Protocol of the Session on February 1, 2012

Und wenn Sie heute, meine Damen und Herren oder Frau Borchardt, sagen wollen hier im Parlament, dass die CDU diesen Bürgerbeauftragten nicht ganz ernst nimmt, dann muss ich Ihnen leider sagen – das hätte ich mir jetzt erspart –, dass in den Protokollen 1994/95 steht, dass Sie tatsächlich ein eigenes Gesetz eingebracht haben, aber als Herr Dr. Schoenenburg dann dieses Gesetz hier einbringen sollte, war er gar nicht anwesend,

(Zuruf aus dem Plenum: Oh!)

und Frau Muth hat ihn gesucht und konnte ihn nicht finden. Insofern brachte niemand dieses Gesetz aus Ihrer Partei ein. Ich frage mich, ob das wirklich große Verantwortung gegenüber dem Bürgerbeauftragten war.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Der Bürgerbeauftragte hat den Auftrag, wie Sie richtig sagen, zur Wahrung der Rechte der Bürger gegenüber der Landesregierung und den Trägern der öffentlichen Verwaltung in unserem Land sowie zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger in sozialen Angelegenheiten kontrollierend tätig zu werden. Bei Notwendigkeit sind diese Rechte und Grundrechte auch zukünftig einzufordern.

Ein besonders zusätzliches Gewicht erhielt er durch das Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz und natürlich durch den Status einer obersten Dienstbehörde in Anlehnung an Paragraf 96 der Strafprozessordnung. In den zurückliegenden 15 Jahren hat sich dieses Gesetz, die Stellung des Bürgerbeauftragten bewährt, sodass kaum jemand ernsthaft dieses Gesetz wohl in Gänze hier infrage stellen würde.

Das Gesetz, so meine ich, ist auch nicht aus Stein gemeißelt, sodass in den nächsten Jahren wahrscheinlich dieses Gesetz auch den gesellschaftlichen Anforderungen angepasst werden könnte. So wäre es aus meiner Sicht durchaus möglich, den Bürgerbeauftragten in den nächsten Jahren direkt durch die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes wählen zu lassen. Das wird seine Stellung wahrscheinlich wesentlich erhärten und der Restzweifel an einer „Regierungsnähe“ könnte damit beseitigt werden. Bisher gab es diese Befürchtungen der „Regierungsnähe“ allerdings nicht.

Der Bürgerbeauftragte ist eine feste Institution sowie Bestandteil unserer demokratischen Strukturen in unserem Land geworden. Er ist oft als Vermittler zwischen der Politik und den Wählern unentbehrlich. Von seiner vertrauensvollen Stellung zu unseren Wählern und zu den Bürgern zeugt auch, dass er über 22.000 Eingaben in den letzten 15 Jahren bearbeitet hat.

Die Annahme eines Kodex für gute Verwaltungspraxis durch das Europäische Parlament zeigt eigentlich, dass die Bürgerrechte nicht überall und durchgängig gleichermaßen gewahrt werden. Der Bürgerbeauftragte steht somit natürlich auch im Spannungsfeld zwischen den Interessen des Staates und den Interessen und Rechten der Bürger und manchmal für ganz simple Dinge, zum Beispiel Höflichkeit, Fairness, Objektivität des Handelns, Entscheidungen in einer angemessenen Frist, um nur einige Dinge aus diesem Kodex zu nennen.

Bei mancher Kritik über unzulängliches Verhalten der Verwaltung hat dennoch der Bürgerbeauftragte dafür zu sorgen und Einfluss zu nehmen, dass nicht ein Generalverdacht auf alle Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung zugelassen wird. Eine besondere Hauptaufgabe für den Bürgerbeauftragten sehe ich gerade aufgrund seines mit hohem Verfassungsrang ausgestatteten Amtes darin, dass er politisch unverdächtig ist, Bürgerinnen und Bürger, die sich leider in links- und rechtsextremen Rand- gebieten unseres Landes oder unserer Gesellschaft befinden, zurückzuholen in die Mitte unserer Gesellschaft.

