Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Erst Ende September haben wir hier zum ersten Mal über ein Landespflegegesetz debattiert, das ganz offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt war. Im November fand die öffentliche Anhörung zur Gesetzesnovelle statt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die mitberatenden Ausschüsse, das sind Finanzen und Innen, bereits über den Entwurf abgestimmt. Es ist also nicht nur so, dass man sich zu wenig Zeit genommen hat, um einen ordentlichen Entwurf zu formulieren, nein, dieses rudimentäre Konstrukt wurde auch noch in aller Eile durch die Gremien gejagt.
Auch in der Anhörung wurden die Mängel des Gesetzentwurfes der Landesregierung noch einmal deutlich, umfassender Änderungsbedarf wurde angemahnt. Ent
scheidenden Anteil an der konstruktiv geführten Debatte hatte der von unserer Fraktion genannte Experte Professor Thomas Klie
vom Institut für angewandte Sozialforschung der Evangelischen Hochschule Freiburg, ein ausgewiesener Pflege- und Demografieexperte.
Meine Damen und Herren, wir Bündnisgrüne, das habe ich im September schon betont, legen Wert auf eine ehrliche und gründliche Diskussion der Novelle zum Landespflegerecht,
denn es handelt sich um ein Gesetz, das weitreichende Entscheidungen für die Pflegebedürftigen, ihre Angehörigen und nicht zuletzt für die Sozialhilfeträger fixiert. Das ist eine politisch hoch verantwortliche Entscheidung. Übereiltes Handeln nützt hier niemandem und es ist ja auch gar nicht nötig oder besser, es wäre nicht nötig gewesen.
Dass das Pflegewohngeld in der derzeitigen Form zum Jahresende ausläuft, war lange bekannt. Insofern ist es für meine Fraktion nicht nachvollziehbar, dass die Landesregierung erst im letzten Quartal des Jahres 2012 einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der dann aufgrund mangelnder Qualität auch noch denkbar kurzfristig nachgebessert werden musste und zum Glück nachgebessert wurde. Klar war für uns Bündnisgrüne von Anfang an, einer ersatzlosen Streichung des Pflegewohngeldes können und werden wir nicht zustimmen. Vielmehr – und das war meine Kernbotschaft schon bei der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes – setzen wir uns dafür ein, die bisher für das Pflegewohngeld veranschlagten Summen in die konkrete Unterstützung und Etablierung ambulanter Einrichtungen zu investieren.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal kurz unsere Vorschläge für die inhaltliche Verbesserung des Gesetzentwurfes zusammenfassen:
Tatsächlich wurden die wesentlichen Anregungen übernommen und spiegeln sich in der vorliegenden Beschlussempfehlung wider. So hat nicht zuletzt auch die fachlich fundierte Kritik unseres Experten in der Anhörung Früchte getragen. Das begrüßen wir als positives Signal in Richtung eines Umsteuerns in der Pflegepolitik unseres Landes.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt sich dafür ein, dass Menschen auch im Alter und im Pflegefall möglichst lange weiter in ihrem gewohnten sozialen Umfeld leben können. Wir wollen gute ambulante Versorgungsstrukturen, die verhindern, dass Menschen gegen ihren Willen in ein Heim umziehen müssen. Nur mit einem nachhaltig veränderten Ansatz der Pflegepolitik in unserem Bundesland ist das zu erreichen. Diese Erkenntnis hat sich jetzt auch in den Reihen der Regierungskoalition durchgesetzt und das ist gut so.
Dass die Strategie „Ambulant vor stationär“ vom Papier auch Eingang in die Lebenswirklichkeit der Menschen findet, darum geht es nun im nächsten Schritt, und damit der Erkenntnis dann auch konkrete Taten folgen, seien Sie gewiss, dass wir das Landespflegegesetz weiterhin kritisch begleiten und detailliert hinterfragen werden, wie und wann die einzelnen Vorhaben umgesetzt werden. Dazu haben wir mit der Enquetekommission ein Gremium, das geradezu prädestiniert ist für die inhaltliche Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Gesetzesvorgaben.
