Protocol of the Session on August 31, 2012

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/1041. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/1041 von der Fraktion der SPD, der CDU, der Fraktion DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung, Drucksache 6/1027. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1082 vor.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung – Drucksache 6/1027 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/1082 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was braucht ein Kind, damit es jeden Tag im Kindergarten mit Vorfreude, Spaß und Neugierde beginnt und mit anregenden neuen Eindrücken verbringt? Motivierte, professionelle, immer wieder begeisterungsfähige Erzieherinnen und Erzieher. Und was brauchen eine Erzieherin oder ein Erzieher, um sich den vielfältigen Herausforderungen ihres oder seines Berufes zu stellen? Eine fundierte praxisnahe Ausbildung auf hohem Niveau, die Entwicklungschancen ermöglicht und angemessen vergütet wird. Klingt einfach? Wenn es doch so wäre, meine Damen und Herren!

Die Reform der Erzieherausbildung ist nicht erst seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz ab 2013 ein zentrales bildungspolitisches Diskussionsthema. Aber vor dem aktuellen Hintergrund eines weitgehend leergefegten Erzieher/-innen- und Pädagogenmarktes wächst die Dringlichkeit, sich mit diesem Thema lösungsorientiert auseinanderzusetzen. Dass wir auch in unserem Bundesland mehr Erzieherinnen und vor allem Erzieher brauchen, ist unstrittig. Das vermehrte Ausscheiden älterer Fachkräfte in den kommenden Jahren wird Lücken reißen. Die Absenkung des Betreuungsschlüssels, so sehr wir sie als längst überfälligen Schritt in die richtige Richtung begrüßen, führt zu Mehrbedarfen. Es gilt also, sowohl die Qualität als auch die Attraktivität der Erzieher/-innenausbildung zu verbessern. Es gilt, die Ausbildung zu reformieren.

Nun werden Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, gleich sagen, eine solche Reform hat es ja erst vor Kurzem gegeben.

(Zuruf aus dem Plenum: Jo!)

Ja, es ist richtig, die Fachschulverordnung Sozialwesen ist überarbeitet und die Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher ab dem Schuljahr 2012/2013 von drei auf zwei Jahre verkürzt worden. Aber das allein macht ja keine Reform aus. Eine Reform, wie wir Bündnisgrünen sie im Blick haben, umfasst viel mehr: eine Veränderung der Kurrikula, die Neugestaltung von Zugangsvoraussetzungen, die Eröffnung von Fort- und Weiterbildungs- perspektiven. Ein paar Anregungen, Denkanstöße und Vorschläge zu diesem Gesamtkontext möchten wir mit unserem Antrag unterbreiten.

Mancher Ansatz mag Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Sie schon in der vergangenen Legislatur hier im Landtag vertreten waren, durchaus bekannt vorkommen. Tatsächlich enthält der im Februar vergangenen Jahres vorgelegte Bericht der Landesregierung zur Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung ja auch bereits eine Bestandsaufnahme. Aber das in den unterschiedlichsten Zusammenhängen immer wieder gern bemühte Argument, die Landesregierung, in Anführungsstrichen, „sei seit Langem am Thema dran“, stellt eben noch kein Handlungskonzept dar.

Insofern: Unsere Ideen gehen erstens über das erwähnte Papier hinaus, insbesondere im Bereich der dualen Ausbildung und beim Quereinstieg. Und zweitens sehen wir unsere Aufgabe als Opposition auch nicht darin, dass Rad gänzlich neu zu erfinden. Was wir als BündnisgrüneFraktion aber wollen, das ist, das Rad endlich ins Rollen zu bringen.

(Harry Glawe, CDU: Aber in die richtige Richtung.)

Meine Damen und Herren, wer heute in unserem Bundesland eine Erzieherinnen- oder Erzieherausbildung abschließt, hat zwei Ausbildungsgänge zu durchlaufen: die Ausbildung zur Sozialassistentin oder zum Sozialassistenten und die darauf aufbauende zur Erzieherin oder zum Erzieher. Sie oder in Einzelfällen er hat dafür vier Jahre lang keine Vergütung erhalten. Sie oder er hat zwar Praktika an wechselnden Arbeitsorten absolviert, hat aber keine feste Bindung an einen Arbeitgeber oder an eine Arbeitgeberin.

