Protocol of the Session on October 28, 2020

Oder ist es ein zu großer Schluck? Wird das Geld mit beiden Händen rausgehauen? Sind das alles ungedeckte Schecks und Milliardenausgaben, von denen nur ein Teil durch Corona entstanden ist? Das und vieles mehr wird über den Zweiten Nachtragshaushalt geredet. Ja, es ist verdammt viel Geld. Und es ist auch richtig, dass längst nicht alle Maßnahmen durch den Ausbruch des Virus notwendig geworden sind.

Und Herr Liskow hat es eben selbst gesagt, ich zitiere Sie sinngemäß: die in der Pandemie zutage getretenen Probleme und den Nachholbedarf, Nachholbedarf der Digitalisierung in der Verwaltung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Viele Millionen dieser Milliarden haben nicht ursächlich mit den Auswirkungen der Pandemie zu tun,

(Beifall Peter Ritter, DIE LINKE)

aber irgendwie hängen sie doch mit der CoronaKatastrophe zusammen, nämlich insoweit, dass genau der Ausbruch und auch die Ausbreitung dieses Virus so offenkundig verdeutlichen, dass dort, wo die ganz, ganz großen Lücken jetzt klaffen, längst hätte investiert werden müssen.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Auf Messers Schneide steht es im Gesundheitsbereich, im Schulbau, in der Digitalisierung, im Kinder- und Jugendtourismus, in der Überlebensfähigkeit der Kommunen, in der öffentlichen Daseinsvorsorge, in der Fachkräftegewinnung, im öffentlichen Personennahverkehr, in der Pflege, in der Kulturlandschaft und, und, und. Die Krise all dieser Bereiche hat nicht ihre Ursache in der Corona-Pandemie,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

sie hat ihre Ursache im gefährlichen Geiz der letzten Jahre. Notwendige Ausgaben dürfen eben nicht verhindert werden, weil man sich eben die Welt nicht so malen kann, wie sie einem gefällt.

Dennoch machen wir heute hier den ersten Schritt dafür, dass wir den Weg frei machen für eine Neuverschuldung in Höhe von 2.150 Millionen Euro. Wie viel ist davon Corona und wie viel Millionen schleppen wir seit Jahren mit uns rum?

360 Millionen Euro für die Universitätsmedizin: Ja,

notwendig, aber nicht erst seit März dieses Jahres.

500 Millionen Euro für die Digitalisierung insgesamt:

Ja, notwendig, aber nicht erst seit März dieses Jahres.

Mehrere Millionen für die Ingenieurausbildung: Ja,

auch die sind notwendig, aber doch offensichtlich nicht durch Corona.

18 Millionen für die Krankenhausförderung: Ja, drin

gend notwendig, aber doch schon seit Jahren.

Sehr geehrte Damen und Herren, und natürlich liegt die Präsidentin des Landesrechnungshofs auch nicht ganz so falsch, wenn sie im Gespräch mit dem NDR die Neuverschuldung massiv kritisiert und ausführt, dass viele Vorhaben nicht mit Corona zu begründen seien.

Sie bezeichnet die Neuverschuldung als erschreckendes Zeichen und wirft die Frage auf, ob sich diese Summen mit der Corona-Krise rechtfertigen lassen. Da hat sie auch nicht so ganz unrecht, denn die Gründe für den Nachtragshaushalt sind teilweise tatsächlich hausgemacht, aber notwendig. Notwendig sind sie allemal,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

auch, um uns für künftige Ausnahmesituationen zu wappnen und das permanente Risiko, in dem wir in vielen Bereichen in den letzten Jahren gelebt haben, abzuwenden und Sicherheiten für die Bevölkerung unseres Landes zu schaffen, denn jetzt haben wir die Chance, das Ruder noch mal rumzureißen, um die Kluft zu überwinden, die in den letzten Jahren gerissen wurde.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Die Gesundheitsämter wurden löcherig gespart. Die Unimedizin war zum Risikopatienten mutiert. Die Schullandheime wurden ein Jahrzehnt von Investitionen ausgeschlossen und man hat den Ärztemangel ausgesessen.

Das zeigt, wenn wir jetzt nicht investieren, droht das Land auf diesen Gebieten, die ich eben nannte, komplett zu scheitern, und nämlich in den Gebieten, in denen wir in den letzten Jahren hier auf Verschleiß gefahren haben. Deshalb werden wir für diesen Haushalt stimmen.

Wir stimmen für die Anerkennungsprämie für zu pflegende Angehörige und wir stimmen für den Pflegebonus für die Beschäftigten in der Altenpflege.

(Egbert Liskow, CDU: Haben sie doch gar nicht bekommen.)

Wir stimmen für die Ausgaben in den Bereichen Digitalisierung und Krankenhausinvestitionen. Wir stimmen für die Kofinanzierungsmillionen genauso wie für die Veranstaltungswirtschaft und die Freiluftspielstätten.

