Protocol of the Session on October 26, 2012

Einige Bemerkungen zu Ziffer 2 Ihres Antrages. Laut UNHCR, Sie haben es gesagt, haben mehr als 200.000 Syrer das Land verlassen, über 2 Millionen sind auf der Flucht. Die Forderung der LINKEN in Ziffer 2 des Antrages, sich auf Bundesebene für die bevorzugte und unbürokratische Aufnahme von Flüchtlingen aus der Krisenregion einzusetzen, ist lediglich ein moralitärer Annex, also ein Anhängsel, diesen Antrag, den Sie hier stellen, überhaupt landestauglich machen zu wollen. Man gewinnt also den Eindruck, dass dieses dem schlechten Gewissen der LINKEN gegenüber der syrischen Bevölkerung geschuldet ist.

(Zurufe von Peter Ritter, DIE LINKE, und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Ich möchte noch mal erwähnen, das wurde hier vom Minister gesagt, Deutschland hat in den letzten Monaten Millionen eingesetzt zur Hilfe für die notleidende Bevölkerung. Und gerade in der letzten Woche hat die Bundesregierung noch mal 5 Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt.

Also die Versorgung der Flüchtlinge muss vor Ort Priorität haben, gar keine Frage. Die Leute wollen, ich glaube,

auch das Land verlassen, sie wollen nach Hause zurückkehren und sie wollen dieses neue Land aufbauen. Und dennoch schließe ich, und da bin ich mit Ihnen, Herr Doktor, wieder in Übereinstimmung, schließe ich nicht aus, dass wir auch syrische Flüchtlinge in Einzelfällen aufnehmen können.

Im Übrigen, und das ist unsere eigentliche Ablehnung in diesem Fall, bei der Flüchtlingsfrage kann es keine Ein- teilung geben in bevorzugte und weniger erwünschte Flüchtlinge. Das haben Sie hier getan, indem Sie schreiben, Sie möchten bevorzugten Flüchtlingen Hilfe gewähren. Wer verfolgt wird, sagen wir, dem muss geholfen und Schutz geboten werden. – Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Ganz was Neues!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Der Antrag der LINKEN, es ist schwierig, damit umzugehen. Also fangen wir mal an.

Erstens. Die LINKEN fordern in ihrem Antrag, dass die Türkei sich zurückhält und die Bundesrepublik Deutschland nicht in ihre Verpflichtung eintritt, ihrem Bündnispartner militärisch zu helfen. Das ist schlechterdings unmöglich, was Sie hier fordern, denn sobald der Verteidigungsfall festgestellt ist, also der Angriff auf ein Territorium eines NATO-Mitglieds, dann haben wir automatisch die Verpflichtung, militärisch zu helfen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das stimmt nicht.)

Das ist unmöglich, was Sie hier fordern. Dann würden wir ganz massiv gegen einen Verteidigungspakt verstoßen, und wenn wir das täten, dann weiß ich nicht, was so ein Pakt dann noch wert ist. Das ist das erste formale Kriterium.

Aber lassen Sie mich auf ein paar allgemeine Dinge auch eingehen. Die Türkei spielt hier die Scheinheilige, indem sie 100.000 Flüchtlinge aufnimmt und nachweislich, nachweislich über ihre Grenze Waffen und Kämpfer einsickern lässt. Es ist nicht bekannt, ob das aktiv erfolgt, aber zumindest duldet sie das nachweislich.

Die Türkei behauptet, dass in russischen Flugzeugen – und da stimme ich in gewisser Weise überein – Waffen nach Syrien transportiert werden, ohne den Beweis angetreten zu haben. Nämlich das, was gefunden worden ist in einem Flugzeug, das war eben keine Munition, es waren keine Raketenteile, wie die westlichen Medien verbreitet haben, sondern da ist in russischen Zeitungen auch etwas darüber nachzulesen, dass es sich nur um Komponenten von Abwehrgeräten im Radarbereich handelte und um nichts anderes.

(Heinz Müller, SPD: Abwehrgeräte und Radar. Ganz friedlich!)

Lassen Sie mich noch …

Also die Nachrichtenlage ist überhaupt nicht so, dass man konkret und objektiv hier die Wahrheit mitteilen kann. Das ist unmöglich in diesem Konflikt.

Aber lassen Sie mich eine Frage stellen: Erklären Sie mir den Begriff „Söldner“, den Sie verwandten. Sagen Sie uns gleich konkret: Wen meinen Sie mit Söldner? Wer zahlt sie? Söldner werden bezahlt. Woher kommen sie? Wäre interessant für mich zu wissen, ob das abweicht von der Nachrichtenlage, die man allgemein bekommt.

