Protocol of the Session on October 28, 2020

Das ist nämlich das, was die gesamte Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns auf der hohen Kante hat. Allein eine Vermögensabgabe der Mehrfachmillionäre in Höhe von fünf Prozent würde für unser Land jährliche Mehreinnahmen von 150 bis 200 Millionen Euro bringen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Jürgen Strohschein, AfD)

Das ist in etwa die Summe, die wir jährlich zum Tilgen der Schulden benötigen, denn nicht die ALDI-Kassiererin darf zur Kasse gebeten werden, sondern die Erben der Gebrüder Albrecht. Nicht der Lidl-Verkäufer muss die Zeche zahlen, sondern der Lidl-Gründer Dieter Schwarz. Nicht der Arbeiter am Band bei BMW muss die Schulden berappen, sondern die Geschwister Klatten und Quandt. Diese Multimillionäre und Multimilliardäre dürfen sich keinen schlanken Fuß machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Eine Vermögensabgabe macht sie nicht arm, aber eine mögliche Steuererhöhung würde große Löcher in die Taschen derjenigen reißen, die uns durch diese Krise getragen haben und die in vielen Fällen schon jetzt mehr schlecht als recht über die Runden kommen, denn allein für das Vermögen 42,1 Milliarden Euro, über das die Geschwister Klatten verfügen, muss eine Altenpflegerin in Mecklenburg-Vorpommern 1,3 Millionen Jahre arbeiten und eine Verkäuferin sogar 1,9 Millionen Jahre.

(Zuruf aus dem Plenum: Hört, hört!)

42,1 Milliarden Euro, das ist das Fünfzehnfache von dem, womit wir heute das Leben im ganzen Land durch diesen Nachtragshaushalt aufrechterhalten, sichern und zukunftsfähig gestalten wollen.

Sehr geehrte Damen und Herren, und natürlich ist auch mit den derzeitigen Haushaltsschwerpunkten längst noch nicht jeder wichtige und notwendige Bedarf berücksichtigt. Gern wollen wir versuchen, die Koalition in den weiteren Haushaltsberatungen davon zu überzeugen, dass darüber hinaus weitere Schritte zwingend erforderlich sind, aber nicht durch mehr Geld, sondern durch andere Prioritätensetzung, denn von Anfang an hat zum Beispiel meine Fraktion darauf gedrängt, dass das Land die vom Bund bereitgestellten Mittel des ÖPNV-Rettungsschirms eins zu eins ergänzt.

So war es auch ursprünglich ausgemacht, und so setzen das andere Bundesländer auch um. Aber ausgerechnet in Mecklenburg-Vorpommern, in dem die Kommunen eine geringe Wirtschaftsstruktur, aber eine hohe Finanzschwäche aufweisen, macht sich das Land jetzt hier aus der Verantwortung und lässt die Kommunen auf zehn Prozent einer Finanzierungslücke sitzen. Da würden wir gerne mit der Koalition in Verhandlung treten, dass diese zehn Prozent dann auch vom Land übernommen werden und es somit halbe-halbe zwischen Bund und Land geht.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Genauso wichtig ist uns die Einsetzung eines Kinderbeauftragten, denn gerade diese Krise hat gezeigt, dass ihre Rechte eine zu geringe Rolle spielen, ob es prekäre Familienverhältnisse sind oder die Rechte im Gesetzgebungsverfahren oder dem täglichen Verwaltungshandeln. Hier wäre es auch möglich, den Kinderschutzbund finanziell so auszustatten, dass er diese wichtige Aufgabe wahrnehmen kann.

Und nicht zuletzt ist es das auch von Herrn Liskow schon benannte Azubi-Ticket, was uns umtreibt. Schon so lange ist es auf dem Weg und immer noch nicht bei den Auszubildenden angekommen. Hier darf keine Zeit verschenkt werden! Dieses Ticket muss jetzt kommen, Herr Liskow, und nicht erst im nächsten Doppelhaushalt! Uns kann …

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich verstehe auch gar nicht, dass Sie das sagen, denn uns eint es ja. Es ist egal, ob SPD, CDU oder DIE LINKE, wir alle wollen das haben. Wir wollen das alle für die Jugendlichen haben.

Da zitiere ich mal die Ministerpräsidentin sinngemäß, die sich im Januar äußerte gegenüber dem „Nordkurier“, dass ein solches Ticket, mit dem die Beförderungskosten übernommen würden, gerade in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern eine ganz konkrete Unterstützung für junge Menschen sei.

Vincent Kokert betonte, dass es für die Union eine Herzensangelegenheit ist. Und Wolfgang Waldmüller sagte Anfang dieses Jahres, ich zitiere: „Insbesondere in Grenzregionen … könnte es zu Sogwirkungen kommen; denn kommt das Azubiticket nicht nach MV, dann gehen

Azubis dorthin, wo es ein solches Ticket gibt. Der stiefmütterliche Umgang mit der beruflichen Bildung muss beendet werden – zum Beispiel durch Einführung eines kostenfreien Azubitickets.“ Ende des Zitats.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Noch nie war ich so sehr einverstanden mit Herrn Waldmüller.

