Protocol of the Session on July 2, 2015

Erst wenn wir das haben, wissen wir am Ende wirklich, wo unsere Schülerinnen und Schüler stehen. Aber alle Daten, die uns vorliegen, die wissenschaftlich belastbar sind, sprechen leider – was heißt leider, zum Glück – dafür, dass sich die Schulen von Mecklenburg-Vor- pommern gut im Mittelfeld Deutschlands platzieren und alles andere als Schlusslicht sind.

(Andreas Butzki, SPD: So ist es.)

Und wenn wir in anderen Politikfeldern mit schwierigen sozialen Problemen, die wir auch im Lande haben, im Mittelfeld der Bundesrepublik Deutschland und manchmal sogar in der Spitzengruppe rangieren würden, dann, glaube ich, wären wir sehr, sehr froh. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine kurze Bemerkung zum Vortrag des Wirtschaftsministers: Wenn man eine Situationsanalyse vornimmt und die hört sich genauso an wie Eigenlob, und selbst das wildeste Eigenlob könnte nicht positiver scheinen als die Situationsanalyse, sollte man vielleicht doch ein bisschen nachdenklich werden. Eigentlich muss er was genommen haben, um so rosarot die Welt zu sehen, aber es gibt auch körpereigene Endorphine, sodass ich diesen Verdacht hier nicht aussprechen will.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD)

Er scheint davon viele zu produzieren, aber wohl nicht nur er, sondern die ganze Landesregierung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Er sollte sich vielleicht mal im Lande umsehen, aber bitte schön zum Thema! Die Große Anfrage der LINKEN klopft ja vor allem die in der Landesverfassung formulierten Staatsziele ab. Und die sind schlichtweg überflüssige Lyrik, die in einem Gesetzestext nichts zu suchen hat. Da muss man nicht im Verfassungsschutzbericht stehen, um diese Meinung zu vertreten. Herr Müller hat ja auch bemerkt, dass es eine Menge Juristen gibt, auch Politiker, die diese Meinung auch vertreten. Ich habe den Verdacht, dass viele von denen, die damals gegen die Landesverfassung gestimmt haben, 1994, diese Meinung vielleicht auch geteilt haben.

Es wurde ja so der Ton angeschlagen, gerade von der CDU, als ob das ganz schlimme Menschen gewesen wären, Agenten des Bösen, die es damals wagten dagegenzustimmen, und dass man sich heute vor Scham unter dem Tisch verkriechen müsste, wenn man dagegengestimmt hätte. Aber ich weise darauf hin, dass eine starke Minderheit 1994 gegen die Landesverfassung gestimmt hat und in Rostock und Schwerin sogar die Mehrheit der Bürger. Die müssen ja irgendwelche Gründe gehabt haben, und ich finde, das sind nachvollziehbare Gründe, die ich auch teile und auf die ich kurz eingehen möchte.

Für eine Verfassung gilt das Gleiche wie für alle menschlichen Werke, man kann sie auch verpfuschen. Unnötige Wiederholungen in einem Gesetzestext sind Pfusch. In Artikel 5 Absatz 3 der Landesverfassung steht: „Die im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte sind Bestandteil dieser Verfassung und unmittelbar geltendes Recht.“

(Udo Pastörs, NPD: Das reicht.)

Damit ist bereits vieles gesagt, was überflüssigerweise wiedergekäut wird in einigen Vorschriften der Landesverfassung. Es bedarf keines Artikels 13 der Landesverfassung, die fordert: Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen. Das folgt nämlich aus Artikel 3 Grundgesetz.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Es bedarf keines Artikels 14 Landesverfassung, „Schutz der Kinder und Jugendlichen“. Das folgt aus Artikel 6 Grundgesetz, Schutz der Familie. Artikel 17a der Landesverfassung, „Schutz von alten Menschen und Menschen mit Behinderung“, folgt aus dem Sozialstaatsprinzip, das ist integraler Teil des Grundgesetzes. Man muss das nicht alles noch mal ausformulieren, nach dem Motto, es ist schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es ist auch nicht erforderlich, Selbstverständlichkeiten von sich zu geben und Allgemeinplätzchen. Artikel 17 der Landesverfassung hat den Charakter eines Kinderweihnachtswunschzettels. Da heißt es: „Das Land trägt zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Es sichert im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts einen hohen Beschäftigungsstand.“ Na fein!

(Udo Pastörs, NPD: Bla, bla!)

