Protocol of the Session on March 13, 2014

Meine Damen und Herren, mit der Einführung in den Ihnen vorliegenden Antrag wollte ich auf die Probleme aufmerksam machen. Ich hoffe, dass Sie gemeinsam mit uns bereit sind, darüber weiter zu diskutieren, um an der Situation an den Gerichten etwas zu ändern. Ich bin gespannt auf unsere Aussprache. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Dauer mit bis zu 60 Minuten vorzu- sehen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Eine Aussprache.)

Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Justizministerin Frau Kuder.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch vor wenigen Wochen hat die Fraktion DIE LINKE an dieser Stelle – übrigens zu Recht – die Effektivität und Qualität der Rechtsprechung in unserem Land gelobt. Jetzt plötzlich bemängelt dieselbe Fraktion genau diese Parameter

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

und spricht gar von besorgniserregenden Zuständen in Mecklenburg-Vorpommern.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: So schnell geht das.)

Und ich sage es ganz deutlich: In der Justiz des Landes gab und gibt es keine besorgniserregenden Zustände. Da hilft Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, auch der „ROLAND Rechtsreport“ nicht weiter. Das will ich Ihnen kurz darlegen:

Erstens. Die dem Report zugrundeliegende Erhebung ist keinesfalls repräsentativ.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Kein Wunder, wenn man Staatsanwalt ist.)

Zweitens. Es fehlt ohnehin an der Messbarkeit der erfragten gefühlten Belastung.

Drittens. Auf die einzelnen Bundesländer sind die Erkenntnisse überhaupt nicht heruntergebrochen worden. Es gibt also überhaupt keine Aussagen für MecklenburgVorpommern.

Und ich finde es schon erstaunlich, wie Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LIN

KE, aus diesem Report dann besorgniserregende Zustände für Mecklenburg-Vorpommern feststellen können.

Im Übrigen fällt auf, aber Sie haben ja eben auch schon darauf hingewiesen, dass die Teilnehmer ausschließlich aus dem Kreis der Mitglieder des Deutschen Richterbundes gewonnen wurden.

(Heinz Müller, SPD: Tja!)

Ein Teil der Justiz – nämlich die Verwaltungsgerichtsbarkeit – blieb ganz außen vor. Und kurz gesagt, die Umfrage verzichtet gänzlich auf objektiv messbare Kriterien. So heißt es im Geleitwort, der Sonderbericht soll allein – ich zitiere jetzt – „etwas über das Befinden und die Sorgen der Menschen, die maßgeblich mit ihrer täglichen Arbeit Gesetze und Rechtsregeln umsetzen“, aussagen.

Aber jetzt mal weg von der gefühlten Belastung hin zu den Fakten.

Meine Damen und Herren, neben der Steuerverwaltung ist die Justiz das einzige Ressort, in dem der Personalbedarf für die Ausstattung des Geschäftsbereiches – also die Gerichte und Staatsanwaltschaften – nach einem analytisch mathematischen Berechnungssystem erfolgt. Diesem System liegen Erhebungen bei einer großen Anzahl von Gerichten und Staatsanwaltschaften im gesamten Bundesgebiet zugrunde. Bei diesen Erhebungen handelt es sich vor allen Dingen auch um Aufschreibungen der Mitarbeiter selbst.

Was fließt denn nun in diese Berechnung ein?

1. die Anzahl der eingehenden Verfahren je Sachgebiet

in einem Kalenderjahr – jedes Verfahren wird damit im Jahr seines Eingangs erfasst

2. die aus der Erhebung errechnete durchschnittliche

Bearbeitungszeit für ein Verfahren des jeweiligen Sachgebietes

3. die in dem jeweiligen Kalenderjahr zur Verfügung

stehende Arbeitszeit je Laufbahn, und die ist errechnet aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre und im Übrigen – das möchte ich auch noch mal ganz deutlich hier sagen – unter Berücksichtigung der Krankheitstage und Abwesenheitstage

Das Berechnungssystem wird in regelmäßigen Abständen fortentwickelt und es berücksichtigt auch die Besonderheiten der einzelnen Bundesländer. Gegenwärtig erfolgt eine Fortschreibung des Systems für die ordentliche Gerichtsbarkeit. Hierzu werden seit dem 1. Januar bis zum 30. Juni dieses Jahres erneut Erhebungen bei mehr als 60 Gerichten und Staatsanwaltschaften im Bundesgebiet durchgeführt. Daran nehmen auch Justizstellen aus Mecklenburg-Vorpommern, genauer gesagt das Amtsgericht Schwerin und die Staatsanwaltschaft Schwerin, als Erhebungsdienststellen teil. Damit ist sichergestellt, dass auch landesspezifische Besonderheiten von Mecklenburg-Vorpommern in die Erhebung mit einfließen.