(Zurufe von Stefan Köster, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Insbesondere gilt es gerade auch, junge Menschen vertrauensvoll an die Mitgestaltung und Partizipation unserer Gesellschaft heranzuführen und teilnehmen zu lassen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das gilt auch für die Bürgerinnen und Bürger, die von der Politik enttäuscht sind. Das Gleiche, denke ich, gilt auch besonders dafür, sich vertrauensvoll an die Menschen zu wenden, die durch unsere Gesellschaft, aus welchen Gründen auch immer, benachteiligt wurden und mit ihren Sorgen und Existenzängsten allein gelassen wurden.

Wir alle, meine Damen und Herren, sind aufgefordert, mit dem Bürgerbeauftragten gemeinsam eine kluge Politik zu machen und über Parteigrenzen hinweg ihn zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat der Ab- geordnete Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Aussprachetagesordnungspunkt ist überschrieben mit „Amt des Bürgerbeauftragten ernst nehmen“. Die Benennung dieses Tagesordnungspunktes ist in der Tat bemerkenswert, erweckt jedoch den Eindruck, dass eben jenes Amt des Bürgerbeauftragten, von wem auch immer, nicht ernst genommen werden könnte. Dabei ist dieses Amt hoch angesiedelt. Der Vorredner hat schon auf die Verankerung in der Verfassung hingewiesen.

Ich möchte auf eine andere Verfassungspassage eingehen, weil sie im direkten Zusammenhang mit dem Bürgerbeauftragten steht. Ich zitiere: „Jeder hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“ Der Bürgerbeauftragte hat hier eine Dienstleistungsfunktion. Er ist Vermittler und er hat zu gewährleisten, dass Bürgerinnen und Bürger ihr gerade zitiertes in der Verfassung verbrieftes Recht auch wahrnehmen können. Das kann er auf Antrag von Bürgern und Bürgerinnen, auf Anforderung dieses Hauses, des Petitionsausschusses, der Landesregierung oder, was ich auch bemerkenswert finde, von Amts wegen tun. Kurzum: Er kann sich einmischen, wenn er das für angebracht oder erforderlich hält.

Sehr geehrte Damen und Herren, allein hier wird deutlich, dass dies eine überaus bedeutende und eine überaus ernst zu nehmende Aufgabe ist. Gleichwohl oder vielleicht gerade, weil wir dieses Amt für so bedeutend halten, lohnt es sich jedoch einmal, unseren Erwartungen an den neu zu wählenden Bürgerbeauftragten Ausdruck zu geben. Ich glaube, dass wir dies gemeinsam vor dem Hintergrund der neuen Lust vieler Bürgerinnen und Bürger auf Einmischung und Mitbestimmung tun sollten.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wo man hinsieht auf unseren Straßen und Plätzen, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Internet, die Bürgerinnen und Bürger haben mehr denn je das Bedürfnis, bei politischen Diskussionen mitzureden und sich zu engagieren. Sie wollen Entscheidungen eben nicht allein der Politik überlassen. Und das, meine Damen und Herren, ist auch gut so, denn die Beteiligung vieler stärkt die Demokratie, sie ergänzt unser repräsentativ demokratisches System. Denn wie hat es Max Frisch einmal sehr

zutreffend ausgedrückt: „Demokratie ist die Einmischung in die eigenen Angelegenheiten.“

Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, muss der Bürgerbeauftragte die Gabe des Zuhörens mitbringen, denn die Menschen in unserem Land erwarten zu Recht, dass ihnen zugehört wird, dass sie ihre Ängste und ihre Sorgen, aber auch ihre Anliegen und ihre Bedenken vortragen und zunächst einfach einmal loswerden können.

Dabei muss der Bürgerbeauftragte ein hohes Maß an Akzeptanz und Neutralität aufbringen können, denn wie heißt es in der Verfassung: „Der Bürgerbeauftragte ist in der Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.“ Dabei interessiert es nicht, ob der Bürgerbeauftragte die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger teilt, er hat sie aufzunehmen und ebenso zu behandeln wie die Anliegen, für die er Sympathie hegt.

