handlung von europäischen Angelegenheiten zuzugestehen und den Ausschuss durch den Landtag über seine Geschäftsordnung zu ermächtigen, in eilbedürftigen europäischen Angelegenheiten plenarersetzende Beschlüsse zu fassen. Beides hilft, uns als Landtag noch effektiver in Europa aufstellen zu können, denn die europäischen Fristen richten sich nicht nach unseren Zeitplänen. Wir waren uns im Beratungsverfahren einig, dass wir, falls es zu plenarersetzenden Beschlüssen kommt, dies nur in öffentlicher Sitzung, wie hier im Plenum, tun sollten. Deshalb empfehlen wir nun, die entsprechenden Themen in öffentlicher Sitzung zu beraten. Auch bleibt das Plenum mit dem Aufhebungsrecht dieser Beschlüsse sozusagen weiterhin Chef im Ring.
Sie finden in der Beschlussempfehlung auch den Vorschlag für die Änderungen der Geschäftsordnung. Durch diese Änderungen werden die Neuerungen in der Verfassung hinsichtlich der Behandlung von europäischen Angelegenheiten und hinsichtlich der entsprechenden zuständigen Ausschüsse in der Geschäftsordnung nachvollzogen.
Der Europa- und Rechtsausschuss hat die vor Ihnen liegende Beschlussempfehlung einstimmig in der durch einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN veränderten Fassung angenommen. Ich bitte nun auch Sie um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte vorausschicken, dass ich mich mit meinen weiteren Ausführungen der Einfachheit halber nur auf den Gesetzentwurf und den Geschäftsordnungsantrag der demokratischen Fraktionen beschränken werde, da der Gesetzentwurf der GRÜNEN aus dem Jahr 2012 – Herr Müller sprach es an – aufgrund der jüngsten Ausschussberatungen wahrscheinlich für erledigt erklärt wird.
Meine Damen und Herren, bereits in den Reden zur Ersten Lesung der vorliegenden Anträge wurde deutlich, dass sich alle demokratischen Fraktionen der Bedeutung dieses Gesetzentwurfes und des daraus resultierenden Antrages zur Änderung der Geschäftsordnung bewusst sind. Die Verfassung wurde als richtungsgebend für unser Land bezeichnet, dabei aber nicht als statisches Konstrukt betrachtet, sondern durchaus als anpassungsfähig an neue Gegebenheiten und offen für weitere Verbesserungen beschrieben. Dort, wo es um Staat und Verfassung geht, empfiehlt es sich, mit großer Ernsthaftigkeit zu arbeiten. Es geht um politische Selbstständigkeit, um persönliche Freiheit, demokratische Teilhabe, Machtkontrolle und um gutes Regieren.
Sich eine Verfassung zu geben, das ist für jedes Bundesland der grundlegende Akt der Selbstbestimmung. Sie soll die freie Entfaltung der Bürger schützen, soll dem staatlichen Handeln Ziele und Grenzen setzen und soll möglichst wirksam dazu beitragen, dem Gemeinwohl zu dienen. Das ist der Grund für ihre besondere Stellung und macht sie zum Zentrum staatlicher Rechtsordnung. Dieses Zentrum soll in sich beständig sein, denn ständiges Herumdoktern schadet bloß, aber es darf eben trotzdem auch nicht zu statisch werden.
Mit diesem Ansatz sind wir als Ausschuss in die Beratungen gegangen. Der Europa- und Rechtsausschuss hat sich die Zeit genommen, diesen wichtigen Gesetzentwurf in Ruhe zu beraten, und hat sowohl zu dem Gesetzentwurf der GRÜNEN als auch später zu dem interfraktionellen Gesetzentwurf und dem Geschäftsordnungsantrag eine ausführliche Anhörung durchgeführt.
Ergebnis der Anhörung zu dem interfraktionellen Verfassungsänderungsentwurf und dem Geschäftsordnungsantrag war zunächst einmal die grundsätzliche Zustimmung aller Anzuhörenden. Natürlich konnten sich einige Anzuhörende in einzelnen Punkten ein Mehr vorstellen, aber grundsätzlich wichtig war die Feststellung in der Anhörung, dass die Vorstellungen, die die Fraktionen von der Verfassungsänderung hatten, mit unserer bestehenden Verfassung vereinbar waren und sich in ihren Klang einpassten.