Meine Damen und Herren, wir werden uns sehr genau anschauen, in welcher Form das Land Pflegebedarfsstrukturplanung in den Kommunen unterstützt. Wir werden die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure aktiv begleiten, wir werden die Erarbeitung differenzierter, unterschiedlicher Konzepte für selbstbestimmte Wohn- und Betreuungsangebote für alte und pflegebedürftige Menschen im städtischen und ländlichen Bereich einfordern. Dass solche Konzepte aktuell noch nicht existieren, wissen wir ja ausweislich unserer Kleinen Anfrage zu Pflegestrukturen in Mecklenburg-Vor- pommern.
Meine Damen und Herren, der Wegfall des Pflegewohngeldes wird zu kommunalen Mehraufwendungen führen. Laut Gesetzentwurf sollen diese bei den Landeszuweisungen an die Kommunen im Rahmen des Sozialhilfefinanzierungsgesetzes berücksichtigt werden. Bei der Anhörung ist darauf hingewiesen worden, dass die Berechnungsgrundlagen für die bisher veranschlagten Kosten nicht belastbar sind. Hier erwarten wir, dass auf Grundlage seriöser Berechnungen ein angemessener Ausgleich stattfindet. Streichungen von Leistungen fallen niemandem leicht und zusätzliche Belastungen der Kommunen wollen wir nach Möglichkeit vermeiden. Aber wir sollten hier auch und ganz wesentlich die Verbesserungen für die Pflege in unserem Bundesland, wie sie in der Beschlussempfehlung formuliert sind, in den Blick nehmen.
Dass es eine Besitzstandsregelung für diejenigen geben wird, die derzeit Pflegewohngeld beziehen, begrüßen wir. Es ist für die betroffenen Seniorinnen und Senioren auch eine Frage der persönlichen Lebensplanung. Sie haben das Geld bei der Entscheidung für ein Pflegeheim fest eingeplant. Der Investitionskostenzuschuss für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner, wie er durch das Pflegewohngeld bisher fixiert ist, steht jedoch dem fachlichen Grundsatz „Ambulant vor stationär“ entgegen. Es ist des- halb konsequent, die finanzielle Ungleichbehandlung dieser beiden Pflegeformen zu beenden. Langfristig, davon bin ich überzeugt, gewinnen pflegebedürftige Menschen – und das wurde eben von Herrn Schubert noch mal hervorgehoben – in unserem Bundesland durch die Weiterentwicklung der Pflegeangebote und durch die Vernetzung von ambulanten Angeboten und Tagespflege.
Besonders hervorheben möchte ich abschließend noch einmal Punkt 7 der Entschließung. Dort wird das formuliert, was für eine zukunftsfähige Pflegepolitik unabdingbar ist. Ja, meine Damen und Herren, es ist richtig und wichtig, die frei werdenden Mittel dafür zu nutzen, die ambulante Versorgung zu stärken. Der Pflege – da sind wir uns ja alle einig – kommt gerade in unserem Bundesland eine immer stärkere Bedeutung zu. Hier einfach Mittel zu streichen, wäre ein fatales und völlig falsches Signal. Die einzig angemessene Vorgehensweise besteht darin, diese Gelder in den Ausbau besserer und innovativer Pflegestrukturen zu investieren.
Unter Berücksichtigung dieser Prämissen stimmt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Beschlussempfehlung auf Drucksache 6/1381 zu. Den beiden Änderungsanträgen der Fraktion DIE LINKE werden wir nicht zustimmen.
Zum Pflegewohngeld habe ich mich eben schon geäußert. Aber es geht ja noch mal um den Bereich der fairen Entlohnung. Auch wir sind für faire Entlohnung, aber es gibt die Tarifhoheit und ich erinnere an andere Debatten, wo man sich nicht einmischen wollte, gerade vonseiten der LINKEN. Wir halten derzeitig die Passage im Gesetz für ausreichend, werden, wie ich das schon vorhin beschrieben habe, den Prozess begleiten und gucken, inwiefern angemessene Gehälter in Zukunft hier gezahlt werden. Und da nehme ich unsere Ministerin beim Wort, die mehrfach gesagt hat, sie wird sich dafür einsetzen. Wir werden dieses stetig nachfragen, denn wir wissen, steter Tropfen höhlt den Stein. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Die Deutschen werden älter, pflegebedürftiger, kinderloser. … Auch Zuwanderung kann den Trend nicht umkehren? Migration verjüngt die Gesellschaft nur geringfügig“, so „Die Welt“ am 11. Oktober 2012. Daraus folgt, dass Ihr Konzept, den Folgen der Überalterung unseres Volkes, bei Ihnen heißt dies schön „demografischer Wandel“, mit der Zuwanderung von Fremden begegnen zu wollen, vollkommen wirkungslos sowie der falsche Weg ist.
