Protocol of the Session on January 30, 2013

Und ich will es noch mal sagen: Heute können sich die Kassen das leisten. Und obwohl es eine mehrheitliche Beschlusslage gab über Partei- und Landesgrenzen hinaus und im Bundesrat, auch mit Unterstützung von Mecklenburg-Vorpommern, lehnt der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr trotz voller Kassen diese 100Prozent-Finanzierung ab. Daraufhin hatten wir hier im Landtag eine Debatte und haben gesagt, okay, wenn wir nicht zu diesen 100 Prozent GKV kommen, was wir weiterverfolgen, dann richten wir uns an den Bund und versuchen, eine Initiative zu starten, dass wenigstens 25 Prozent der Kosten, die die Paare tragen oder besser gesagt, die Hälfte der Kosten, die die Paare tragen,

25 Prozent der Gesamtkosten zukünftig aus Steuermitteln gezahlt werden. Das kann man auch familienpoli- tisch begründen.

Diesen Beschluss gab es hier im Landtag durch die Regierungsfraktionen und wir haben dann entsprechend nach diesem Beschluss vom April 2011 eine Bundesratsinitiative im Bundesrat gestartet. Und im November 2011 gab es einen mehrheitlichen Beschluss, auch wieder über Landes- und Parteigrenzen hinweg, dass wir zukünftig die Finanzierung so aufbauen, 50 Prozent GKV, 25 Prozent aus Steuermitteln des Bundes und 25 Prozent aus Eigenbeteiligung.

Daraufhin hat auch die Bundesregierung und diesmal die Bundesfamilienministerin vor allem diesen Vorstoß abgelehnt und hat vorgeschlagen, okay, der Bund könnte sich beteiligen, aber diese 25 Prozent müssen gesplittet werden in 12,5 Prozent Bundesbeteiligung und 12,5 Landesbeteiligung. Hier sind dann die Länder zunächst hart geblieben und haben gesagt, nein, wir können hier nicht mit Landesmitteln reingehen, weil es eigentlich zunächst eine gesundheitspolitische Maßnahme ist, die aus GKVMitteln zu tragen ist, und im zweiten Schritt eine bundesweite familienpolitische Maßnahme. Wenn jetzt diese Leistungen in jedem Bundesland unterschiedlich behandelt werden, kriegen wir auch einen Flickenteppich.

Und ich sage das hier ganz klar: Jeder sollte, insbesondere die Fachpolitiker, den Einzelplan 10 kennen. Da kann man nicht so einfach 180.000 Euro rausschneiden. Wir haben viele Diskussionen, wo wir wissen, da würden wir lieber noch einen Euro drauflegen. Und ich sehe das auch ordnungspolitisch so, dass das die letzte Brücke sein kann, dass wir jetzt mit Landessteuermitteln reingehen. Ordnungspolitisch ist es nicht der richtige Weg. Ich finde es falsch, dass die Bundesregierung sich an dieser Stelle verweigert, den Paaren zu helfen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und so sehen es übrigens viele meiner Länderkollegen, auch aus anderen Parteien.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Diese Regierung muss weg.)

Deshalb haben wir gemeinsam noch mal in der JFMK 2012 einen Vorstoß unternommen, die Bundes- familienministerin zu überzeugen, leider erfolglos. Und wir haben sogar auf der Gesundheitsministerkonferenz auf Vorschlag des CDU-Gesundheitsministers vom Saarland, Herrn Storm, die Saarbrücker Erklärung verabschiedet, wo wir sagen, wenigstens sollten die Kran- kenkassen die 12,5 Prozent übernehmen, also auf 62,5 Prozent gehen, und dann könnte der Bund ja den Rest schließen.

Und die Bundesfamilienministerin hat sogar abgelehnt, wenn es die Kassen tun, wie es in einigen Regionen der Fall ist, diesen erhöhten Krankenkassenbeitrag anstatt der Landesmittel anzuerkennen. Nicht mal diesen Weg hat uns die Bundesfamilienministerin eröffnet, was für viele Länder, die vor großen finanzpolitischen Herausforderungen stehen, eigentlich alle ein großes Problem ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hätte Herr Renz nicht ein bisschen Einfluss nehmen können auf Bundesebene?)