Dennoch hat der Ausschuss kleinere Änderungen zum Gesetzentwurf beschlossen. In der Anhörung wurde deutlich, dass eines der Ziele, nämlich eine flexible Wahltermingestaltung, sodass dieser Termin möglichst nie in die Ferienzeit oder Winterzeit fällt, mit der im Gesetzentwurf angedachten Regelung nicht hundertprozentig zu erreichen war. Insofern mussten wir noch einmal nachbessern, was auch eine Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes mit sich brachte. Außerdem wird der Europaausschuss bei plenarersetzenden Beschlüssen nunmehr in öffentlicher Sitzung beraten. So wollen wir noch mehr Transparenz in die Beschlüsse bringen, da ja auch der Landtag in dem Fall in öffentlicher Sitzung tagen würde.
Für bereits anhängige Volksbegehren haben wir eine Übergangsregelung geschaffen und die freie Unterschriftensammlung definiert, sodass sie für die Anwender besser verständlich ist. Ansonsten haben wir lediglich Anpassungen an den Wortlaut der Geschäftsordnung vorgenommen.
Sie sehen also, wir sind behutsam mit unserer Verfassung umgegangen, haben sie dort geändert, wo man sie noch besser machen konnte. Auf die Einzelheiten der Quorenabsenkung von 120.000 auf 100.000 Stimmen sowie von einem Drittel auf ein Viertel bei den Volksentscheiden ist Herr Müller bereits eingegangen, deswegen erspare ich mir die Wiederholung der inhaltlichen Darstellung.
Noch ein Wort zur NPD: Der NPD-Fraktion war es so wichtig, dass sie an den Beratungen zur Landesverfassung gar nicht erst teilgenommen hat.
Meine Fraktion wird als Mitarbeiterin an dieser Verfassungsänderung selbstverständlich den vorliegenden
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach einer langen Diskussion kommen wir nun endlich zur Änderung der Landesverfassung.
Seit der Ersten Lesung hat sich unser gemeinsamer Entwurf nur noch marginal verändert. Lediglich einige Kleinigkeiten wurden aus der Anhörung aufgegriffen und entsprechend angepasst. Ich möchte deshalb noch einmal auf den Inhalt der Änderungen eingehen und sie kurz erläutern.
Zunächst möchte ich feststellen, dass meine Fraktion den gefundenen Kompromiss positiv bewertet, wir uns allerdings mehr gewünscht hätten. Richtig ist, für die Menschen bleibt ein günstigerer Wahltermin, obwohl hier auch ein Eigeninteresse besteht, das sollten wir nicht verschweigen. Richtig ist, wir stärken die Rechte des Europa- und Rechtsausschusses, und ja, wir stärken die direkte Demokratie in unserem Land, wenn auch nicht gerade sehr mutig.
Gezeigt hat sich im gesamten Prozess, dass es richtig war, mögliche Verfassungsänderungen gemeinsam mit den demokratischen Fraktionen zu beraten und sich auf ein Ergebnis zu verständigen. Erinnern wir uns: Bereits Ende 2013 hat meine Fraktion den Vorschlag für eine gemeinsame Arbeitsgruppe unterbreitet. Diese Idee wurde von den Fraktionsvorsitzenden aufgegriffen und entsprechende Vorschläge wurden unterbreitet. Getragen war dieser Grundgedanke von dem Verständnis, dass man eine Verfassung nicht laufend verändern sollte. Dafür ist sie einfach zu wichtig. Eine Landesverfassung ist und bleibt etwas Lebendes und das haben wir sozusagen auch mit den Änderungsvorschlägen dokumentiert. Für diese Arbeitsweise möchte ich mich im Namen meiner Fraktion noch einmal recht herzlich bedanken.
Leider hat es jetzt fast drei Jahre gedauert, bis wir die Änderungen nun ins Ziel bringen können. Das lag nicht nur am intensiven Diskussionsprozess und am parlamentarischen Verfahren, ein Grund hierfür war sicherlich der Volksentscheid gegen die Gerichtsstrukturreform. Die Koalitionsfraktionen wollten es vermeiden, dass der Volksentscheid bei abgesenktem Quorum durchgeführt wird.