Klingt ein wenig wie ein zweifelhaftes Arbeitgeberzeugnis: Im Rahmen seiner Möglichkeiten hat er sich immer bemüht. Ist doch klar, dass eine Regierung das versucht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das versucht jeder, auch Honecker damals, selbst in Nordkorea versuchen sie das, wenn auch mit wenig Erfolg. Was hat der Erwerbslose von Artikel 17 Landesverfassung? Gar nichts, der steht einfach nur da rum, es ist ein So-da-Artikel, der ist nur so da, und der Erwerbslose kann auf dieser Grundlage seinen Arbeitsplatz auch nicht einklagen. Das hilft ihm gar nichts, er kann das nur lesen und sagen, super, dass sie das Problem gesehen haben, auch wenn seit 20 Jahren, seit 25 Jahren trotzdem Massenarbeitslosigkeit herrscht.

(Udo Pastörs, NPD: Lyrik!)

Und auch das, was wir jetzt haben, würde ich immer noch als Massenarbeitslosigkeit bezeichnen.

Artikel 17a der Landesverfassung ist zudem nicht nur überflüssig, sondern nackter Hohn. Satz 1, da steht: „Land, Gemeinden und Kreise gewähren alten Menschen und Menschen mit Behinderung besonderen Schutz.“ Wie sieht es denn wirklich aus im Pflegebetrieb, zumindest in weiten Bereichen des Pflegebetriebs? Wer da hineingerät, wird ganz schnell seine Ersparnisse los und bis auf ein kleines Taschengeld auch seine Rente, selbst wenn es eine gute Rente ist.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wenn das nicht reicht, werden die Kinder abgezockt, indirekt sogar deren Ehepartner. Sieben Minuten für

Waschen, fünf Minuten für Füttern, so steht es doch in vielen Zeitplänen von Pflegekräften. Die pflegebedürftigen Menschen sind in vielen kommerziellen Pflegebetrieben nur noch Objekte der maschinenhaften Abläufe.

(Udo Pastörs, NPD: Renditeobjekte.)

Und das ist genau die Definition einer Verletzung der Menschenwürde. Wenn Menschen wie Objekte behandelt werden, nützt Artikel 17a gar nichts.

Würde die Landesregierung Artikel 18a Absatz 1 der Landesverfassung ernst nehmen, müsste sie in MecklenburgVorpommern stationierte Bundeswehrsoldaten aktiv daran hindern, zu Kriegseinsätzen, etwa nach Afghanistan, aufzubrechen, denn da steht: „Alles staatliche Handeln muss dem inneren und äußeren Frieden dienen …“, und Soldaten, die nach Afghanistan aufbrechen, dienen wohl kaum dem äußeren Frieden. Das ist alles nett gesagt, aber es ist zu nichts verpflichtend, die Soldaten gehen trotzdem in den Krieg.

Das kommt davon, wenn man mehr in eine Verfassung hineinschreibt, als man halten kann. Dadurch bekommt sie den Charakter einer Reklamebroschüre.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Und auf offenkundige Werbeanpreisungen kann man sich vor Gericht nicht berufen, weil – so die Rechtsprechung – jedem klar sein muss, dass die nicht ernst gemeint sind. Ich bin der Auffassung, das Grundgesetz reicht. Ich sehe schon die Notwendigkeit einer Landesverfassung nicht, aber wenn man sie schon macht, soll man sie nicht vergurken und sie gestalten als eine unglückliche Mischung aus Grundgesetz und Werbebroschüre und Wunschzettel. Deswegen würde ich auch heute noch gegen die Landesverfassung stimmen, wenn heute noch mal eine Volksabstimmung wäre. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Texter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst habe ich beim Lesen des Tagesordnungspunktes und bei der Überschrift so ein bisschen überlegt, wo die erkennbare Botschaft ist, denn zunächst steht ja auf der Tagesordnung lediglich „Beratung der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE gemäß § 63 Absatz 4 GO LT – 20 Jahre Verfassung des Landes MecklenburgVorpommern“.

Die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE ist, wie schon erwähnt, über 550 Seiten stark und sie enthält alle möglichen Aspekte, beginnend mit dem Vertrag von Lissabon über die Lebenserwartung in MecklenburgVorpommern, das Staatsangehörigkeitsrecht bis hin zum Thema Umgang mit Altschulden.

(Heinz Müller, SPD: Die Lebenserwartung ist stark gestiegen.)

Die Lebenserwartung ist stark gestiegen, das kann man ebenfalls nachlesen in der Großen Anfrage. Da sind auch die Vergleiche zu den anderen Bundesländern, also

Zahlen sind ausreichend vorhanden in der Antwort auf die Große Anfrage.

