Protocol of the Session on August 31, 2012

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Andrejewski von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das hier dargestellte Problem wurde von uns schon einmal im Landtag angesprochen. Seitdem hat es aber eine verschlimmbessernde Gesetzesänderung gegeben. Gemäß Paragraf 7 (4a) SGB II kann einem Leistungsempfänger die Erlaubnis erteilt werden, seinen unmittelbaren Lebensbereich verlassen zu dürfen, wenn kein wichtiger Grund hierfür vorliegt und die Eingliederung in die Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Dass ein Erwerbsloser nicht in der Gegend herumreisen sollte, vorausgesetzt, er findet jemanden, der ihn mitnimmt, denn aus eigenen Mitteln kann er es sich ja nicht leisten, wenn die Arbeitsgemeinschaft gerade dabei ist, ihm einen Job zu verschaffen und dafür auch konkrete Aussichten bestehen, das ist noch einzusehen. Aber wenn, wie der Gesetzestext sagt, die Eingliederung in die Arbeit nicht beeinträchtigt ist, wenn der Leistungsempfänger abwesend ist, warum soll er dann nicht das Recht haben, seinen Aufenthaltsort frei zu wählen?

Dass er seine Erreichbarkeit sicherstellt, muss doch ausreichen. Gesetzt den Fall, beim Jobcenter geht tatsächlich ein unerwartetes Stellenangebot ein, dieses wird an den Erwerbslosen weitergeleitet an die von ihm angegebene Adresse oder Telefonnummer. Er kommt wieder zurück, nachdem er davon Kenntnis genommen hat, und tritt zum Bewerbungsgespräch an, dann ist doch alles gut. Es besteht kein Grund, seine Bewegungsfreiheit einzuschränken. Man kann sich schlecht über die Mauer aufregen, wenn man eine Mauer um jeden Hartz-IVEmpfänger zieht und eine Kaste von an die Scholle gebundenen Behördenleibeigenen schafft.

Die angesprochene gesetzliche Regelung ist eine Kannbestimmung, das heißt, es herrscht keine völlige Willkür. Die Behörde muss Ermessen ausüben. Eine solche Ermessensentscheidung kann auch gerichtlich überprüft werden. Trotzdem ist nicht einzusehen, warum die Bewegungsfreiheit Erwerbsloser im Ermessen der Jobcenter stehen soll, wenn der Aufenthaltsort des Leistungsempfängers keinen Einfluss auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt hat. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Renz von der CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf die Gelegenheit nutzen, mit Ihnen gemeinsam auf eine Si

tuation zu schauen, die mit diesem Antrag völlig in Schräglage gebracht wird. Das System lautet nicht, Hartz IV für alle und Leistung, egal warum, meine sehr geehrten Damen und Herren, das System heißt, Anspruch auf Arbeitslosengeld II, wenn die entsprechenden Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Das Arbeitslosengeld II ist für diejenigen gedacht, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und die jederzeit eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt wollen. Deshalb ist diese Leistung auch gerechtfertigt. Dies grenzt das Arbeitslosengeld auch zu anderen Sozialleistungen ab.

Warum genau soll man einem Menschen, der in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden möchte, nicht abverlangen dürfen, diese Eingliederungsbemühungen auch zu dokumentieren? Unser Rechtssystem stellt insgesamt darauf ab, Leistungen mit Gegenleistungen zu verknüpfen. Warum soll dies gerade hier durchbrochen werden? Einen sachlichen Grund dafür kann ich nicht entdecken. Kein Arbeitgeber wird ein Entgelt zahlen, wenn der Arbeitnehmer nicht konsequent zur Verfügung steht.

Das Arbeitslosengeld II ist keine Sozialleistung, de facto ist es ein Entgelt. Um dieses zu erhalten, muss man also etwas tun. Etwas tun bedeutet in diesem Falle, den Briefkasten zu leeren, denn der Arbeitslose muss in der Lage sein, Briefpost der Arbeitsagentur persönlich zur Kenntnis zu nehmen, die Arbeitsagentur aufzusuchen, mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten, bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.

