Protocol of the Session on February 1, 2012

Gerade an diesem Gedenktag wird vor dem Hintergrund der Mordserie der nationalsozialistischen Terrorgruppe in den vergangenen Jahren deutlich, wie notwendig es ist, sich immer wieder mit aller Entschiedenheit gegen Intoleranz und Unmenschlichkeit zu stellen. Dabei sind alle Menschen, die sich zur Demokratie bekennen, gefragt, Zivilcourage zu leben und zu vermitteln. Dies, sehr geehrte Damen und Herren, sind wir Erich Kary schuldig und den vielen Millionen Menschen, denen die Nazis unendliches Leid zugefügt haben.

(Michael Andrejewski, NPD: Das war „Das Wort zum Sonntag“.)

Unsere Verantwortung ist dabei zeitlos. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/283. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/283 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN bei Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: Aussprache zum Thema „Amt des Bürgerbeauftragten ernst nehmen“.

Aussprache zum Thema Amt des Bürgerbeauftragten ernst nehmen

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst für die Fraktion DIE LINKE Frau Borchardt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aussprache zum Thema „Amt des Bürgerbeauftragten ernst nehmen“ beantragt. Anlass ist das aus unserer Sicht unwürdige Gezerre um die Neubesetzung des Amtes des Bürgerbeauftragten in unserem Land.

Erinnern wir uns: Im Juli 2011 verkündete der damalige Bürgerbeauftragte Herr Schubert, dass er sich entschlossen hat, wieder für den Landtag zu kandidieren. Im September stand fest, er wird wieder in den Landtag einziehen. Damit war das Amt des Bürgerbeauftragten unbesetzt. Was nun unter den Augen der Öffentlichkeit ablief, hat aus unserer Sicht dem Amt des Bürgerbeauftragten mehr als geschadet.

Nun, es ist ein offenes Geheimnis, dass die Koalitionsfraktionen und insbesondere die CDU-Fraktion an der Daseinsberechtigung dieses Amtes zweifeln.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Das wurde bereits in der Debatte um die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern deutlich. Ungeachtet dessen hat der Landtag in unserer Verfassung die Wahl eines Bürgerbeauftragten beschlossen. Die Verfassung wurde von den Bürgerinnen und Bürgern mehrheitlich im Rahmen einer Volksabstimmung angenommen.

Und das, meine Damen und Herren, ist etwas Besonderes. Bürgerbeauftragte gibt es in Deutschland auch in anderen Ländern, aber in keinem anderen Land ist dieses Amt in der Verfassung verankert. Und ich zitiere:

„(1) Zur Wahrung der Rechte der Bürger gegenüber der Landesregierung und den Trägern der öffentlichen Verwaltung im Lande sowie zur Beratung und Unterstützung in sozialen Angelegenheiten wählt der Landtag auf die Dauer von sechs Jahren den Bürgerbeauftragten; einmalige Wiederwahl ist zulässig. Er kann ihn mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages vorzeitig abberufen. Auf eigenen Antrag ist er von seinem Amt zu entbinden.

(2) Der Bürgerbeauftragte ist in der Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Er wird auf Antrag von Bürgern, auf Anforderung des Landtages, des Petitionsausschusses, der Landesregierung oder von Amts wegen tägig. (3) Das Nähere regelt das Gesetz.“

Artikel 36 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpom- mern.

Diese Festschreibung in der Verfassung verpflichtet uns als Landtag nicht nur, einen Bürgerbeauftragten zu wählen, sondern auch, diese Funktion, seine Arbeit ernst zu nehmen. Dieser Verpflichtung sind insbesondere die Koalitionsfraktionen in den letzten Monaten nicht nachgekommen. Man könnte fast behaupten, sie nehmen unsere Landesverfassung nicht so ernst.

(Egbert Liskow, CDU: Na, na, na, na!)

Was nach den Wahlen stattfand, war parteipolitisches Taktieren.

(Torsten Renz, CDU: Was denn zum Beispiel?)

Die Koalition hat sich entschieden, der CDU das Vorschlagsrecht zu übertragen.

(Torsten Renz, CDU: Sehr richtig.)

