Protocol of the Session on May 31, 2013

(Vincent Kokert, CDU: Was denn, jetzt noch mal? Das ist doch schon das vierte Mal.)

Danke, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe erst gedacht, dass Frau Schwesig heute dazu redet,

(Torsten Renz, CDU: Hab ich auch gedacht, aber …)

weil sie ist ja die Gleichstellungsministerin und sie kommt doch immer wieder mit Bedeutung hervor.

(Andreas Butzki, SPD: Da können Sie doch immer noch überrascht sein.)

Aber ich muss sagen, Herr Brodkorb, ich fand das auch gut, dass Sie heute gerade den Bereich der älteren Kinder oder Jugendlichen hier darstellen, weil wir haben doch immer eine sehr starke Fokussierung auf die Kinder bis zu zehn Jahre, und von daher fand ich das jetzt auch mal eine gute Abhandlung, also was ist geplant in dem Bereich ErzieherInnenausbildung …

(Torsten Renz, CDU: Dann war die Enttäuschung nicht ganz so groß.)

Nein. Das kommt ja nun noch. Lasst mich mal!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Nein, aber das fand ich sehr interessant und ich hab ja ein paar Fragen zwischendurch gestellt.

(Zuruf von Bernd Schubert, CDU)

Natürlich sind die Pläne, die Sie haben, jetzt auf den ersten Blick und das erste Gehör, kann ich sagen, ja, der richtige Weg. Für mich wären wirklich ein paar Fragen noch offen,

(Torsten Renz, CDU: Na, dann raus damit!)

nämlich: Wer macht die Berufsorientierung mit welcher Fokussierung? Das ist mir nicht ganz klar geworden, auch vorhin, als ich gefragt hatte zum Unterrichtshilfenportal, welche Kriterien liegen da vor. Ich glaube, wir haben häufiger das Problem – und das ist mir heute bei mehreren Anträgen aufgefallen –, immer wenn die Opposition der demokratischen Parteien hier Anträge stellt, hören wir, also es ist wirklich schon gebetsmühlenartig: Machen wir schon. Wenn man sich dann aber rausbegibt in den Alltag, und den werden auch Sie erleben, dann hören wir immer etwas anderes. Ich habe das immer so verstanden, dass unsere Aufgabe als Opposition ist, in die Wunde reinzugehen. Sie haben das ja auch richtig erkannt, und ich denke und hoffe, auch andere Ministerinnen und Minister, dass eine geschlechterbewusste pädagogische Arbeit mit Jungen und Mädchen eine Aufgabe ist, die sehr speziell ist, um später die Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe zu sehen. Da hat sich etwas entwickelt.

Sie haben auch noch mal auf den Bereich der Jungen hingewiesen. Das ist einer, der vor Jahren tatsächlich immer noch sehr vernachlässigt wurde. Und von daher halte ich es persönlich und hält es auch unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für notwendig, Leitlinien zu entwickeln, die den Bedarfen angepasst werden.

(David Petereit, NPD: Leid mit „d“ dann, ne?)

Und von daher werden wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen.

Nach wie vor, und das ist auch in Herrn Ritters Ausführungen deutlich geworden, haben wir noch sehr viele weiße Flecke. Die sind zu füllen. Und ein Bereich – ich glaube, da sind Sie uns auch noch eine Antwort schuldig geblieben – ist der ländliche Raum. Also wie wollen wir eine geschlechterbewusste sensible Pädagogik um- setzen?

(Andreas Butzki, SPD: Sehr gute Frage. – Zuruf von Bernd Schubert, CDU)

Wir haben gerade, wie ich immer wieder höre, bei der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung zum Teil fehlende Didaktik, Methodik, die dort vermittelt wird. Dann frag ich mich, wie soll in den Plänen eine geschlechtersensible Bildung umgesetzt werden. Ich glaube, das ist die herausragende Frage. Wenn ich das selber nicht habe, kann ich im Unterricht sitzen, aber möglicherweise lasse ich das über mich ergehen. Das haben wir ja hier auch manchmal im Plenum, wenn bestimmte Themen kom

men, dass doch die Zuhörerschaft sich gerne ablenken lässt.

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Das ist ja jetzt eine blanke Unterstellung.)