Ich glaube, der Fraktion DIE LINKE war bei der Einreichung der Großen Anfrage selbst nicht so ganz klar, in welche Richtung sie zielen wollte. Wenn man es sich hier einfach machen würde am Pult, würde man sagen, man referiert hier über 20 Jahre Verfassungsgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern, denn inhaltlich ist dem Tagesordnungspunkt ja nur diese Aussage zu entnehmen. Aber bei der Vorbereitung auf den Tagesordnungspunkt stellt man Recherchen an und spekuliert vielleicht auch ein wenig, worauf DIE LINKE hinauswill oder hinauswollte. Eine gewisse Hilfe bot dabei die Presse, denn eine Interpretation der Antwort auf die Große Anfrage hat Helmut Holter Ende April gegenüber dpa geäußert und diese Interpretation lautet kurzgefasst: Der östliche Landesteil ist abgehängt.

Ich als Vorpommer möchte natürlich insbesondere darauf Wert legen bei meinen Ausführungen und will mich darauf konzentrieren. Auch wenn der Wirtschaftsminister Harry Glawe in seinen Ausführungen hierzu ja schon eine ganze Menge gesagt hat, finde ich es dennoch wichtig, hierzu wirklich Stellung zu nehmen, insbesondere aus Sicht eines Vorpommern.

In der Antwort auf die Große Anfrage werden auch Fragen gestellt, zum Beispiel danach, wie ist in den Landesteilen der Bezug der Bürger zum jeweiligen Landesteil. Da ist festzustellen, dass sowohl in Vorpommern als auch im mecklenburgischen Teil die Menschen, die Bewohner sich stark identifizieren mit ihren Landesteilen. Es ist so, dass 77 Prozent aller Mecklenburger antworten, dass sie sich sehr stark mit Mecklenburg identifizieren, und auch in Vorpommern sind es 76 Prozent der Menschen, die diese Aussage treffen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und in Mecklenburg-Vorpommern?)

Man findet auch die Zahlen – ich will es nicht übertreiben mit Zahlen, Herr Müller hat das schon angedeutet, aber ich will das gern an der Stelle noch mal wiederholen –: In Mecklenburg sagen 89 Prozent der Menschen und in Vorpommern 87 Prozent der Menschen, unser Land Mecklenburg-Vorpommern hat sich seit der Deutschen Einheit gut beziehungsweise sehr gut entwickelt. Dennoch besteht eine hohe Identität mit den Landesteilen. Das ist auch nicht vorwerfbar, beide Landesteile haben Stärken und haben Schwächen.

Also das ist ein erstaunlicher Befund angesichts der gewaltigen Streubreite der Großen Anfrage, aber zumindest kann man damit arbeiten, vor allen Dingen, wenn man sich den übrigen Teil der dpa-Meldung anschaut. Dort heißt es, allerdings stark zusammengefasst, die Menschen im Osten seien ärmer und länger arbeitslos, sie hätten weniger Perspektiven als in Westmecklenburg, und insbesondere Männer – und jetzt hören Sie zu –, Männer sterben früher.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das sind die Fakten.)

Ja, das sind die Fakten, das ist richtig, Herr Holter. Da haben Sie Recht, die Zahlen lügen ganz sicher nicht, das ist so. Aber es gibt auch Vergleiche in anderen Bundesländern, es gibt deutschlandweite Vergleiche, da werden sich immer Unterschiede finden.

Die Frage ist doch, ist das, ist diese Tatsache auf ein Versäumnis der Landesregierung zurückzuführen. Bei der Beantwortung dieser Frage wäre ich mit Schuldzuweisungen etwas vorsichtig, denn in jedem Bundesland gibt es wirtschaftlich stärkere und wirtschaftlich schwächere Gebiete. Betrachtet man Deutschland insgesamt, gibt es wirtschaftlich starke und wirtschaftlich schwache Länder. Und in jedem Landkreis, auch in östlichen Landesteilen, gibt es wirtschaftlich schwache und wirtschaftlich starke Gemeinden.

Und ich sage Ihnen, das wissen Sie auch, es gibt nicht nur ein Ost-West-Gefälle, sondern es gibt insbesondere auch ein Nord-Süd-Gefälle, und das auch, wenn man das in kleinen Regionen betrachtet. Wenn wir uns den Landkreis ehemals Nordvorpommern, jetzt VorpommernRügen, ansehen, dann gibt es sehr, sehr starke Unterschiede, wenn man sich die Küstenbereiche ansieht oder wenn man 35 Kilometer ins Landesinnere fährt, zum Beispiel nach Franzburg, Richtenberg oder ähnliche Orte, dann wird man das feststellen. Genauso ist es, wenn man sich den Landkreis Vorpommern-Greifswald anguckt. Wenn man sich die Küstenregionen ansieht, dann ist das durchaus anders zu bewerten im touristischen Bereich, als wenn man sich Kerne anguckt, die weiter im Landesinneren liegen und beispielsweise in der Metallindustrie ihre Stärken aufweisen.