Das Land ist aber nicht nur bei der Erhebung selbst eingebunden, auch bei der Erarbeitung der Parameter der Erhebung nehmen wir Einfluss, denn Mecklenburg-Vor- pommern ist im geschäftsführenden Lenkungsausschuss vertreten. So konnte schon früh auf landesspezifische

Besonderheiten aufmerksam gemacht werden. Ein Ergebnis der Fortschreibung wird voraussichtlich Ende des Jahres/Anfang nächsten Jahres vorliegen. Eigener Untersuchungen bedarf es deshalb nicht.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen: Auch ich nehme es natürlich ernst, wenn sich ein Teil der Richter und Staatsanwälte in unserem Land überlastet fühlt. Dafür kommen trotz einer insgesamt auskömmlichen Personalausstattung aus

meiner Sicht mehrere Möglichkeiten in Betracht. Zum einen kann ich wegen der Spezifika der Justiz auf tem- poräre Belastungsspitzen in einzelnen Bereichen nur sehr bedingt reagieren. Neueinstellungen sind grund- sätzlich nur auf Lebenszeit möglich und eine Versetzung von Richtern kann nur mit deren Zustimmung erfolgen. Auftretende Belastungsausgleiche werden – soweit möglich – durch die halbjährige Zuweisung von Proberichtern herbeigeführt.

Und natürlich bin ich um eine maximale Ausschöpfung der haushaltsmäßig zugewiesenen Stellen durch Neueinstellungen bemüht. Das habe ich aber auch vor Kurzem in meiner Antwort auf die Kleine Anfrage von Ihnen, Frau Borchardt, ausgeführt. Es ist also keinesfalls so, dass bestehende Möglichkeiten zur Deckung des Personalbedarfs nicht ausgeschöpft würden.

Ein anderer Grund für eine gefühlt höhere Belastung können die Verfahrensbestände sein. Es ist verständlich, dass von dem einzelnen Richter, Staatsanwalt, Rechtspfleger und Mitarbeiter in der Serviceeinheit nicht allein die Neueingänge, sondern auch die Bestände als Belastung empfunden werden können. Aber auch das ist einmal wichtig zu sagen: Grundsätzlich sind Bestände bei einem Gericht normal. Kein Gericht kann die eingehenden Sachen schon wegen der vom Gesetzgeber vorgesehenen Fristen für die Parteien tagfertig abarbeiten.

Ich will aber nicht verhehlen, dass ein über den gesunden Aktenbestand hinausgehender Bestand durchaus eine Belastung darstellen kann. Wenn sich die Bestandssituation eines Gerichtes so entwickelt, dass der normale Bestand in bestimmten Rechtsgebieten überschritten wird, muss darauf im Rahmen der Möglichkeiten reagiert werden. In der Vergangenheit wurden daher immer wieder temporäre Maßnahmen zum Abbau von Rückständen ergriffen. Neben Unterstützungsmaßnahmen der Gerichte untereinander wird beispielsweise seit einigen Jahren ein durch das Justizministerium begleitetes Bestandsmanagement in der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit durchgeführt.

Und schließlich, auch das soll nicht unerwähnt bleiben, kommt bei einer Frage nach der Belastung wohl auch immer ein bisschen Psychologie ins Spiel. Die Zeiten Theodor Fontanes sind nun mal vorbei, in denen es hieß, und ich zitiere: „Weil der Amtsrichter nicht allein Skat spielen kann, braucht ein Amtsgericht zwei Referendare.“

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wiederhole: In der Justiz unseres Landes gibt es keine besorgniserregenden Zustände. Die Justiz ist vielmehr gut aufgestellt, nicht nur heute, denn auch für die Zukunft sind die Weichen gestellt. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr gut.)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Drese von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die in dem vorliegenden Antrag getroffene Feststellung, dass wir eine effektive und rechtsstaatlichen Ansprüchen entsprechende Justiz benötigen, ist eine Selbstverständlichkeit. Die Behauptung hingegen, dass der sogenannte „ROLAND Rechtsreport 2014“ besorgniserregende Zustände auch in Mecklenburg-Vorpommern aufzeigt, ist so nicht zutreffend.