Ich persönlich glaube übrigens, dass Unabhängigkeit und umfassende Akzeptanz Schlüsselfähigkeiten für dieses Amt sind. Aber ich finde, dass die Aufgaben des Bürgerbeauftragten noch deutlich über diese Punkte hinausgehen, denn ein Bürgerbeauftragter sollte Bürgerinnen und Bürger nicht nur anhören und ihre Anliegen an die richtigen Stellen weiterleiten, er sollte die Menschen in unserem Land auch dazu ermuntern, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen, unbequem zu sein, im besten demokratischen Sinne zu streiten und für die eigenen Anliegen offensiv einzustehen.

Das mag so manchem von uns nicht immer passen und es mag auch nicht immer leicht sein, sich genau dieser Auseinandersetzung zu stellen, doch ich möchte eines hier festhalten: Bei aller Neutralität, der Bürgerbeauftragte hat im Rahmen unserer demokratischen und humanistischen Grundwerte Partei zu ergreifen, und zwar ohne Wenn und Aber für die Anliegen und Interessen der Bürgerinnen und Bürger, die sich an ihn wenden.

(Torsten Renz, CDU: Sehr richtig.)

So muss der Bürgerbeauftragte Begleiter bei der Entwicklung politischer Mündigkeit durch Aufklärung und durch Mitwirkung sein. Ein Bürgerbeauftragter, der sein Amt auf diese Art und Weise interpretiert, der den Mut aufbringt, mitunter auch unbequem zu sein, der sich als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger versteht, ein solcher Bürgerbeauftragter kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen in Mecklenburg-Vor- pommern sich in stärkerem Maße einbringen und dass sie, wie Max Frisch es beschrieb, dies als „Einmischung in die eigenen Angelegenheiten“ verstehen. Ich bin sicher, dass dann niemand mehr, so, wie bei der Nennung des Tagesordnungspunktes unterstellt, hinterfragen wird, ob das Amt des Bürgerbeauftragten wirklich ernst genommen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Lenz von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war 1995, als der erste parlamentarisch gewählte Bürgerbeauftragte Mecklenburg-Vorpommerns seine Tätigkeit aufnahm. Mit Artikel 36 der Landesverfassung und der Verabschie

dung des Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetzes im April 1995 waren dafür die gesetzlichen Grundlagen geschaffen worden. In dem Zeitraum von 1995 bis 2010 wurden – und ich denke, das ist eine beachtliche Zahl – über 22.000 Petitionen bearbeitet.

Alle bisherigen Bürgerbeauftragten, ob es Frieder Jelen war, Heike Lorenz aus der PDS, die erst 1998 in den Landtag gewählt wurde und 2000 als Bürgerbeauftragte gewählt worden ist, dafür übrigens rückte dann ja Herr Karsten Neumann nach, der auch aus seinem Amt als Datenschutzbeauftragter heraus für das Amt des Oberbürgermeisters in Stralsund kandidierte – ich denke, das ist jedem freien Menschen in unserem freien Staat möglich –, und auch unseren Bernd Schubert haben wir als Bürgerbeauftragten sehr, sehr ernst genommen. Das hat auch Herr Suhr noch einmal bestätigt, alle haben sich sehr engagiert für die Anliegen der Bürger. Für die geleistete Arbeit danke ich im Namen meiner Fraktion allen bisherigen Bürgerbeauftragten und natürlich erst recht deren Mitarbeitern.

