Protocol of the Session on April 25, 2012

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Den 17. Bericht des Bürgerbeauftragten habe ich Ihnen vorgelegt und ich bin sehr dankbar, dass ich schon zu Beginn des parlamentarischen Verfahrens die Gelegenheit erhalte, hier vor dem Hohen Haus dazu zu sprechen. Wie Sie wissen, betrifft der Berichtszeitraum die Amtszeit meines geschätzten Vorgängers Bernd Schubert und einige Monate der Vakanz, die vom stellvertretenden Bürgerbeauftragten Wolfgang Schloh und den Kolleginnen und Kollegen der Dienststelle mit großem Einsatz überbrückt worden sind.

Als jemand, der für diese Arbeit noch keine Verantwortung trug, sie aber mittlerweile schon recht gut beurteilen kann, möchte ich denen danken, die mit ihrem Einsatz, mit ihrer Hinwendung zu den Menschen, mit ihrer Hartnäckigkeit gegenüber Behörden und Entscheidern diesen wichtigen Dienst getan und das Petitionsrecht so mit Leben erfüllt haben. Diese Aufgabe darf man nicht, man kann sie auch nicht nur formal erledigen. Hier muss man mit dem Herzen dabei sein und das darf ich für meinen Vorgänger, den stellvertretenden Bürgerbeauftragten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle in Anspruch nehmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Meine Damen und Herren, Eingaben, Bitten und Beschwerden kann man nicht nur in der Demokratie und in Rechtsstaaten an die Obrigkeit richten. Aber das Recht zur Petition, das Recht zu ihrer ordnungsgemäßen Behandlung ist Teil des demokratischen Grundverständnisses.

Von diesem Recht haben im Jahr 2011 die Bürger gegenüber dem Bürgerbeauftragten 1.332-mal Gebrauch gemacht. Das ist etwas weniger als im Vorjahr, liegt aber im langjährigen Korridor der Zahlen. 74 Prozent der Eingaben wurden mündlich an den Bürgerbeauftragten herangetragen, in Gesprächen in der Dienststelle, per Telefon oder bei einem der 48 Sprechtage im ganzen Land.

Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei der besonderen sozialen Aufgabenstellung für den Bürgerbeauftragten Rechnung getragen wurde und dass eben auch deshalb über die Hälfte der Eingaben den sozialen Bereich betraf, davon allein 324-mal Fragen des SGB II. Gerade in diesem Bereich ist oftmals ja auch ganz schnelle Hilfe nötig und ich bin froh, dass wir hier ein spezielles Beratungsangebot leisten können, wofür der Landtag befristet Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt hat. Die Sachkunde und die Kapazität sind also vorhanden und sie sind auch auf absehbare Zeit notwendig.

Es wäre schade, wenn Hilfe und der Dienst an Menschen gerade dort nicht gut abgesichert wäre, wo es um die geht, die sich selbst vielleicht nicht immer so gut helfen können. Mir liegt die Beratung für die Arbeitssuchenden und für die Menschen mit Behinderungen besonders am Herzen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Arbeit des Bürgerbeauftragten ist natürlich in erster Linie Arbeit am Einzelfall, Arbeit am Einzelschicksal. Wir dürfen auch nicht versucht sein, aus den Problemfällen, aus den einzelnen Eingaben zu schließen, dass es hier gleich um systembedingte Fehler ginge. Das wäre ungerecht. Es wäre aber auch falsch, die Fälle und Erkenntnisse auf sich beruhen zu lassen. Dort, wo sich ein generelles Problem verbergen könnte, haben wir es in dem Bericht angesprochen.

Ich möchte Sie auf einige dieser Punkte hinweisen und das mit einigen Leitsätzen verbinden:

Erstens. Bürgerfreundlichkeit ist eine Grundbedingung für demokratisches Verwalten. Bürgerfreundlichkeit muss Grundhaltung sein und es ist Grundaufgabe des Bürgerbeauftragten, dazu beizutragen. Dabei zeigt sich oft, dass es gar nicht viel kosten muss, bürgerfreundlich zu sein. Lassen Sie mich das kurz an einem kleinen Fall illustrieren: Dort lagen Tränen und Glück eng beieinander, wie das so ist, wenn es um Eheschließungen geht.