Dann noch „Arabischer Frühling“, denn dieser Frühling, der wird langsam zum Winter – nicht nur für den ganzen maghrebinischen Raum, sondern für viele Staaten, da, wo die Interessen Amerikas, die Ölinteressen Amerikas, aber auch die Interessen Israels eventuell massiv beschädigt werden könnten.

Wir fordern nicht – und wir lehnen das auch ab, Herr AlSabty –, dass hier syrische Flüchtlinge eingeflogen werden, sondern wir fordern: Die Mächte, die direkt oder indirekt dafür verantwortlich sind, dass sich die Kriege in diesem Raum in den letzten sechs, acht Jahren so ausgeweitet haben und die der Weltbevölkerung das als Befreiung, Demokratie und Frühling verkaufen wollen, die sollen die Kosten zahlen und sollen sich auch um die Kriegsopfer kümmern, nicht wir hier in Deutschland, die wir das, weil wir nicht souverän sind, nicht scharf verurteilen können, was die Amerikaner im Irak angerichtet haben aufgrund von Lügen, Behauptungen, wie sich herausgestellt hat. Und jetzt die Hetze gegen den Iran, die indirekt auch dazu führen soll, komplett diese gesamte Region zu destabilisieren und unter westlichen Einfluss zu bringen.

Das CDU-Mitglied Jürgen Todenhöfer sagte dann auch richtigerweise, dass es die Aufgabe sei, von Amerika definiert, das gesamte Gebiet, worüber wir hier jetzt reden – Libyen, Irak, Iran, der Libanon natürlich, da ist der Konflikt, dass jetzt was passiert, noch viel größer, als dass die Türkei da eingreift –, unter amerikanische Kontrolle zu bringen. Das ist der Sinn der ganzen Angelegenheit: geostrategische Überlegungen. Und Sie verlangen, dass wir dann hier in Deutschland wieder eine Sonderrolle spielen und sagen, lasst die armen Menschen zu uns kommen!

Die Armut und das Verderben, die in diese Region hineingetragen worden sind, das ist eben nicht nur durch sogenannte Islamisten geschehen, sondern vorher auch durch die Anmaßung der westlichen Welt, dem Orient vorschreiben zu wollen, dass die Menschen nach west- lichem Muster zu leben haben. Das wird nicht funktio- nieren.

Und deswegen, bei allem Respekt, die Türken oder die türkische Regierung wird mit 250 Panzern natürlich keine Offensive starten können, so, wie Sie befürchteten. Das ist ein bisschen wenig von der Quantität her, das wird sich nicht leisten lassen. Aber die Türkei spielt dort ein Spiel, sie spielt mit dem Feuer. Die Türkei versteht sich mittlerweile in der Region durchaus als dominierend. Ist sie auch, das ist eine Potenz geworden in den letzten zehn Jahren. Und die Türkei wird, Gott sei Dank, auch nicht mehr in die EU wollen, denn die hat keine Lust, sich ihre Souveränität nicht nur im militärischen Bereich, sondern auch im wirtschaftlichen Bereich beschneiden zu lassen.

Insofern, unsere Position ist ganz klar: Schluss mit der Kriegshetze gegen den Iran und auch Schluss mit der indirekten Hetze gegen Russland, sondern Zurkenntnisnahme und genaue Beobachtung, was sich in diesem

Gebiet abspielt. Und: Die humanitäre Hilfe ja, aber bitte schön mit kühlem Kopf überlegt, und dann auch bitte schön die Leute, die das verursacht haben, in erster Linie zur Rechenschaft ziehen. Und das ist nicht wenig Israel und das sind nicht wenig die Vereinigten Staaten von Nordamerika.

(Thomas Krüger, SPD: Da stimmt das Feindbild wieder.)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Silkeit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Jaeger, wenn es um die Besorgnis über die Entwicklung in der Region, um die Besorgnis hinsichtlich des syrisch-türkischen Grenzkonfliktes geht, bin ich durchaus bei Ihnen. Ich bin auch bei Ihnen, wenn es darum geht, Bürgerkriegsflüchtlingen oder überhaupt Kriegsflüchtlingen jeglicher Art humanitäre Hilfe angedeihen zu lassen. Insofern könnte man durchaus Teile des Antrages begrüßen, wenn sie etwas Neues wären. Wenn sie, wie im vorliegenden Fall, lediglich eine Kopie von Regierungshandeln sind, dann halte ich diese Art von Antrag für absolut entbehrlich. Und wenn man sich den Teil der Mitgliedschaft in der NATO und der Wahrnehmung von Bündnisverpflichtungen anschaut, da ist die Position der Linkspartei hinlänglich bekannt. Also insofern wäre es eine rhetorische Übung, sich dazu zu äußern, noch mal auf das 94er-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes einzugehen. Wir haben uns gestern schon über die Interpretation von Verfassungsgerichtsurteilen unterhalten.