Ich denke, dass ein kurzer Einblick in die Arbeit des Bürgerbeauftragten sehr hilfreich ist, um zu verstehen, dass dieses Amt auch für die Mitarbeiter sowie natürlich erst recht für den Bürgerbeauftragten kein Zuckerschlecken ist. Schauen wir deshalb nur ganz kurz auf die Bilanz des Jahres 2010:

Im Jahr 2010 wurden dem Bürgerbeauftragten 1.567 Bit- ten, Beschwerden und Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern vorgetragen, von denen bis zum Jahresende bereits 1.304, das sind immerhin 83 Prozent, abschließend bearbeitet werden konnten. Jeder Petition, das muss man wissen, muss gewissenhaft nachgegangen werden. Die Bürger erwarten, glaube ich, zu Recht, dass sich der Bürgerbeauftragte als Anwalt der Bürger versteht und versucht zu helfen. Nicht selten fungiert er auch als Ratgeber, Vermittler und Lotse für die Bürger, die sich der immer komplexer werdenden Verwaltungsstruktur oft hilflos gegenübersehen.

Der Bürgerbeauftragte ist auch vor Ort tätig. Allein im Jahr 2010 wurden insgesamt 49 Sprechtage in allen Landkreisen und kreisfreien Städten durchgeführt, 16 davon gezielt in kleinen Städten und Gemeinden als Sprechtage im ländlichen Raum. Ich finde, dieses bürgernahe Handeln verdient Respekt. Nur wer die Probleme vor Ort kennt und direkt mit dem Bürger ins Gespräch kommt, weiß auch, wovon er redet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ich anfangs gesagt habe, haben alle Bürgerbeauftragten ihr Amt sehr ernst genommen, und ich bin mir sicher, für den neu zu wählenden Bürgerbeauftragten – und ich weiß nicht, woher Sie das Wissen nehmen, dass es bei uns in der Fraktion Streit und Gezerre um diesen Posten gegeben hat, ich weiß nicht, wer Ihr Ohr war, Frau Borchardt –

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das kann ich Ihnen sagen. Wollen Sie es wissen?)

haben wir, denke ich, mit Matthias Crone einen Menschen gefunden aus unseren Reihen, der durch seine christliche Überzeugung und menschlichen Qualitäten ein sehr guter Anwalt für die Bürger sein wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Das stimmt.)

Persönlich schätze ich Matthias Crone auch sehr. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Andrejewski von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Doppelstruktur aus Petitionsausschuss und daneben den Bürgerbeauftragten ist eine reine Parteibuchpostenschacherei. Es wird eine zusätzliche Position geschaffen, damit noch einer versorgt ist. Die einen haben dann einen Vorsitzenden des Petitionsausschusses, die anderen den Bürgerbeauftragten, womit die Beute zur Zufriedenheit der Parteicliquen verteilt wäre. Für den Bürger wäre es allerdings besser, wenn auf Landesebene die Betreuung ihrer Beschwerden und Anregungen in einer Hand wäre, entweder Bürgerbeauftragter oder Petitionsausschuss. Einer von beiden muss weg und die frei werdenden Ressourcen könnten dann zur Stärkung der übriggebliebenen Institutionen verwandt werden.

Respekt gebührt dabei nicht irgendeinem Amt, wie DIE LINKE meint, sondern dem Bürger, der sich mit seinem Anliegen an den Staat wendet.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Ämter und Mandate sind in diesem System ohnehin nur Spielmaterial der Parteien. Der ehemalige Bürgerbeauftragte warf sein Amt hin, weil das Parteiinteressen erforderten, dass er für Ostvorpommern stattdessen für den Landtag kandidierte. Sein Parteifreund, der auf Usedom das Direktmandat gewann, schmeißt dasselbe seinen Wählern vor die Füße und blieb lieber Staatssekretär. Das ist nicht schön, aber so ist das Parteiensystem.

Und DIE LINKE ist auch nicht besser. Ich erinnere nur an den Auftritt von Gregor Gysi als Kurzzeitwirtschaftssenator in Berlin. Vor diesem Amt hatte er auch keinen Funken Respekt gehabt. Kaum wurde ihm klar, dass es mit Arbeit verbunden ist, schon war er weg und wieder in den Talkshows, wo er mit Labern durchkommt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist doch Schwachsinn, was Sie da erzählen! – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was hat das damit zu tun?)

Und Lafontaine desertierte von seinem Amt als Bundesfinanzminister 1998, weil er ein bisschen Stress nicht abkonnte, kein Respekt vor Ämtern.