwirtschaftsminister vorgab, indem er sagte, dass ein eigenes Agrarstrukturfördergesetz auf den Weg gebracht werden sollte. Inzwischen – ich weiß nicht – ist es begraben?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Der Diskontinuität anheimgefallen.)

Ich denke mal, wir kriegen dazu auch gleich eine Information.

Unser Gutachten bestärkt uns in der Auffassung, dass die gesetzliche Regelung für den landwirtschaftlichen Bodenmarkt dringend weiterentwickelt werden muss,

denn der Boden verkommt sonst immer mehr zum bloßen Spekulationsobjekt. Aber der Boden ist wichtiges Produktionsmittel der Landwirtschaft, das wichtigste. Nach Schätzungen, denen mittlerweile von niemandem mehr widersprochen wird, ist inzwischen mindestens ein Drittel der gesamten Agrarfläche in unserem Bundesland im Besitz von außeragraren Investoren, außerlandwirtschaftlichen Investoren, die kein Interesse daran haben, dass man ihnen in die Karten guckt. Das Ganze – Share Deals zum Beispiel sind nicht anzeigepflichtig, es herrscht eine große Intransparenz –, und das Ergebnis ist, dass die Bodenpreise durch die Decke gehen und allein die Pachtpreise seit der Wiedervereinigung um mehrere Hundert Prozent gestiegen sind. Das erschwert den Junglandwirten den Beginn, das erschwert Neueinsteigern ihre Arbeit.

Und es gibt da auch einen großen Widerspruch, denn auf der einen Seite existiert diese Intransparenz, die auch beispielsweise nicht durch Statistik geheilt werden kann, und auf der anderen Seite gibt es aber ein Investorennetzwerk, das sehr effektiv arbeitet und ein regelrecht modernes Landgrabbing veranstaltet. Ziel einer Neuregelung der Bodenmarktpolitik muss es sein, Bodenspekulation zu verhindern und Vorkaufsrechte für die Landwirte und die öffentliche Hand zu sichern. Es geht genau auch darum, dass eine solche Strategie viel eher regionalen Stoffkreisläufen das Wort redet, die Möglichkeit, soziale Bindungen von Landwirten und Standorten und die Verankerung der entsprechenden Betriebe im ländlichen Raum zu verbessern. Boden darf keine beliebige Ware sein!

(Beifall Henning Foerster, DIE LINKE)

Genauso, wie es eben schon Mark Twain vor 150 Jahren geschrieben hat: „Kaufen Sie Boden, es wird keiner mehr hergestellt.“ Das war als Glosse gemeint, nicht als Antrieb.