Gestatten Sie mir zum Abschluss ein paar Worte zu den Zweigstellen. Auch hier hat sich die Mehrzahl der Experten ganz klar geäußert. Die nun vorgesehenen fünf Zweigstellen sind keine wirkliche Kompensierung zu den Amtsgerichten. Und, Frau Drese, der Amtsgerichtsdirektor aus Rostock, Herr Häfner, hat ganz deutlich gemacht, auch wenn die im Gesetz jetzt festgeschrieben sind, heißt es noch lange nicht, dass sie Bestand haben werden und dass es zu begrüßen ist.
Das wollen Sie heute noch nicht, aber für die Zukunft, wenn sich herausstellt, dass die Zweigstellen nicht effizient arbeiten und sie nicht gebraucht werden,
(Peter Ritter, DIE LINKE: Malchin lässt grüßen! Welche Koalition hat Malchin geschlossen als Außenstelle? Rot-Rot war das, ne?)
Zweigstellen werden eben nicht die gesamten Aufgaben der Amtsgerichte vorhalten und da sollten Sie auch den Bürgerinnen und Bürgern diesbezüglich nichts vortäu
Meine Damen und Herren, niemand der Anzuhörenden beziehungsweise der Initiatoren der Volksinitiative hat sich einer Reform verweigert, im Gegenteil.
Allerdings haben sie uns und die Landesregierung gebeten, sich für diese Reform Zeit zu lassen, genaue Zahlen vorzulegen und gemeinsam zu prüfen, wie wir in Mecklenburg-Vorpommern eine zukunftsfähige bürgernahe Gerichtsstruktur aufbauen können, wie zum Beispiel im Land Brandenburg, wo eine ebenso radikale Reform vorgesehen war, die Landesregierung das aber verworfen hat – eben im Interesse der Bürgernähe, der Amtsgerichtsstrukturen in ihrem Land –, und ich hoffe, dass wir diesem Beispiel folgen. – Ich bitte um namentliche Abstimmung zu unserem Änderungsantrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst mal, Frau Borchardt, ich bin also wirklich erstaunt, wie viel Zeit Sie doch darauf verwandt haben in Ihrem langen Vortrag, uns die Gerichtsstrukturreform zu erklären und nicht auf den Antrag einzugehen.
Da bin ich ja mal gespannt, wenn wir die Debatte im Landtag zum Gesetzentwurf haben, was Sie dann noch Neues zu verkünden haben. Darauf bin ich ehrlich mal gespannt.
(Vincent Kokert, CDU: Na, nichts! Sie liest die gleiche Rede immer wieder vor. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist doch Ihr Entschließungsantrag! – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)
wir respektieren den Willen von über 35.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern der Volksinitiative „Für den Erhalt einer bürgernahen Gerichtsstruktur in Mecklenburg-Vorpommern“. Wir bekennen uns dazu, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen unseres Landes den Zugang zum Recht nicht unangemessen erschweren. Wir bekennen uns eindeutig zur Notwendigkeit des Erhalts der Präsenz der Justiz in der Fläche unseres Bundeslandes. Wir werden dem vorliegenden Antrag der Volksinitiative zustimmen.
Unsere heutigen Beratungen stehen am Ende eines langen und intensiven Beratungsprozesses des Antrages, dem wir nicht nur zustimmen wollen, sondern den wir auch um die Ihnen bekannte Entschließung ergänzen wollen. Ich werde Ihnen nachfolgend erläutern, warum
wir so handeln und weshalb die Volksinitiative für uns nicht im Widerspruch zu den aktuellen Plänen einer Gerichtsstrukturreform steht. Werfen wir dafür zunächst einen genauen Blick auf den Antrag.
Hierin fordern die Antragsteller, einer Schließung einzelner Gerichtsstandorte nur zuzustimmen, wenn die Präsenz der Justiz in der Fläche unseres Bundeslandes erhalten bleibt und wenn der Zugang von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen zum Recht im Sinne des Artikels 19 Absatz 4 unseres Grundgesetzes nicht unangemessen erschwert wird. Ich glaube, diesem Ansinnen und diesem Antragsinhalt kann jedes Mitglied unseres Hohen Hauses zustimmen, und so werden wir es auch tun.
In dem Antrag wird also von den Unterzeichnern mit dem Verweis auf Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes, also mit dem expliziten Verweis auf das geschützte Grundrecht auf Rechtsschutz, der höchstmögliche verfassungsrechtliche Anspruch an die Gerichtsstrukturreform deutlich gemacht. Dies ist auch gut und richtig so und diesem Anspruch unterstellen wir im Übrigen auch jedes andere Gesetzesvorhaben unserer Koalition.
Nun kann man ja, das ist unbestritten, zum Reformkonzept der Landesregierung durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. Aber, meine sehr verehrten Kollegen, ich glaube, eine Auffassung kann keiner von Ihnen ernsthafterweise vertreten, nämlich die, dass das Reformkonzept und der diesem folgende Gesetzentwurf gesetzes- oder gar verfassungswidrig im Sinne einer Verletzung des Grundrechts auf Rechtsschutz wäre. Insofern verstehe ich diesen Verweis auf unsere Verfassung im Antragstext allenfalls als einen Appell an den Gesetzgeber zum Einhalten geltenden Rechts, was aber auch ohnehin dessen Ansinnen war und ist. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der geplanten Justizreform verschließen sich mir aber ebenso wie führenden Juristen unseres Landes, wie – schon mehrfach zitiert – dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes, der diese Auffassung auch in der öffentlichen Anhörung vertreten hat.
