Protocol of the Session on June 8, 2016

Vielen Dank, Frau Borchardt.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Drese für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Im Januar dieses Jahres haben sich die demokratischen Fraktionen mutig auf einen selten beschrittenen Weg begeben

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das haben wir schon in der letzten Legislatur gesagt.)

und sich zusammen auf den Weg gemacht, die Verfassung unseres Landes zu ändern. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ich sehr froh darüber bin, dass die demokratischen Fraktionen diesen Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung nicht nur gemeinsam tragen, sondern auch gemeinsam eingebracht haben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Auch die sich anschließenden Ausschussberatungen fanden in einer sehr sachlichen und kollegialen Atmosphäre statt,

(Udo Pastörs, NPD: Und in einer demokratischen Atmosphäre.)

was nicht nur dem Beratungsgegenstand angemessen war, sondern was ich im Übrigen bei allen bestehenden politischen Unterschieden auch als positiv empfunden habe.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden neben der eigentlichen Änderung der Verfassung auch einfachgesetzliche Änderungen, so im Volksabstimmungsgesetz sowie im Landes- und Kommunalwahlgesetz, vorgenommen, die sich aus dieser Verfassungsänderung ergeben. Daneben ist auch die Geschäftsordnung des Landtages betroffen, welche wir parallel mit dem Gesetzentwurf beraten haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Mittelpunkt der Verfassungsänderung steht die Stärkung der direktdemokratischen Teilhabemöglichkeiten. Die SPD-Fraktion hat sich bereits seit längerer Zeit für stärkere politische Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land eingesetzt.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Mit der jetzt vorgesehenen Absenkung der Beteiligungsquoren für Volksbegehren und Volksentscheide machen wir einen wichtigen Schritt auf diesem Weg. So wird die notwendige Mindestunterschriftenzahl zur Einleitung eines Volksbegehrens von 120.000 auf 100.000 Wahlberechtigte abgesenkt. Zusätzlich wird das erforderliche Zustimmungsquorum bei einem Volksentscheid von gegenwärtig einem Drittel auf nur noch ein Viertel der Wahlberechtigten reduziert. Dieses Quorum entspricht damit der Regelung für Bürgerentscheide in der Kommunalverfassung, die ein Zustimmungsquorum von 25 Prozent der Stimmberechtigten vorsieht. Damit einhergehend wird, wie im Übrigen in allen anderen Bundesländern auch, eine zeitliche Befristung für die freie Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren eingeführt. Hier ist nach Auffassung der demokratischen Fraktionen ein Zeitraum von fünf Monaten sachgerecht.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch dieses Gesetz wird das Parlament nicht so verlassen, wie es eingebracht wurde. Die im Europa- und Rechtsausschuss durchgeführte öffentliche Anhörung hat gezeigt, wie der Gesetzentwurf an einigen Stellen noch optimiert werden kann. Dabei haben wir auch die im Rahmen der Ausschussberatungen vorgenommenen Änderungen zum Gesetzentwurf sehr umfassend und intensiv innerhalb und zwischen den demokratischen Fraktionen beraten. So soll der Zeitraum für den Wahltermin der Landtagswahlen statt der ursprünglich im Entwurf vorgesehenen 59 bis 61 Monate nach Beginn der Wahlperiode nunmehr frühestens 58 bis spätestens 61 Monate betragen. Damit kann nicht nur ausgeschlossen werden, dass der Wahltermin perspektivisch in die Sommerferien fällt, sondern auch, dass sich dieser in die Wintermonate hinein verschiebt. Die Fristen für die Durchführung der Wahlen der Wahlkreis- und Landeslistenbewerber im Landes- und Kommunalwahlgesetz werden dementsprechend angepasst.

