Protocol of the Session on November 17, 2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es um die hohe künstlerische Qualität unserer Theater und Orchester und deren gesellschaftliche Funktion geht, meine sehr geehrten Damen und Herren von der LINKEN, dann bin ich Ihnen an dieser Stelle sehr nahe. Unterschiedlich sind unsere Auffassungen bezüglich des Weges zu einer zukünftig funktionierenden Theaterlandschaft.

„Die Rolle des Theaters hat sich in Deutschland ver- ändert und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwingen zum Umbau des Systems, um auch zukünftig Theatervielfalt zu gewährleisten.“ Das ist ein Zitat von der Webseite Theaterpolitik. Hier ist ein Kommentar, in dem der Verfasser vorschlägt, Theaterhäuser zu öffnen für sehr viele Sparten der bildenden Kunst, also ein Multikulti-Haus, das sich nicht nur festlegt auf Konzerte oder irgendwelche Theatervorstellungen.

Wie Sie in Ihrer Begründung selbst feststellen, haben sich die Rahmenbedingungen seit dem Diskussions- und Eckpunktepapier der Landesregierung zur Entwicklung der Theater- und Orchesterstrukturen weiter verschärft. Bitte beachten Sie hier auch folgende Punkte: die demografische Entwicklung unseres Landes, der Minister hat sie genannt, das Personalkonzept der Landesregierung, Haushaltskonsolidierung im Zusammenhang mit dem Wegfall der Solidarpaktmittel, auch zu beachten und mir

sehr wichtig, die Relation von Theaterförderung und sonstiger Kulturförderung des Landes – also es gibt nicht nur Theater, es gibt noch andere Sparten, die von Fördermitteln leben, und diese Relationen muss man natürlich wahren – und, der Minister hat es schon erwähnt, der kontinuierlich hohe Stand der Theaterförderung des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu anderen Bundesländern.

Überschlagsrechnungen ergeben über den Zeitraum bis 2020 für alle Theater eine Steigerung der Gesamtausgaben um etwa 17 Millionen. Innerhalb des Finanzierungsrahmens aus kommunalen und Landesmitteln ist es den Theatern und Orchestern auch unter einer weiteren Erhöhung der Einnahmen nicht möglich, den finanziellen Mehrbedarf auszugleichen. Hier greift die Koalitionsvereinbarung, indem die weitere Förderung aus Mitteln des FAG ab 2013 an Strukturentscheidungen geknüpft wird, die bei nicht steigenden Landeszuschüssen die Angebote nachhaltig sichert. Um ein geordnetes Verfahren zur Umsetzung der Nummer 232 der Koalitionsvereinbarung 2011 bis 2016 zu sichern, wird gegenwärtig durch die Landesregierung geprüft, in begründeten Fällen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Ich habe zum Beispiel die Vorpommersche Landesbühne Anklam im Hinterkopf,

(Heinz Müller, SPD: Jawohl.)

die ja nun als nächste um Geld bittet.

Dass sich in den Strukturen etwas bewegt, haben Sie sicher im „Medienspiegel“ gelesen: die Reaktion des Volkstheaters Rostock, das einen Haustarif einführen wolle, um damit zu verhindern die Schließung der Sparte Tanz, die Abschaffung eines festen Kurses, die Abstufung des A- in ein B-Orchester sowie die Schließung des Standortes im Stadthafen.

Zu Ihren Anträgen:

Änderungsantrag, Ziffer 1: „Der Landtag spricht sich dafür aus, die Rahmenbedingungen für den Erhalt der bestehenden Theater- und Orchesterstrukturen in ihrer Vielfalt zu schaffen.“ Nicht der bestehenden, sondern der zukünftigen, würde ich sagen.

Ziffer 2 ist wieder mal aus der Koalitionsvereinbarung abgeschrieben. Ich verweise auf Heinz Müller.

(Heinz Müller, SPD: Ja, machen die

wohl nicht nur in der Innenpolitik. –

Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE –

Den Zusammenhang

hat Herr Müller doch wohl logisch erklärt. –

Zurufe von Heinz Müller, SPD,

und Peter Ritter, DIE LINKE)

Das kann ich Ihnen verlesen: „232. Die Koalitionspartner sind sich einig, dass das Theater- und Orchesterkonzept im engen Dialog mit allen Akteuren grundlegend zu überarbeiten ist. Ziel ist es, die vielfältige Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern im Kern zu bewahren, fortzuentwickeln und im Rahmen der verfügbaren Mittel langfristig zu sichern.“

(Zurufe von Vincent Kokert, CDU, Marc Reinhardt, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Hier wird auf das FAG hingewiesen, und das haben Sie hier zitiert: „… beim Innenministerium eingerichteten Beirates für den kommunalen Finanzausgleich …“ mit dem FAG „einzubringen“. Das steht hier schon so.

Und im letzten Abschnitt, Entschuldigung, in dem Antrag, dem Vorgängerantrag wollte ich noch zwei Abschnitte zitieren: „Die Landesregierung wird aufgefordert, un- verzüglich den Trägern von Theatern und Orchestern Soforthilfen zu gewähren, um drohende Insolvenzen abzuwenden.“ Wo beginnt eine drohende Insolvenz, frage ich mich. Wenn ich eine Firma gründe, bin ich schon am ersten Tag von einer Insolvenz bedroht, wenn ich irgendwelchen blöden Mist mache, sage ich mal.

Im zweiten Abschnitt sagen Sie: „Eine solche Hilfegewährung ist nicht mit dem Verlangen nach Personalabbau oder der Schließung von Sparten zu verknüpfen.“ Also wenn wir jetzt Geld geben – und ich kenne den menschlichen Charakter, ich habe auch ein gewisses Alter –, wenn ich weiß, dass im Hintergrund jemand sitzt, der immer wieder Geld nachschiebt,

(Marc Reinhardt, CDU: Sehr richtig.)

dann setzt sich die Trägheit durch.