Und in diesem Monat schimpfte dann auch noch Frau Friemann-Jennert in einer Pressemitteilung,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was?!)

ich zitiere: „Die Anhörungsreihe ‚Jung sein in Mecklenburg-Vorpommern‘ hat sich klar für ein Azubiticket in Mecklenburg-Vorpommern ausgesprochen. Auch knapp ein halbes Jahr nach entsprechender Beschlusslage ist – abseits freundlicher Worte – wenig passiert.“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hört, hört!)

Ende des Zitats.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das haben wir ihr doch gar nicht zugetraut.)

Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist doch die beste Grundlage für weitere gemeinsame Gespräche in den Haushaltsberatungen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wir sind alle der gleichen Meinung, das ist wunderbar. Und ich freue mich darauf, dass wir gemeinsam auch diese Aufgabe in den nächsten Wochen lösen werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Fraktionsvorsitzende! Das Wort „Gurkentruppe“ weise ich als unparlamentarisch zurück.

Und ich bitte die Fraktion der AfD wirklich, alle Aufhängungen an diesen Abtrennungen zu unterlassen. Es ist schon schwierig durch die Abtrennung – da gibt es Spiegelungen –, hier vom Präsidium aus alles ordnungsgemäß zu begleiten. Ich denke mal, es wird noch schwieriger, wenn wir hier abstimmen, das Abstimmungsverhalten korrekt zu erfassen. Von daher würde ich wirklich darum bitten, alles, was dann zusätzlich noch erschwerend hinzukommt, zu unterlassen.

Und ich rufe jetzt auf für die Fraktion der SPD den Fraktionsvorsitzenden Herrn Krüger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Zweiten Nachtragshaushalt innerhalb eines halben Jahres reagieren wir nicht auf irgendwas, sondern wir reagieren auf eine historische Krise, eine Krise, wie sie in der Geschichte unseres Landes noch nie dagewesen ist. Wir wollen mit diesem Haushalt die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie in unserem Land möglichst weit abdämpfen. Das ist unser Ziel. Wir stärken unsere Schulen, unsere Hochschulen, unsere Krankenhäuser, unsere Wirtschaft, die kommunale Ebene, das heißt die Landkreise, die Dörfer, die Städte.

Meine Damen und Herren, niemand von meiner Fraktion entscheidet sich leichtfertig für neue Schulden, das will ich mal ganz deutlich und ganz ausdrücklich sagen. Es ist uns gelungen, mit einer soliden Haushaltspolitik als eines der ganz wenigen Bundesländer seit 2006 keine neuen Schulden aufzunehmen, sondern sogar 1,5 Milliarden Euro zurückzuzahlen. Und ich sage ganz klar: Darauf sind wir stolz!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Wir haben das in einer Zeit gemacht, in der andere uns geraten haben, wir sollen das Geld ausgeben. Und wenn wir diesen Ratschlägen gefolgt wären, hätten wir dieses Geld zigmal ausgegeben, sehr geehrte Frau Kollegin Oldenburg. Zigmal hätten wir es ausgegeben!

Und dass dies uns gelungen ist, obwohl wir im Bundesvergleich nicht zu den stärksten Ländern zählen, auch das ist, wie ich finde, bemerkenswert. Wir haben in unserem Land eben keine großen Konzerne. Wir haben hier nicht die Schwerindustrie, wir haben hier nicht die Industrie, die milliardenschwer in die Steuerkassen einzahlt. Nein, meine Damen und Herren, MecklenburgVorpommern lebt von Selbstständigen, von kleinen Unternehmen, von mittleren Unternehmen. Das ist unsere Struktur. Wir sind daher nicht so finanzstark wie vielleicht andere und waren viele Jahre auf die Mittel des Solipakts angewiesen. Das haben wir aber beendet. Dank der vorausschauenden Politik der letzten 15 Jahre stehen wir heute in dem System der Bundesrepublik Deutschland auf eigenen Beinen, und das ist auch gut so.