Und das ist auch der Grund, warum ich lange gewartet habe, eine entsprechende Vereinbarung mit der Bundesregierung abzuschließen,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil wir zunächst uns als Landesminister mehrheitlich einig waren, dass wir alle Wege versuchen zu gehen, zunächst über den Bund, über die Krankenkassen Lösungen zu finden. Wir werden diesen Weg weiter beschreiten. Deswegen ist auch der Änderungsantrag der Linkspartei in Textziffer 1 nicht notwendig. Das machen wir, aber ich sage auch ganz klar, wir können nicht mehr warten. Und deshalb habe ich die Gespräche aufgenommen mit der Bundesfamilienministerin.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut.)

Die Fachebenen erarbeiten derzeit die entsprechende Förderrichtlinie, die natürlich mit Landesrechnungshof und Finanzministerium abgestimmt werden muss, und danach würden wir uns als Land zukünftig an der Mitfinanzierung beteiligen. Wir werden in den kommenden Wochen diese Vereinbarung unterzeichnen können.

Frau Ministerin, lassen Sie eine Anfrage der Abgeordneten Gajek zu?

Selbstverständlich.

Bitte, Frau Abgeordnete.

Danke, Frau Präsidentin.

Frau Schwesig, habe ich Sie jetzt richtig verstanden, die Vereinbarung ist somit noch nicht unterschrieben?

Ich habe ja eben ganz deutlich gesagt, dass wir gerade die Vereinbarung abstimmen mit dem Bund und übrigens auch mit dem Landesrechnungshof und dem Finanzministerium und dass wir in den nächsten Wochen die Förderrichtlinie unterschreiben wollen.

Gut, danke.

Deshalb will ich auch noch mal sagen, warum dieser Antrag heute wichtig ist, weil Frau Borchardt gefragt hat, wozu brauchen wir den Antrag. Ich finde den Antrag der Regierungsfraktionen außerordentlich wichtig aus folgendem Grund: Wir haben bisher hier nur einen Landtagsbeschluss, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Kostenbelastung geschlossen wird durch Steuermittel des Bundes.

Wir wollen jetzt den Weg gehen und auch als Land uns beteiligen. Das ist sozusagen ein neuer Fakt und deshalb wäre ich sehr dankbar, wenn alle mehrheitlich diesen Antrag unterstützen, weil das natürlich eine Unterstützung ist für die Sozialministerin, auch finanzpolitisch diesen Weg zu gehen. Denn jeder muss wissen, immer dann, wenn wir als Land mit 180.000 Euro hier reingehen, ist es natürlich so, dass irgendetwas anderes mit 180.000 Euro nicht bezahlt werden kann. Das gibt die Mathematik her, der Euro kann nur einmal eingesetzt werden. Deshalb ist dieser Antrag der Regierungsfraktionen wichtig und ich bin sehr dankbar, dass der dann

auch so gestellt worden ist und diesen Kurs der Sozialministerin unterstützt.

Ich will aber etwas zum Änderungsantrag der Linkspartei sagen. Ich habe es gesagt, Textziffer 1 ist nicht notwendig, wir tun es. Aber ich habe in diesem Zusammenhang eine Bitte an die Linksfraktion: Als wir uns hartnäckig gezeigt haben gegenüber dem Bund und gesagt haben, wir Länder gehen nicht rein mit Steuergeldern, hat Ihr damaliger Landesvorsitzender Herr Bockhan mich öffentlich aufgefordert, Landesmittel bereitzustellen. Es ist nicht so, glaube ich, dass Herr Bockhan wirklich in den Verhandlungen mit Frau Schröder starkes Gewicht hat. Aber wenn die Linksfraktion hier fordert, dass wir uns zu 100 Prozent Finanzierung durch andere einsetzen sollen, dann kann es nicht sein, dass aus Ihren eigenen Reihen diese Sachen konterkariert werden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist ja auch ein starkes Stück.)

