Was genau heißt dies denn? Ich kann nicht nachvollziehen, dass auch nach der gestrigen umfassenden Landespressekonferenz immer noch teilweise die Auffassung vertreten wird, in diesem Gutachten ginge es nur um Zahlen und nicht um künstlerische Qualität. Was ist denn die Perspektive, wenn man diesen Auftrag erteilt? Was heißt das, das künstlerische Angebot für die Men
schen in Mecklenburg-Vorpommern möglichst nicht einzuschränken? Es kommt auf die Perspektive an. Blickt man auf den Zuschauer und stellt sich als Politik die Frage, ob es unsere Aufgabe ist, dem Zuschauer entsprechende Angebote zu sichern, gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstlern, oder heißt künstlerische Qualität, dass die Frage erörtert wird, an welchem Standort welche Struktur vorhanden ist, also eine Selbstbeschau sozusagen? Und dann kann ich Ihnen ausdrücklich sagen, für uns heißt Vielfalt des künstlerischen Angebotes, dass es um die Zuschauer geht, denn die sind diejenigen, für die die Theater da sind, und das ist auch das Maß, an dem wir unsere Entscheidung aus- richten.
Ich möchte in diesem Zusammenhang einfach die Strukturprobleme mal erwähnen, vor denen wir stehen, und es auf den Punkt bringen. Allen ist klar, dass das Musiktheater mit all seinen Bestandteilen der teuerste Bereich ist, und wir haben hier im Lande ganz unterschiedliche Situationen. Am Standort Schwerin gibt es im Jahr einschließlich der Schlossfestspiele 45.000 Besucher in der Oper, in Rostock sind es etwa 7.000, in Vorpommern 6.000 und in Neustrelitz und Neubrandenburg nur 3.000. Die einzige Frage, die sich ergibt aufgrund einer solchen Schieflage, die Frage ist nicht, ob es in Neustrelitz und Neubrandenburg, ob es in Stralsund und in Greifswald und in Rostock in Zukunft noch Oper gibt, die Frage ist, ob die Oper an diesen Standorten angesichts der geringen Zuschauerzahlen produziert werden muss. Dass sie an allen Standorten in Mecklenburg-Vorpommern anzubieten ist, ist für uns eine Selbstverständlichkeit, denn alle Menschen in diesem Lande haben Anspruch darauf, vergleichbare kulturelle Angebote zu erhalten.
Und um dies noch etwas zu untermauern, dass die Vorschläge der Metrum GmbH eben nicht darauf abzielen, das Angebot für die Zuschauerinnen und Zuschauer zu reduzieren, möchte ich kurz auf den Spielplan eingehen, der mit dem Staatsoper-Mecklenburg-Modell verbunden ist. Derzeit gibt es in Rostock jährlich drei Neuinszenierungen in der Oper, in Schwerin vier. Die Metrum GmbH schlägt in Zukunft vor, dass diese beiden Standorte mit jeweils vier Neuinszenierungen versorgt werden. Das ist dann für Rostock also sogar ein Ausbau von drei auf vier Neuinszenierungen. Ähnlich sieht es aus bei den Konzertprogrammen, dort haben wir in Rostock 11, in Schwerin 13. Die Metrum GmbH schlägt vor, an beiden Standorten in Zukunft 12.
Von einem Abbau an künstlerischen oder kulturellen Leistungen für die Zuschauerinnen und Zuschauer kann nicht die Rede sein. Warum gelingt dies? Weil die Metrum GmbH vorschlägt, dass eben nicht Rostock drei eigene Inszenierungen macht und Schwerin vier eigene Inszenierungen, sondern beide zusammen vier Inszenierungen auf die Bühne bringen, die aber allen Zuschauern in Rostock und Schwerin zur Verfügung stehen.
Dies kann man kritisieren, aber vom Zuschauer aus gedacht ist das aus meiner Sicht genau die angemessene Perspektive. Und die einzige Frage, um die es am Ende gehen wird, und ich richte mich hier insbesondere an die Einwohnerinnen und Einwohner in Schwerin, in Rostock und die verantwortlichen Entscheidungsträger, die einzige Frage, um die es am Ende gehen wird, ist die:
Sind diejenigen, die Verantwortung tragen für Theater und Orchester, bereit, im Interesse der Zuschauer in einer langfristigen Sicherung der Theater- und Orchesterlandschaft zusammenzugehen und gemeinsam für die Bürgerinnen und Bürger Angebote zu entwickeln? Oder wird es weiter so sein, wie es in den vergangenen Jahren war, dass jedenfalls symbolische Mauern um die Stadtgrenzen gezogen werden und man in Schwerin nichts mit Rostock zu tun haben will und in Rostock nichts mit Schwerin?
