Protocol of the Session on January 29, 2015

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um das Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ringguth.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe deshalb um das Wort gebeten, weil zum einen mich dazu die Präsidentin geradezu aufgefordert hat, zum Zweiten aber auch, weil es mir persönlich schwergefallen ist, bei einigen Redebeiträgen von Kollegen hier zuzuhören.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Ich gehörte zu denen, die damals diesen gemeinsamen Antrag vorbereitet haben, der die Basis für die heutige Debatte hier war. Mir war das damals und mir ist das heute wichtig, dass Demokraten gemeinsam agieren. Warum?

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Da können Sie ruhig lachen, Pastörs, das macht die Sache nicht besser.

(Udo Pastörs, NPD: Bla, bla, bla!)

Einen Moment, Herr Ringguth! Also jeder Abgeordnete hat hier auch das Anrecht, dass er mit „Herr“ oder „Abgeordneter“ angesprochen wird, Herr Ringguth.

Sie haben selbstverständlich recht, Frau Präsidentin.

Herr Pastörs, Ihr Lachen entlarvt Sie nur ein weiteres Mal.

(Udo Pastörs, NPD: Mein Herr. – Zuruf von David Petereit, NPD)

Ich möchte Ihnen sagen, es ist doch für uns alle – wenn wir zurückschauen in die jüngere deutsche Geschichte auf die Morde des NSU und das, was in Deutschland geschehen ist, auch bei den völlig unzulänglichen Aufklärungen von verschiedenen Behörden, der Vertrauensverlust, der da entstanden ist – wichtig, dass wir gemeinsam daran arbeiten, dass verlorenes Vertrauen in der Gesellschaft wieder entsteht.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber was doch hier wirklich nicht gehen kann und was ich auch nicht verstehen kann, ist, dass über eine Behör

de wie die Verfassungsschutzbehörde in unserem Land in dieser Art und Weise gesprochen wird. Das geht schon, Herr Suhr, bei der Kontrolle dieser Behörde los.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist eine Spitzeltruppe, die mit Verbrechern zusammenarbeitet nachweislich.)

Es gibt wirklich nicht eine einzige Frage, die von Ihnen oder anderen Kollegen zur Kontrolle dieser Verfassungsschutzbehörde gestellt wurde in der zuständigen PKK,

(Udo Pastörs, NPD: Die arbeitet mit den Kriminellen zusammen.)

wo irgendein Kollege, der Abteilungsleiter V oder irgendein Kollege aus dem Verfassungsschutz Ihnen auch nur den Hauch einer Antwort zu einer Frage, die Sie gestellt haben, schuldig blieb, sondern das tiefe Bemühen, uns umfänglich zu informieren, dieses tiefe Bemühen spüren Sie doch. Und die Frage, ob Sie sich über Dinge, die selbstverständlich bei einem Geheimdienst auch mit schützenswerten Interessen Dritter und mit Datenschutz zu tun haben, dass Sie sich darüber nicht hinreichend mit Dritten austauschen können, also das rührt mich irgendwie tief.

(Udo Pastörs, NPD: Ach, das rührt mich tief!)

Aber mein Kollege hat heute hier schon gesagt, das ist eben dieser völlig unterschiedliche Ansatz, wenn wir über Geheimdienst reden.

(Udo Pastörs, NPD: Bla, bla!)

Geheimdienst ist eben kein öffentlicher Dienst, das ist das Spezifikum.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Und deswegen verstehe ich auch nicht, wenn zum Beispiel mein Kollege Barlen hier heute sozusagen die erfolgreiche Außenwirkung einer solchen Behörde davon abhängig macht, wie viele Pressemitteilungen diese in der jüngeren Vergangenheit gemacht hätte. Ja, mein Gott, mir ist ein guter Verfassungsschutz in diesem Land wichtig. Und wissen Sie, warum? Weil Dinge nie wieder geschehen dürfen, die geschehen sind,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

und weil so gut wie möglich durch diesen Verfassungsschutz rechtzeitig vor Gefahren, vor denen diese Gesellschaft und wir uns befinden, auch gewarnt wird.

(Udo Pastörs, NPD: Der ist beteiligt an den Verbrechen des NSU, das wissen Sie doch.)

Viel weniger wichtig ist, welche Öffentlichkeitsarbeit da erfolgt. Das ist für mich zumindest, lieber Kollege Barlen, kein Maßstab.

(Julian Barlen, SPD: Das muss einfach alles zusammenpassen. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Zum Abschluss will ich einfach nur noch mal sagen, für mich ist es wichtig, auch für meine Fraktion ist es wichtig, dass wir bei aller Kritik, die es in der Vergangenheit ge

geben hat, aber eines feststellen: Sowohl die Beamtinnen und Beamten der Polizei unseres Landes als auch die Kolleginnen und Beamtinnen und Beamten im Verfassungsschutz unseres Landes leisten eine gute Arbeit.