Und ich denke, mir ist schon häufig aufgefallen, dass es immer in den Bereichen so ist, wo es um Geschlechtergerechtigkeit geht. Ich denke, da haben wir noch einen großen Nachholbedarf.

Von daher unterstützt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Intention, Leitlinien zu verabschieden, weil wir brauchen Rahmenbedingungen und wir brauchen auch ein Stück weit – in Anführungsstrichen – Planbarkeit. Einfach dieser Aktionismus und die doch viel gelebte Projektitis, die wir hier immer wieder erleben, das wird den Bedarfen nicht gerecht.

Ich denke, gerade aufgrund des Fachkräftemangels bei Erzieherinnen und Erziehern muss doch geprüft werden, umgesetzt werden, wie kriegen wir Erzieher, also Männer, junge Männer dazu, beispielsweise in den Erzieherberuf zu gehen oder in den Grundschulbereich zu gehen. Denn das sind ja Bereiche, die nach wie vor von Frauen besetzt sind. Sie haben das ja am Anfang Ihrer Rede gesagt, dass insbesondere die ersten Jahre entscheidend sind, und ich dachte, da fängt es eben an, gleiche Zugänge für Männer und Frauen zu schaffen. Da ist viel zu tun, und ich denke, da können uns Leitlinien helfen.

Ich danke Ihnen – auch den Herren der CDU – für die Aufmerksamkeit

(Egbert Liskow, CDU: Haben wir gerne gemacht.)

und wir stimmen dem Antrag zu.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Vielen Dank, Frau Gajek.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Bernhardt für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Auch ich bin schon verwundert, dass heute der Bildungsminister und nicht die Gleichstellungs- und Kinder- und Jugendministerin Frau Schwesig zu diesem wichtigen Thema spricht,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und nicht mal dasitzt.)

war doch gerade auch das Sozialministerium im Sozialausschuss federführend.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Warum soll nicht mal ein Mann dazu reden?)

Beim Bildungsministerium habe ich im Sozialausschuss nicht viel Interesse feststellen können. Termine wurden abgesagt und erst nach Monaten kam ein gemeinsamer Termin zustande.

(Regine Lück, DIE LINKE: Traurig, traurig.)

Wir haben heute viel gehört, was es im Land zur geschlechtersensiblen Pädagogik gibt, vor allen Dingen im Schulbereich. Aber wir haben nichts gehört, meine Damen und Herren, was den Fachkräften im Bildungs- und Erziehungsprozess grundsätzlich dabei hilft, Geschlechterbewusstsein zu entwickeln und in der Praxis richtig anzuwenden. Helfen können hier Leitlinien, die von einem Expertenteam erarbeitet und den Menschen, die am Bildungs- und Erziehungsprozess beteiligt sind, in die Hand gegeben werden. Das hat mein Kollege Peter Ritter in seiner Rede schon deutlich gemacht.

Diese Leitlinien werden von den Fachkräften im Land gewünscht, meine Damen und Herren, das wurde auch bereits erwähnt. Und es war Ergebnis einer Fachtagung, auch die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern zeigen, dass es richtig und sinnvoll ist, solche Leitlinien zu erarbeiten.

Ich möchte kurz einen O-Ton von einer Hamburger Hochschuldozentin zu den Hamburger Leitlinien für Jugendpädagogik, die es seit 2010 dort gibt, zitieren. Sie sagte: „Ja, sie“ – die Leitlinien – „werden angenommen und sind auch eine gute Orientierung für Pädagoginnen und Pädagogen. Es braucht viel Zeit, um sich mit der eigenen Sozialisation auseinanderzusetzen. Dies kann nur begrenzt in einer Fortbildung stattfinden, denn wichtig ist ja, dass Rollenbilder infrage gestellt werden und die Pädagoginnen und Pädagogen Geschlechterkompetenz erlernen.“ Zitatende.

Auch in Berlin haben wir nachgefragt. Auch hier gibt es die Leitlinien für Mädchen und Jungen bereits seit dem Jahr 2004. Uns wurde mitgeteilt, dass die Arbeit mit den Leitlinien ständiges Thema ist, insbesondere vor Ort, so, wie es sein soll, in den Berliner Bezirken. Dort kam dann zurück: „Die Aktivitäten sind sehr vielfältig und umfassen auch die Bereiche Kultur und Sport. Es werden Fachtage durchgeführt und es gibt ständige Arbeitsgruppen. Es ist nicht so, dass es immer und überall gleichermaßen gut läuft, aber das Thema ist in jedem Fall präsent. Erheblichen Handlungsbedarf gibt es zum Beispiel im Bereich Migration. Auch im Kita-Bereich wird das Thema bearbeitet.“ Zitatende.