Ein Verlobter wollte mit seiner Braut gerne im Trauzimmer des Heimatortes verheiratet werden und die angesprochene Standesbeamtin wies das mit der Begründung zurück, dass sie schon am gleichen Tag in einem anderen Ort des Amtes eine Trauung durchführen müsse und ihr der Weg von 20 Kilometern zum zweiten Ort zu weit sei. Durch die Intervention meines Vorgängers konnte schon auf kurzem telefonischem Wege das buchstäbliche Entgegenkommen der Standesbeamtin erreicht werden. Sie hatte zuvor noch nicht einmal darüber informiert, dass noch andere Standesbeamtinnen in der Amtsverwaltung zur Verfügung gestanden hätten. Mit einem klei

nen Aufwand konnte nun ein großes Lebensglück, so hoffe ich doch jedenfalls, beginnen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, man hofft das immer. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Zweitens. Vermittlungen sind eine Chance. Der Bürgerbeauftragte soll auf zügige und einvernehmliche Regelungen hinwirken. Das ist sein gesetzlicher Auftrag. Der Bürgerbeauftragte ist nicht nur Anwalt des Bürgers, er ist auch unparteiischer Mittler und Schlichter.

Ich sehe den Bedarf, auch nach den Fällen im Jahresbericht, den Bedarf nach Vermittlung bei immer komplizierteren Sachverhalten und den komplexen Beziehungsebenen gerade im kommunalen Bereich steigen und ich bin fest davon überzeugt: Eine Verwaltung, die sich auf Vermittlung einlässt, hat Vorteile durch eine unter dem Strich doch kürzere Verfahrensdauer und durch zufriedenere Bürger.

Manche Verwaltungen wollen sich nicht darauf einlassen, gehen lieber den streitigen Weg, wie ein Wasserzweckverband, der einen Petenten zum Anschlussbeitrag veranlagte auch für den Teil seines Grundstücks, der Küstenschutzwald war. Der Verband ließ sich von der vollen Erhebung nicht abbringen und alle Vermittlungsversuche des Bürgerbeauftragten scheiterten. Im anschließenden Klageverfahren obsiegte der Bürger zu zwei Dritteln. Für den Verband dürften Verfahrenskosten in Höhe von rund 4.500 Euro entstanden sein. Das ist der eine Fall.

Der andere Fall: Eine Stadt verhielt sich dort anders und ließ die Vermittlung des Bürgerbeauftragten zu. Hier ging es um rückwirkende Nutzungsentgelte für eine Splitterparzelle, die ein älteres Ehepaar über Jahre hinweg und in Absprache mit der städtischen Wohnungsgesellschaft genutzt und mit gepflegt hatte. Hier konnte die Einigung erzielt werden, dass das Grundstück an die Stadt geräumt herausgegeben wurde und die Verwaltung ihrerseits auf Zahlungsforderungen für die Vergangenheit verzichtet.

Es erübrigt sich fast die Frage, welche der beiden genannten Verwaltungen sich den größeren Gefallen getan hat – die, die sich auf Argumente und Vermittlungen eingelassen hat, oder die, die sich hinter ihrer Rechtsauffassung verbarrikadierte.

Drittens. Der Bürgerbeauftragte stärkt das Rechts- und das Gestaltungsbewusstsein in der Verwaltung. Menschen weichen ja gerne Problemen aus. Das kann auch in der Verwaltung passieren, aber dann müssen Dritte den Lösungsdruck erhöhen. In einem Fall ging es dabei um einen gewerblichen Flohmarkt auf der grünen Wiese, der an jedem zweiten Wochenende, sogar an hohen Feiertagen abgehalten wurde, überwiegend nicht genehmigt und zugleich gegen mehrere Gesetze verstoßend. Man muss kein Freund des Sonntagsschutzes sein,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

wie ich einer bin, um hier auf rechtskonforme Regelungen zu dringen. Hier hatten sich wirklich unzumutbare Zustände abgespielt.

Sie finden in dem Jahresbericht, meine Damen und Herren, weitere Beispiele dafür, dass erst durch das Tätig

werden des Bürgerbeauftragten Missstände, die zum Teil sogar offenkundig waren, abgestellt werden konnten.