Sehr geehrte Damen und Herren, bezüglich der Verankerung des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union, der das Recht hat, dem Landtag in EUAngelegenheiten Beschlussempfehlungen vorzulegen, und den der Landtag zu plenarersetzenden Beschlüssen ermächtigen kann, wird nunmehr geregelt, dass der plenarersetzende Beschluss im Ausschuss öffentlich zu beraten ist. Des Weiteren wird klargestellt, dass ein Be

schluss des Ausschusses auf Antrag nicht nur einer Fraktion, sondern von mindestens vier Mitgliedern des Landtages nachträglich vom Landtag aufgehoben werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, nach der Beschlussempfehlung soll auch eine Übergangsregelung für bereits laufende Volksbegehren eingeführt werden, da die mit der Änderung des Volksabstimmungsgesetzes verbundenen Fristen sowie die Verpflichtung zur Anzeige des Beginns der freien Unterschriftensammlung von bereits laufenden Volksbegehren naturgemäß nicht eingehalten werden können. Diese Übergangsregelung dient dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, wobei die Absenkung des Unterschriftenquorums und des Zustimmungsquorums auch für zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung laufende Volksbegehren gilt.

Sehr geehrte Damen und Herren, alle demokratischen Fraktionen haben sich im Ergebnis der Beratungen auf die vorliegende Beschlussempfehlung verständigt, sodass der Landtag heute über die Änderung der Landesverfassung auch abschließend beraten kann. Die beabsichtigten Verfassungsänderungen sind das Ergebnis einer offenen, sachorientierten und verantwortungsvoll geführten Diskussion. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten noch einmal herzlich bedanken.

(Udo Pastörs, NPD: Der demokratischen Fraktionen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Landesverfassung hat sich seit ihrem Bestehen bewährt. Es gibt nichts Grundlegendes an unserer Verfassung zu ändern, das heißt aber nicht, dass man sie nicht an der einen oder anderen Stelle immer mal wieder ein Stück verbessern kann. Eine Verfassung soll sowohl Verlässlichkeit wahren als auch gesellschaftlichem Wandel sowie politischen Entwicklungen Rechnung tragen. Dem kommen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nach. Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, dass wir mit der gemeinsam getragenen Änderung der Verfassung und insbesondere der Erleichterung direktdemokratischer Teilhabemöglichkeiten unsere parlamentarische Demokratie sinnvoll ergänzen und sie im Ergebnis auch stärken. Die SPD-Fraktion wird der Beschlussempfehlung zur Änderung unserer Verfassung aus vollster Überzeugung zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Drese.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selbst ganz einfache Überlegungen haben es schwer, in die trägen Hirne der etablierten Parteien vorzudringen.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Wenn man eine hohe Wahlbeteiligung will, dann sollte man den Wahltermin nicht unbedingt mitten in die Sommerferien oder unmittelbar nach den Sommerferien platzieren. Wenn sogar die sogenannte heiße Phase des Wahlkampfes in die Sommerferien fällt, in die letzten

zwei, drei Wochen, sind die Leute in Urlaubsstimmung oder gar verreist und der Wahlkampf wird kaum wahrgenommen. Obwohl das sonnenklar ist, so klar wie die Sonne über Mecklenburg-Vorpommern, wurde 2011 der Wahltermin auf den 4. September gelegt und fand damit auch noch 14 Tage früher statt als 2006. Man hat es also noch verschlimmert. Und auch damals hätte man die kostbare Verfassung schon ändern können, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Natürlich brach die Wahlbeteiligung ein, klar, am 4. September. Da haben alle rumgejammert. Wenn die Landesregierung das nicht gesehen hat, dann war sie nicht besonders hyperintelligent. Wahrscheinlicher als rechtschaffene Dummheit in diesem speziellen Fall ist aber böser Wille. Man wollte eine niedrige Wahlbeteiligung im Sinne von Merkels Konzept der asymmetrischen Mobilisierung. Nicht nur, dass wegen des Wahltermins der Wahlkampf in der Ferienzeit stattfand und von vielen ignoriert wurde, vorsätzlich haben SPD und CDU einen lahmen Schlaftablettenwahlkampf geführt – Stichwort „C wie Zukunft“.

