Ja, ich gebe zu, ich bin in diesem Lernprozess. Das ist mir zu schnell, da komme ich nicht mit, da bin ich etwas konservativ.
dass gerade die Erarbeitung entsprechender fachlicher Standards der Fort- und Weiterbildung durch das Bildungsministerium zum Abschluss kommt und dass sich das Land an der Fort- und Weiterbildung der entsprechenden Erzieherinnen und Erzieher beteiligt. Und insofern ist das, was gefordert wird, als Leitbild in den entsprechenden Dokumenten verankert und wird in der Praxis realisiert.
Einen weiteren Schritt erleben wir dadurch, dass die Universitäten in Rostock und Greifswald sowie die Hochschule in Neubrandenburg mit der Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes zur Stärkung der individuellen Förderung in Kindertageseinrichtungen in Mecklenburg-Vor- pommern beauftragt sind und speziell an die Hochschule Neubrandenburg ein Auftrag gegeben wurde, sozusagen ein Portfolio, ein Qualitäts- und Entwicklungskonzept unter besonderer Berücksichtigung von Interaktionsfeldstudien zu erstellen. Dabei sollen Begründungen und Konzepte für eine gendersensible individuelle Förderung von Jungen und Mädchen in Kindertageseinrichtungen des Landes eine besondere Rolle spielen.
Dies ist übrigens bereits geschehen in der letzten Legislaturperiode und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten an dem Projekt. Die Vorlage des Gesamtkonzeptes ist dabei für das Jahr 2015 geplant.
Nicht zuletzt damit wird bereits in der frühkindlichen Bildung sichergestellt, dass gemäß dem Punkt 254 der Koalitionsvereinbarung der geschlechtersensible Ansatz ein wesentliches Leitprinzip in Erziehung, Bildung und Ausbildung ist und daher sowohl in der Ausbildung als auch in der Fort- und Weiterbildung des Erzieher-, Lehr- und pädagogischen Personals Berücksichtigung findet. Bezogen auf den Unterricht – wenn wir also weitergehen zur Schule – bedeutet dies, dass die Genderperspektive in allen Bereichen des Lernens und Lehrens sowie im alltäglichen Handeln Berücksichtigung findet und finden muss mit dem Ziel, geschlechtergerechtes Unterrichten und Lernen zu ermöglichen.
Und dies ist vielleicht auch noch mal der geeignete Punkt, darauf hinzuweisen, was mit Sicherheit verbesserungswürdig ist und es auch die nächsten Jahre sein wird, woran Schritt für Schritt zu arbeiten ist: Um die
Geschlechtersensibilität der pädagogischen Arbeit der Fachkräfte zu verbessern, braucht es zwei Dinge – einerseits regelmäßige Fort- und Weiterbildungen und andererseits die Bereitstellung entsprechenden pädagogischen Materials, um die Kinder unterstützen zu können, denn im Bereich der Kindertagesstätten ist das, wie ich schon sagte, die Bildungskonzeption und für darüber hinausgehende Materialien verantwortlich die jeweiligen Träger der Kindertagesstätten. Im schulischen Bereich stellt sich dies für die Materialien ebenso dar, nämlich dass die Schulträger die Aufgabe haben, diese zu finanzieren und zur Verfügung zu stellen, und das Land hat über Fort- und Weiterbildung Gendersensibilität zu berücksichtigen. Und das wird in den Lehrerfort- und -weiterbildungen der künftigen Jahre auch der Fall sein, unter anderem im Kontext mit den Weiterbildungen zum Thema Inklusion.
Darüber hinaus darf ich allerdings ankündigen, dass das Bildungsministerium beabsichtigt, ein Unterrichtshilfenportal zu entwickeln – das wird mehrere Jahre dauern –, also eine digitale Plattform, auf der Lehrerinnen und Lehrer fächer- und schulartenbezogen Schaubilder, Aufgaben und weitere Unterrichtshilfen für ihren Unterricht nutzen können.
Ein solches Portal, das Unterrichtsmaterialien beinhalten soll, wird hoffentlich von Lehrerinnen und Lehrern entwickelt, weil die in der Regel wissen, was sie tun.
Also wir werden einem Mann nicht die Arbeit sozusagen verwehren, an der Erarbeitung dieses Portals mitzuwirken. Und da wird es auf die Qualität der Arbeit ankommen, die die jeweiligen Fachkräfte leisten.