Eine angeblich fehlende Verfassungskonformität kann also kein Argument gegen eine Gerichtsstruktur in Mecklenburg-Vorpommern sein. Dies sollte man respektieren, egal, wie man zum Reformvorhaben steht. Alles andere wäre an dieser Stelle scheinheilig, meine Damen und Herren. Folglich stehen wir nicht vor der Frage, ob das vorliegende Reformkonzept geltendem Recht entspricht oder nicht, sondern viel eher vor der Frage, was für eine Gerichtsstruktur sich unser Land leisten will oder vor allem leisten kann.
Meine Damen und Herren, hierüber lässt sich ganz im Gegensatz zur Verfassungskonformität wahrlich streiten, das ist so. Es geht schließlich um nichts Geringeres als um die Gretchenfrage unserer Justizpolitik in den kommenden Jahren.
Lassen Sie mich auf diesen Aspekt, den ja auch die Volksinitiative aufgreift, noch etwas genauer eingehen, ehe ich zu unserem Entschließungsantrag komme, da ich denke, dass es sich hierbei um eine ganz wesentliche Frage für die Beratungen handelt. Was für eine Justiz können und wollen wir uns künftig leisten?
Man soll sich vergegenwärtigen, egal, wie auch immer man zu einer geplanten Gerichtsreform steht, dass knapper werdende Haushaltsmittel und der demografische Wandel keinen Bogen um unsere Justiz machen. Hinzu kommen einige erschwerende Fakten, nur zwei seien genannt: Unser Bundesland verfügt gegenwärtig über die höchste Amtsgerichtsdichte in Deutschland. Bei 1,64 Millionen Einwohnern und 21 Amtsgerichten, die Zahl ist ebenfalls bekannt, kommen wir auf ein Verhältnis von circa 78.000 Gerichtseingesessenen je Amtsgerichtsbezirk. Der bundesweite Durchschnitt liegt aber bei etwas über 123.000 Einwohnern. Zugegeben, und das werde ich nicht bestreiten, sind dort auch alle Zentren mit einberechnet, das heißt, wenn man rein die Flächenländer berechnen würde, ergäbe sich ein etwas anderer Durchschnitt, aber das ist nicht so wesentlich.
Das ist eine Abweichung von mehr als 35 Prozent, sagen wir mal, 30 Prozent im Verhältnis. Außerdem, und das ist auch unbestritten, sind die Eingangszahlen an den Gerichten im Lande rückläufig, nicht in allen Sparten der Gerichtsbarkeit, aber doch in vielen, was sich in den kommenden Jahren noch intensivieren wird. Allein anhand der statistischen Betrachtungen, die im Reformkonzept beachtet werden, erscheint eine Reform der Landesjustiz in der Tat notwendig.
In diesem Zusammenhang ist für mich aber klar, auch das wurde in der öffentlichen Anhörung deutlich, dass Strukturentscheidungen, was Entscheidungen über die Zukunft von Gerichtsstandorten zweifelsohne sind, meine Damen und Herren, in einem Flächenland wie dem unseren aber nicht nur aufgrund von Pro-Kopf-Analysen und statistischen Notwendigkeiten getroffen werden können.
Dies der Regierung pauschal vorzuwerfen, greift aber zu kurz. Dennoch betrachte ich es als wesentliches Anliegen der Initiatoren der Volksinitiative, dass die ländlichen Räume eine besondere Beachtung im Reformvorhaben finden sollen. Hierfür werde ich mich auch im Ergebnis der Expertenanhörung in den weiteren Beratungen einsetzen.
Meine Damen und Herren, zu meiner Freiheit und Verantwortung als direkt gewählter Abgeordneter gehört es auch, dass ich in den Beratungen für meine Region und in diesem ganz speziellen Falle für das Amtsgericht in meiner Heimatstadt Ueckermünde kämpfe. Für solches Handeln habe ich im Übrigen auch bei Ihnen und bei allen anderen Wahlkreisabgeordneten vollstes Verständnis. Dennoch sollten wir an dieser Stelle versuchen, die Zahlen, die das Reformansinnen unterlegen und die von mir vorhin exemplarisch genannt wurden, nicht wegzudiskutieren oder gänzlich in der Argumentation zu vernachlässigen.
Trotz der geäußerten Kritik am geplanten Reformvorhaben haben mich die öffentliche Anhörung und das Zahlenmaterial des Reformkonzeptes in der Erkenntnis bestärkt, dass ein grundsätzlicher Handlungsbedarf in der Frage der Gerichtsstruktur besteht. Das hat nicht nur der Landesrechnungshof in seiner Stellungnahme, sondern auch der Präsident des Richterbundes Mecklenburg
Vorpommern – das ist ebenfalls schon gesagt worden –, der zu den Initiatoren der Volksinitiative gehört, in einem aktuellen Schreiben bekannt, in dem es heißt: Es geht den Initiatoren der Volksinitiative nicht darum, eine Reform der Justiz in diesem Land zu verhindern.
Genau in diesem Punkt aber unterscheiden sich die Oppositionsfraktionen maßgeblich von den Initiatoren der Volksinitiative. Die Kollegen der Linksfraktion versuchen, dieses Reformkonzept der Landesregierung als Untergang des demokratischen Rechtssystems zu inszenieren.
Dies finde ich ebenso unehrlich wie unredlich. Ich habe noch nicht mitbekommen, dass Sie die Diskussion um die Zukunft unserer Gerichtsstruktur inhaltlich bereichert haben. Nein, Sie beharren konsequent auf dem Status quo und setzen stattdessen auf eine alternativlose Verneinung des Reformvorhabens. In Stadtvertretungen oder in Kreistagen fordern Sie, ohne zukünftige Veränderungen und Anpassungen alle Amtsgerichte unverändert beizubehalten.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und die Kreistagsabgeordneten? Wollen die auch alles verhindern? Komisch!)