(Torsten Renz, CDU: Der Spruch gilt auch heute noch.)

Ja, der ist doch toll, der darf nicht in Vergessenheit geraten.

Die Herren Sellering und Caffier haben sich nichts getan. Was Herr Caffier geführt hat, war kein Wahlkampf, das war ein Bewerbungsgespräch bei Sellering.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Das war das Langweiligste, was man je gesehen hat. Spekuliert wurde darauf, dass nach einem Wachkomawahlkampf nur die absoluten Stammwähler zur Wahl gehen würden, und man hoffte, dass das bei den kleinen Parteien nicht reichen würde, insbesondere bei der NPD, die man ja gern raus haben wollte. Das ging aber schief.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Damals haben sogar die Umfrageinstitute die Werte der NPD in der Woche davor noch kurz runtergesetzt, bis der Wähler sie dann hochgesetzt hat. Geklappt hat das nur bei der FDP. Das war natürlich dann Kollateralschaden. Nachdem das nun nicht funktioniert hat, fällt einem plötzlich die Demokratie ein, und plötzlich sagt man, man möchte höhere Wahlbeteiligung, weil man sich jetzt wohl was anderes einfallen lassen will. Ob das funktioniert, werden wir sehen.

Der Gesetzentwurf zielt auch auf die Schaffung eines Ausschusses für EU-Angelegenheiten mit Initiativrecht. Das ist rührend. Sie bilden sich in der Tat ein, Sie hätten in der EU irgendwas zu melden.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Leider sind Sie aber die einzigen begeisterten Europa- fantasten in der EU. Alle anderen – insbesondere völlig zu Recht unsere polnischen Nachbarn – vertreten knallhart nationale Interessen. Deutschland darf nur zahlen.

(Udo Pastörs, NPD: Ja, 15 Milliarden und mehr.)

Daran ändert auch dieser neue, komische Superausschuss nichts.

Schließlich sollen die Quoren bei Volksbegehren und Volksabstimmungen gesenkt werden. Ein Volksbegehren bedarf in Zukunft der Unterstützung von 100.000 statt 120.000 Wahlberechtigten. Das Zustimmungsquorum sinkt von einem Drittel auf ein Viertel. Das ist immer noch zu viel. Und für die freie Unterschriftensammlung gilt neuerdings dann eine Frist von fünf Monaten. 100.000 Unterschriften in fünf Monaten, das schaffen nur sehr gut organisierte, ressourcenreiche Gruppierungen. Für alle anderen stehen Volksbegehren und Volksabstimmung weiterhin nur auf dem Papier

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

und sind praktisch kaum zu machen.

Und, Herr Texter, Sie haben ja aus der Tatsache, dass ich bei dieser wahnsinnig wichtigen historischen Beratung nicht anwesend war, geschlossen, ich würde die Verfassung verachten.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Ich war nur an zwei Terminen des Rechtsausschusses nicht anwesend. Das eine Mal musste ich wählen zwischen einer Veranstaltung in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht und dem Rechtsausschuss.

(Jochen Schulte, SPD: Was war das denn für eine Veranstaltung? – Heiterkeit bei Stefanie Drese, SPD)

Da habe ich das Wichtigere gewählt, das werden Sie verstehen. Und das zweite Mal hatte ich eine Autopanne. Vielleicht haben ja Verfassungsfeinde das Auto sabotiert, damit ich da nicht teilnehmen konnte,

(Beifall und Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

damit auf diese Weise Verfassungsverachtung praktiziert wurde. Das habe ich dem Rechtsausschusssekretariat auch gemailt. Da hätten Sie sich mal erkundigen können.

Das ist also der Hintergrund der angeblichen Verfassungsverachtung der NPD. Auf dem Niveau war übrigens auch Ihr Verbotsantrag. – Vielen Dank.