Protocol of the Session on March 9, 2016

Wir haben sie in Deutschland nach der Souveränität zwischen Bund und Ländern geteilt. Das gilt natürlich auch für die Legislative. Wir werden irgendwann mitentscheiden müssen, aber doch nicht erst, wenn der Vertrag da ist.

(Udo Pastörs, NPD: Abnicken dürfen, nicht entscheiden.)

Ich habe größte Sympathie für den Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Wir haben das im Arbeitskreis auch diskutiert. Ich hatte trotzdem eine andere Meinung. Ich persönlich werde mich enthalten.

(Udo Pastörs, NPD: Oh!)

Das ist für mich eine Maximalforderung, die halte ich durchaus für richtig. Ich denke aber, gegenüber der EUKommission und den USA ist sie sowieso nicht durchsetzbar, wahrscheinlich auch rechtlich nicht.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Die nehmen sie nicht mal zur Kenntnis.)

Ich möchte weiter hoffen, so, wie es auf anderen Gebieten bei der SPD und CDU in den letzten Jahren der Fall war – dass Sie das heute ablehnen, das wussten wir –, dass Sie in Zukunft doch Ihre Position ändern werden und dann vielleicht von Ihnen dieser Antrag kommt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Eine gewisse Hoffnung haben wir.)

Wir würden ihm zustimmen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Rudolf Borchert, SPD)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5243 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Zugestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dagegen gestimmt haben die Fraktionen der SPD, CDU und NPD, es enthielt sich niemand. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5243 abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/5202 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Zugestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, dagegen stimmten die Fraktionen der SPD, CDU und NPD, es enthielt sich niemand. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/5202 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rücknahme der Feststellungsbescheide zur Neuordnung der Krankenhausstandorte Wolgast und Anklam, Drucksache 6/5130.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rücknahme der Feststellungsbescheide zur Neuordnung der Krankenhaus- standorte Wolgast und Anklam – Drucksache 6/5130 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Oha!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Unser Dringlichkeitsantrag von der letzten Landtagssitzung Ende Januar ist durch die Zurückweisung seiner Dringlichkeit mit den Stimmen der Koalition nun noch dringlicher geworden. Was ist seither geschehen?

Die Fachabteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus Wolgast blieb seit ihrer Schließung am 2. Januar geschlossen. Die Fachabteilung für Kinder- und Jugendmedizin im Kreiskrankenhaus Wolgast wurde zum 1. Februar geschlossen. Damit fehlen auf Usedom neuerdings alle Angebote der Gesundheitsversorgung in der Gynäkologie, der Neonatologie und der Pädiatrie. Stattdessen wurde am AMEOS Klinikum in Anklam eine Fachabteilung für Kinder- und Jugendmedizin eröffnet. Für Frauen, Mütter, neugeborene Kinder und Jugendliche wurden die Wege zu den Angeboten der stationären Gesundheitsversorgung, insbesondere für die Notfallversorgung, dadurch erheblich gestreckt. Gestern gab es ja die Übergabe der Unterschriften von der Bürgerinitiative. Es wurde wieder der Ort Karlshagen genannt. Wer sich dort auf den Weg macht und auf den ÖPNV oder den Schienenverkehr, also die Bahn, angewiesen ist, muss umsteigen und ist bis zu sechs Stunden unterwegs. Ich werde gleich darauf eingehen, wie brisant die Situation ist.

Schon in den fünf Wochen seither kam es offenbar aufgrund der weiten Anfahrtswege zu einigen kritischen

Situationen bei Notfällen. Das konnten wir mehrfach in der Presse lesen. Ich verweise auf die „Usedom-PeeneZeitung“ vom 29.02., das war im „Medienspiegel“ auf der Seite 28 im Teil 1. Da hat der Fall der 17-jährigen, also minderjährigen Mutter Laura Schlutt und ihrer erst einen Monat alten Tochter Pia am meisten Aufsehen erregt. Das ist auch beim letzten Mal schon diskutiert worden. In der Nacht zum 8. Februar 2016 wurde die minderjährige Mutter mit ihrer Neugeborenen aus der Notaufnahme im Kreiskrankenhaus Wolgast zunächst mit einem Transportschein in die Universitätsklinik Greifswald überwiesen. Nach der Behandlung dort schreckte die Mutter offenbar vor den Kosten der nächtlichen Notaufnahme zurück und wurde nach Mitternacht mit ihrem Kind ohne einen Transportschein für den Rückweg entlassen. Um 02.30 Uhr wurden Mutter und Kind von einer Polizeistreife aufgegriffen und verbrachten den Rest der Nacht bis zur Abfahrt des ersten Zuges nach Wolgast auf dem Polizeirevier. Ich denke, das sind viele Punkte – sie ist minderjährig –, die bei anderen Aspekten noch zu diskutieren sind, aber es ist schon ziemlich krass.