Meine Damen und Herren, wer wirklich Kunst und Kultur in den Vordergrund rückt, der kann sich mit solchen regionalistischen und wirklich der Sache nicht angemessenen Verhaltensweisen nicht abfinden, sondern der muss dafür werben, dass beide Städte zusammenrücken und für die Bürger/-innen beider Regionen vernünftige Angebote erzeugen.
Und ich möchte hinzusetzen, wenn Sie das nicht tun, dann geht es Ihnen am Ende nicht um die Frage, welche Veranstaltungen dem Zuschauer in Schwerin und Rostock geboten werden, sondern es geht um ganz andere Fragen, über die ich jetzt im Detail gar nicht sprechen möchte. Nur noch mal zur Verdeutlichung, was das heißen würde für Rostock und Schwerin: Beide Standorte hätten nach den Modellen der Metrum GmbH ein A-Orchester mit 120 Musikern. Mit 120 Musikern können Sie ein völlig anderes Repertoire spielen, können Sie große Sinfonien aufführen. Einen solchen Klangkörper hat Mecklenburg-Vorpommern bisher überhaupt nicht. Ich muss Ihnen ausdrücklich sagen, ich sitze als Zuschauer lieber in einem Sinfoniekonzert, in einem anspruchsvollen, mit 120 Musikern als in einem Konzert mit 55. Auch wenn mir die 55 natürlich auch sehr lieb sind, aber es ist eben ein riesengroßer künstlerischer Unterschied.
In welcher rechtlichen Situation befinden wir uns? Darauf möchte ich gern noch eingehen, weil natürlich die Diskussion geführt werden wird, wer hier welche Verantwortung trägt. Und ich bitte sehr darum, dass in dieser Debatte präzise und fair diskutiert wird. Wenn ich davon spreche, dass die Verantwortung zunächst einmal die Träger der Theater selbst tragen, ist das ein rechtliches Argument. Es ist eine rechtliche Verantwortung und das ist so glasklar, dass man darüber gar nicht diskutieren muss, denn jedem ist bekannt, dass wir nicht zu den Trägern der Theater und Orchester in MecklenburgVorpommern gehören. Dass es eine politische Verantwortung auch für das Land und für mich als Kultusminister gibt, ist eine Selbstverständlichkeit.
Würden wir dies nicht so sehen, hätten wir nicht in der Koalitionsvereinbarung uns vorgenommen, die Theater- und Orchesterlandschaft langfristig zu sichern. Würden wir dies nicht so sehen, läge Ihnen nicht seit gestern das entsprechende Gutachten vor, und würden wir dies nicht so sehen, gäbe es heute die Aktuelle Stunde nicht. Deswegen bitte ich darum, diese rein rechtliche Frage von der Frage der politischen Mitverantwortung, jedenfalls der kulturpolitischen Mitverantwortung zu unterscheiden.
Trotzdem stehen wir genau vor dieser Situation, die Frau Dr. Seemann beschrieben hat. Es gibt genau zwei Mo
delle letztlich. Das eine Modell ist, jeder Standort wirtschaftet weiter vor sich hin, wobei man sagen muss, im Osten des Landes sind hier schon andere Schritte gegangen worden. Insofern ist die Formulierung von mir gerade nicht völlig präzise. Die Frage ist also: Betreiben die Standorte Nabelschau und regionalistischen Egoismus? Oder finden sie sich zusammen, um für die Menschen im gesamten Land ein gutes Angebot an Kunst und Kultur zu schaffen? Tun sie es nicht, weil die Kommunen die Träger der Theater sind, werden Modell 1 oder 2 in Kraft treten müssen, weil dies ist die heutige Realität. Und ich sage Ihnen ausdrücklich, es ist nicht nur das Modell 1, auch das Modell 2, diese beiden Modelle kann ich niemandem wünschen, denn sie würden bedeuten, dass die Kommunen die Verantwortung auch politisch voll dafür übernehmen müssen, dass die Standorte in einem unkoordinierten Prozess, ich behaupte, dem kulturellen Niedergang ausgeliefert sind.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Stadt Schwerin als eine Stadt, die erhebliche Haushaltsdefizite hat, wie diese Stadt in der Lage sein will, ein so großes Theater auf Dauer ohne Schaden an der künstlerischen Qualität allein aufrechtzuerhalten, ohne gemeinsam mit Rostock zusammenzugehen. Und deswegen stehen wir genau vor dieser Herausforderung, etwas im Lande zu schaffen, was es noch nie gegeben hat, nämlich zusammenzurücken, und das unter Beteiligung oder Moderation des Landes. Das wird man sehen, das sind offene Fragen.