Und zur Textziffer 2, dass wir uns darum kümmern sollen, dass es psychologische Beratungsdienste gibt: Die gibt es und die sind übrigens auch gesetzlich vorgeschrieben. Auch diese Textziffer ist nicht notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wer will, dass wir für die Paare in unserem Land eine Lösung finden, der sollte heute diesem Antrag zustimmen. Und ich bedanke mich bei allen Abgeordneten, die meinen Weg, die Paare, deren Kinderwunsch noch nicht erfüllt worden ist, zu unterstützen, die diesen Weg weiter unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie haben aber heute hier Großeinsatz, Herr Koplin. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war nicht bös gemeint.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Paare müssen bei der Finanzierung von Kinderwunschbehandlung entlastet werden. Mit der Vereinbarung zwischen Land und Bund wird eine Fehlentscheidung zumindest im Ansatz korrigiert. Der Ausgangspunkt für den heute vorliegenden Antrag war am 1. Januar 2004, darauf haben schon Vorrednerinnen und Vorredner hingewiesen. Zu diesem Datum trat das sogenannte Gesundheitsmodernisierungsgesetz in Kraft. Damit wurden etliche Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen, darunter auch die Finanzierung von künstlicher Befruchtung.

Seitdem übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nur noch 50 Prozent der Behandlungskosten. Die anderen 50 Prozent sind durch die Paare aufzubringen. Diese finanzielle Hürde wurde durch CDU/CSU, SPD und GRÜNE geschaffen und diese Hürde hat Auswirkungen. Durch die Gesetzesänderung 2004 sind die Geburten nach künstlicher Befruchtung um etwa die Hälfte eingebrochen. Dies sind zumindest Zahlen für den Bund. Zahlen für unser Land, die wir 2011 abgefragt haben, wurden dem Landtag verweigert. Die Begründung war, es lägen keine Daten vor. Auf wundersame Weise kamen drei

Monate später doch noch entsprechende Daten zum Vorschein. Anders wäre die Bundesratsinitiative zu diesem Thema ohne Angaben darüber, wie viele Paare betroffen sind und welche Kosten im Durchschnitt für die Paare anfallen, wohl schwerer begründbar gewesen.

Damit wir uns alle ein Bild machen können, es handelt sich pro Behandlung um rund 1.700 Euro, die für die Paare anfallen. Die genaue Zahl hängt von den jeweiligen Behandlungen ab. Die Bundesratsinitiative war im Ansatz richtig. Sie hatte das Ziel, den Kostenbeitrag der Eltern von 50 auf 25 Prozent zu senken. Der Bundesrat hat bis zum Frühjahr 2012 beraten und zwischenzeitlich die Reduzierung der anteiligen Kosten nur für einkommensschwache Paare vorgesehen, um dann doch die für Mecklenburg-Vorpommern eingebrachte Regelung für alle Paare zu beschließen. Frau Ministerin hat das ja sehr detailliert dargelegt. Dem Bundestag lag das seit April 2012 vor mit einer ablehnenden Stellungnahme der Bundesregierung.

Nun passierte das, was wir hier gelegentlich aus dem Landtag kennen: Die Parlamentsmehrheit schließt sich dem Votum der Regierung an und damit ist das Vorhaben erst einmal geschoben oder auf Eis gelegt. Gleichzeitig erinnert sie die Bundesregierung daran, dass auch die Länder ungewollt kinderlose Paare finanziell unterstützen können. Das Ergebnis ist nun ein politischer Kompromiss. Einige Bundesländer, darunter Mecklenburg-Vorpommern, teilen sich hälftig die Kosten mit dem Bund.