Krampfhaft hat dann die CDU-Fraktion versucht, einen gewählten Abgeordneten aus ihren Reihen zu überreden, dieses Amt zu übernehmen und sich der Wahl zu stellen. Aber nicht, weil sie der Auffassung war, der eine oder andere sei dafür geeignet, nein, um nicht gewählte Parteikollegen über das Freiwerden eines Mandates in den Landtag nachrücken zu lassen.

(Udo Pastörs, NPD: Herr Wulff kann das demnächst übernehmen.)

Dass sich niemand bereit erklärt hat, zeigt aus unserer Sicht auch, wie der Einzelne zu diesem Amt steht.

(Torsten Renz, CDU: Alles Unterstellungen! – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Aber das soll jeder für sich bewerten.

(Torsten Renz, CDU: Was Sie hier jetzt machen, ist dem Amt nicht würdig.)

Uns ist auch klar, dass Sie in der Aussprache mit dem Argument kommen werden, was wir wohl wollen, die Institution des Bürgerbeauftragten gibt es ja weiterhin, auch wenn das Amt selbst nicht besetzt ist. Das ist wohl richtig. Und an dieser Stelle möchte ich im Namen meiner Fraktion den Mitarbeitern beim Bürgerbeauftragten und insbesondere Herrn Schloh für seine Arbeit recht herzlich danken.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Sie waren auch weiterhin als Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger da, haben ihnen zugehört, ihre Probleme versucht zu klären. Ich sage aber auch, das ist eben nicht dasselbe. Nicht umsonst haben wir in der Verfassung die Wahl des Bürgerbeauftragten verankert, ihm im Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz Rechte und Pflichten festgeschrieben.

Mit der Festschreibung in der Landesverfassung haben wir den Bürgerinnen und Bürgern ein niederschwelliges Angebot gemacht, sich mit ihren Anliegen direkt an eine Person zu wenden. Bewusst wurden die Hürden für den Bürger sehr niedrig gesetzt. Der Betroffene muss eben nichts aufschreiben, kann sein Anliegen mündlich vortragen. Damit haben wir auch die Möglichkeit geschaffen, dass sich beim Bürgerbeauftragten andere Sachverhalte

darstellen könnten als im Petitionsausschuss oder dass er sich auch an ein anderes Klientel wendet.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die jährlichen Berichte des Bürgerbeauftragten zeigten eindrucksvoll, dass der Bürgerbeauftragte neben dem Petitionsausschuss des Landtages seine Daseinsberechtigung hat. Und damit möchte ich auf ein weiteres Argument der Vergangenheit eingehen:

Oft wird in der Öffentlichkeit vermittelt, dass diese Doppelstrukturen unsinnig sind und dem Land nur Geld kosten. Nun habe ich mir mal die Mühe gemacht, dieser Behauptung nachzugehen. Bei etwa 1.000 Petitionen beim Bürgerbeauftragten beziehungsweise beim Petitionsausschuss haben sich lediglich unter zehn Prozent der Petenten sowohl an den Petitionsausschuss als auch an den Bürgerbeauftragten gewandt. Selbst für diese Petitionen gab es aufgrund der guten Zusammenarbeit eine Verständigung darüber, wer diese Petitionen weiter bearbeitet beziehungsweise über welche Informationen man verfügt, um Widersprüche in der Beantwortung durch die zuständigen Behörden aufzuklären. Und sollten wir nicht alle gemeinsam ein großes Interesse daran haben, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden können, an wen sie sich wenden können und wer ihnen am schnellsten bei der Lösung ihres Problems helfen kann?

Ja, auch das ist richtig: In irgendeiner Weise sind alle Mitglieder des Landtages auch Beauftragte des Bürgers. Oft werden wir in unseren Wahlkreisen mit Problemen konfrontiert, aber die gleichen Rechte wie der Bürgerbeauftragte haben wir eben nicht. Und es ist eben auch eine Tatsache, dass sowohl der Petitionsausschuss als auch der Bürgerbeauftragte von Mitgliedern des Landtages Petitionen aus ihrem Wahlkreis zur weiteren Bearbeitung übergeben bekommen. Das machen Sie doch nicht, weil Sie nicht bereit sind, sich weiter intensiv zu kümmern, oder? Und dass die Bürgerinnen und Bürger sich mit ihren Anliegen auch an andere Stellen, wie zum Beispiel den Ministerpräsidenten oder einzelne Fachministerien, wenden können, ist doch gut und sollte uns alle erfreuen.