Dass wir jetzt mit den beiden Nachtragshaushalten zum ersten Mal seit 2006 wieder neue Schulden aufnehmen, ist dabei kein Widerspruch. In einer Krisensituation, die alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft trifft, muss der Staat handlungsfähig bleiben. Genau das wollen wir. Wir sorgen dafür, dass unsere Unternehmen weiterhin Aufträge vom Land und von den Kommunen bekommen. Wir sorgen dafür, dass die Nachfrage nach Dienstleistungen und Produkten unserer Unternehmen nicht einbricht, damit unsere Unternehmen schlicht und einfach überleben können, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Meine Damen und Herren, wer hier in den 90er-Jahren in diesem Land Verantwortung hatte, der weiß, was es bedeutet hat, wenn wir eine Massenarbeitslosigkeit hier haben, dass faktisch jede Familie betroffen ist. Und wer hier Verantwortung hat und das erlebt hat, der kann nicht anders, als jetzt entsprechend so zu handeln, dass wir eine solche Situation nicht wiederfinden. Und genau das tun wir, meine Damen und Herren. Genau das tun wir!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Aber wer hingegen jetzt sagt – ich habe es ja hier drüben von Herrn Professor Weber gehört, wir sollen sparen, möglichst in Größenordnungen, so habe ich Sie verstanden –, wer jetzt spart, der sorgt für massenhaft Insolvenzen, der sorgt auch für Massenarbeitslosigkeit, und, Herr Professor Weber, der sorgt eben gerade nicht für die junge Generation. Der sorgt dafür, dass dieses Land sich auf einem ganz anderen Weg befindet, nämlich auf einem Weg in eine Spirale abwärts.

Ein Blick in die deutsche Geschichte und darüber hinaus zeigt uns, was in den 1920er, Ende der 1920er-Jahre

passiert ist, nämlich eine Massenarbeitslosigkeit, eine Weltwirtschaftskrise mit verheerenden Folgen für die Wirtschaft. Was ist damals passiert? In eine Krise hat man reingespart und hat genau diese Krise verstärkt, meine Damen und Herren. Genau das wollen wir eben nicht, und deswegen handeln wir.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Deswegen, meine Damen und Herren, sind wir auch bereit, Schulden aufzunehmen und so mit zusätzlichen Ausgaben unsere Wirtschaft am Laufen zu halten. Für uns war und ist eine Haushaltspolitik, eine sparsame Haushaltspolitik, niemals Selbstzweck gewesen. Es galt und gilt, eine azyklische Haushaltspolitik zu organisieren, sparsam in guten Zeiten, inklusive Tilgen von Schulden, Ausgaben auch kreditfinanziert in schwierigen Zeiten. Genau das tun wir, meine Damen und Herren.

Und wenn ich mir anschaue, das, was Herr Professor Weber gesagt hat, Herr Professor Weber, wenn Sie das nicht nachvollziehen können, was wir hier sagen, meine herzliche Bitte, der Volkswirtschaftler John Maynard Keynes, der ist ja der Begründer dieser Lehre, einfach mal nachlesen. Sie werden feststellen, dass wir uns par excellence genau an diesen Lehren langhangeln und unsere Haushaltspolitik genau danach ausrichten.

Sie haben hier einige Vorhaltungen gemacht, auf die ich eingehen möchte an dieser Stelle. Das Erste, was Sie gesagt haben: Der Erste Nachtragshaushalt, da ist ja noch so viel Geld vorhanden, da braucht es gar keinen Zweiten, geben Sie das Geld aus! Sie haben recht, da ist noch Geld. Aber dieses Geld ist weitestgehend gebunden, das heißt, Sie haben keine Möglichkeit mehr, Dinge obendrauf zu setzen, insofern an dieser Stelle nicht möglich, Ihr Vorschlag.

Sie haben bemängelt, dass wir ein Sondervermögen machen. Ich sage Ihnen, wir brauchen genau dieses Mittel des Sondervermögens, weil die Landesregierung in einer Krisenzeit handeln muss, das heißt wir flexibel bleiben müssen, wir reagieren müssen auf die jeweilige Situation. Und deswegen ist es richtig, dass wir das Mittel des Sondervermögens gewählt haben. Wir haben damit einen Topf, und dieser Topf kann bewirtschaftet werden – übrigens auch das, was der Kollege Liskow gesagt hat, wenn man irgendwann auch zu einer Tilgung kommt, alles in allem wahrscheinlich übersichtlich.

Ihr Plädoyer zur Sparsamkeit, da bin ich bereits drauf eingegangen. Wenn wir das machen würden, was Sie sagen, verschärfen wir die Krise. Genau das wollen wir nicht! Wir sorgen für Zukunft, auch für zukünftige Generationen, dadurch, dass wir investieren. Das ist uns wichtig, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Dann will ich noch mal eingehen auf das, was Sie hier gesagt haben, dass Sie keinerlei Angebote gehabt haben, mitzumachen. Sowohl die Fraktion der LINKEN hat dieses Angebot bekommen als auch die Fraktion der AfD. Das will ich ganz ausdrücklich sagen. Ihr Fraktionsvorsitzender hat mir auch am 28. September um 21.16 Uhr geantwortet. Ich will nur den ersten und letzten Satz der Mail vorlesen: „Im Namen meiner Fraktion darf ich Ihnen mitteilen, dass es die verfassungsmäßige Aufgabe der Landesregierung ist, Vorlagen zur Änderung