Ihre Rede war zu 90 Prozent in Ordnung, enthält die üblichen sozialdemokratischen Fehleinschätzungen, aber inhaltlich haben Sie vieles richtig gesagt. Auch Ihre Presseerklärung zum Fall Edathy war ungewöhnlicherweise sehr gradlinig, das sieht man bei Ihnen sehr selten.
Die Edathy-Affäre brachte allerdings zum Vorschein, Herr Dr. Nieszery, was in dieser Gesellschaft alles möglich ist, ohne dass die Kinder geschützt sind und die Erwerber dieser Bilder mit einer Bestrafung zu rechnen haben. Und
Herr Maas – dazu komme ich gleich noch – möchte lediglich den gewerbsmäßigen Handel von Kindern mit Nacktbildern unter Strafe stellen. Aber das reicht nicht aus.
„Die Opfer von Kinderpornographie und Kinderprostitution werden immer jünger, die Taten immer drastischer“, so lautet die Schlussfolgerung der UN-Sonderbeauftragten nach sechs Jahren im Amt. Verantwortlich hierfür sind demzufolge das expandierende Internet und ein sogenanntes „soziales Milieu der Toleranz“. Am Ende ihrer Amtszeit gibt die UN-Beauftragte für Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie unter anderem folgende Ursachen des vor allem seit 2008 vollzogenen Wandels, der wiederum massive Auswirkungen auf die Ausbreitung des Kinderhandels und der Kinderprostitution hat, an. Genannt wurden unter anderem die fortschreitende Globalisierung, die Finanzkrise und die Verstädterung.
Zu Recht macht der Kinderpsychiater Michael Winterhoff auf ein Dilemma dieser Gesellschaft aufmerksam und ich schließe mich seiner Auffassung an, Zitat: „Es gebe bei aktuellen Anlässen immer wieder eine große Hysterie beim Thema Kinderschutz, aber im Alltag fehle oft der ,wache Blick für die Kinder.‘“ Zitatende. Ganz nach dem Motto, und das ist das Motto Ihrer Parteien: „Aus dem Auge, aus dem Sinn“. Winterhoff forderte eine Verschärfung der Gesetze, Zitat: „Es sollte verboten werden, Nacktfotos von Kindern zu kaufen und zu verkaufen. Es geht einfach nicht, Kinder zur Lustbefriedigung von Erwachsenen zu benutzen. Oft sind diese Fotos eine Einstiegsdroge in die Kinderpornografie.“ Zitatende.
Herr Bundesjustizminister Maas beabsichtigt nun eine Prüfung, wie das gewerbsmäßige Handeln mit Nacktbildern von Kindern oder Jugendlichen unter Strafe gestellt werden kann. Dieser Vorsatz ist viel zu kurz gedacht. Wir wollen nicht nur den gewerblichen Handel unter Strafe stellen, sondern auch den privaten Handel und folglich auch den Erwerb. Die CSU ist hier schon konsequenter als die SPD und will ebenfalls wie die NPD den Kauf, Verkauf und Tausch von Fotos unter Strafe stellen, die die Nacktheit von Kindern zur Schau stellen. Wir benötigen also nicht nur eine Kultur des Hinschauens, wie von Sozialministerin Hesse gefordert, sondern klare und unmissverständliche gesetzliche Regelungen zum Schutz der Kinder. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Köster, auch Sie haben hier keine unparlamentarischen Zwischenrufe zu leisten. Auch das weise ich hier zurück.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/2757. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/2757 mit
den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Zustimmung der Fraktion der NPD abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Bedarfsgerechte Personalausstattung in der Justiz gewährleisten, Drucksache 6/2745.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Bedarfsgerechte Personalausstattung in der Justiz gewährleisten – Drucksache 6/2745 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu unserem eigentlichen Antrag komme, kann ich mir rückblickend auf die gestrige Debatte ein paar Vorbemerkungen nicht verkneifen.
Bis gestern hätte ich mir für diesen Antrag kaum Chancen ausgerechnet. Heute bin ich etwas optimistischer, da die gestrige Debatte zum Wahlalter 16 sehr deutlich gezeigt hat, wie ernst die Mitglieder der CDU-Fraktion Umfragen nehmen.
Die Umfrage zu dem gestrigen Tagesordnungspunkt hat die CDU selbst in Auftrag gegeben, insofern werden Sie sich freuen, dass Sie hier eine Umfrage vorgelegt bekommen, die Sie nicht bezahlen müssen. Gleichwohl kommt sie aus einem sehr renommierten Hause und, ja, Sie dürfen sich diese Umfrage auch ansehen. Das kann ich Ihnen versprechen, mich pfeift hier keiner zurück.