Keine zwei Wochen später musste Annett Jansch, eine 30-jährige Mutter aus Wolgast, eine ähnliche Erfahrung mit ihrem siebenjährigen Sohn Aeneas durchmachen. Mit Husten, Schnupfen, 39,5 Fieber muss sie ihr schon teilnahmsloses Kind trotz Medikamente in der Nacht zum Samstag, dem 20. Februar, aus Wolgast ins Uniklinikum Greifswald transportieren. Sie verfügt glücklicherweise über ein eigenes Fahrzeug. Auch das ist zu lesen im „Medienspiegel“ vom 24.02. im Teil 2 auf Seite 16.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das sind die bekannt gewordenen Fälle. Hoffen wir, dass andere Notsituationen ähnlich glimpflich ablaufen. Beide Familien kamen diesmal mit dem Schrecken davon und haben es zum Glück wohl heil überstanden.

(Udo Pastörs, NPD: Wohl heil!)

Aber die Lücken in der Akutversorgung, die wir befürchtet haben, sind nicht mehr zu leugnen. Das erkennt inzwischen auch die Landesregierung, ich zitiere: „Es ist klar, dass wir auf der Insel entsprechende Angebote machen müssen.“ Das hat Ministerin Hesse in der „Ostsee-Zeitung“ gesagt, und zwar am 29.02. Hoffentlich kommt diese Erkenntnis nicht zu spät. Nun wird bekannt, dass die abgebauten medizinischen Versorgungsangebote zumindest teilweise über Rehaeinrichtungen auf der Insel wiederaufgebaut werden sollen. Dafür laufen erste Gespräche unter anderem mit der Kassenärztlichen Vereinigung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welchen Sinn macht das denn? In diesem Hü und Hott erkenne ich kein Konzept für die Notfallversorgung. Auch unsere Eingabe in der Fragestunde des Landtages am 28. Januar und unsere Kleine Anfrage vom 18. Februar bringen uns da nicht weiter. Es gibt noch viel zu viele unbeantwortete Fragen. Wie sonst wollen Sie, Frau Ministerin und Herr Ministerpräsident, den Menschen erklären, was hier für widersinnige Entscheidungen getroffen wurden:

Warum wurde denn mit der Pädiatrie ausgerechnet die am besten laufende Abteilung in Wolgast, was sowohl die Bettenauslastung als auch die Patientenzahlen und den Case Mix Index, also die Erlössituation angeht, dichtgemacht?

(Julian Barlen, SPD: Haben Sie sich mit dem Fall mal beschäftigt?)

Warum wurde denn mit der Geburtshilfe am Krankenhaus Wolgast ausgerechnet eine der Abteilungen mit der niedrigsten Kaiserschnittrate Deutschlands aufgelöst? Mit 22,8 Prozent aller Geburten im Jahre 2010 lag Wolgast 10 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.

Warum wurden am Kreiskrankenhaus Wolgast Umstrukturierungen in der Zimmer- und Bettendisposition auf Kosten der Gynäkologie und Neonatologie vorgenommen? Warum wurden denn Spezialisten aus der Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus Wolgast an die Universitätsmedizin Greifswald abgeworben und im Laufe eines einzigen Jahres, nämlich 2015, zwei Chefärzte entlassen?

Warum wurde denn ausgerechnet die defizitär wirtschaftende Geriatrie in Wolgast erhalten und sogar noch ausgebaut?

Warum wurde denn eine in Anklam betriebene kinder- und jugendmedizinische Abteilung der Universitätsmedizin Greifswald geschlossen und zugleich am AMEOS Klinikum in Anklam eine Fachabteilung für Kinder- und Jugendmedizin wieder eröffnet?

Warum erhält denn die Universitätsklinik Greifswald trotz ihrer seit Jahren nicht abgebauten Überkapazitäten nun noch einmal einen Anbau für eine Notaufnahme für 20 Millionen Euro?