Bei dem „ROLAND Rechtsreport 2014“ handelt es sich nicht um eine Studie zur Situation in Mecklenburg-Vor- pommern oder in den ostdeutschen Bundesländern. Es handelt sich um eine bundesweite Erhebung, die sich auf eine schriftliche Befragung von insgesamt 1.770 Richtern und Staatsanwälten der ordentlichen sowie der Sozial-, Arbeits- und Finanzgerichtsbarkeit stützt.

Es ist bezeichnend, dass DIE LINKE sich daraus die Fragen der Personalausstattung herauspickt. Dabei deckt der „ROLAND Rechtsreport 2014“ – genauer der „Sonderbericht: das deutsche Rechts- und Justizsystem aus Sicht von Richtern und Staatsanwälten“ – doch eine große Bandbreite an Fragen ab, die für die deutsche Justiz- und Rechtspolitik relevant sein kann. Einerseits wurden rechts- und justizpolitische Fragen wie der Einfluss europäischen Rechts auf das deutsche Rechtssystem sowie verschiedene Aspekte zur Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland untersucht. Des Weiteren lag ein Schwerpunkt auf der Qualität der Rechtsprechung, der Arbeitssituation und den Arbeitsbedingungen an den Gerichten ebenso wie auf Maßnahmen, die die Verfahrensdauer beschleunigen können. Zudem wurden Erwartungen an die Politik untersucht. Auch diese Ergebnisse sollte man der Öffentlichkeit nicht vorenthalten.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch wenn es selbstverständlich Kritik vonseiten der Richter und Staatsanwälte gibt, so ist doch die überwiegende Mehrheit der Richter und Staatsanwälte in ihrem Beruf zufrieden. 67 Prozent zeigten sich mit den Arbeitsbedingungen zufrieden. Dieser hohe Zufriedenheitsgrad mit den Arbeitsbedingungen hängt insbesondere von der Autonomie der Arbeitsgestaltung sowie der Arbeitsinhalte ab.

Die Tätigkeit als Richter und Staatsanwalt zeichnet sich demnach durch ein hohes Maß an zeitlicher Autonomie aus. 79 Prozent finden, dass der Beruf des Richters und Staatsanwalts eine selbstbestimmte Arbeitseinteilung mit sich bringt. 70 Prozent bescheinigen eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 67 Prozent nehmen ihren Beruf als abwechslungsreich wahr. So verwundert es nicht, dass sich die überwältigende Mehrheit der Richter und Staatsanwälte auch wieder für ihren Beruf entscheiden würde. 41 Prozent würden sich ganz bestimmt wieder dafür entscheiden, 44 Prozent wahrscheinlich. Auch stuft die Mehrheit der Richter und Staatsanwälte den eigenen Beruf als nach wie vor attraktiv für qualifizierte Nachwuchsjuristen ein.

Mit Umfragen Politik machen zu wollen, ist ein zweischneidiges Schwert. Interessant sind in dieser Hinsicht

etwa die Erwartungen der Richter und Staatsanwälte an die Politik. So zählt eine Reform der Strafprozessordnung aus Sicht der Richter und Staatsanwälte zu den zentralen Aufgaben. 50 Prozent wünschen sich besonders die Streichung von rein formalistischen Richtervorbehalten in der Strafprozessordnung. Eine neue Initiative zur verfassungsgemäßen Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung halten 42 Prozent für sehr wichtig.

Von mehr als jedem zehnten Befragten wurden über die Abstimmung hinausgehende Themen und Aufgaben an die Politik benannt. Besonders häufig wurden hier unter anderem aufgeführt: die Reform der Prozesskostenhilfe im Sinne einer Reduzierung der Missbrauchsanfälligkeit sowie die Einführung einer Kostenbeteiligung, die Begrenzung beziehungsweise Abschaffung der Kostenfreiheit sozialgerichtlicher Verfahren sowie die Einschränkung von Missbrauchsmöglichkeiten der Rechtshilfe.