Über diese Maßnahmen hinaus stellt das Schulgesetz des Landes in seiner Fassung vom 16. Februar 2009 die Erhöhung der Qualität des Unterrichts an unseren Schulen durch eine effiziente, individuelle und damit auch gendergerechte Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt. Lange Zeit war man dabei davon ausgegangen, dass Geschlechterfragen vor allem aus dem Blickwinkel von Mädchen und Frauen zu betrachten seien. Inzwischen wissen wir nicht zuletzt durch die Ergebnisse der PISA-Studien aber, dass es vielmehr eine zentrale Querschnittsaufgabe der Pädagogik ist, in der es nicht allein darum geht, Mädchen zu fördern, sondern auch darum, die Leistungsdefizite von Jungen zum Beispiel in der Lesekompetenz oder bei der Herangehensweise an Problemlösungen zu überwinden. Bekanntermaßen hat sich ja auch die Gleichstellungspolitik hin zu einer Genderpolitik entwickelt.
Hierzu wird das Land ab dem Schuljahr 2013/2014 an allen Regional- und Gesamtschulen mit dem Projekt „Bildung macht stark“ die Kernfächer Mathematik und Deutsch an weiterführenden Schulen stärken. Und dies
dient natürlich auch dem Zweck, diese Unterschiede in der Leistungsentwicklung, die sich bisweilen in den Geschlechtern deutlich machen, ein wenig auszugleichen.
Von Februar 2009 bis Januar 2012 wurde je weiterführender allgemeinbildender Schule eine Lehrkraft auf die Tätigkeit als Kontaktlehrerin beziehungsweise als Kontaktlehrer für Berufsorientierung im Rahmen eines Fortbildungszyklus im Umfang von circa 80 Stunden vorbereitet. Der Schwerpunkt der Fortbildungsreihe war übrigens die geschlechtersensible Berufsorientierung. Die Kontaktlehrkräfte wirken im Anschluss als Multiplikatoren in den Kollegien. Darüber hinaus arbeiten in 64 allgemeinbildenden Schulen des Landes Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleiter. Sie betreuen junge Menschen, deren Schulabschluss gefährdet ist und die Probleme bei der Ausbildungsplatzfindung haben. Hierbei sind es eher Jungen als Mädchen, um die sich die BerufseinstiegsbegleiterInnen kümmern. Auch hier gibt es also einen genderorientierten Aspekt.
Maßnahmen wie der „Girls’Day“ und der spezielle „JungsTag MV“ sowie der „Tag der Pflege“ in Verantwortung des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales zielen mit ihrem Signalcharakter neben der Einladung an Jungen und Mädchen, ihren Horizont zu erweitern, auch immer auf die Sensibilisierung aller dieser Instanzen und vieler Erwachsener im Umfeld der jungen Menschen. Berichte und Statements auf Websites und in Printmaterialien werben dafür, geschlechterstereotype Berufsdarstellungen zu vermeiden und stärker die individuellen Fähigkeiten der einzelnen Jugendlichen in den Blick zu nehmen. Der Bekanntheitsgrad und die Breitenwirksamkeit dieser Aktionstage sowie die stets steigende Beteiligung und Medienpräsenz bündeln die Anliegen regionaler Projekte, MINT-Berufe und MINT-Fächer Mädchen zugänglich zu machen.
Und auch hier darf ich darauf hinweisen, dass das Bildungsministerium über die Schule hinausgehend mit Blick auf die Hochschulen damit beschäftigt ist, eine Studierendenwerbekampagne zu entwickeln – die entsprechende Agentur ist bereits ausgewählt –, die das Ziel hat, insbesondere diejenigen Studienfächer in Mecklenburg-Vorpommern zu bewerben, die eine erhebliche Unterauslastung oder jedenfalls eine signifikante Unterauslastung aufweisen. Das sind häufig technische Studiengänge. Und in diesem Zusammenhang werden die Werbemaßnahmen für junge Frauen eine besondere Rolle spielen. Also auch hier gibt es im Hochschulbereich eine entsprechende Orientierung auf eine gendersensible Vorgehensweise.