Und in dem Artikel aus der „Welt“ ist weiter zu lesen, Zitat: „Die Statistiker schlagen Alarm: Deutschland vergreist – und hat in ganz Europa mittlerweile die älteste Bevölkerung. Im Jahr 2010 waren nur 13,5 Prozent seiner Menschen“
„jünger als 15 Jahre – das war weniger als jeder siebte Bürger.“ Weiter heißt es in dem Artikel: „,Der Anteil jüngerer Menschen sinkt, und der Anteil älterer Menschen nimmt stetig zu.‘ Kamen 1980 nur 27 über 65-Jährige auf 100 Personen im Erwerbsalter zwischen 20 und 64 Jahren, sind es heute etwa 34 Personen. Im Jahr 2030 werden, wenn die relevanten demografischen Faktoren
Diese Zahlen veranschaulichen, was für schwerwiegende Probleme unserem Gemeinwohl bevorstehen. Und in diesem Zusammenhang sind die heutigen Probleme beinahe Kleinigkeiten. Hauptursache dieser Katastrophe ist eine vollkommen vernachlässigte Bevölkerungs- und Familienpolitik.
Denn unserer Heimat fehlen mittelfristig auch die jungen Frauen und Männer, die die steigenden Anforderungen im Gesundheits- und Pflegebereich als Fachkraft bewältigen wollen und auch können.
Die Landesregierung gibt nun vor, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Landespflegerechts die Förderarchitektur des Landespflegegesetzes den zukünftigen Herausforderungen an die Pflege anzupassen.
Wie sieht diese Anpassung aber konkret aus? Die Landesregierung lässt zum Beispiel das Pflegewohngeld für Neuantragsteller auslaufen und entzieht sich hiermit – dieses haben nahezu alle Anzuhörenden in der Anhörung bestätigt – ihrer Verantwortung auf Kosten der Infrastruktur und der Pflegebedürftigen. Insgesamt erfolgt eine Verschiebung der Förderarchitektur zulasten der Heimbewohner. Insgesamt fehlen in Mecklenburg-Vor- pommern die Rahmenbedingungen, um für die Pflegekräfte annehmbare Arbeitsbedingungen herzustellen.
So liegt Mecklenburg-Vorpommern mit einem Fachkräfteschlüssel von 26,5 Pflegekräften auf 80 Pflegebedürftige bundesweit auf dem vorletzten Platz. Und weil dieses Gesetz die bestehenden Zustände eher verschlimmert als verbessert, lehnt die NPD-Fraktion den Gesetzentwurf ab. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich vorwegschicken, die Änderungsanträge der LINKEN werden wir ablehnen. Den Antrag zur tariflichen Entlohnung halte ich für rechtswidrig. Also dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vorzuschreiben, wenn jemand Leistungen nach dem Landespflegegesetz in Anspruch nehmen will, das ist so weitreichend, das wird juristisch nicht durchzusetzen sein. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt, das Thema Entfristung, generelle Entfristung des Landespflegewohngeldes, das ist auch nicht unsere Überzeugung. Auch da werden wir dem nicht folgen. Aber das ist auch nicht der Bereich, mit dem ich mich schwerpunktmäßig beschäftigen möchte. Ich möchte gern eingehen auf das, was von Frau Gajek vorgetragen wurde und den Hinweis auf den Experten Herrn
Professor Thomas Klie, ein anerkannter Experte im Bereich Pflege, Inklusion, bundesweit aber unterwegs mit der Eigenschaft, immer auf Vogelflughöhe unterwegs zu sein.