Und Frau Schwesig hat in ihrem Bericht zur geschlechtersensiblen Pädagogik in Mecklenburg-Vorpommern im Sozialausschuss im August 2012 betont, dass der geschlechtersensible Ansatz ein durchgängiges Leitprinzip bei der Verwirklichung der individuellen Bildung, Erziehung und Betreuung sei. Aber um dieses Leitprinzip verfolgen zu können, brauchen wir Leitlinien.

Man gewann heute bei der Rede des Bildungsministers den Eindruck, dass nicht richtig bewusst ist, was solche Leitlinien sind. Es sind halt keine allgemeinen, starren und hölzernen Formulierungen in Gesetzen, worauf zu achten sei, sondern es sollen wirklich praxisnahe Anleitungen sein, wie man diesen Weg richtig und vor allem ganzheitlich beschreiten kann und wie man die bestehenden Gesetze umsetzen kann.

Und da hilft es auch nicht, sich mit dem fadenscheinigen Argument der Entbürokratisierung herauszureden. Wir fordern nicht weitere Verordnungen oder Gesetze, sondern ganzheitliche und praktische Anleitungen – nicht nur

im Bildungsbereich, sondern vor allen Dingen auch im Kinder- und Jugendbereich –, wie Gesetze umgesetzt werden können. Für Leute sollte es sein, die keine Juristen sind.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Und aus Angst, etwas falsch zu machen oder sich mit einem Halbwissen über Gender-Mainstreaming zu outen, wird Gleichstellung oft gar nicht thematisiert, kurzum es findet keine Anwendung oder es wird falsch umgesetzt. So war ein Ergebnis einer Umfrage in Kinderbetreuungseinrichtungen durch die Gender-Fachstelle in Mecklenburg-Vorpommern, ob und wie die Pädagoginnen und Pädagogen dort den geschlechtersensiblen Ansatz verfolgen, teilweise verheerend und brachte sämtliche Defizite ans Tageslicht. Es wurde zum Beispiel behauptet, dass man sehr wohl darauf achte, wie mit Mädchen und Jungen umgegangen wird. Und dann wurde weiter ausgeführt: „Die Mädchen haben wir zur Vorbereitung des Essens eingeteilt und die Jungs haben wir zum Toben nach draußen ins Freie geschickt.“ Das ist ein Beispiel für völlig falsch verstandene Gleichstellungspädagogik.

(Torsten Renz, CDU: Wer hat das gesagt?)

Pädagogen im Kita-Bereich.

Die Antworten auf meine Kleine Anfrage „Geschlechtsbewusste Jungen- und Mädchenpädagogik“ vom 15. Janu- ar 2013 geben die Sachverhalte und die derzeitige Situation in Mecklenburg-Vorpommern wieder, die auch im Ausschuss referiert wurden. Es gibt zum Beispiel die Bildungskonzeption für Null- bis Zehnjährige. Dort stehen jedoch an relativ wenigen Stellen Hinweise darauf, was erforderlich wäre, und es fehlen vor allen Dingen die Handlungsempfehlungen. Es gibt die Rahmenkonzeption „Berufe haben kein Geschlecht“ beziehungsweise ist diese auf die Berufsorientierung fokussiert. Für den Bereich Kinder- und Jugendhilfe konnte keine Grundlage genannt werden. Hier gibt es einen völlig weißen Raum, wie Frau Gajek schon sagte.

Fazit ist: In der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Thema „Geschlechtsbewusste Pädagogik“ konnte nicht dargelegt werden, dass es in Mecklenburg-Vorpommern konkrete und ausreichende Empfehlungen und Orientierungshilfen zur Auseinandersetzung oder Anwendung einer geschlechtsbewussten Arbeit mit Jungen und Mädchen gibt, die praxisnah aufzeigen, wie eine Umsetzung erfolgen kann, ohne dass bestehende Rollenbilder noch verstärkt werden.