(Beifall Minister Lorenz Caffier)

Ich bedanke mich hier für meine Fraktion ausdrücklich bei diesen Behörden. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 6/3536 zur Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abschiebungshaft nicht ausweiten, sondern vermeiden, Drucksache 6/3619.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abschiebungshaft nicht ausweiten, sondern vermeiden – Drucksache 6/3619 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Gajek.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Freiheit der Person nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz ist ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf. Die Freiheitsentziehung ist der intensivste Grundrechtseingriff, den das deutsche Rechtssystem überhaupt kennt. Die Abschiebungshaft ist eine reine Verwaltungsmaßnahme, keine Freiheitsstrafe. Menschen, die in Abschiebehaft kommen, haben keine Straftat begangen, die Abschiebungshaft dient lediglich der Sicherung oder der Vorbereitung der Abschiebung von ausreisepflichten Menschen.

Weil die Abschiebungshaft keine Straftat ist und von den Gefangenen keine Gefährdung für die Gesellschaft ausgeht, soll sie milder gestaltet werden als die Straftat. Die Europäische Rückführungsrichtlinie enthält deshalb ein striktes Trennungsverbot von Straf- und Abschiebungshaft. Gegen dieses Trennungsgebot hat die Landesregierung jahrelang verstoßen, indem sie die Abschiebungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bützow vollziehen ließ. Das machte das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 17. Juli 2014 deutlich.

Noch 2011 waren in der JVA Bützow insgesamt 67, 2012 60, 2013 86 und 2014 12 Abschiebungshäftlinge inhaftiert. Für ihren rechtswidrigen Abschiebungshaftvollzug kassierte die Landesregierung von den Häftlingen rund 70 Euro pro Tag. Nun werden die Abschiebungshäftlinge

in der Abschiebungshaftanstalt im brandenburgischen Eisenhüttenstadt untergebracht. Doch auch diese unterscheidet sich kaum von einer Justizvollzugsanstalt, davon konnte ich mich kurz vor Weihnachten persönlich überzeugen.

Das Ziel der Abschiebungshaft, die Durchsetzung der Abschiebung, führt zu Haftumständen, die schlechter sind als im Strafvollzug. Die Ungewissheit darüber, wie lange die Inhaftierung dauern wird, ist extrem belastend. Das Hauptziel ist nicht die Wiedereingliederung in die Gesellschaft, sondern, im Gegenteil, die Ausschaffung aus dem Land.

Für Menschen, die längere Zeit, manche ihr gesamtes Leben, in Deutschland verbracht haben, bedeutet das Haftende den endgültigen Verlust ihrer bisherigen Lebensumstände und die Zerstörung ihrer sozialen Beziehungen. Bei Flüchtlingen ist die Zeit in Haft geprägt von der Angst vor einer Rückschiebung in die Situation, der sie entflohen waren, und wirkt oft retraumatisierend.

Die vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst im Juni 2010 veröffentlichte Studie „Quälendes Warten“ zeigt, wie die Abschiebungshaft wirkt. Abschiebungshaft macht Menschen krank und das belegt die Studie. Das sind nicht nur die physischen Erkrankungen, sondern insbesondere die psychischen Erkrankungen belasten die Gesundheit der Betroffenen. Danach gaben drei Viertel der befragten Häftlinge an, dass ihre physische Gesundheit während der Haft gelitten habe. Dass sich ihre psychische Gesundheit in der Haft verschlechtert habe, gaben 90 Prozent der Befragten an. Besonders häufig traten Depressionen, Traurigkeit, Wutgefühle, Schlaflosigkeit, Anspannungs- und Stressgefühle, Suizidgedanken und Verwirrung auf. Viele von ihnen nahmen das Leben in der Haft schon nach einem Monat als schwierig oder gar unerträglich wahr. Ursache für ihre psychischen Probleme war unter anderem das Gefühl, als Mensch elementare Grundrechte verloren zu haben, die allgemeinen Lebensbedingungen in der Haft, die Behandlung durch das Wachpersonal und Probleme des Zusammenlebens mit den anderen Gefangenen. Die Studie zeigt deutlich, dass Abschiebungshaft unverhältnismäßig und unmenschlich ist. Die negativen Auswirkungen der Abschiebungshaft auf die Abschiebungshäftlinge sprechen in Zusammenschau mit den finanziellen Kosten für eine Abschaffung dieser Maßnahme.

Als ich in Eisenhüttenstadt war, war übrigens nur ein einziger Abschiebehäftling dort von 108 Häftlingsplätzen, und acht Bundesländer bringen dort ihre Abschiebungshäftlinge unter. Ich glaube, die Zahl spricht für sich.

In den Koalitionsverträgen mehrerer Bundesländer wurde bereits vereinbart, auf eine Abschaffung der in die Zuständigkeit des Bundes fallenden Abschiebehaft und bis dahin auf eine weitgehende Reduzierung der Abschiebungshaftanträge hinzuarbeiten. Mecklenburg-Vorpom- mern sollte sich dem anschließen.