Der neue Studiengang „Intensivpflege/Intensivmedizin“ wird von uns ebenso mitgetragen wie die Unterstützung der Arztpraxen und Gesundheitszentren im ländlichen Raum. Und natürlich sind auch die zusätzlichen Stellen im Institut für Qualitätsentwicklung notwendig, um die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger besser zu qualifizieren. Hauptsache hierbei ist nur, es werden nicht wieder Lehrer aus den Schulen abgezogen. Das hat dann zur Folge, dass noch mehr Seiteneinsteiger qualifiziert werden müssten.

Sehr geehrte Damen und Herren, bereits beim Ersten Nachtragshaushalt hat sich meine Fraktion in die Beratungen eingebracht und unter anderem den Sozialfonds ins Leben gerufen, der bisher zahlreiche Ehrenamtler, Sportvereine, Frauenschutzhäuser und Arbeitslosenverbände unterstützt hat. Und auf diese gute Zusammenarbeit haben wir nun auch bei diesem Haushalt aufgebaut und haben in wirklich fairen und sachlichen Verhandlungen mit der Landesregierung und mit der Koalition unsere Schwerpunkte für ein soziales Leben und Lernen in Mecklenburg-Vorpommern gesetzt.

Und wenn die AfD von sich behauptet, das ist bei Ihnen nicht angekommen, Professor Weber, dann müssen Sie das mit Ihrer Gurkentruppe klären.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Andreas Butzki, SPD)

Damit hat aber tatsächlich die Landesregierung nichts zu tun, denn Sie wurden genauso eingebunden in den Telefonkonferenzen mit der Maßgabe, hier ebenfalls Schwerpunkte nennen zu können.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Jedenfalls haben wir in den bisherigen Verhandlungen erreicht, dass sich der bewährte Sozialfonds nochmals um 5 Millionen Euro erhöht. Und auch die 100 Millionen Euro für den Schulbau, um dem Sanierungsstau zu begegnen und Hygienemängel zu beseitigen, helfen den zahlreichen Schulträgern, die in der Warteschlange stehen. Diese Millionen sind richtig investiert.

Und mit der Fortführung des Sommerferienhortes können die Familien ihre Kinder in allen Ferien kostenlos über die drei Stunden eines Teilzeitplatzes und die sechs Stunden eines Ganztagsplatzes hinaus betreuen lassen.

Und besonderen Wert haben wir auf die zusätzliche Qualifizierung und Beschäftigung der Arbeitslosen gelegt,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir können auch Kaspertheater hinschreiben.)

denn es müssen die vorhandenen Arbeitsmarktprogramme gestärkt werden, damit mehr Menschen und Firmen von diesen Programmen profitieren.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Genauso wichtig ist uns – gerade vor dem Hintergrund des zu erwartenden Anstiegs der Arbeitslosenzahlen –

die Unterstützung der Beschäftigungsgesellschaften und Bildungsträger im Land.

Und ein ganz großes Bedürfnis ist uns, dass die Einrichtungen des Kinder- und Jugendtourismus endlich die dringend notwendige Unterstützung bekommen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Mit bis zu 5 Millionen Euro soll ein Modernisierungsprogramm aufgelegt werden, um den baulichen Zustand der Einrichtungen dem geltenden Standard anzupassen, denn die Schullandheime und Jugendherbergen sind durch den Sanierungsstau der vergangenen Jahre und auch durch die coronabedingten Einnahmeausfälle nicht in der Lage, diese Mittel aus eigener Kraft zu stemmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, und jetzt brauchen wir die Antwort auf die eine entscheidende Frage: Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld? Das sind natürlich nicht die Altenpflegerin, der Erzieher, die Bäckerin oder der Industriearbeiter. Das sind auch nicht die Ingenieure, die Lehrerinnen und Lehrer. Es sind nicht der Koch und auch nicht die Klinikärztin. Das sind nämlich nicht die Gewinner dieser Krise. Das sind auch nicht die, die Vermögen in Millionenhöhe haben. Sie haben nicht die Mittel, über die zum Beispiel die sechs reichsten Familien Deutschlands verfügen.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

137 Milliarden Euro sind das Vermögen dieser sechs Familien, 137 Milliarden Euro im Gegensatz zu 25,6 Milliarden Euro.

(Marc Reinhardt, CDU: Nehmen Sie doch Ihr eigenes Parteivermögen und tun Sie es da rein!)

Das ist nämlich das, was die gesamte Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns auf der hohen Kante hat. Allein eine Vermögensabgabe der Mehrfachmillionäre in Höhe von fünf Prozent würde für unser Land jährliche Mehreinnahmen von 150 bis 200 Millionen Euro bringen.