Ich darf jedenfalls für die Landesregierung ankündigen, dass wir nicht vorhaben, diesem kulturellen Niedergang tatenlos zuzusehen, sondern dass wir uns einbringen werden, dass wir unsere Zusammenarbeit anbieten, dass wir bis zum Ende des Jahres eine Entscheidung treffen werden, welches Modell wir präferieren, und dass die Freiwilligkeit, auf die ich setze und auf die wir auch angewiesen sind, nicht bedeutet, dass wir tatenlos zusehen werden, wenn einige Standorte Entscheidungen treffen, die für die Gesamtentwicklung der Theater- und Orchesterlandschaft nachteilig sind, sondern ich darf Ihnen ankündigen, selbstverständlich werden wir aus einem solchen Verhalten zum Beispiel für die Finanzierungsströme über das FAG ebenfalls unsere Schlussfolgerungen ziehen.
Ich glaube nur, dass, sollte es nötig sein, solche Schlussfolgerungen zu ziehen, dies für die Gesamtentwicklung des Landes nicht die beste Option wäre, und deswegen werbe ich dafür: Raus aus
den regionalen Lagern, ran an den Tisch! Lassen Sie uns gemeinsam darüber verhandeln, wie wir für die Menschen in diesem Land das beste Angebot organisieren können, das wir mit doppelt so hohen Zuweisungen gegenüber dem Bundesdurchschnitt in irgendeiner Form organisieren können. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit reichlich 20 Stunden liegen uns neun Modelle einer möglichen zukünftigen Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern vor. Sie rühmen sich seitens der SPD, dass dieses Thema just in dem Moment heute Gegenstand der Aktuellen Stunde ist, und ich finde, Sie rühmen sich
zu Unrecht, denn ich frage Sie allen Ernstes: Wo waren die Initiativen für Aktuelle Stunden, als es an den Standorten Rostock, Schwerin oder Neubrandenburg-Neustre- litz akute Insolvenzgefahren gab? Wo waren Ihre Initiativen, als wir Soforthilfen gefordert haben?
Nun liegen diese Modelle vor. Die neun Musen, die Schutzgöttinen der Künste in der griechischen Mythologie, haben ihnen offenbar nicht Pate gestanden.
Vielmehr beruhen sie auf glasklaren restriktiven Ansagen des Bildungsministeriums. Der Bildungsminister behauptete gestern in der Landespressekonferenz, die Modelle wären in einem, Zitat, „ungelenkten Verfahren entstanden“. Soll heißen: Sie sind frei von politisch tendenziöser Einflussnahme. Das aber ist eine Falschaussage. Das Gegenteil ist der Fall. Tatsächlich, und Frau Dr. Seemann hat selbst darauf hingewiesen, gab es gleich mehrere Vorgaben,
im Übrigen nicht nur drei, im Ausschreibungsverfahren. Ist ja klar, ich will sie aber ganz gern noch mal referieren. Die erste und verhängnisvollste: Die Landesförderung bleibt bei 35,8 Millionen Euro gedeckelt.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Und damit fast doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Das vergessen Sie mal nicht zu erwähnen, Herr Koplin! – Zurufe von Dr. Margret Seemann, SPD, und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)
Die zweite Vorgabe, nicht weniger verhängnisvoll – Zitat aus dem Ausschreibungstext: „Einhaltung der finanziellen Rahmenbedingungen aus kommunalen und Landesmit
Was für ein Zynismus! Was für ein Zynismus! Die Landesregierung spart seit Jahren auf Kosten der Kommunen.
Die kommunale Familie funkt zunehmend SOS. Doch SPD und CDU wollen nicht hören. Viel lieber sorgen sie dafür, dass sogenannte freiwillige Aufgaben weiter gekürzt werden. Das gilt auch für die Kultur. Was für eine Doppelmoral!
Die dritte Vorgabe, Zitat: „Darstellung … des kulturellen Angebotes als Wirtschaftsfaktor“. Zitatende. Kein Wort von kultureller Bildung im Ausschreibungstext, jeder aber müsste doch wissen, kulturelle Bildung ist das Herzstück jeglicher Theaterarbeit.
Die vorliegenden Modelle sind also sehr wohl gelenkt. Am Steuer sitzt die Finanzpolitik, die Kulturpolitik sitzt ganz hinten im Bus und dem Kultusminister gefällt das offenbar sehr.