Denn eins steht fest: Bei aller Diskussion um Politikverdrossenheit ist doch das Zeichen, dass die Bürgerinnen und Bürger zu den Politikerinnen und Politikern, zum Ministerpräsidenten, zum Petitionsausschuss oder Bürgerbeauftragten gehen, auch ein Zeichen des Vertrauens, das Vertrauen, das diejenigen, die Gesetze auf den Weg bringen beziehungsweise eine Kontrollfunktion haben, auch bereit sein sollten, über ihre eigenen Entscheidungen noch mal nachzudenken, um im Interesse des Petenten vielleicht ihre Entscheidung zu revidieren. Das spricht auch nicht gerade für eine Stärkung, wenn wir das insgesamt ablehnen. Es ist ein positives Signal, wenn bei aller Diskussion der Politikverdrossenheit die Bürgerinnen und Bürger sich dieses Recht nehmen, und wir sollten dieses Recht auch weiter stärken.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun steht heute die Wahl eines Bürgerbeauftragten auf der Tagesordnung. Einige werden sagen: Was lange währt, wird gut. Ja, die Entscheidung der CDU-Fraktion für die Wahl des Bürgerbeauftragten war eine gute Entscheidung. Das will ich an dieser Stelle sagen, auch im Namen meiner Fraktion. Wir hoffen – und in der Anhörung in unserer

Fraktion ist es deutlich geworden –, dass er erst mal einen Vertrauensvorschuss erfahren wird. Und wir hoffen, dass dieses Vertrauen, wenn er dann gewählt wird, auch nicht enttäuscht wird.

Wir hoffen aber auch, und das will ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen, dass wir gemeinsam die Chance nutzen, um eventuell über das Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern nachzudenken. Wir sollten gemeinsam darüber nachdenken, ob wir den Bürgerbeauftragten in seinen Rechten, aber auch den Petitionsausschuss in seinen Rechten weiter stärken könnten, damit die vermeintlichen Vorbehalte vielleicht ausgeräumt werden könnten.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Leider wurde dieser durch die Koalitionsfraktionen ohne Diskussion abgelehnt. Ich hoffe, dass in dieser neuen Legislaturperiode wir gemeinsam ins Gespräch kommen, immer mit dem Ziel, die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern zu stärken und ihnen Möglichkeiten an die Hand zu geben, hier im Land Mecklenburg-Vorpommern an der Veränderung aktiv teilzuhaben. – Ich danke für die Aussprache.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Dachner von der Fraktion der SPD.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Wie antastbar und zerbrechlich diese Würde ist, erleben wir leider oftmals in unserem Alltag. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit, aber auch die Gleichheit aller Menschen, um nur einige Grund- und Bürgerrechte sowie Menschenrechte hier zu nennen, gilt es auch zukünftig durch uns und durch den Bürgerbeauftragten zu gewährleisten.

Insofern ist der Kampf um die Menschenrechte immer auch eine Auseinandersetzung um die inhaltliche Auslegung bestehender Rechte und die Kritik an Unzulänglichkeiten des bestehenden Menschenrechtsschutzes. Auch deshalb wird entsprechend des Artikels 36 un- serer Verfassung seit 15 Jahren der Bürgerbeauftragte gewählt.

Und wenn Sie heute, meine Damen und Herren oder Frau Borchardt, sagen wollen hier im Parlament, dass die CDU diesen Bürgerbeauftragten nicht ganz ernst nimmt, dann muss ich Ihnen leider sagen – das hätte ich mir jetzt erspart –, dass in den Protokollen 1994/95 steht, dass Sie tatsächlich ein eigenes Gesetz eingebracht haben, aber als Herr Dr. Schoenenburg dann dieses Gesetz hier einbringen sollte, war er gar nicht anwesend,