Damit kann ich auch gleich zu dem für mich wichtigsten Teil der Änderung überleiten, der Absenkung der Quoren. Zum Inhalt dieser Änderung kann ich sagen, dass wir es uns mit der Entscheidung nicht leicht gemacht haben. In der Absenkung der Quoren für Volksbegehren und Volksentscheide lag schließlich unser we
sentliches Interesse. Das war auch jedem klar, der die Diskussion inhaltlich verfolgt hat. Tatsächlich ist eine Absenkung des Quorums auf 100.000 beim Volksbegehren und auf ein Viertel der wahlberechtigten Bevölkerung beim Volksentscheid kein großer Erfolg. Wir hätten uns eine deutlichere Absenkung gewünscht, aber mehr war vorerst nicht möglich. Nachdem sich aber noch in der letzten Legislatur auch die Kollegen der SPD einer Senkung der Quoren verschlossen hatten, können wir mit den vorliegenden Änderungen leben.
Es gibt durchaus auch kritische Stimmen zur eingeführten Befristung. Für das Sammeln der Unterschriften haben die Vertreter von Volksbegehren künftig ja nur noch fünf Monate Zeit. Natürlich ist es eine Einschränkung und sie stand in den Verhandlungen auch nicht auf unserem Wunschzettel. Allerdings denken wir, dass sich die Situation für die direkte Demokratie auch mit der Befristung insgesamt verbessert. Wir haben mittlerweile den Vorteil, dass wir bereits einen Volksentscheid hinter uns haben, den vorhin erwähnten gegen die Gerichtsstrukturreform. Wie Sie alle wissen, haben wir sowohl das Volksbegehren als auch die Vorbereitungen des Volksentscheides aktiv unterstützt. Persönlich habe ich sehr eng mit den Vertretern des Volksbegehrens und Volksentscheides zusammengearbeitet und kann die Probleme sehr gut abschätzen.
Die weitaus höhere Hürde in der Vergangenheit waren die Quoren beim Volksentscheid. Das Volksbegehren war schwierig, aber nicht unmöglich. Das haben die Initiatoren bewiesen. Mit der neuen Regelung ist es praktisch bei entsprechender Organisation durchaus möglich, in fünf Monaten hunderttausend und mehr Unterschriften zu sammeln. Aber – auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu – mit dieser Absenkung wird noch nicht einmal die demografische Entwicklung, die für alle möglichen Strukturveränderungen in unserem Land herhalten muss, ausgeglichen. Mutig ist dieser Schritt aus unserer Sicht bei Weitem nicht. Er zeugt auch nicht gerade von einem Vertrauensvorschuss gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, lag das wirklich große Problem bisher beim Volksentscheid. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde ein Volksentscheid mit einem Zustimmungsquorum von einem Drittel erfolgreich abgeschlossen, wenn er nicht zusammen mit einer Wahl durchgeführt wurde. Die Beteiligung war einfach zu gering. Wenn man ehrlich ist, liegt es auch ein wenig in der Natur der Sache. Bei einem Volksentscheid wird über eine bestimmte Sache, ein bestimmtes Gesetz abgestimmt. Dabei ist es immer so, dass es Menschen gibt, die vom Regelungsgehalt des Gesetzes nicht betroffen sind oder sich zumindest nicht betroffen fühlen. Das ist bei Wahlen anders, da ist jeder betroffen. Entsprechend ist die Beteiligung bei Abstimmungen tendenziell geringer als bei Wahlen.