Der Arbeitslose muss dazu für die Agentur für Arbeit an jedem Werktag in seiner Wohnung durch Briefpost erreichbar sein. Was heißt dies? Er muss einmal werktäglich die eingehende Post in seinem Briefkasten anschauen und Briefe der Behörde zur Kenntnis nehmen. Ich kann nicht erkennen, was daran nicht zumutbar sein soll. Das Bundessozialgericht hat erst kürzlich, nämlich mit dem Urteil vom 16.05.2012, zudem in einem sehr konkreten Fall zur Ortsabwesenheit entschieden. In dem Fall ging es um eine Leistungsempfängerin, die sich für einen längeren Zeitraum in ihrem Heimatland Türkei aufgehalten hatte und in dieser Zeit durch die Agentur für Arbeit angeschrieben wurde, ohne zu reagieren. Das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass auch bei Zustimmung zu einer Ortsabwesenheit die Schreiben der Agentur für Arbeit zur Kenntnis genommen werden müssen. Wenn es nach Ihrem Antrag ginge, sollte hier also weiter Arbeitslosengeld II gezahlt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unbestritten gibt es sachliche Gründe, die dazu führen, dass jemand nicht erreichbar ist. Wenn diese sachlichen Gründe zum Beispiel bei einem Arztbesuch, bei Veranstaltungen staatsbürgerlicher oder kirchlicher oder gewerkschaftlicher Ausrichtung oder bei einem Ehrenamt vorliegen, gibt es klare Regelungen. Hier wird dann in der Regel völlig unproblematisch das Einverständnis zur Ortsabwesenheit erteilt. Das Einverständnis zur Ortsabwesenheit wird regelmäßig auch dann erteilt, wenn zwar kein wichtiger Grund vorliegt, zugleich aber die Eingliederung nicht beeinträchtigt wird. Sie sehen, auch Großmutters 80. Geburtstag ist nicht in Gefahr.

Insgesamt kann ich nur sagen, Ihr Antrag würde dem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Missbrauch wollen wir

nicht, Missbrauch belastet die Solidargemeinschaft. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe ein Wort in Ihrem Vortrag vermisst, Herr Renz, das ist der Begriff „Grundrechte“. Es gibt den Artikel 2 Grundgesetz, wo es heißt „Entfaltung“ der „Persönlichkeit“, dazu gehört auch Reisefreiheit. Wenn Sie darin eingreifen wollen, brauchen Sie dafür eine Rechtfertigung. Erst mal ist es …

(Der Gong ertönt.)

Entschuldigung.

War das ein Tusch?

(Die rote Lampe am Rednerpult leuchtet.)

Oh, jetzt auch noch die rote Lampe!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD – Udo Pastörs, NPD: Sie macht wieder Karneval.)

Es ist unstreitig, dass die Verpflichtung eines Beziehers von Arbeitslosengeld II, in seinem unmittelbaren Wohnbereich zu bleiben und ohne Genehmigung den auch nicht verlassen zu dürfen, ein Eingriff in seine persönliche Entfaltungsfreiheit in Artikel 2 ist.

Sie brauchen einen vernünftigen Grund und ein vernünftiger Grund ist zu sagen, der Betreffende bezieht Leistungen vom Staat als Erwerbsloser, daraus erwächst die Verpflichtung, dass er sich zur Verfügung zu halten hat für Jobangebote und dass er seine Bedürftigkeit zu überwinden hat.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Und dann ist das mildeste Mittel zu wählen, beiden Zwecken gerecht zu werden: erstens seinem Grundrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, und zweitens sicherzustellen, dass er dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Und dazu ist es eben nicht nötig, dass der Betreffende ständig in seinem unmittelbaren Lebensumfeld bleibt und eine Genehmigung benötigt, um das verlassen zu können. Es reicht völlig aus, wenn er seine Erreichbarkeit sicherstellt. Wenn also im Gesetz stünde, er hat,