Worum geht es? Ende letzten Jahres führte das Institut für Demoskopie Allensbach die sogenannte ROLANDStudie durch. Hierbei handelt es sich um eine Umfrage unter Mitgliedern des deutschen Richterbundes zur Situation der Justiz in Deutschland, also Repräsentanten der Judikative, die für das Rechtssystem und die alltägliche Rechtsprechung in Deutschland stehen.
Meine Damen und Herren, es wurden bundesweit 1.770 Richter und Staatsanwälte befragt, also auch die aus Mecklenburg-Vorpommern. Abgefragt wurden Bereiche wie die Bewertung des Rechtssystems und der Justiz, die Qualität der Rechtsprechung oder die Attraktivität des richterlichen oder staatsanwaltlichen Berufs.
Meine Damen und Herren, nachdem ich im Zuge der Diskussion zur Gerichtsstrukturreform von Amtsgericht zu Amtsgericht gereist bin und in fast allen Gerichten auf die Personalsituation hingewiesen worden bin, war das Ergebnis der ROLAND-Studie für mich keine Überraschung.
Positiv kann man feststellen, dass der überwiegende Teil der Befragten das deutsche Rechtssystem an sich positiv bewertet. Positiv ist auch, dass die Mediation überwiegend als sinnvoll erachtet wird. Positiv ist auch, dass die Mehrheit der Befragten auch bei den unterschiedlichen Bedingungen und der Befragung über die weitere Entwicklung der Bedingungen sich entschieden hat, auch bei
eventuellen beruflichen Entscheidungen sich zukünftig für diesen Beruf entscheiden zu wollen. Aber das war es dann auch schon mit dem Positiven.
Kritisiert wurde die fehlende Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften oder auch die Besoldung. Aber darum soll es uns jetzt erst mal nicht gehen.
Mit unserem Antrag wollen wir auf die Arbeitsbedingungen und die Personalausstattung in der Justiz hinweisen, die uns alle nachdenklich stimmen sollte. Hier ein paar Zahlen: 88 Prozent der Befragten halten es für dringlich notwendig, zusätzliche Kollegen einzustellen. Meine Damen und Herren, das sind fast neun von zehn. Die personelle Ausstattung der Gerichte wird von 85 Prozent als schlecht oder sehr schlecht eingestuft. 72 Prozent der Befragten haben den Eindruck, dass sich die Arbeits- bedingungen in den letzten Jahren verschlechtert haben. Da ist also eine klare Tendenz, die aus unserer Sicht deutlich hinterfragt werden muss. Weiterhin gaben 69 Prozent der Befragten an, dass sie nicht genügend Zeit zum Bearbeiten der Fälle hätten. Bei den Staatsanwaltschaften waren es sogar 79 Prozent.
Meine Damen und Herren, kurz gesagt kann man feststellen, dass die Arbeitsbelastung an den Gerichten beziehungsweise bei den Staatsanwaltschaften deutlich zu hoch ist. Dabei sind die Rechtspfleger noch völlig außen vor, denn sie wurden bei der Befragung nicht mit einbezogen. Auf dem Rechtspflegertag, an dem ja auch die Ministerin im vergangenen Jahr in Rostock teilgenommen hat, wurde die unzureichende Stellenausstattung bemängelt.
Nun ist mir klar, dass Sie uns sofort entgegenhalten werden, dass die Personalausstattungen nach den so- genannten PEBB§Y-Pensen berechnet werden. Diese Berechnung erfolgt auf der Basis einer Studie. Erfasst wird, wie viel Zeit für jede einzelne Tätigkeit benötigt wird. Durch Multiplikation der Einzelfallbearbeitungszeit mit den tatsächlichen Fallzahlen wird dann die Arbeitszeit ermittelt, so jedenfalls die Theorie.
Wir wissen, es wird 2014 eine PEBB§Y-Fortschreibung geben, und das ist auch gut so. Umso wichtiger ist es, die Kritikpunkte alle auf den Tisch zu legen. In der Praxis wird das PEBB§Y-System dafür kritisiert, dass die Zeiteinsätze völlig illusorisch sind. So hat zum Beispiel ein Amtsrichter für einen gewöhnlichen Zivilstreit nach PEBB§Y 150 Minuten Zeit. In dieser Zeit muss er sich in den Fall einarbeiten, auf Schriftsätze der Parteien reagieren, möglicherweise mehrere Verhandlungen durchführen und ein Urteil fassen.
