Es geht heute nicht darum, irgendjemandem die Schuld in die Schuhe zu schieben. Dass diese Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer derart angestiegen ist, konnte keiner absehen.
(Udo Pastörs, NPD: Wie können Sie überhaupt das Wort „Ausländer“ in den Mund nehmen? Das ist doch ausländerfeindlich.)
Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Situation. Seit dem letzten Jahr, insbesondere im letzten Monat, ist die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer erheblich angestiegen. Waren es 2013 noch 21 unbegleitete minderjährige Ausländer in ganz Mecklenburg-Vor- pommern,
waren es 2014 schon 64 und 2015 gab es insbesondere im September nochmals eine drastische Erhöhung auf 405 unbegleitete minderjährige Ausländer.
Allerdings müssen wir darüber reden, wie es weitergeht. Niemand darf in dieser Situation alleingelassen werden.
Ein koordiniertes und gemeinsames Handeln, so, wie es hier von allen Vorrednern, bis auf den von der NPD, angemahnt wurde, ist, denke ich, notwendig. Aber das ist genau der Punkt, wo wir noch Verbesserungen sehen. Auf jeder Ebene gibt es zwar eine Arbeitsgruppe, so scheint es, aber eine koordinierte Zusammenarbeit, so scheint mir, ist noch im unzureichenden Maße vorhanden, um die Situation der unbegleiteten minderjährigen Ausländer spürbar zu verbessern.
In Gesprächen höre ich seitens des Sozialministeriums, dass dafür die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig sind. Konkret hatte ich nach der Altersfeststellung, nach dem Gesundheitscheck und einigen Vorgängen zur Übergabe der unbegleiteten minderjährigen Ausländer nachgefragt. Und da sind mir die Antworten einfach zu dürftig. Mir ist sehr wohl bewusst, dass nach Paragraf 42 SGB VIII das Jugendamt zuständig ist, wo sich der Jugendliche tatsächlich aufhält.
Durch das Erstaufnahmelager Horst war ein Landkreis schon immer besonders betroffen, nämlich der Landkreis Ludwigslust-Parchim. Er wurde, so mein Kenntnisstand der letzten Monate, mit dieser Aufgabe alleinegelassen – ich denke, als Jugendhilfeausschussvorsitzende kann ich das beurteilen –, alleingelassen, statt gemeinsam, als er sich hilfesuchend an andere Landkreise und kreisfreie Städte wandte, um die Kinder und Jugendlichen in geeigneten Einrichtungen unterzubringen. Der Landkreis ist schon seit dem zweiten Quartal an seine Kapazitätsgrenzen gekommen. Es ist eben nicht einfach von heute auf morgen getan, innerhalb eines Monats 100 neue Inobhutnahmeplätze für Kinder und Jugendliche zu schaffen.
Alleingelassen, statt gemeinsam Lösungen zu suchen, wurden auch die Amtsvormünder im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Anstatt der 50 Vormundschaften, die normalerweise von einem Amtsvormund im Monat geleistet werden sollen, waren es in Ludwigslust-Parchim mal ganz schnell bis zu 80 Fälle pro Monat.
Es ist den Mitarbeitern vor Ort gar nicht genug zu danken für ihr Engagement, dass sie alles tun, um ihrer Aufgabe nachzukommen. Dafür unser herzlicher Dank!
Genau hier ist das Land aus meiner Sicht seiner Verantwortung auch nur unzureichend nachgekommen, denn nach Paragraf 82 SGB VIII haben die Länder auf einen gleichmäßigen Ausbau der Einrichtungen und Angebote hinzuwirken. Genau aber diese Unterstützung konnte ich bisher nur unzureichend vernehmen. Da war zu hören:
Wir sind nicht zuständig. Besser funktionierte es da mit dem Innenministerium. Anfragen mit Missständen wurden relativ schnell aufgegriffen und behoben. Ich denke und habe es selber gesehen, es geht, wenn man will.
Ich würde mir wünschen, dass die Kommunikation verbessert wird und dass auch das unterstützenswerte geplante Modellprojekt wie das der Vereinsvormünder schnellstmöglich vorangetrieben wird, um bei den Amtsvormündern in den Landkreisen und kreisfreien Städten für Entlastung zu sorgen.
Zudem haben andere Länder bewiesen, dass sie Verantwortung übernehmen wollen, nicht nur, was die Aufnahme und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern betrifft, sondern insbesondere deren Integration. Sie haben Landeskonzepte erarbeitet. Und genau das ist es, was wir gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen. Entwickeln Sie ein Landeskonzept von der Aufnahme bis zur Integration von unbegleiteten minderjährigen Ausländern! Denn was die Kommunen zur Unterstützung bedürfen, sind landesweite Standards beziehungsweise Verfahrenswege – vom Clearingverfahren über die Altersfeststellung bis hin zur Integration. Bei all diesen Standards muss immer das Kindeswohl im Vordergrund stehen.