Das, meine Damen und Herren, kann mit einer dualen Ausbildung im Sinne von Auszubildenden und Arbeitgebern verbessert werden. Warum? Aus folgenden guten Gründen: Die Arbeitgeber hätten die Möglichkeit, ihre potenziellen späteren Fachkräfte auszuwählen und sie über einen langen Zeitraum in der praktischen Ausbildung kennenzulernen. Der Praxisbezug – für die Arbeit mit Menschen das A und O – würde deutlich intensiviert werden. Die Auszubildenden erhielten eine Ausbildungsvergütung und wären nicht mehr auf BAföG, elterliche Unterstützung oder Nebenjobs angewiesen. Den Auszubildenden böten sich mehr Identifikationsmöglichkeiten mit dem Betrieb. Das würde sich auch in höheren Verbleibsquoten nach Ende der Ausbildung niederschlagen.

Wir regen deshalb an, dass die Landesregierung die Einführung einer dualen oder dual orientierten Erzieherinnen/- und Erzieherausbildung prüft. Die Praxis der direkten Anstellung bei dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin hat sich schon bei der Umstellung anderer ehemals rein schulischer Berufe, wie etwa bei der Ausbildung von Altenpflegerinnen oder Altenpflegern, bewährt. Und dass es auch im Erzieher/-innenbereich innovativ geht, bewei

sen Modellprojekte in anderen Bundesländern, wie etwa der Schulversuch „Praxisintegrierte Ausbildungsform“, kurz PIA, der in diesem Herbst in Baden-Württemberg startet.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Meine Damen und Herren, das Berufsbild Erzieherin/Erzieher ist nicht statisch. So, wie sich die Lebenswelten unserer Kinder verändern, ändern sich auch die Herausforderungen an diejenigen, die täglich mit ihnen arbeiten. Um diesen Anforderungen besser gerecht zu werden, brauchen wir mehr akademisch ausgebildetes Personal, und zwar nicht nur für die Leitungsebene, sondern auch für die unmittelbare pädagogische Arbeit mit den Kindern. Eine Teilakademisierung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung bietet zudem die Chance, das Berufsbild attraktiver zu machen und den Kreis derjenigen, die sich für dieses Berufsfeld interessieren, zu erweitern.

Der europäische Vergleich verdeutlicht, welcher Nachholbedarf in Deutschland noch besteht. Mit dem Studiengang Early Education

(Harry Glawe, CDU: Wurde schon eingeführt.)

an der Fachhochschule Neubrandenburg gibt es seit einigen Jahren erste, auch berufsbegleitende Ansätze, aber die zur Verfügung stehenden Plätze reichen weder aktuell noch perspektivisch aus. Wir fordern deshalb eine bedarfsgerechte Ausweitung der Kapazitäten.

Meine Damen und Herren, auch für Quereinsteigerinnen oder Quereinsteiger wollen wir die Zugangsmöglichkeiten verbessern. Das betrifft vor allem Männer, die oft erst nach persönlichen Erfahrungen, etwa wenn sie selbst Vater geworden sind, ihr Interesse für diesen Beruf entdecken. Aktuell sind bundesweit rund 97 Prozent der Erziehungsfachkräfte weiblich. Wir Bündnisgrünen wollen einen Abbau geschlechtsbezogener Rollenstereotypen erreichen. Ein ausgewogenes Verhältnis von weiblichen und männlichen Erziehungsfachkräften sehen wir als einen wichtigen Beitrag dazu.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bundesprojekt „MEHR Männer in Kitas“ und Schnupperangebote im Rahmen des Jungstages Mecklenburg-Vorpommern sind in diesem Zusammenhang begrüßenswert, aber nicht ausreichend. Um die Chancen für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger wirklich zu erhöhen, braucht es eine verbesserte Anerkennung pädagogischer Vorkenntnisse und Teilqualifikationen, und selbstverständlich muss auch sein, dass diejenigen, die sich im Rahmen von externen Prüfungen auf den Einstieg in den Erzieherinnen- oder Erzieherberuf vorbereiten, dann auch wirklich die Chance erhalten, ihre Prüfung abzulegen, anstatt wie derzeit mehrmonatige Warteschleifen zu absolvieren, weil es an Personal für die Prüfungskommission fehlt.