Für die Linksfraktion kann ich festhalten, dass wir die- ses Verhandlungsergebnis begrüßen, Frau Ministerin. 25 Prozent Kostenbeteiligung für die Paare sind besser als 50 Prozent Kostenbeteiligung. Dennoch hätten wir uns mehr gewünscht und haben dafür auch gute Gründe. Eltern in Mecklenburg-Vorpommern zahlen pro Behandlung dann immer noch 800 bis 1.000 Euro. Das ist für viele zu viel in unserem Land, in etwa ein ganzes Monatsgehalt für nicht wenige Menschen. Die wenigsten von ihnen werden künftig dieses Geld in eine Kinderwunschbehandlung investieren können, vor allem, wenn man bedenkt, dass in der Regel mehrere Behandlungen erforderlich sind. Schnell landen auch heute noch Paare bei einem Betrag von mehreren Tausend Euro. Dies halten wir für inakzeptabel. Kinderwunschbehandlungen dürfen keine Frage des Geldbeutels sein. Die Frage, was uns Kinder wert sind, was uns Familien wert sind, kann nur mit einer vollständigen Kostenübernahme beantwortet werden. Wir schlagen vor, dass die Krankenkassen zukünftig wieder vier Versuche voll übernehmen, dafür aber als Ausgleich einen entsprechend erhöhten Steuerzuschuss erhalten sollen.

Ideal wäre selbstverständlich, dass die Krankenkassen diesen Betrag komplett übernehmen. Aber wir haben eben gerade über die realen Kräfteverhältnisse etwas erfahren. Also faktisch soll zukünftig die Hälfte der Gesamtkosten von der gesetzlichen Krankenversicherung, die andere Hälfte aus Steuern bezahlt werden. Die Koalition aus SPD und CDU hat dies 2009 hier abgelehnt. Auch eine entsprechende Bundesratsinitiative wurde von beiden abgelehnt.

Wir sehen wieder einmal, die SPD, Herr Dr. Nieszery, spricht mit vielen Stimmen. Sie sehen aber auch, DIE LINKE lässt nicht locker. Deswegen haben wir den vorliegenden Änderungsantrag beigebracht und alle Argu

mente, insbesondere von der Ministerin, die hier vorgetragen wurden, bekräftigen eigentlich unseren Antrag. Zu sagen, na ja, wir machen das schon,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

ist das eine; das andere ist immer, mit welchem Rückenwind.

Und Sie selbst kommen oftmals hier vor das Parlament und weisen darauf hin, dass es gut und richtig und notwendig wäre, die Landesregierung mit einem entsprechenden Votum zu bestärken, zu unterstützen. Mit unserem Änderungsantrag wollen wir eben erreichen, dass alle Paare auch ohne finanzielle Hürden eine Kinderwunschbehandlung in Anspruch nehmen können.

Des Weiteren möchten wir ins Gedächtnis rufen, dass ein unerfüllter Kinderwunsch für Paare nicht nur zu einer finanziellen Belastung werden kann. Vielmehr kann eine solche Situation, in der sich Paare befinden, auch tiefe Spuren in der Paarbeziehung hinterlassen. Deswegen schlagen wir vor, den Paaren auch Zugang zu einer niederschwelligen psychologischen Betreuung zu ermöglichen. Die staatlich finanzierten Erziehungs- und Familienberatungsstellen verfügen über die Expertinnen und Experten und die Kompetenzen, um die Paare psychologisch zu unterstützen. Wir haben also noch mal Gespräche geführt, um uns kundig zu machen, wie wird es selbst vor Ort eingeschätzt. Vielfach ist, so ist uns gesagt worden, dieses Beratungsangebot jedoch nicht ausreichend bekannt. Deswegen fordert die Linksfraktion die Landesregierung auf, auf dieses Beratungsangebot hinzuweisen und Beratungen am Behandlungsort zu ermöglichen.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich also jetzt noch auf einen letzten Punkt eingehen. Das „Hamburger Abendblatt“ – weil es doch ein bisschen irritierend war, was hier gesagt worden ist, Frau Gajek hatte ja gefragt,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

ist es unterschrieben oder ist es nicht unterschrieben –, also das „Hamburger Abendblatt“ und die „Schweriner Volkszeitung“ vermelden unabhängig voneinander am 17.01., dass Paare bei Kinderwunschbehandlung finanziell entlastet werden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)