Im Übrigen sind nicht nur BÜNDNIS 90 und DIE LINKE für dieses Landeskonzept, sondern Frau Gajek betonte es vorhin und erwähnte es, dass selbst der Landkreistag, also die Vertretung der Landkreise, ein Landeskonzept beziehungsweise ein Landesausführungskonzept fordert, um hier Orientierung zu erhalten und sich nicht auch noch um die Standards kümmern zu müssen, sondern um die wirklichen Aufgaben vor Ort.
Aber auch Fragen wie, was geschieht, wenn der unbegleitete minderjährige Ausländer 18 Jahre wird, Fragen wie, wer bezahlt das alles, Fragen nach der neuen Rechtslage ab dem 1. November 2015 und was Knotenpunktjugendämter sind, Fragen, wie die Jugendlichen, die in den ersten zehn Tagen in den Knotenpunktjugendämtern ankommen, auf die Verteilquote der Jugendämter angerechnet werden, Fragen nach dem Danach, das heißt, ob unbegleitete minderjährige Ausländer von ihren Verwandten getrennt werden oder nicht, obwohl doch das Kindeswohl im Vordergrund stehen sollte, all das muss zeitnah geklärt werden.
Die provisorischen Unterbringungen müssen anhand der Vorgaben des SGB VIII schnellstmöglich normalisiert werden, sodass sie den Vorgaben des Kinder- und Jugendhilferechts entsprechen. Landkreise und kreisfreie Städte, die bisher kaum unbegleitete minderjährige Ausländer zu betreuen hatten, sind bei der erhöhten Aufnahme von Kindern und Jugendlichen zu beraten und zu unterstützen, gerade auch mit Blick auf das zum 01.11.2015 in Kraft tretende Gesetz zur Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Die Kinder- und Jugendhilfe ist insgesamt zu stärken und auszubauen und auf die unbegleiteten minderjährigen Ausländer vorzubereiten, damit sie ihren allgemeinen und vielfältigen Aufgaben in der gesamten Bandbreite nachkommen kann und genügend Plätze nach Maßgabe des SGB VIII für alle Kinder und Jugendlichen vorhalten kann.
Bei der Bewältigung der Aufgaben wird MecklenburgVorpommern erfreulicherweise auch seitens des Bundes mit finanziellen Mitteln unterstützt. Von 350 Millionen Euro
ist bei dem Flüchtlingsgipfel gesprochen worden. Nach dem Königsteiner Schlüssel bedeutet das für Mecklenburg-Vorpommern 9,8 Millionen Euro pro Jahr für die unbegleiteten minderjährigen Ausländer. In entsprechenden Vereinbarungen ist schnellstmöglich sicherzustellen, dass diese Mittel auch rasch an die Kommunen weitergeleitet werden.
Sie sehen, es gibt genug zu tun. Ich bin auf Ihre Empfehlungen, Frau Ministerin Hesse, gespannt, dass sie einige dieser Fragen auch aufgreifen. Ich kann es aber erst mal nur begrüßen, dass das angegangen wird und so die Landkreise, kreisfreien Städte und das Land insgesamt gemeinsam bei der Bewältigung der Herausforderungen bezüglich der unbegleiteten minderjährigen Ausländer zusammenwirken. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, ich möchte doch noch mal hier vorne etwas loswerden.
sondern ganz ruhig dargestellt, wie die Situation ist. Wir wissen alle, gerade die, die jahrelang in Jugendhilfeausschüssen gesessen haben,
nämlich dass seit Jahren gerade beim Personal im Jugendamt gespart wurde. Es ist natürlich die Frage: Wie können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort dieser Aufgabe gerecht werden? Die Aussprache sollte dazu genutzt werden, hier zu informieren, den Sachstand abzufragen und natürlich den Nazis kein Podium zu geben, sondern …
Es wird ein Papier von der Ministerin geben oder das Papier, was es gibt, das bekommen wir. Das ist erst mal wichtig. Ich denke, wir sollten aus diesem Reagieren raus. Das sollte auch Impuls für diese Aussprache sein.
Wir haben schon Anfang des Jahres darüber diskutiert, dass mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen. Und nun, Frau Kaselitz, zu sagen, ja, das sieht in
anderen Ländern anders aus, ja natürlich. Aber wir können auch von anderen Ländern lernen. Ich denke, wir sollten nicht weiter verwalten, sondern wir sollten gestalten.
Das wünsche ich mir in diesem Bereich, denn die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sind nicht nur drei Wochen in der Inobhutnahme, sondern sie gehen danach in die Jugendämter, das heißt, sie durchlaufen ein Verfahren der Jugendhilfeplanung. Wo gehen sie hin? Welche Schule besuchen sie? Gibt es dort eine Berufsschule? Also das ist ein breites Feld.
Unser Land ist sehr groß und wir wissen, dass es doch sehr unterschiedlich im Land aussieht. Ich werbe nach wie vor für das Landeskonzept und danke für die Aufmerksamkeit.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 27: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Rauchverbot in Kraftfahrzeugen – wenn Kinder mitfahren!, Drucksache 6/4594.