Bei den Betreuungssachen bedeutet das, und hier ist davon auszugehen – das besagen auch die Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern –, dass sie noch weiter zunehmen werden, Folgendes: Die Basiszahl, also die Gesamtzeit, die ein Richter für ein solches Verfahren zur Verfügung hat, beträgt 81 Minuten pro Jahr. Grundlage bildet hier die Berechnung nach einem bundesweiten Durchschnitt. Allerdings könnte das Justizministerium hiervon abweichen, wenn beispielsweise die Siedlungsstruktur des Landes es verlangt. Aus unserer Sicht wäre das für unser Land als ländlich geprägtes Bundesland erforderlich. Aber sicherlich kann und wird uns die Justizministerin in ihrer Rede darauf eine Antwort
Man darf nicht vergessen, wir haben bereits heute eine sehr geringe Gerichtsdichte in Mecklenburg-Vorpommern pro Quadratkilometer. 21 Amtsgerichte auf einer großen Fläche sind im Bundesvergleich sehr wenig. Bei künftig nur noch 10 Amtsgerichten wird sich die Dichte bei den Amtsgerichten nochmals halbieren. Und hier wird es spannend. Betreuungszahlen zeichnen sich dadurch aus, dass die Richter zu den Betreuten kommen. Er fährt durch das Land. Diese Fahrtzeit ist jetzt bereits mehr als eine Stunde hin und zurück. Von den zukünftigen Strukturen will ich an dieser Stelle gar nicht sprechen.
Deutlich wird bereits heute, dass der Betreuungsrichter damit die Zeit nach PEBB§Y nur durch das Fahren schon so gut wie in Anspruch nehmen muss. Die eigentliche Arbeit zählt da noch nicht rein. Und wir sind nur bei einem einzigen Termin! Es mag ja sein, dass der Richter es fertigbringt, verschiedene Termine zu verbinden und so die Fahrzeit insgesamt zu reduzieren, allerdings wird jedem klar, dass das mit den 81 Minuten pro Jahr hinten und vorne nicht passen kann.
Insofern kann man zusammenfassen, dass erstens die Basiszahl viel zu niedrig angesetzt ist, dass zweitens sich dieses Problem durch die steigende Anzahl von Betreuungssachen weiter verschärfen wird und dass drittens die Gerichtsstrukturreform das Problem noch zusätzlich massiv verschärfen wird. Die PEBB§Y-Pensen spiegeln also nicht die tatsachliche Arbeitsbelastung wider.
Im Zusammenhang mit der Diskussion zur Gerichtsstrukturreform hatte ich hinsichtlich der Pensen an den Gerichten nachgefragt. Durch das Justizministerium wurden die Zahlen für jedes Gericht und auch für die jeweiligen Landgerichtsbezirke zur Verfügung gestellt. Einbezogen wurden auch die Landgerichte, die das Gesamtbild allerdings etwas verwässern, denn die Pensen an den Landgerichten sind deutlich geringer. Trotzdem zu den Problemen einige Worte:
Mich selbst hat in meinem Wahlkreis Parchim natürlich der Landgerichtsbezirk Schwerin besonders interessiert. Für 2011 lag der Belastungsgrad hier bei 100,89 Prozent. Kann man sich mit dem PEBB§Y-Verfahren anfreunden, sieht das auf den ersten Blick ja in Ordnung aus. Nimmt man dann aber den Landgerichtsbezirk Schwerin aus, liegen die Amtsgerichte alle zwischen 105 und über 121 Prozent Belastung, sind also alle deutlich über 100 Prozent, und das nicht nur 2011, sondern auch davor.
Im Jahre 2009 hatte das Amtsgericht Ludwigslust sogar eine Belastung von 130 Prozent. Und wir reden hier nur über die PEBB§Y-Pensen und nicht über die tatsächliche und noch höhere Belastung.
Und was das Pensen-System wert ist, sehen wir doch ganz deutlich in Schwerin. Schauen wir uns beim Landgerichtsbezirk Schwerin um. Ich nenne da gleich das Landgericht Schwerin als Beispiel. So hatte es 2011 eine Belastung von 81,30 Prozent. Hört sich wenig an, trotzdem macht das Landgericht durch Überlastungsanzeigen und Haftentlassungen aus der Untersuchungshaft auf sich aufmerksam. So wurden, und darüber haben wir hier in diesem Hause schon öfter diskutiert, zunächst im Sommer 2012 zwei Untersuchungshäftlinge entlassen, weil nicht fristgerecht terminisiert werden
Das Justizministerium argumentierte jedes Mal damit, dass es Aufgabe der Gerichte sei, die Arbeitsabläufe notfalls durch Umverteilung der Geschäfte so zu organisieren, dass alle Verfahren fristgerecht abgearbeitet werden können. Betont wurde hier an dieser Stelle die Unabhängigkeit der Justiz, denn Gerichte müssten ihre Geschäftsverteilung selbst organisieren. Das ist auch richtig so.