Ich bin auch bei Herrn Dachner, wenn er feststellt, lieber Kollege Al-Sabty, dass Sie ein sehr angenehmer Zeitgenosse sind, aber dennoch, es bleibt bei der Feststellung: Sie kopieren mit Ihrem Antrag Regierungshandeln – und ich beweise es Ihnen.

Ihnen dürfte die Verlautbarung der Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 4. Oktober dieses Jahres nicht entgangen sein – also einen Tag nach dem tödlichen Zwischenfall – während des Besuchs des jemenitischen Staatspräsidenten, wo sie den Angriff auf das Schärfste verurteilte. Sie hat im Umgang mit dem Zwischenfall angemahnt, dass jetzt Besonnenheit das Gebot der Stunde ist. Die Bundesregierung setzt damit im SyrienTürkei-Konflikt entschieden auf Deeskalation. Ich hebe die Wörter „Deeskalation“ und „Mäßigung“ hervor. Ich denke, das kam eben zum Ausdruck.

Im zweiten Punkt Ihres Antrages fordern Sie, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene dafür einsetzt, bevorzugt und unbürokratisch Flüchtlinge aus der Krisenregion aufzunehmen. Auch hier möchte ich vorausschicken, dass sich die Regierungspressekonferenz bereits am 5. Oktober dieses Themas umfänglich angenommen hat. Sicherlich wird Ihnen die Sicht des Außenministers Guido Westerwelle nicht gefallen, dass die Versorgung der syrischen Flüchtlinge vor Ort, das heißt in der Region, insbesondere gemeint sind damit die Nachbarstaaten, oberste Priorität hat. Aber Ihnen wird auch nicht entgangen sein, dass es sich hierbei um die Position des

UN-Flüchtlingswerks handelt, und nicht um die deutsche Position.

Erwähnenswert ist auch, und der Innenminister hat es gemacht, aber ich hebe es hervor, dass Deutschland eines der größten Geberländer beim Ableisten dieser humanitären Hilfe ist und bereits 24 Millionen Euro ausgereicht hat. Und erwähnenswert ist auch, dass 3.700 syrische Flüchtlinge bereits in den ersten neun Monaten des Jahres in Deutschland aufgenommen worden sind.

(Udo Pastörs, NPD: Und jetzt schicken wir Soldaten nach Mali.)

Die Regierungspressekonferenz, und ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren der LINKEN, die ist Ihnen nicht entgangen, stellt fest: Weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass syrischen Staatsangehörigen, die nach Syrien zurückkehren, dort Schlimmes droht, gewährt man ihnen derzeit im Rahmen der Asylverfahren auch diesen zumindest subsidiären Schutz.

Im Übrigen hatte die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt schon eine Vereinbarung mit den Ländern, wonach schnell und unkompliziert zu handeln ist, wenn es zu einem Hilfsappell der Vereinten Nationen käme.

Insofern, denke ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden Sie Verständnis dafür haben, dass der Wert dieses Antrages mehr oder weniger darin besteht, Regierungshandeln widerzuspiegeln. Und Sie werden auch dafür Verständnis haben, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen werden. – Danke sehr.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Dr. Al-Sabty.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Beiträge, die teilweise, finde ich, auch aufbauen. Andere Beiträge waren nicht der Wahrheit entsprechend. Aber ich muss immer noch an unsere Debatte von heute erinnern. Die Revolution, wir sagen jetzt „Arabischer Frühling“, ist für mich leider kein Frühling geworden, sondern Herbst, weil die Anfänge waren sehr gut in Tunesien. Man hat das begrüßt und ich begrüße das an dieser Stelle sehr, denn die Menschen haben – wie damals am 17. Juni 1953 in Deutschland – angefangen, für Demokratie, für Freiheit, für soziale Gerechtigkeit und auch für Frieden einzutreten. So haben die Leute in Tunesien unter diesem Motto demonstriert. Die haben auch ihre Ziele fast erreicht.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann manchmal in solchen Ländern, wenn man die Mentalität nicht kennt, auch die Politik nicht so richtig einschätzen,

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

und das ist die Folge.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Danach gab es Wahlen und bei diesen Wahlen in Tunesien war die Ennahda-Partei die stärkste, die auch islamisch ist, säkular ist, die immer noch die Freiheit der Menschen einschränkt, auch die wegen sexueller Nei

gungen. Heute haben wir in Tunesien immer noch einen Paragrafen, wonach eine Lesbe oder ein Schwuler ohne Gerichtsverhandlung drei Jahre ins Gefängnis geht, wenn es bekannt wird.

(Udo Pastörs, NPD: Da könnten einige aus der Bundesregierung dahin reisen.)

Und es gibt auch solche Gesetze immer noch in Ägypten. In Ägypten ist es auch keine Demokratie im Sinne des Wortes geworden. Fast 48 Prozent der ägyptischen Bevölkerung leben noch immer unter Armutszuständen.