Viertens. Beteiligungsrechte dürfen nicht vernachlässigt werden. Das Vertrauen in den Rechtsstaat hängt natürlich auch von verlässlichen Beteiligungsmöglichkeiten ab und das Bewusstsein dafür wächst.

Mehrere Beschwerden betrafen das Verfahren zur Er- stellung des Regionalen Raumentwicklungsprogramms Westmecklenburg. Sie bezogen sich sämtlich auf Festlegungen für die Ausweisung von Eignungsräumen für Windkraftanlagen. In einem vierten Beteiligungsverfahren, zwei Gebiete betreffend, wurden die Auslegungsfristen auf zwei Wochen begrenzt. Diese Zweiwochenfrist war aus Sicht der Petenten zu kurz gewählt, um eine effektive Beteiligung von Bürgern und von Behörden zu ermöglichen. Hier ging es zudem noch um ein hoch umstrittenes Eignungsgebiet, das bei den Abwägungen in der Verbandsversammlung zuvor herausgefallen war. Die Petenten bestreiten, dass die kurze Frist zu der gebotenen Abwägung ausreichte. Sie baten den Bürger- beauftragten darum, diesen Punkt dem Landtag vorzutragen.

Meine Damen und Herren, das Anliegen halte auch ich für wichtig, denn gerade bei umstrittenen Projekten wird unser Land immer mehr darauf angewiesen sein, dass klare Verfahrensabläufe zu mehr Akzeptanz bei der Entscheidung in der Sache führen. Die Koalition hat ja bereits angekündigt, den Bürgerinnen und Bürgern eine qualitativ bessere Beteiligung im Planungsverfahren zu ermöglichen. Gemessen an den vorliegenden Petitionen kann ich zu frühzeitigen, zu transparenten und zu fairen Verfahren nur ermutigen.

Fünftens. Soziale Belange brauchen besondere Aufmerksamkeit. Für die Verwaltung ist das nicht immer so klar, aber für den Bürgerbeauftragten hat das der Gesetzgeber ausdrücklich in der Aufgabenstellung gesagt. „Die Bürger“ sind „in sozialen Angelegenheiten zu beraten und zu unterstützen“ und „die Belange behinderter Bürger“ sind „wahrzunehmen“, heißt es hier im Gesetz. In den Fällen der Sozialberatung, bei der Wahrnehmung der Belange behinderter Menschen ist es, wie man sich gut vorstellen kann, besonders wichtig, Fürsprecher zu haben und auf Augenhöhe zu kommen, vor allem, damit auch Entscheidungen schneller getroffen werden.

Die Verkürzung von unnötigen Verfahrensdauern ist in diesem Bereich für viele existenziell. Verfahrensdauern, Verfahrenszeiten sind es aber, mit denen wir hier zu kämpfen haben. Das gilt bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende ebenso wie bei der Aufnahme zum Beispiel in den Förderbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen. Hier lohnt sich aber auch der Einsatz. Wir konnten in vielen Fällen feststellen, dass Verbesserungen möglich waren, und in vielen Fällen konnte auch den Petenten tatsächlich geholfen werden. Manchmal geht es zwar „nur“ um 40 Euro Wohngeld oder um Parkerleichterungen für schwerbehinderte Menschen. Das ist für die Allgemeinheit nicht viel, aber für den Einzelnen hat es eine große Bedeutung.

Der große Dienst im Kleinen ist immer auch ein kleiner Dienst am großen Ganzen und diesen Dienst muss der Bürgerbeauftragte leisten, er hat ihn geleistet und ich will ihn auch gerne weiter leisten. Die 1.332 Fälle des Jahres 2011 zeigen, für diesen Dienst gibt es auch Be

darf, und sie zeigen: Das Amt, das angesprochen wurde, das genießt auch Vertrauen.

Der Bürgerbeauftragte kann mit seiner Arbeit aber auch Vertrauen stärken, das Vertrauen in die Politik, das Vertrauen in die Verwaltung. Wo Verwaltungshandeln unparteiisch geprüft wird, wo Fehler korrigiert werden, wo Lösungen gefunden werden, da wächst auch das Vertrauen in die Demokratie. Auch deshalb ist das Petitionsrecht, deshalb ist die Ausprägung dieses Rechts mit einem Bürgerbeauftragten wichtig für die Demokratie.