(Torsten Renz, CDU: Als Jurist können Sie das ja nicht durchsetzen.)

er hat, wenn im Gesetz stünde,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

er hat seine Erreichbarkeit sicherzustellen, aber seinen Aufenthaltsort kann er frei wählen, dann kann er sich sonst wo aufhalten, im Schwarzwald, im Bayerischen Wald, in der Türkei, Hauptsache, er hat eine Adresse, wohin ihm die Sozialagentur oder die Arbeitsgemein

schaft das Jobangebot, das in vielen Gebieten auch nur fiktiv ist, zuschicken kann, und er reagiert sofort. Dann muss man ihn nicht an die Scholle binden.

Deswegen meine ich, dass Ihre Ausführungen verfehlt sind und dass Sie den Artikel 2 leider nicht in ausreichendem Maße beachten. Und was noch hinzukommt, ist, Sie müssen, wenn Sie schon der Meinung sind, dass die Rechtslage in Ordnung ist, das Recht ja auch mit Leben erfüllen, Sie müssen es also in der Praxis durchsetzen. Dazu benötigen Sie ein Spitzelwesen,

(Stefan Köster, NPD: Das haben wir.)

das also jeder Verhältnismäßigkeit Hohn spricht.

(Udo Pastörs, NPD: Das haben wir.)

Wir haben das jetzt schon mit Schwerpunkt auf die Überwachung bei der Frage, ob jemand in einer Bedarfsgemeinschaft lebt oder nicht. Wenn also das Auto des Freundes allzu oft parkt vor der Wohnung der Freundin und irgendein Nachbar sieht das, ein missgünstiger, der sich früher vielleicht mal als Stasiinformant verdingt hat, dann ruft der an bei der Sozialagentur und dann kommt sofort das Kontrollteam, und zwar wie in schlimmsten Stasizeiten. Das gibt es sonst nur bei der GEZ.

(Udo Pastörs, NPD: Ja, das ist auch so ein Verein.)

Jeder Denunziation wird sofort nachgegangen, zum Denunziantentum wird sogar ermutigt und ermuntert und dann kommt das Überprüfungskommando früh am Morgen, noch nicht ganz so früh wie die Polizei bei der Hausdurchsuchung, aber auch schon so acht, neun,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

überfallartig und versucht auch mit rüden Methoden und bis an den Rand der Nötigung, sich Zutritt zu verschaffen. Wenn Sie das jetzt noch übertragen auf die Kontrolle des Aufenthaltes, dann müsste man ja auch kontrollieren, ist das vielleicht ein anderer, der an den Briefkasten geht und dem Betreffenden Bescheid sagt. Dann müssen Sie Leute hinschicken, die gucken, wird die Post regelmäßig geleert, geht da abends das Licht an und so weiter und so fort. Wenn Sie das wirklich durchsetzen wollen, dass es gesetzlich nur auf dem Papier steht, und es gibt Ansätze dafür, dass das geschieht, dann haben Sie einen Stasisektor in der BRD.

(Udo Pastörs, NPD: Einen zusätzlichen.)

Davon gibt es mehrere. Der eine ist der Sektor für diejenigen, die politisch nicht hundertprozentig linientreu sind, übrigens auch DIE LINKE. Und da gibt es auch V-Männer, nachrichtendienstliche Mittel in Baden-Württemberg,

Bayern, da sind Sie zum Teil drin, wir sind ganz drin und Hartz-IV-Empfänger sind auch alle drin.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD)

Und wenn sich das nämlich immer noch weiter ausweitet, dann sind irgendwann alle drin bis auf die herrschenden Bonzen. Und selbst Honecker ist von der Stasi überwacht worden,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD)

irgendwann ist jeder drin. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Ich schließe die Aussprache.