(Heinz Müller, SPD: Sehr richtig.)

Und aus diesem Grunde lehnen wir diese Anträge ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Helmut Holter, DIE LINKE: Da werden sich die Theaterleute aber freuen, was Sie hier erzählen! – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Ich rufe auf den Abgeordneten Herrn Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich den Ausführungen von Herrn Brodkorb aufmerksam gefolgt bin, und das habe ich versucht zu tun, dann komme ich zu zwei Kernaussagen, die Sie gerade getätigt haben.

Die erste Kernaussage ist: Es ist im Kern nicht die Aufgabe der Landesregierung, Kultur- oder Theater- oder Orchesterkonzepte zu machen. Das ist primär die Aufgabe der Träger.

Und die zweite Aussage war: Wir lösen das Problem, was, glaube ich, ja objektiv im Augenblick auf der Hand liegt, sonst hätte die Landesregierung kürzlich nicht einen Sofortzuschuss – an Bedingungen gebunden, die ich nicht nachvollziehen konnte – von 500.000 Euro beschlossen für Schwerin. Sie laden die Träger ein, um das Problem mit den Trägern gemeinsam zu erörtern.

Meine Damen und Herren, das habe ich in den letzten Jahren schon häufig gehört. Also ich weiß nicht, wie oft ich davon gehört habe, dass beim Kultusminister Gespräche geführt worden sind zu der Frage der Perspektive und der Entwicklung der Theater. Und ich weiß nicht, wie oft Menschen aus dem kulturellen Raum gesagt haben, das, was vonseiten der Landesregierung vorgestellt wird, ist schlicht und ergreifend konzeptionslos.

Da lohnt es sich, einen Blick in die Vergangenheit zu wagen: Wer auf der einen Seite seit 1994 35,8 Millionen fixiert, übrigens FAG-Mittel, die als Vorwegabzug definiert werden und nicht eigene Kulturausgaben des Landes, und wer hergeht und diese einfriert, und wer weiß, dass diese Mittel zu einem großen Teil an Träger gehen, die in den städtischen Räumen, ursprünglich in den kreisfreien Städten, angesiedelt sind,

(Vincent Kokert, CDU: Na, na, na!)

und wer die finanzielle Situation dieser kreisfreien Städte kennt, der weiß, …

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Zum großen Teil, Herr Müller, habe ich gerade gesagt. Vielleicht haben Sie das überhört.

… der weiß, in welch prekäre Situation er die Kommunen bringt. Und wer gleichzeitig, wie in der letzten Legislaturperiode, hergeht und ein Eckpunktepapier zulässt, was dazu führt, dass die Kommunen, die Träger der Theater und Orchester in eine Zwangssituation hineingeraten, aus der sie gar nichts anderes tun können, als Einsparungen zu generieren und nicht darüber nachzudenken, wie es konzeptionell weitergeht, der ist verantwortlich dafür, dass die Kulturlandschaft in diesem Bundesland zusammengespart wird – und das ist falsche Kulturpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das, was Sie gerade erklärt haben, ist schlicht und ergreifend ein Wir-machen-weiter-so. Es lohnt sich einmal zu prognostizieren, welche Folgen das haben wird.

Wir haben jetzt gerade zwei Varianten erlebt. Die erste Variante, Beispiel: Theater Vorpommern mit den Standorten in Greifswald, Stralsund und Putbus – ich weiß, wovon ich da rede, weil ich als Bürgerschaftsmitglied die entsprechenden Konzepte auf dem Tisch hatte – hat sich über die Geschäftsführung Gedanken gemacht, wie können wir in irgendeiner Form die permanent expandierenden Kosten reduzieren, wie können wir Einsparungen vornehmen. Es wurden Haustarife abgeschlossen, es wurden Stellen nicht wieder besetzt und es fand eine Verschlechterung des qualitativen Angebots statt, mit dem Ergebnis, dass 2011/2012 immerhin zumindest eine Kostendeckung erreicht werden konnte. Das ist für die nächsten Jahre nicht mehr erreichbar. Das war die Variante 1.

Und das, was Sie damit erreicht haben, mit dem Einfrieren und mit dem Eckpunktepapier – Kulturkooperationsräume, Zwang zur Fusion et cetera als Stichworte –, war eine Reduzierung des Personals, eine Reduzierung des qualitativen Angebotes, also deutliche Einschnitte im Bereich des kulturellen Angebots der Theater und Orchester.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Variante 2, Schwerin: Ein Träger und ein Theater, das diese Vorgaben nicht erfüllt hat, und die haben Sie in eine Situation hineingesetzt – und das haben Sie gerade elegant verschoben, Herr Brodkorb, weil Sie gesagt

haben, wie sollen denn Schauspieler, wie sollen denn Musiker kreativ ein gutes Angebot entwickeln, wenn permanent negativ über sie geredet wird. Ein Intendant, der Geschäftsführer ist, hat, …

Herr Suhr, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich bin gleich fertig.

… hat die Pflicht, herzugehen und in dem Moment Insolvenz anzukündigen, wenn sich das andeutet. Da sind Sie hergegangen und haben mit diesem Angebot ein Theater bis kurz vors Scheitern gebracht und haben das zugelassen. Sie sind dafür verantwortlich, dass an dieser Stelle das Theater in einen derartig schlechten Ruf geraten ist. Hier gehört der Mut dazu, sich zum Theater und zu den Orchestern in diesem Land zu bekennen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zum Antrag der LINKEN und zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt von der CDU-Fraktion.