Meine Damen und Herren, es liegt ein Änderungsantrag der LINKEN vor, der zum einen eine Neufassung der Ziffer 2 unseres Antrages vorschlägt. Bezug genommen wird darin auf den im Februar 2011 vorgelegten Bericht der Landesregierung zur Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung. Wie ich eingangs dargestellt habe,

gehen die darin dargestellten Reformansätze der Landesregierung unserer Meinung nach nicht weit genug. Deshalb können wir diesem Vorschlag der LINKEN nicht zustimmen. Zustimmen können wir hingegen dem in Ziffer 3 und 4 formulierten Vorschlag. Eine Verbesserung hinsichtlich der Organisation der Externenprüfung und die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten an staatlichen Schulen sind auch uns ein Anliegen. Wir beantragen zum Änderungsantrag der LINKEN deshalb getrennte Abstimmung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine grundlegende Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung ist überfällig! Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und als Erste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Seemann von der SPDFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Als ich den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN gelesen habe, habe ich gedacht „Guten Morgen, liebe Fraktion!“.

(Torsten Renz, CDU: Guten Morgen, liebe Sorgen!)

Danach habe ich mich dann gefragt, als ich mich damit beschäftigt habe, ob Sie die Ziffer 190 der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU abgeschrieben haben oder einfach nicht mitgekriegt haben, was im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Ziffer im Koalitionsvertrag eigentlich schon läuft.

Offensichtlich haben Sie es doch mitgekriegt, das habe ich eben an Ihrer Rede gemerkt. Sie haben auch den Antrag, den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE hier erwähnt, den haben Sie auch zur Kenntnis genommen. Mit diesem Antrag wird meines Erachtens ja versucht, Ihren aus meiner Sicht schwachen Antrag zu reparieren. Und obwohl Sie hier inhaltlich Ausführungen gemacht haben und selber deutlich gemacht haben,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es reicht doch aber nicht, Frau Seemann.)

dass die Landesregierung seit der letzten Legislatur einen umfangreichen Reformprozess eingeleitet hat,

(Torsten Renz, CDU: Da waren sie doch nicht da. Woher sollen sie das wissen?)

obwohl Sie den Antrag der LINKEN zur Kenntnis genommen haben, sind Sie nicht auf die Idee gekommen, einfach nur Ihren Antrag zurückzuziehen. Der ist schlicht und ergreifend überflüssig!

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sehen wir anders.)

Im Punkt 190 der Koalitionsvereinbarung ist nachzulesen, dass die Koalitionsfraktionen sich dafür einsetzen, dass „die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher bedarfsgerecht“ ausgerichtet und weiter modernisiert wird und sich die Fraktionen,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ich zitiere: „auf Bundesebene für die Herstellung der entsprechenden Rahmenbedingungen einsetzen (wer- den)“, Zitatende. Aber gerade in dieser Wortwahl liegt dann auch der qualitative Unterschied zu den Forderungen der GRÜNEN.

Sie gaukeln mit Ihrem Antrag Handlungsbedarf vor,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, der ist doch auch da.)

Sie gaukeln vor, dass die Landesregierung hier untätig ist, und das stimmt eben genau nicht.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht ausreichend.)

Ich habe es gesagt, die Reformen wurden eingeleitet.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Sie selber haben deutlich gemacht, dass die Gesamtausbildungszeit von 5 auf 4 Jahre reduziert wurde, und wenn Sie, Frau Gajek, wenn Sie die Attraktivität der Erzieher/-innenausbildung hier angesprochen haben, dann ist genau das ein entscheidender Punkt gewesen, dass immer gesagt worden ist, die Erzieher/-innenausbildung dauert einfach zu lange.