Die Frage ist nun, wie hoch sie sein muss, um die von Verfassungsrechtlern geforderte Bedeutung zu indizieren. Da nenne ich einmal den letzten Volksentscheid als Beispiel: Zum Stichtag des Volksentscheides hatten wir in Mecklenburg-Vorpommern 1.334.220 Stimmberechtigte. Das Zustimmungsquorum lag somit bei 444.740 Stimmen. Meine Damen und Herren, zum Vergleich: Die Koalitions
Mit dem Drittelquorum erwartete man bisher, dass die Menschen im Land einem einzigen Gesetz mehr Bedeutung beimessen sollten als ihrer Regierung. Dass das etwas überzogen ist, leuchtet wohl jedem ein. Mit der Novellierung wären es damals 333.556 gewesen. Das wären immer noch deutlich mehr gewesen, als jede unserer Fraktionen im Landtag hinter sich vereint. Nun will ich Sie nicht mit Rechenbeispielen langweilen, Fakt ist aber – und das ist das Ergebnis unserer Überlegungen –, schaut man sich die Quoren und die Frist in einer Gesamtschau an, sind die Chancen, mit der neuen Verfassung einen erfolgreichen Volksentscheid durchzuführen, besser als mit der alten. Das ist das Entscheidende. In Zukunft sollte man aber auch darüber diskutieren, ob ein solches Quorum überhaupt noch zeitgemäß ist. Zustimmungsquoren an sich sind ein Problem für die Demokratie. Zustimmungsquoren machen demokratisch zustande gekommene Mehrheiten zu Minderheiten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich beschränkt sich unsere Verfassungsänderung nicht nur auf den Punkt der direkten Demokratie. Ein weiteres wichtiges Anliegen war für meine Fraktion die Stärkung der Europafähigkeit des Landtages. Seit Jahren diskutieren wir diese Frage, insbesondere vor dem Hintergrund, dass mehr und mehr die Entscheidungen der Europäischen Union Auswirkungen auf die Gestaltungsmöglichkeiten in unserem Land haben. Bereits zu Beginn dieser Legislaturperiode hat mein Kollege Dr. André Brie den Koalitionsfraktionen einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Nun endlich haben wir uns auf die konkreten Fragen geeinigt und dies sowohl in der Verfassung als auch in der Geschäftsordnung des Landtages festgeschrieben.
Es liegt nun an uns, diese dann auch mit Leben zu erfüllen. Wir werden also in Zukunft im Europa- und Rechtsausschuss die Möglichkeit haben, plenarersetzende Beschlüsse zu fassen. Uns allen war bewusst, dass dieses Recht gerade in Subsidiaritätsangelegenheiten sehr wichtig ist. In der Diskussion zu einem gemeinsamen europäischen Mehrwertsteuersystem wurde uns das deutlich vor Augen geführt. Ich möchte die Geschichte an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholen, aber letztlich hatten wir das Problem, dass wir trotz schnellstmöglicher Bearbeitung aller Stellen – von der Staatskanzlei bis hin zum Ausschuss – mit unserer Empfehlung zu spät gekommen sind. Es wurde uns sehr schnell deutlich vor Augen geführt, dass der Mechanismus der Subsidiaritätskontrolle in Mecklenburg-Vorpommern viel zu langsam ist. Mit der Änderung der Verfassung und der Geschäftsordnung beheben wir dieses Problem.
Ein wichtiger Punkt ist die Verlegung des Wahltermins. Dieser Punkt ist bisher meist als Forderung der Koalition aufgetaucht, aber natürlich haben auch wir ein Interesse daran, die Wahl nicht zu unmöglichen Zeiten stattfinden zu lassen. Ohne die Änderung wären die Landtagswahlen im Jahre 2021 in das Ende der Sommerferien gefallen. Es versteht sich von selbst, dass das der Wahlbeteiligung nicht unbedingt zuträglich gewesen wäre. Auch wenn die Landesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage zur Landesverfassung in Bezug auf die sinkende
Wahlbeteiligung uns mitgeteilt hat, dass auch das Recht, nicht an Wahlen teilzunehmen, zu respektieren ist, muss man sich damit ja nicht zwangsläufig abfinden. Insofern halten wir die Verschiebung des Wahltermins für ein gutes Mittel, die Wahlbeteiligung nicht noch weiter zu senken.
Unter dem Strich wird unsere Verfassung mit den vorgenommenen Änderungen sicherlich deutlich besser. Nicht alles, was sich meine Fraktion gewünscht hat, hat in diese Änderungen Eingang gefunden, wie zum Beispiel die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre, wogegen sich die CDU-Fraktion bekanntlich nach wie vor hartnäckig sträubt.
Das heißt aber nicht, dass wir diese Debatten abhaken. Mit ein wenig gutem Willen stehen diese dann in der nächsten Legislatur auf der Tagesordnung für eine Änderung.
Enden möchte ich mit einem Zitat, das ein kluger Mann mal gesagt hat: „Es kommt nicht so sehr darauf an, daß die Demokratie nach ihrer ursprünglichen Idee funktioniert, sondern daß sie von der Bevölkerung als funktionierend empfunden wird.“ Ich hoffe, dass mit der Änderung der Landesverfassung die Bürgerinnen und Bürger des Landes Mecklenburg-Vorpommern das Angebot noch stärker annehmen, in Zukunft Volksentscheide, Volksbegehren durchzuführen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.