Untersuchungen, wonach circa 70 Prozent aller weiblichen und immerhin noch circa 50 Prozent aller männlichen Auszubildenden aus einem Spektrum von nur zehn Berufen wählen, untermauern das immer noch bestehende Rollenklischee. Die Folge ist, dass nur wenige Frauen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen tätig sind und der Anteil von männlichem Fachpersonal im pädagogischen und sozialen Bereich zu gering ist. Um dem entgegenzuwirken, wurde die Rahmenkonzeption „Berufe haben kein Geschlecht“ erarbeitet. Sie hat zum Ziel, Mädchen und Frauen für frauenuntypische Berufe sowie Jungen und Männer für männeruntypische Berufe zu interessieren und zu gewinnen.
Diesem Prinzip folgt auch das seit 2005 in MecklenburgVorpommern an 27 Schulen im Land vorgehaltene produktive Lernen. Hier erfolgt ein interdisziplinäres und hochgradig individualisiertes Lernen. An drei Tagen in der Woche eignen sich die Jugendlichen in einem Praxisbetrieb ihrer Wahl ihr Wissen an und es ist selbstverständlich, dass Jungen zum Beispiel in einer Kindertageseinrichtung arbeiten und Mädchen auch in einem KfzBetrieb Berufseindrücke sammeln können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Sie sehen, die Maßnahmen sind zahlreich. Auch das Ziel ist durch eine große Anzahl von Dokumenten sehr exakt umrissen. Ich möchte nicht bestreiten, dass wir – aber das zählt, glaube ich, für die gesamte Welt – noch erhebliche Anforderungen haben im Blick auf eine wirkliche Gleichstellung der Geschlechter und eine wirklich geschlechtersensible Gesellschaft, nicht nur in der Pädagogik. Aber ich denke, es fehlt uns nicht an den Grundsatzpapieren dazu, sondern an effektiven Maßnahmen.
Sollte es über Leitlinien oder eine Handreichung hinaus innovative Vorschläge geben, um das Land dem Ziel einer geschlechtersensiblen und -gerechten Gesellschaft etwas näher zu kommen, sollte es also diesbezüglich entsprechende Vorschläge geben, bin ich für diese dankbar, diese gegebenenfalls zu überprüfen und auch mit in die Umsetzung aufzunehmen. Eine Handreichung im Sinne von Leitlinien gehört aus meiner Sicht dabei nicht zu den durchschlagendsten Instrumenten und deswegen halte ich sie für nicht erforderlich. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Erst mal vielen Dank, Herr Minister, für diese umfassenden Darstellungen der geschlechterspezifischen pädagogischen Arbeit.
Ich muss da noch mal an Worte von Detlef Lindner anschließen. Er hatte gesagt: „Wir wissen alles.“ Ich kann es ergänzen: Und darum tun wir bereits alles und haben auch die Lösungen.
Und insofern, denke ich mal, der Minister hat ja eindrucksvoll vorgestellt, was es bereits alles gibt.
Aber, meine Damen und Herren von den LINKEN, eins muss ich Ihnen noch mit auf den Weg geben: Alle noch
so gut gemeinten Regeln sollen im Alltag und im Schulalltag auch umgesetzt werden. Auch darauf hat der Minister hingewiesen. Und ein bildliches Zitat: Wir sind schneller dabei, uns neue Spielregeln einfallen zu lassen, als der Spielfluss es ertragen kann. Und auch daran müssen Sie denken: Die Lehrerinnen und Lehrer sollen dieses umsetzen und wenn wir immer neue Ideen und immer neue Vorgaben ihnen auferlegen, dann wird es schwer, im Schulalltag diese umzusetzen. Und da hat der Minister eindeutig noch mal gesagt – und das unterstütze ich auch –, wir sollten uns von einigen Regeln verabschieden und lieber darüber nachdenken, wie wir das alles in der Praxis umsetzen können.
Und ein letzter Punkt: Der Schwerpunkt der Ausbildung der Erzieherinnen und Lehrer, nämlich Pädagogik, ist thematisch umfassend und erschöpfend vorgegeben, und besonders geschlechterspezifische Aspekte sind Mittelpunkt dieser Pädagogik. Wollen Sie, meine Damen und Herren von den LINKEN, in Abrede stellen, dass unsere Erzieher und Lehrer im Land Mecklenburg-Vor- pommern umfassend ausgebildet werden?
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Gajek für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Vizepräsidentin.