Warum wurde dem Greifswalder Universitätsklinikum nach der Ausschöpfung des bisherigen Kreditrahmens von 33 Millionen Euro bis auf 30,5 Millionen Euro Mitte Februar 2016 noch eine Erweiterung des Kreditrahmens durch die Landesregierung auf nunmehr 52 Millionen Euro durch die Finanzministerin bewilligt?

Wofür erhielt die Universitätsmedizin Greifswald als Betreiberin des Wolgaster Kreiskrankenhauses nach Ausscheiden ihrer gynäkologischen, neonatologischen und pädiatrischen Fachabteilung angeblich 5 Millionen Euro? Ist es die Schließungsprämie? Wurde diese aus dem Sonderfonds des Sozialministeriums bezahlt oder woher?

Der Eindruck, der sich den Menschen vor Ort, den Angestellten, den Patienten, der lokalen Verwaltung und den örtlichen Arbeitgebern, die sich in einer Bürgerinitiative für den Erhalt der praxisbewährten Strukturen am Kreiskrankenhaus Wolgast und deren Weiterentwicklung engagieren, aufdrängt, dieser Eindruck, dem auch ich mich nicht entziehen kann, ist der, dass mit der Übernahme des Wolgaster Kreiskrankenhauses durch das Universitätsklinikum Greifswald vor Jahren schon eine mittlere Versorgungsstruktur zerschlagen werden sollte und nun regelrecht gegen die Wand gefahren wird, um eine benachbarte überdimensionierte Großstruktur zu retten.

„Too big to fail“, „zu groß, um zu scheitern“ – das kann nicht die Leitlinie unserer Gesundheitspolitik sein. Dabei fehlt es nicht an Alternativen. In der Enquetekommission haben wir uns fraktionsübergreifend auf eine integrierte, regionalisierte und partizipative gesundheitliche Versorgungsplanung und auf mehrere Modelle für die medizinische Grund-, Regel- und Maximalversorgung geeinigt. Frauenheilkunde, Geburtshilfe sowie die Kinder- und

Jugendmedizin gehören mindestens zu einer Regelversorgung, die wir in diesem Land am Kreiskrankenhaus eines Mittelzentrums wie Wolgast erwarten dürfen und bereitstellen müssen. Es wurden hier die Hebammen geführten Kreißsäle, die interdisziplinären Geburtshäuser mit Elternberatung und Kinderversorgung diskutiert. Warum geht man nicht diesen Weg, wo man hört, dass so viel Geld in den letzten Jahren und jetzt gerade wieder hier umgesetzt wurde? Die 19.096 Unterschriften, die die Bürgerinitiative für den Erhalt des Kreiskrankenhauses Wolgast in nur acht Wochen – in nur acht Wochen! – gesammelt hat, sprechen da eine deutliche Sprache.

Der Landtag muss sich jetzt mit diesen offenen Fragen befassen und der Landtag muss sich zur zukünftigen Versorgungslandschaft im selbsternannten Gesundheitsland Nummer eins bekennen. Die aktuell von der Landesregierung gegen den Enquetekonsens aktiv geförderte Kannibalisierung kleinerer und mittlerer Krankenhäuser durch die Großkliniken darf im Land keine Schule machen. Um funktionierende Strukturen der Flächenversorgung nicht noch weiter zu zerstören

(Julian Barlen, SPD: Sind beide Standorte erhalten worden?)

und eine weitere Konzentration der Krankenhauslandschaft zu verhindern, bitten wir um Annahme unseres Antrages. Wohlgemerkt, es geht hier nicht darum, die Krankenhäuser im Landkreis Vorpommern-Greifswald gegeneinander auszuspielen,

(Torsten Renz, CDU: Sondern?)

im Gegenteil.

(Torsten Renz, CDU: Sondern?)

Denn das geschieht doch schon längst durch Ihre Politik.

(allgemeine Unruhe – Heinz Müller, SPD: Im Gegenteil, oh nein! – Zuruf von Julian Barlen, SPD)

Endlich aufgewacht?!

(Heinz Müller, SPD: Sie sind doch grundsätzlich die Guten. – Die Abgeordnete Silke Gajek stößt gegen das Wasserglas.)

Huch! Nicht schon wieder, ne?!