Ich hoffe, meine Damen und Herren, dieses Recht besonders jungen Menschen als Angebot zur Hilfe, aber auch als Chance zur Teilhabe nahebringen zu können. Gerade in Zeiten, in denen Transparenz und Teilhabe so wichtig geworden sind, gibt es hier in Mecklenburg-Vorpommern eine klassische Möglichkeit dazu. Mecklenburg-Vorpommern hat mit seiner Verfassungsentscheidung für das Amt eines Bürgerbeauftragten mehr getan als andere Länder. Ich hoffe, dass viele Menschen das Angebot auch künftig klug nutzen.

Meine Damen und Herren, ich lege Ihnen die Anliegen, die Themen und die Fälle des Jahres 2011 an Ihr Herz und zur Beratung vor. Ich bitte Sie, die wichtigen Hinweise darin weiterzuentwickeln und die aufgezeigten Anliegen in Ihr politisches Handeln einzubeziehen. Nicht jede Petition soll die Welt verändern, nicht jede Petition wird die Welt verändern, aber jedes bürgerschaftliche Signal in die Politik ist gut für die Demokratie. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Bürgerbeauftragter.

Das Wort hat nun für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dachner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Uns liegt der Tätigkeitsbericht des Bürgerbeauftragten eindrucksvoll auf 42 Seiten vor. Und soeben haben wir, auf Schwerpunkte gerichtet, den Kurzvortrag des neu gewählten Bürgerbeauftragten hier vernommen.

Sie wissen alle, meine Damen und Herren, dass dieser Gesamtbericht laut der Geschäftsordnung und nach Artikel 35 Ziffer 1 der Verfassung an den Petitionsausschuss und in die zuständigen Ausschüsse verwiesen wird. Dann werden wir uns noch einmal mit diesem Bericht beschäftigen. Diese Verfahrensweise kennen Sie sehr wohl und ich hatte mich eigentlich darüber gewundert, dass wir heute eine Aussprache dazu führen,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

weil die Zeit doch sehr kurz ist und bisher keine Ausschussberatung durchgeführt wurde. Welchen Mehrwert wollen wir heute in dieser Aussprache erreichen, frage ich mich, weil wir doch gerade vor vier Wochen schon einmal über die Bedeutung und die Arbeit des Bürgerbeauftragten gesprochen haben, wenn auch in einer etwas anderen Form. Ich will niemanden kritisieren, der diese Aussprache heute in dieser Kurzfassung beantragt hat, nein,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Na, na! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

aber ich möchte daran erinnern, dass auch die Zeit der Abgeordneten kostspielig ist, zumindest nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, und dass ich mir doch wünsche und die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes das Recht haben, dass wir als Abgeordnete nicht nur über das Fernsehen wahrgenommen werden, sondern auch vor Ort Politik machen. Das ist meine eigentliche Kritik.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber wenn Plenarsitzung ist, findet sie nun mal hier statt! Verstehe ich gar nicht!)

Sie müssen sich, Herr Ritter, nicht immer gleich beleidigt fühlen. Ich spreche nur die Sache an und Sie kritisieren die Person.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn Sie in der Plenarsitzung nicht arbeiten können, müssen Sie nach Hause gehen!)

Ja, sicherlich. Das betonen Sie ja schon immer, aber Ihr Schaulaufen hilft der Politik auch hier im Landtag nicht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Werden Sie doch mal konkret!)

Ja, da werde ich auch konkret werden.

Also keinesfalls möchte ich den Eindruck erwecken, dass ich die Arbeit des Bürgerbeauftragten vielleicht nicht wertschätze, nein, ich bedanke mich ausführlich bei dem Bürgerbeauftragten der letzten Wahlperiode für seine wertvolle Arbeit und ich danke auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihm zur Seite standen.

Natürlich war er, und das geht aus dem Bericht eindeutig hervor, stets als Vermittler zwischen den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes einerseits und der Verwaltung andererseits tätig und hat sich große Mühe gegeben. Das ist aus dem 42-seitigen Bericht, den Sie wahrscheinlich noch gar nicht gelesen haben, Herr Ritter,